Übersichtsarbeiten - OUP 01/2022

Schulterarthrose
Wie erzielen wir mit der anatomischen Schulterendoprothese oder auch mit konservativen und arthroskopischen gelenkerhaltenden Optionen optimale Ergebnisse?

Lars Victor von Engelhardt, Jörg Jerosch

CME

1

Punkt

Lernziele:

Ursachen, das vielschichtige klinische Bild der Omarthrose sowie die relevanten Klassifikationen und Gradeinteilungen werden dargestellt.

Die Möglichkeiten und der Nutzen unterschiedlicher konservativer Therapieansätze werden anhand der aktuellen Literatur erörtert.

Indikationen, technische Aspekte und aktuelle Erfolgsprognosen der sehr individuellen gelenkerhaltenden, arthroskopischen Therapie sowie einer endoprothetischen Versorgung werden erläutert.

Zusammenfassung:
Die Omarthrose zeigt ein vielschichtiges klinisches Bild. Die Therapiemöglichkeiten sind nicht minder vielfältig. Je nach den erhobenen Befunden zeigen rein konservative u./o. arthroskopische gelenkerhaltende Therapieoptionen sehr gute Ergebnisse. Auch die endoprothetische Versorgung bedarf, um optimale Ergebnisse zu erlangen, einer sehr individuellen Versorgung. Somit zeichnet sich die Therapie der Omarthrose durch ein Spannungsfeld aus, bei dem Wissen und Erfahrung wertvoll sind.

Schlüsselwörter:
Omarthrose, Comprehensive arthroscopic management (CAM) procedure, Konservative Therapie, Glenoidmorphologie, Schulterprothese

Zitierweise:
von Engelhardt LV, Jerosch J: Schulterarthrose. Wie erzielen wir mit der anatomischen Schulterendoprothese oder auch mit konservativen und arthroskopischen gelenkerhaltenden Optionen optimale Ergebnisse?
OUP 2022; 11: 33–43
DOI 10.53180/oup.2022.0033-0043

Summary: Omarthrosis has a complex clinical appearance. Therapy options are no less diverse. Depending on the findings, conservative and/or arthroscopic joint-preserving treatment options show very good results. In order to achieve optimal results, the endoprosthetic surgery requires an individual surgical procedure. Thus, the therapy of omarthrosis is characterized by a diverse field in which sustained knowledge and experience are valuable.

Keywords: Shoulder osteoarthritis, CAM procedure, conservative treatment, glenoid morphology, shoulder arthroplasty

Citation: von Engelhardt LV, Jerosch J: Omarthrosis. How do we achieve optimal results with anatomical shoulder endoprostheses or with conservative and arthroscopic joint-preserving treatment modalities?
OUP 202; 11: 33–43. DOI 10.53180/oup.2022.0033-0043

Lars Victor von Engelhardt: Fakultät für Gesundheit, Private Universität Witten/Herdecke

Jörg Jerosch: Wissenschaftsbüro, Grabenstr. 11, 40667 Meerbusch

Ursachen und Erscheinungsbilder einer Omarthrose

Anhaltende Schulterschmerzen beeinträchtigen die Aktivitäten des Alltags und haben einen signifikanten Einfluss auf die Lebensqualität und die Psyche des Patienten. Das Spektrum reicht von Schmerzepisoden und Verstimmungen bis hin zu psychosozialen Problemen, Schlafstörungen und Depressionen [54, 86]. Nach den Total- und Partialrupturen der Rotatorenmanschette, die die weitaus häufigsten Auslöser chronischer Schulterschmerzen darstellen, ist die Omarthrose eine weitere häufige Ursache. Die Omarthrose wird als primär oder idiopathisch und weniger häufig als sekundär beschrieben. Die primäre Form ist multifaktoriell, wobei ein Mosaik an Störungen, bspw. im Bereich der Zelldi?erenzierung, der Genexpression und des Stoffwechsels zur Freisetzung von Zytokinen und Entzündungsmediatoren eine Degeneration des Gelenkknorpels nach sich zieht. Auch wird eine genetische und eine metabolische Prädisposition beschrieben [9, 45, 90].

Durch die gestörte Funktion und den Knorpelabbau der Gelenkfläche reagiert der subchondrale Knochen mit Sklerosierungen und Zystenbildung (Abb. 1). Die Synovia zeigt einen chronischen Entzündungsprozess. Im Weiteren findet sich das Bild einer fibrösen, adhäsiven Entzündung mit entsprechenden Bewegungslimitierungen und Schmerzen. Bildgebend zeigen sich dann oft Osteophyten, Deformierungen und Überbauungen der Gelenk?ächen (Abb. 2–3). Zusätzlich finden sich oft freie artikuläre, knorpelige Gelenkkörper, die dann im kaudalen Gelenkrecessus rund um das Glenoid und unterhalb des Korakoides zu finden sind [2, 98]. Ursachen sekundärer Arthrosen sind Humeruskopfnekrosen, chronische Instabilitäten im Glenohumeralgelenk, Infekte, Traumata, Erkrankungen des Immunsystems wie die rheumatoide Arthritis etc. [77]. Eine besondere Gruppe sekundärer Arthrosen sind die postoperativen Instabilitätsarthrosen. Hier findet sich eine vermehrte Translation nach dorsal. Dies findet sich meist als chronische Instabilität oder in Folge ungeeigneter bzw. nicht-anatomischer knöcherner und weichteiliger Stabilisierungsoperationen [87]. Die vermehrte hintere Translation des Humeruskopfes führt leider erst nach einem längeren stummen Intervall zu einem konsekutiven hinteren Knorpel- und Pfannenabrieb. Kommt es zu Beschwerden, zeigt sich häufig ein Knochenabrieb am dorsalen Glenoid.

Patrick Denard und Gilles Walch haben diese Form einer sekundären Arthrose in Folge einer chronischen dorsalen Instabilität beschrieben und als Typ B1 und B2 Glenoid klassifiziert (Abb. 2). Später kam noch Typ B3 hinzu, bei dem durch eine Retroversion des Glenoides eine zunehmende Dezentrierung des Humerus nach dorsal besteht. Der Typ C entsteht durch ein dysplastisch angelegtes Glenoid. Der wiederum später hinzugekommene Typ D entsteht durch eine Subluxation des Humeruskopfes nach anterior, wodurch es ventral zu einem Knochenverlust bzw. eine Anteversion des Glenoides kommt [10]. Die Klassifikation der Omarthrose nach Walch mit ihrer Erweiterung nach Bercik ist sicherlich die weitläufigste Klassifikation zur Einteilung der axialen Glenoidmorphologie. Hierbei werden letztlich zentrierte A-Typen von dezentrierten B- und D-Typen und einem vglw. seltenen dysplastischen C-Typ unterschieden (Abb. 2) [16].

