Übersichtsarbeiten - OUP 01/2022

Schulterarthrose
Wie erzielen wir mit der anatomischen Schulterendoprothese oder auch mit konservativen und arthroskopischen gelenkerhaltenden Optionen optimale Ergebnisse?

Zu einer Injektionstherapie mit thrombozytenreichem Plasma (PRP) gibt es aktuell bei der Knie- und Hüftarthrose große randomisierte Studien mit meist guten Ergebnissen, wobei das sich PRP auch in einem Zeitfenster über 6 Monate hinaus als langfristig wirksam erweist [18]. Spannend sind zudem Daten, wonach insbesondere die Kombination aus PRP und Hyalaten aufgrund synergistischer Effekte besonders gute klinische Ergebnisse aufweist [6, 25]. Darüber empfehlen einige Autoren bei Schäden am Gelenkknorpel die Gabe von PRP, um die Therapieerfolge einer gelenkerhaltenden Hüft- oder Kniearthroskopie bzw. Umstellungsosteotomie zu optimieren [46, 68]. Leider gibt es zu den Injektionstherapien mit PRP bei der Omarthrose, alleinig oder in Kombination mit gelenkerhaltenden Verfahren, noch keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Untersuchungen. Dennoch sind auch an der Schulter gute Ergebnisse zu vermuten [30].

Bzgl. der Injektionstechniken ist zu bemerken, dass eine sichere intraartikuläre Verabreichung mit Erfolgsraten von ca. 30–50 % nicht unbedingt selbstverständlich ist [78]. Daher ist es wichtig zu wissen, dass Techniken, die einen ventralen Zugang verwenden, gegenüber dorsalen Zugangstechniken überlegen sind. Zudem bedarf es Erfahrung sowie standardisierter Techniken unter sorgfältiger Palpation der Landmarken. Ist dies erfüllt, so liegt die Trefferquote bei den anterioren Injektionen bei über 93 %. Die anterioren Techniken erfolgen dabei mit einem Einstich ca. 1,5 cm lateral des Korakoides bzw. unterhalb des Schultereckgelenkes, die Stichrichtung ist in einem Winkel von ca. 45° zum Glenoid hin gerichtet [41, 73]. Ähnlich hohe Trefferquoten wurden auch mittels ultraschallgesteuerter Injektionstechniken beschrieben, wobei sich auch hier mit dem vorderen Zugang schnellere und sichere Ergebnisse erzielen ließen [74].

Gelenkerhaltende, arthroskopische Therapie der Omarthrose

Schon Mitte der 90er Jahre berichtete Ogilvie-Harris in Toronto bei 54 Patienten mit einer Omarthrose von guten 3 Jahres-Ergebnissen nach einem arthroskopischen Debridement [65]. Diese grundlegende Idee einer arthroskopischen, gelenkerhaltenden Therapie des Schultergelenkes hat sich seither weiterentwickelt, so dass sich eine effektive gelenkerhaltende arthroskopische Operation mittlerweile durch ein komplexes und nicht minder individuell anzugehendes Mosaik unterschiedlicher arthroskopischer Maßnahmen auszeichnet. Ziel ist es, neben dem Debridement der Gelenkflächen, ggf. begleitend bestehende klinisch relevante Begleitpathologien des arthrotisch veränderten Schultergelenkes zu adressieren. Die jeweilig durchzuführenden Maßnahmen richten sich dabei auf die individuell sehr unterschiedlichen strukturellen Schäden bzw. Veränderungen sowohl im Gelenk selbst als auch im Bereich der betroffenen periartikulären Strukturen. Von einem einfachen Debridement als pauschale Minimalmaßnahme haben wir uns somit weit entfernt.

Erstmalig vorgestellt wurden multimodale Operationskonzepte der glenohumeralen Arthrose durch Peter Millet, einem Knie-, Schulter- und Ellenbogenchirurgen aus Vail, Colorado. Er hat diese Verfahren unter dem Begriff “Comprehensive Arthroscopic Management“ (CAM) firmiert und in diversen wissenschaftlichen Studien deren klinische Wirksamkeit untersucht [56, 59]. Kernpunkte dieser vglw. umfassenden arthroskopischen Operationen sind das Débridement und die Chondroplastik der glenohumeralen Gelenkflächen, die Entfernung freier Gelenkkörper, sofern diese vorliegen, und die Arthrolyse mit einem anterioren und posterioren kapsulären 360°-Release. Auch einschränkende inferiore humerale Osteophyten werden entfernt, sofern sie die Beweglichkeit beschränken. Darüber hinaus erfolgt befundabhängig eine Synovialektomie, eine subakromiale Bursektomie und befundabhängig ggf. eine Dekompression mit Akromioplastik. Bei entsprechender Symptomatik erfolgt zudem eine