Die übliche Bildgebung umfasst ein true a.-p. und axiales Röntgen (Abb. 3) sowie häufig auch eine Y-Aufnahme. Typisch sind osteophytäre Ausziehungen am Unterrand des Humeruskopfes und teilweise am Glenoid. Insbesondere diese kaudalen Überbauten sind von Interesse, weil diese signifikant mit der Ausprägung der eingeschränkten Gelenkfunktion korrelieren [40]. Daher wundert es auch nicht, dass die Ausprägung des Osteophyten an der humeralen Seite im konventionellen Röntgen zur Gradeinteilung einer Omarthrose verwendet wird. Die häufigste Gradeinteilung ist dabei die Klassifikation nach Samilson. Hierbei bestimmt schlichtweg die Größe dieser inferioren osteophytären Ausziehung den Arthrosegrad. Grad I, die milde Arthrose, liegt vor, wenn die Größe < 0,3 cm entspricht. Grad II ist eine moderate Arthrose, die Größe misst 0,5–0,7 cm. Beim Grad III, der schweren Arthrose, misst der inferiore humerale Osteophyt mehr als 0,7 cm (Abb. 1) [75].

Eigentlich basiert die primäre Schulterarthrose definitionsgemäß auf einer intraartikulären Pathophysiologie, bei der die Rotatorenmanschette oft nicht geschädigt ist. Dennoch ist die Komorbidität von Rupturen der Rotatorenmanschette und von degenerativen Gelenkveränderungen keineswegs selten. So finden sich bei Schäden an der Rotatorenmanschette auch arthrotische Veränderungen im Glenohumeralgelenk mit Häufigkeiten zwischen > 10 % und > 30 % [36, 54]. Neben dem Risiko zunehmender Schadensbilder an der Rotatorenmanschette, der Entwicklung fettiger Muskelatrophien sowie Funktionsverschlechterungen der Schulter wurde sogar bei geringen asymptomatischen degenerativen Rupturen oder Teilrupturen gegenüber einer Kontrollgruppe ein signifikantes Fortschreiten arthrotischer Veränderungen nachgewiesen. Ursächlich hierfür ist v.a. eine zunehmende Dezentrierung der Gelenkführung, die zu unphysiologischen Druckverteilungen beider Gelenkpartner führt [13, 34, 39]. Zudem zeigte bspw. eine arthrographische Verlaufsstudie mit 40 Partialläsionen der Supraspinatussehne nach einer konservativen Therapie von ca. einem Jahr in über der Hälfte der Fälle eine Ausdehnung der Ruptur und in 28 % der Fälle ein Fortschreiten der Rissbildung zu einem kompletten Abriss der Sehne (Totalruptur) [94].

Entsprechend zweier Studien aus den Jahren 2019 und 2020 findet sich nach einer arthroskopischen Rotatorenmanschettenrekonstruktion bei Vorliegen einer Omarthrose ein ebenso gutes Outcome wie bei Patienten nach einer Rekonstruktion, allerdings ohne entsprechende arthrotische Veränderungen. Darüber hinaus ist v.a. bei kleinen und mittelgroßen Schäden der Rotatorenmanschette sowohl hinsichtlich des Outcomes, v.a. aber hinsichtlich der Arthrose- und Rupturprogression, ein gutes Ergebnis zu erwarten [32, 36]. Somit scheint die Naht nicht nur zur Beseitigung von Schmerzen und funktionellen Einschränkungen, sondern auch zur Wiederherstellung eines zentrierten Gelenkes mit balancierten Kraftvektoren sowie hinsichtlich einer Progredienz der Gelenkschäden überaus wertvoll zu sein. Sicherlich bleiben degenerative Gelenkveränderungen weiterhin ein prognostisch nicht gerade günstiger Faktor für das Outcome arthroskopischer, rekonstruktiver Maßnahmen am Schultergelenk. Dennoch zeigen diese beiden Studien recht eindrucksvoll, wie effektiv eine arthroskopische Rekonstruktion der Rotatorenmanschette auch in diesem Patientengut mit arthrotischen Gelenkveränderungen ist. Darüber hinaus zeigen die Daten, dass bei arthrotischen Veränderungen ein Hinauszögern von arthroskopischen Maßnahmen bis zur Notwendigkeit einer Endoprothese nicht für jeden Patienten die beste Lösung darstellt. Logischerweise sollte, sofern an eine gelenkerhaltende Maßnahme einer sekundären Arthrose zu denken ist, die Ursache entsprechend adressiert werden. Nur so kann ein Voranschreiten der Gelenkschäden effektiv verhindert werden. Bei der glenohumeralen Arthrose sind die Optionen konservativer Maßnahmen u./o. eines zusätzlichen arthroskopischen Managements sowie die Möglichkeiten zum Erzielen einer optimalen endoprothetischen Versorgung vielfältig. Oft ist es nicht einfach und in jedem Fall eine sehr individuelle Entscheidung, welches Verfahren für welchen Patienten geeignet ist.

Konservative Therapie der Omarthrose

Die Omarthrose ist klinisch ein Mischbild mit zunehmenden Schmerzen, einer zunehmenden Schultersteife mit der Unfähigkeit, die Schulter nach außen zu rotieren oder Überkopfaktivitäten auszuführen. Besonders gestört ist die Lebensqualität, wenn Ein- und Durchschlafstörungen hinzukommen und somit die psychosoziale Gesundheit angegriffen ist [52, 85]. Effektive Angriffspunkte einer konservativen Therapie lassen sich anhand dieser Symptome gut ableiten. So beinhaltet die Therapie eine Anpassung des Aktivitätsniveaus des Patienten an die Beschwerden und physiotherapeutische Maßnahmen. Insbesondere die Manualtherapie und die Krankengymnastik dienen der Aufrechterhaltung der Beweglichkeit und einer Zentrierung des Schultergelenks. Auch physikalische Anwendungen mit Wärme, Elektrotherapie etc. sind eine sinnvolle Ergänzung. Wesentlich ist ein multimodales Vorgehen. So wurden bspw. für die Manualtherapie, physikalische Maßnahmen u./o. Physiotherapie in Kombination mit Analgetika- u./o. Injektionstherapien bessere Ergebnisse beschrieben als für alleinige analgetische Therapien. Wichtig ist, dass die behandelnden Therapeuten und Ärzte bei der Erstellung eines Behandlungsplans für die Omarthrose die unterschiedlichen Ansprüche, den Leidensdruck und auch die physiologische und psychische Belastbarkeit des Patienten berücksichtigen [28]. Zur physiotherapeutischen Behandlung der Omarthrose sind nur wenige Studien vorhanden [48]. In der Initialbehandlung ist eine gezielte, individuelle Physiotherapie sicherlich stets ein sinnvoller erster Therapieansatz. Anhand der hiermit ggf. erzielten Schmerzreduktion sowie Verbesserung der Gelenkfunktion kann dann über weitere Maßnahmen entschieden werden. Finden sich anhaltende Schmerzen, so zeigt die medikamentöse Therapie aufgrund der chronisch entzündlichen Komponente der Omarthrose insbesondere mit Acetaminophen (Paracetamol) und nichtsteroidale Antirheumatika gute Ergebnisse. Paracetamol wirkt über eine Hemmung der Prostaglandinsynthese analgetisch und antiphlogistisch, zudem treten vglw. selten Nebenwirkungen auf. Insbesondere bei moderaten Arthroseschmerzen ist Paracetamol nach mehreren placebokontrollierten Studien sowie diverser Fachgruppenempfehlungen bei eher mäßigen Schmerzen als Mittel der 1. Wahl anzusehen. Bei zunehmender Schmerzsymptomatik können kurzzeitig nichtsteroidale Antiphlogistika und in Ausnahmefällen niedrigpotente Opioide verordnet werden [57]. Zu beachten ist jedoch das Spektrum von Nebenwirkungen, v.a. hinsichtlich gastrointestinaler und kardiovaskulärer Komplikationen. Die COX-2-Hemmer werden bzgl. gastrointestinaler Nebenwirkungen besser vertragen, weshalb diese bei über 65-Jährigen und vorhandenem Risikoprofil für eine Kurzeitmedikation eher geeignet sind. Kontraindikationen hierfür sind Durchblutungsstörungen, der Zustand nach einem Schlaganfall etc. [99]. Intraartikuläre Injektionen mit Kortikosteroiden u./o. Hyalaten sind an der Schulter anerkannt. Ein größerer Reviewartikel und auch eine größere prospektiv randomisierte Studie zeigten, dass Hyalate gegenüber den Kortikosteroiden auf die Schmerzen und die Funktion eine stärkere und lang anhaltendere Wirkung von bis zu einem halben Jahr aufweisen. Die Wirkung von Kortikosteroiden liegt hingegen nur in Bereichen von etwa 1 Monat [15, 53]. Darüber hinaus zeigte eine placebokontrollierte Studie unter Hyalatinjektionen signifikante funktionelle Verbesserungen sowohl für die aktive Elevation als auch für die Außenrotation der Schulter [17].

Zu einer Injektionstherapie mit thrombozytenreichem Plasma (PRP) gibt es aktuell bei der Knie- und Hüftarthrose große randomisierte Studien mit meist guten Ergebnissen, wobei das sich PRP auch in einem Zeitfenster über 6 Monate hinaus als langfristig wirksam erweist [18]. Spannend sind zudem Daten, wonach insbesondere die Kombination aus PRP und Hyalaten aufgrund synergistischer Effekte besonders gute klinische Ergebnisse aufweist [6, 25]. Darüber empfehlen einige Autoren bei Schäden am Gelenkknorpel die Gabe von PRP, um die Therapieerfolge einer gelenkerhaltenden Hüft- oder Kniearthroskopie bzw. Umstellungsosteotomie zu optimieren [46, 68]. Leider gibt es zu den Injektionstherapien mit PRP bei der Omarthrose, alleinig oder in Kombination mit gelenkerhaltenden Verfahren, noch keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Untersuchungen. Dennoch sind auch an der Schulter gute Ergebnisse zu vermuten [30].

Bzgl. der Injektionstechniken ist zu bemerken, dass eine sichere intraartikuläre Verabreichung mit Erfolgsraten von ca. 30–50 % nicht unbedingt selbstverständlich ist [78]. Daher ist es wichtig zu wissen, dass Techniken, die einen ventralen Zugang verwenden, gegenüber dorsalen Zugangstechniken überlegen sind. Zudem bedarf es Erfahrung sowie standardisierter Techniken unter sorgfältiger Palpation der Landmarken. Ist dies erfüllt, so liegt die Trefferquote bei den anterioren Injektionen bei über 93 %. Die anterioren Techniken erfolgen dabei mit einem Einstich ca. 1,5 cm lateral des Korakoides bzw. unterhalb des Schultereckgelenkes, die Stichrichtung ist in einem Winkel von ca. 45° zum Glenoid hin gerichtet [41, 73]. Ähnlich hohe Trefferquoten wurden auch mittels ultraschallgesteuerter Injektionstechniken beschrieben, wobei sich auch hier mit dem vorderen Zugang schnellere und sichere Ergebnisse erzielen ließen [74].

Gelenkerhaltende, arthroskopische Therapie der Omarthrose

Schon Mitte der 90er Jahre berichtete Ogilvie-Harris in Toronto bei 54 Patienten mit einer Omarthrose von guten 3 Jahres-Ergebnissen nach einem arthroskopischen Debridement [65]. Diese grundlegende Idee einer arthroskopischen, gelenkerhaltenden Therapie des Schultergelenkes hat sich seither weiterentwickelt, so dass sich eine effektive gelenkerhaltende arthroskopische Operation mittlerweile durch ein komplexes und nicht minder individuell anzugehendes Mosaik unterschiedlicher arthroskopischer Maßnahmen auszeichnet. Ziel ist es, neben dem Debridement der Gelenkflächen, ggf. begleitend bestehende klinisch relevante Begleitpathologien des arthrotisch veränderten Schultergelenkes zu adressieren. Die jeweilig durchzuführenden Maßnahmen richten sich dabei auf die individuell sehr unterschiedlichen strukturellen Schäden bzw. Veränderungen sowohl im Gelenk selbst als auch im Bereich der betroffenen periartikulären Strukturen. Von einem einfachen Debridement als pauschale Minimalmaßnahme haben wir uns somit weit entfernt.

Erstmalig vorgestellt wurden multimodale Operationskonzepte der glenohumeralen Arthrose durch Peter Millet, einem Knie-, Schulter- und Ellenbogenchirurgen aus Vail, Colorado. Er hat diese Verfahren unter dem Begriff “Comprehensive Arthroscopic Management“ (CAM) firmiert und in diversen wissenschaftlichen Studien deren klinische Wirksamkeit untersucht [56, 59]. Kernpunkte dieser vglw. umfassenden arthroskopischen Operationen sind das Débridement und die Chondroplastik der glenohumeralen Gelenkflächen, die Entfernung freier Gelenkkörper, sofern diese vorliegen, und die Arthrolyse mit einem anterioren und posterioren kapsulären 360°-Release. Auch einschränkende inferiore humerale Osteophyten werden entfernt, sofern sie die Beweglichkeit beschränken. Darüber hinaus erfolgt befundabhängig eine Synovialektomie, eine subakromiale Bursektomie und befundabhängig ggf. eine Dekompression mit Akromioplastik. Bei entsprechender Symptomatik erfolgt zudem eine Resektion der lateralen Klavikula. Darüber hinaus erfolgt bei klinischer Relevanz neben der Dekompression von Osteophyten am inferioren Humerus auch die transkapsuläre Neurolyse mit Release des N. axillaris. Bei einer symptomatischen Bicepssehne erfolgt evtl. die Tenodese oder Tenotomie der langen Bizepssehne. Ist das korakohumerale Intervall eingeengt, sind eine Dekompression und Plastik der Korakoidspitze und der Korakoid-Rückfläche empfehlenswert. Dadurch wird der Raum unterhalb und dorsal des Korakoides effektiv erweitert. Die Grenzwerte zur Indikation einer Korakoidplastik liegen bei Frauen und Männern bei Einengungen auf < 8 bzw. > 10 mm [55, 56, 62]. Entsprechend der aktuellen Datenlage zu dem klinischen Nutzen der arthroskopischen Rotatorenmanschettenrekonstruktion bei Vorliegen einer Omarthrose erfolgen in unseren Händen auch mögliche schonende Nahttechniken zur Versorgung der Sehnenrisse [32, 36].

Bei richtiger Indikationsstellung haben solche komplexen Konzepte sowohl im mittelfristigen als auch im langfristigen Follow-up sehr gute klinische Ergebnisse [8, 59, 60]. So ist es logisch, dass ein Omarthrosepatient mit einer ausgeprägten Bicepssehensymptomatik anders angegangen wird als ein Patient mit einer vorrangigen Steife der Schulter. Entsprechend der Studienlage erlauben es diese sehr sicheren und schonenden arthroskopischen Verfahren die Endoprothese um viele Jahre hinauszuzögern. Ist im weiteren Verlauf eine Schulterendoprothese notwendig, so sind die klinischen Ergebnisse ebenso erfolgreich wie bei den Patienten, bei denen direkt eine Endoprothese implantiert wurde [64].

Diese Kombination arthroskopischer Eingriffe ist trotz der vielen OP-Schritte sicher und schonend durchführbar. In unseren Händen erfolgt eine solche Operation in Beach-chair-Position. Die Beweglichkeit wird initial nochmals beurteilt, um den Erfolg der weichteiligen und ggf. knöchernen Arthrolyse zu überprüfen. Der diagnostische Rundgang umfasst die glenohumeralen Gelenkflächen, die Kapselstrukturen, die Bicepssehne und die Ansätze der Rotatorenmanschette. Finden sich subkorakoidal oder im inferioren Recessus freie Gelenkkörper, werden diese entfernt. Anschließend erfolgt von ventral das Debridement inkl. einer Glättung instabiler Gelenkflächenanteile. Bei einer Chondroplastik erfolgt diese bei uns nur bis auf die subchondrale Knochenlamelle. Wir tendieren hierbei eher nicht zur Mikrofrakurierung. Vielmehr möchten wir die subchondrale Knochenlamelle nur schonend anfrischen aber letztlich intakt lassen. Dies erscheint uns aufgrund neuerer Daten, wonach Verlaufs-Untersuchungen nach einer Mikrofrakturierung bspw. im MRT oder CT eher ungünstige Veränderungen wie subchondrale Knochennekrosen, Zystenbildungen, Ausbildung von intraläsionalen Osteophyten etc. zeigen, sinnvoll [47]. Auch bzgl. der klinischen Ergebnisse einer Mikrofrakturierung, wonach sich insbesondere nach wenigen Jahren oft auch eine wesentliche Verschlechterung des Outcomes findet, sind wir hier zurückhaltend [26, 61]. Soll eine knochenmarkstimulierende Technik erfolgen, scheint im Sinne einer Schonung der subchondralen Knochenarchitektur die Nanofrakturierung eher geeignet [96]. Bzgl. einer Tenodese oder Tenotomie der langen Bizepssehne sind wir großzügig. Damit halten wir uns an die klinische Erfahrung und die eindeutige Studienlage, wonach diese Verfahren entsprechende Symptome bei entsprechender Klinik äußerst e?ektiv lindern [1]. Die humerale Osteophytenabtragung richtet sich auf die Anteile, die unter Rotation zum Glenoid einen mechanischen Konflikt erzeugen. Dies erfolgt zusätzlich über die Sicht von ventral über das obere Intervall. Über ein akzessorisches dorsales Portal, das etwas weiter lateral und etwas tiefer als der Softspot des dorsalen Standardportals liegt, erfolgt die Abtragung. Sollte man hier mit der Abtragung unsicher sein, sind Durchleuchtungsbilder in unterschiedlichen Rotationsstellungen hilfreich. Die Portalanlage empfiehlt sich nach Testung mit einer langen Spinalnadel, die dann nach Mook und Millet et al. etwa mittig bzw. am Übergang vom medialen zum mittleren Drittel sowie direkt anterior des hinteren Anteils bzw. des hinteren Bandes des inferioren glenohumeralen Kapselbandes (PIGHL) in das Gelenk eintritt [62]. Hierbei sollte man nicht weiter ventral in die Kapsel eingehen, da ansonsten der Nerv geschädigt werden kann. Nach Einführen eines Wechselstabes erfolgt das Einbringen einer langen, dünnen Arbeitskanüle. Über das kanülierte Portal erfolgt das Abfräsen der ostephytären Ausziehung. Die Gelenkkapsel sollte in dieser Phase erhalten sein, da sie den N. axillaris vor Schäden schützt. Auch ist die Kapsel hilfreich, ein Eindringen von Knochendebris in die Weichteile zu verhindern. Ist die Abtragung des inferioren Osteophyten erfolgreich, ist nicht nur der knöcherne mechanische Konflikt zwischen Osteophyt und Glenoid aufgelöst. Auch ist damit der unter Bewegung ggf. unter Traktion und Druck geratene N. axillaris dekomprimiert. Erst nach der Osteophytenabtragung empfehlen wir die vollständige Synovektomie im Intervall und das Kapselrelease. Bei einer reduzierten Beweglichkeit, insbesondere für die Rotation und Abduktion sowie einer verdickten u./o. entzündlich veränderten Kapsel wird diese vom medialen zum inferioren glenohumeralen Ligament hin gelöst und entfernt. Die Kapselresektion kann bspw. ausgehend vom Labrum und vom interioren Glenoid von medial nach lateral hin erfolgen. Ventral erfolgen die Kapsulotomie und die Resektion in der Tiefe bis auf die Fasern des M. subskapularis. Zu diesem Zeitpunkt kann dann auch, sofern indiziert, die Neurolyse des N. axillaris erfolgen. Die Darstellung erfolgt mit stumpfen Instrumenten von medial-superior unterhalb des M. subscapularis nach distal-inferior, wo er zwischen dem oberhalb gelegenen M. teres minor und den unterhalb gelegene M. teres major verschwindet. Liegt der Nerv bei der Aufsicht von oben, ohne Strangulationen etc., frei, ist die Neurolyse beendet. Zum Erreichen der dorsalen Kapselanteile arbeiten wir wiederum mit einem Portalwechsel mit dem Tausch der Sicht von posterior nach anterior. Final erfolgt das Eingehen nach subakromial. Hier erfolgt die subakromiale Bursektomie, die Dekompression mit Akromioplastik sowie ggf. eine Resektion der lateralen Klavikula. Mit diesem strukturierten Vorgehen haben wir bspw. hinsichtlich Schwellungszuständen durch Flüssigkeitsextravasation etc. gute Erfahrungen. Wir arbeiten zudem mit möglichst moderaten Pumpendrücken.

Wichtig ist, dass hiernach die postoperative Physiotherapie ohne Verzögerung startet. Dies kann mit einem regionalen Block- oder Katheterverfahren unterstützt werden. Die Physiotherapie soll Vernarbungen, Verklebungen und Kontrakturen verhindern. Neben passiven Bewegungsübungen verordnen wir daher routinemäßig einen Motorstuhl, der neben der Abduktion und Adduktion auch andere therapeutisch wesentliche Bewegungsabläufe wie die Innen- und Außenrotation sowie Flexion/Extension der Schulter beübt. Nach 3 Wochen erfolgen dann zusätzliche aktiv-assistierte und im Verlauf aktive Übungen zur Muskelkräftigung und Zentrierung des Schultergelenkes. Die Physiotherapie ist ein wesentlicher Baustein zum Erzielen optimaler Ergebnisse. Das klinische Outcome der arthroskopischen Arthrosebehandlung in Form einer CAM-Prozedur wurde in einigen Studien untersucht. Gleichzeitig wurden prädiktive Faktoren, die das Outcome beeinflussen, herausgearbeitet. Eine Studie bei Patienten mit einem Durchschnittsalter von 52 Jahren und einem Höchstalter von 68 Jahren zeigte nach einem Minimum-Follow-up von 5 Jahren signifikante und anhaltend verbesserte Outcome Scores und eine hohe Patientenzufriedenheit. In dieser Fallserie konnten die arthrotischen Schultern nach über einem Jahr in 95,6 % der Fälle, nach 3 Jahren in 86,7 % und nach 5 Jahren in 76,9 % der Fälle erfolgreich erhalten werden. Eine Endoprothese war in diesen Fällen nicht mehr notwendig [59]. Eine weitere, mehr auf die Schulterfunktion gerichtete Studie mit einem durchschnittlichen Follow-up von 27 Monaten, zeigte in allen funktionellen Scorings sowie für die Flexion, Abduktion und Außenrotation eine signifikante Verbesserung. Dabei sind die hier präsentierten Scores als enorm gut zu werten, da diese zum einem weit im oberen Range moderner endoprothetischer Versorgungen lagen und zum anderen nahezu den gleichzeitig erhobenen Score der anderen, gesunden Seite erreichten [86]. Eine langfristige Follow-up-Untersuchung von 10–14 Jahren ermittelte zudem einen Gelenkerhalt in 63,2 % der Fälle. Risikofaktoren für ein reduziertes Outcome des arthroskopischen Erhaltungsversuches waren Deformitäten und Abflachungen des Humeruskopfes [8]. Weitere negative Prädiktoren für ein schlechtes Outcome waren deutlich eingeschränkte Gelenkspaltweiten von weniger als 1,3 mm bzw. 2 mm (je nach Studie), ein viertgradiger Befund im röntgenologischen Arthrosescoring nach Kellgren und Lawrence, bifokale Knorpelschäden mit freiliegenden Knochen (Grad 4), sehr große humerale Osteophyten im Grading nach Samilson, ein erodiertes Glenoid, insbesondere mit einem Typ B2 und C nach Walch (Abb. 3). Bei Vorliegen dieser Prädiktoren stieg das Risiko, dass die Patienten von der gelenkerhaltenden Operation nur gering oder nur kurzzeitig profitieren [58, 60, 86, 91]. Eine interessante Literaturauswertung zum Outcome, Komplikationen sowie Revisionsraten endoprothetischer und gelenkerhaltender Operationen bei Vorliegen einer Omarthrose basierte auf dem von Markov entwickelten mathematischen Modell zur Entscheidungsfindung der zu bevorzugenden Behandlung. Dieses theoretische Entscheidungsmodell zeigte, dass der Gelenkersatz bei Patienten älter als 66 Jahre zu bevorzugen ist, wohingegen in einem Alter von < 47 Jahren tendenziell der Gelenkerhalt sinnvoll erscheint. In der Altersgruppe zwischen 47 und 66 Jahren lag hier eine Grauzone, in der beide Therapiewege vernünftig sein können [84]. Dies entspricht einer Subgruppenanalyse zu arthroskopischen gelenkerhaltenden Verfahren, wonach ein Alter > 50 Jahre einen negativen Prädiktor darstellt [60]. Solche theoretischen Modelle sind zwar entfernt von der weit komplexeren, gemeinsamen individuellen Entscheidungsfindung, aber dennoch interessant, um einen anderen Blickwinkel auf dieses Thema zu werfen.

Anatomische Schulterendoprothetik bei der Omarthrose – wie kommen wir
zu optimalen Ergebnissen?

Bei anhaltenden, starken Ruhe- und Belastungsschmerzen und einer entsprechenden Alltagsbeeinträchtigung bietet die Versorgung mit einer anatomischen Endoprothese mittlerweile eine sehr hohe Patientenzufriedenheit, gute klinische Langzeitergebnisse, lange Standzeiten und hohe Quoten für eine erfolgreiche Rückkehr in Sport-, Berufs- und Freizeitaktivtäten [21, 42]. Bei der Omarthrose und der rheumatoiden Arthritis spielen sowohl der Humeruskopfersatz als auch der Ersatz des Glenoides für das klinische Outcome als auch hinsichtlich der Standzeiten eine entscheidende Rolle.

Glenoidersatz

Es ist mittlerweile recht eindeutig, dass der Glenoidersatz gegenüber einer Hemiarthroplastik ohne Glenoidersatz bei der Omarthrose sowohl hinsichtlich Schmerzen als auch hinsichtlich der Funktion, sowie Sport- und Alltagsaktivitäten überlegen ist [42, 82]. Auch sind die Standzeiten der Totalendoprothesen mit Glenoidersatz deutlich höher [21, 43, 92]. Darüber hinaus zeigen Hemiendoprothesen ohne Glenoidersatz oft einen progressiven, meist schmerzhaften Knochenverlust an der knöchernen Pfanne (Abb. 4b). Dies geht mit hohen Revisionsraten und etwas aufwendigeren Revisionsoperationen einher. Trotz der klaren Überlegenheit des Glenoidersatzes ist die Glenoidlockerung im Langzeitverlauf immer noch eine Sorge in der Schulterendoprothetik. Sollte man sich bzgl. einer Glenoidlockerung anhand der Röntgenbilder einmal unsicher sein, so kann hier mit einer Arthroskopie Klarheit geschaffen werden. Dies kann im Rahmen von Probeentnahmen auch helfen, eine aseptische von einer septischen Lockerung mit entsprechend anderen Folgeoperationen zu differenzieren (Abb. 4c–e). Die Gefahr einer Lockerung betrifft sowohl zementierte Polyethylenpfannen als auch unzementierte Metal-back-Systeme. Im Vergleich beider scheinen die zementierten Polyethylene niedrigere Revisionsraten aufzuweisen als die Metal-back-Systeme [79]. Die besten Ergebnisse zum künstlichen Ersatz des Glenoids zeigen letztlich die zementierten Polyethylenglenoide [22]. Hierbei ist auch die Zementiertechnik wichtig, um gute Standzeiten der Polethylene zu sichern. Wesentliche Details sind die Jetlavage zum Ausspülen des Knochens, die sorgfältige Trocknung der Spongiosa und die Zementierung unter Druck, bspw. mit einem Verdichter, mit dem der hochvisköse Zement in den spongiösen Knochen gepresst wird. Dies sichert ein ausreichend tiefes und gleichmäßiges Eindringen des Zementes in den Knochen [71]. Daher zeigen die druckzementierten Glenoide im radiologischen Follow-up unter dem Zementinterface weniger radiologische Aufhellungen als Zeichen einer beginnenden Lockerung [33]. Wie auch an Knie und Hüfte sollte der Zement unter Vakuum angemischt werden, da hierdurch das Zementinterface kräftiger, Lufteinschlüsse weniger und die Brüchigkeit des Zementes reduziert wird [27]. Bzgl. der Metall-back Glenoide gibt es wertvolle Weiterentwicklungen wie bspw. Designs mit dorsal-konvexen Implantatrückflächen, ganz ähnlich zu den modernen Polyethylenglenoiden. In aktuellen Studien sind diese neuen Metal-back-Designs hinsichtlich der mittelfristigen und langfristigen Lockerungsraten vielversprechend [37, 38, 79].

Eine Studie untersuchte bei zementierten Glenoiden die Risikofaktoren für eine Lockerung. Ein glenohumerales Mismatch, rückseitig flach geformte Polyethylen-Designs sowie B2-Glenoide mit einem dorsalen Knochenverlust oder aber ein starker Knochenverlust im Rahmen der Fräsung des Implantatbettes zeigen ein erhöhtes Lockerungsrisiko [70]. Das für eine zementierte Standardversorgung ideale Glenoid ist ein Typ A-Glenoid mit einer Retroversion < 10°. In einem großen Teil der Fälle einer Omarthrose trifft dies aber nicht zu [89]. Problemglenoide sind v.a. solche, die bspw. aufgrund eines dorsalen Knochenverlustes u./o. aufgrund einer vermehrten Retroversion (Walch-Typ B2 und B3) eine korrigierende Fräsung des Implantatbettes erfordern. Diese als “Ream and Run“ bezeichnete Verfahren ist in vielen Fällen eine sinnvolle Lösung, die eine zentrisch geführte, im Langzeit-Verlauf stabile Endoprothese ermöglicht. Die Ergebnisse zeigen dann gute, sogar mit A1-Glenoiden vergleichbare, klinische Outcomes und Standzeiten [66, 80, 83]. Zieht das asymmetrische Fräsen bspw. beim B2-Glenoid eine stark verminderte Knochensubstanz nach sich, so dass viel von dem stabilen, prinzipiell zu schonenden, subchondralen Knochen entfernt wird u./o. in der Tiefe die Aufnahme der peripheren Verankerungszapfen nicht mehr vollständig möglich ist, so führt dies zu einem mehrfach erhöhten Risiko für eine Lockerung [4, 14, 35, 49, 70, 83]. Wird bei B3-Glenoiden die Retroversion nicht vollständig korrigiert, führt dies weiterhin zu einer exzentrischen Belastung des Glenoids, die mit einer vorzeitigen Lockerung, in ausgeprägten Fällen sogar mit einer dorsalen Luxation, einhergeht [19]. Somit ist bei dem asymmetrischen Fräsen zu beachten, dass dies nur in einem beschränkten Umfang ein sicheres Verfahren ist. Bei einer sehr hohen Retroversion eines B3-Glenoides nach Walch > 15° oder einem Typ B3-Glenoid mit einem sehr starken Knochenverlust ist das Korrekturvermögen des asymmetrischen Fräsens somit erschöpft. In solchen Fällen ist ein Glenoidaufbau mit einer Knochenscheibe, dem sog. “Bone Grafting“, eine Alternative. Der Knochen wird dabei meist vom Humeruskopf entnommen [97]. In der Vergangenheit erfolgte dies insbesondere in Form einer Kombination aus knöchernem Aufbau und zementierter PE-Pfanne. Allerdings zeigte sich hierbei im Verlauf ein hohes Risiko für einen ungenügenden Knocheneinbau, hohe Resorptionsraten und vorzeitige Lockerungen [31, 51]. Besser ist hier ein Konzept, dass den Knochenaufbau in Kombination mit einem Metal-Back-Glenoid verfolgt. Hier finden sich bei Verwendung moderner Metal-back-Implantate, insbesondere mit einem erweiterten zentralen Verankerungszapfen, vielversprechende Ergebnisse. Die vom Humeruskopf entnommenen Grafts können nach Fräsung des Glenoides als große, je nach Situs angeschrägte Scheiben sowohl die Retroversion als auch eine evtl. gestörte Inklination ausgleichen [81]. Auch sehr sinnvoll ist die Verwendung augmentierter Glenoide, die sowohl bei den Polyethylenglenoiden als auch bei den Metal-back-Glenoiden verfügbar sind (Abb. 2). Auch hiermit zeigen sich gute, knochensparende Korrekturmöglichkeiten. Sie werden bspw. bei einer Retroversion ab 15° empfohlen und zeigen hier gute erste klinische Ergebnisse [24]. Bei älteren, eher gering aktiven Patienten, bei denen der Knochenstock sehr deutlich reduziert und die Zentrierung der Schulter mit einer entsprechenden Weichteilbalancierung erschwert ist, ermöglicht auch die inverse endoprothetische Versorgung, evtl. auch mit einem Knochenaufbau oder einer augmentierten Metaglene, ein gutes klinisches Ergebnis [50].

Humeruskopfersatz

Bei der endoprothetischen Versorgung spielt auch der Ersatz des Humeruskopfes, ebenso wie der Glenoidersatz, sowohl für das klinische Outcome aber auch hinsichtlich der Standzeiten eine entscheidende Rolle. Klinische und biomechanische Studien zeigen, dass hierbei eine exakte Wiederherstellung der individuellen Gelenkgeometrie wesentlich ist (Abb. 1). Unserer Erfahrung nach finden sich Prothesen, die entweder zu groß u./o. zu hoch eingebracht sind recht häufig. Dieses, auch als “Overstuffing“ (dt. Überfüllung) bezeichnete Phänomen, sehen wir bei erforderlichen Revisionsoperation sehr oft (Abb. 4a–b). Dies erscheint logisch. Genauso, wie ein vermehrt retrovertiertes Glenoid zu einer exzentrischen Belastung am Glenoid und hier zu einer Lockerung führt, kann eine solche exzentrische Belastung ebenso Folge einer fehlpositionierten u./o. fehldimensionierten humeralen Endoprothese sein. Somit ist die Wiederherstellung der Gelenkgeometrie des proximalen Humerus nicht nur für das klinische Outcome, sondern auch für die Standzeit der Endoprothese wichtig. [5, 12, 20, 23, 88, 93]. Darüber hinaus kann ein Overstuffing eine symptomatische Rotatorenmanschetteninsuffizienz nach sich ziehen. In diesen Fällen ist im Prinzip immer eine Wechseloperation auf eine inverse Prothese erforderlich. Ein systematisches Review zeigt, dass solche Rotatorenmanschetteninsuffizienzen nach Versorgung mit einer anatomischen Schulterendoprothese mit einer Inzidenz von 11 % gar nicht so selten sind [44]. Somit gibt es viele Gründe, sich dem Thema Gelenkgeometrie des Humeruskopfersatzes genauer zuzuwenden. Der Humeruskopf ist nicht nur in seiner Größe und Form, sondern auch in seiner Stellung zum Humerus in allen Parametern wie Retroversionsstellung, Inklination und auch dem Offset nach medial und hinten erstaunlich variabel [11]. Vor diesem Hintergrund stellt die genaue Wiederherstellung der Anatomie ein zu beachtendes Problem der anatomischen Schulterendoprothetik dar. Die traditionell gestielte Schulterendoprothetik basiert auf Prinzipien der Hüftendoprothetik des letzten Jahrhunderts. Ebenso wie vom Gelenkersatz der Hüfte bekannt, sind stielbezogene Komplikationen, wie ein durch Stress-Shielding bedingter proximaler Qualitäts- und Substanzverlust des Knochens, Schaftfrakturen die bspw. bei der Implantation oder ggf. anstehenden Wechseln auftreten etc. auch bei gestielten Schulterprothesen gar nicht so selten [3, 63, 69]. Zudem erschwert der in den Humerus eingebrachte Prothesenschaft die exakte anatomische Rekonstruktion. Fehlerquellen sind hierbei die Retroversion, die Inklination und dorsale Neigung sowie das dorsale und mediale Offset des Kopfes gegenüber dem Humerusschaft. Auch die Höheneinbringung und natürlich die Größe der gewählten Endoprothesen sind wichtig. Möglichkeiten, dies ein wenig zu vereinfachen sind Oberflächenersatzprothesen, die “ähnlich einer Kappe“ dem Humeruskopf aufgesetzt werden. Der wesentliche Nachteil dieser Kappenprothesen ist der beschränkte Zugang zur Pfanne, der den meist empfehlenswerten Glenoidersatz erheblich erschwert. So wurden für Kappenprothesenoperationen in Kombination mit einem Glenoidersatz in über 15 % neurologische Ausfälle berichtet [67]. Zudem ist die Exposition des Glenoides, was für eine zuverlässige Präparation und Zementierung erforderlich ist, nicht immer einfach. Aus diesem Grund sind Prothesen, die – genauso wie die Kappen – auf einen konventionellen Schaft verzichten, aber eine Resektion der Kalotte erlauben, eine logische Weiterentwicklung. Hierbei erlaubt die Kalottenresektion einen ebenso praktikablen und v.a. sicheren Zugang zur Pfanne wie bei den gestielten Implantaten. Darüber hinaus vereinfachen die schaftlosen Implantate die anatomische Rekonstruktion. Stielbezogene Komplikationen und damit verbundene Revisionsoperationen bleiben dem Patienten erspart. Sollte eine Revision einmal anstehen, ist diese bspw. aufgrund des “gesparten Knochens“ und v.a. aufgrund der ausbleibenden, nicht unerheblichen Probleme mit dem Schaftwechsel deutlich vereinfacht [7]. Charakteristisch für viele moderne kalottenresizierende, schaftfreie Implantate ist die peripher-metaphysäre Verankerung die nahe dem harten, kortikalen Knochen erfolgt. Dabei wird nach der humeralen Resektion ein Metaphysenimplantat mit einem möglichst großen Durchmesser in die Metaphyse eingeschlagen. Diese Art der peripher-metaphysären Verankerung mittels verschiedener Größen findet sich bspw. bei der Easytech Endoprothese (EasytechTM, Fa. Fx Solutions, Viriat, Frankreich), dem SMR Stemless system (Shoulder Modular Replacement System, LimaCorporate, San Daniele del Friuli, Italy) und beim T.E.S.S. Anatomic Stemless System (Total Evolutive Shoulder System, Zimmer Biomet, Warsaw, Idiana, USA) (Abb. 1). Mit diesen Implantaten besteht unserer Erfahrung nach eine feste peripher-metaphysäre Verankerung. Andere Firmen setzen mehr auf zentrale metaphysäre Verankerungskonzepte wie z.B. die zentrale Hohlschraube bei der Eclipse Prothese (Arthrex, Naples, Florida), oder das eher zentral verankernde 4- bzw. 3-schenklige Kreuz der Sidus (Zimmer Biomet, Warsaw, Idiana) bzw. der Simpliciti Prothese (Wright Medical Group N.V., Amsterdam, Niederlande & Stryker Corporation, Kalamazoo, Michigan). Egal welche dieser Prothesen der Operateur bevorzugt, in jedem Fall sollte ein System für eine geschaftete Implantation, bspw. wenn der Knochen im Rahmen osteoporotischer Veränderungen schlecht ist oder aber während der OP geschädigt wurde, zur Verfügung stehen.

Vor dem Einbringen des Implantates ist zunächst die humerale Resektion entscheidend, um die Rekonstruktion der individuellen Gelenkgeometrie zu ermöglichen. Bei der Resektionsebene ist dabei die Retroversion, die Inklination, die dorsale Neigung und die Höhe der Resektion zu beachten. Hier stellt sich die Frage, wie wir bspw. bei stark deformierten Arthrosen die ursprüngliche Gelenkgeometrie beurteilen und wie wir darauf basierend deren erfolgreiche Resektion planen können. Bereits die Literatur deutet darauf hin, dass die Beurteilung der Gelenkgeometrie eine hohe Inter-Observer Variabilität aufweist und somit nicht immer einfach ist [76]. Wir verwenden zur Beurteilung der ursprünglichen, zu rekonstruierenden Gelenkgeometrie die sog. “best-?t circle“-Methode. Hierbei wird der Kreisradius und damit das präoperative Rotationszentrum anhand dreier knöcherner Landmarken, die üblicherweise durch eine Arthrose nicht beeinträchtigt werden (Abb. 1), ermittelt [95]. Dabei handelt es sich um den lateralen Rand des Tuberculum majus, die mediale Kante des Supraspinatussehnenansatzes am Tuberculum majus und den medialen Kalkar im Bereich des Umschlagpunktes, an dem der Kalkar auf den medial-kaudalen Kalottenanteil trifft. Der Hals-Schaft-Winkel, als Winkel zwischen der Schaftachse und einer Senkrechten zum anatomischen Hals, wird orientierend zur Abschätzung der Resektionsebene eingezeichnet. Die Resektion sollte bzgl. der Höhe möglichst nahe an der medialen Kante des Footprints ansetzen und entlang des Schaft-Hals-Winkels nach medial laufen. Auf diese Weise können wir die Resektion präoperativ abschätzen. Bzgl. der Resektion ergibt sich so ein definierter Kreisabschnitt. Die Planung der Retroversion sowie Neigung der Resektion entlang des nach dorsal abfallenden Footprint ist allerdings anhand der a.p.-Röntgenbilder nicht absehbar. Dies erfolgt intraoperativ anhand der anatomischen Landmarken. Hierzu verwenden wir gerne Resektionslehren, wie künftig bspw. den hier abgebildeten, noch in unserer Entwicklung befindlichen Prototypen (Abb. 1). Anhand verschiedener Aufsätze ist hier die Inklination zum Schaft in 5°-Schritten verfügbar. Die Einstellung der Retroversion und der dorsalen Neigung der Resektionsebene entlang des nach dorsal abfallenden Footprint wird vor der Pin-Fixierung des Sägeblockes mit einer Sichel eingestellt und getestet. Ähnlich arbeiten wir aktuell mit anderen, derzeit auf dem Markt verfügbaren Resektionslehren. Die teilweise gängige Freihand-Resektion ist bei den Autoren eher nicht bevorzugt. Intraoperativ überprüfen und testen wir nochmal die nötige Kopfgröße. Hierbei ist zu beachten, dass der mediolaterale Durchmesser des Kopfes stets größer ist als der anteroposteriore Durchmesser. Wir verwenden hier, um einem Overstuffing aus dem Weg zu gehen, tendenziell eher den kleineren der beiden Durchmesser und haben damit gute Erfahrungen. In Abbildung 1 sehen Sie, dass das Rotationszentrum der Prothesen recht genau auf dem präoperativen, ursprünglichen Rotationszentrum zu liegen kommt (Abb. 1). Eine Abweichung des Rotationszentrums der Prothese gegenüber dem präoperativen Rotationszentrum nach medial ist als ein sog. Overstuf?ng (Abb. 4a–b) definiert. Mehrere Arbeitsgruppen haben gezeigt, dass bereits eine Abweichung des Rotationszentrums von > 3 mm bzw. > 5 mm als klinisch relevant bezeichnet werden kann [5, 20, 93]. Ursache dieser gestörten Gelenkgeometrie ist unserer Erfahrung nach meist die fehlerhafte Resektionsebene. Die Abbildung 4b zeigt, dass eine solche fehlerhafte Resektion meist auch nicht mit kleinen Köpfen oder der Nutzung von Offsetvarianten ausgeglichen werden kann. Folgen können neben Schmerzen und Funktionsdefiziten auch Glenoidlockerungen oder, wie in diesem etwas ungewöhnlichen Fall einer Hemiarthroplastik, Glenoiderosionen sein (Abb 4b). Gelingt hingegen die präzise Wiederherstellung der individuellen Gelenkgeometrie, so zeigen eigene Fallserien und diverse Studien ein sehr gutes klinisches Outcome mit einer optimierten bzw. physiologischen Beweglichkeit [12, 72, 88]. Weitere Studien zeigen, dass dann der Glenoidabrieb durch verringerte Druckspitzen effektiv reduziert wird [29]. In eigenen Fallserien konnten wir unter Verwendung der “best-?t circle“-Methode eine vglw. geringe Abweichung des prämorbiden Rotationszentrums zum Rotatationszentrum der Prothese nachweisen. Auch ein Overstuffing > 3 mm war vglw. selten zu finden [88]. Bei den unterschiedlichen gestielten Prothesen, aber auch bei den Kappenprothesen, finden sich hingegen deutlich höhere mittlere Abweichungen des Rotationszentrums wobei ein Overstuffing mit Abweichungen > 3 mm auch eine höhere Häufigkeit von 30–65 % aufweist [5].

Fazit für die Praxis

Das sehr unterschiedliche Bild einer Omarthrose ist oft von sehr belastenden Schmerzen und Einschränkungen begleitet. Die sehr unterschiedlichen Voraussetzungen sowie unterschiedlichen Ansprüche des Patienten ermöglichen recht unterschiedliche Therapieansätze. Auch innerhalb eines rein konservativen Vorgehens, einer gelenkerhaltenden Operation oder einer Endoprothese ist ein sehr differenziertes, individuell ausgerichtetes Vorgehen entscheidend, um zu einem optimalen klinischen Outcome und guten Langzeitergebnissen zu kommen.

Interessenkonflikt:

Die Autoren haben Aufwandsentschädigungen für Vorträge, Beratungsleistungen und Ausbildungsveranstaltungen von der Fa. Corin erhalten. Jörg Jerosch auch von der Fa. Lima, Implantcast und Smith&Nephew. Die Präsentation des Themas ist unabhängig und die Darstellung der Inhalte produktneutral.

Das Literaturverzeichnis
zu diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. med. Lars Victor
von Engelhardt

Fakultät für Gesundheit

der Universität Witten/Herdecke

Alfred-Herrhausen-Str. 50

58455 Witten

larsvictor@hotmail.de

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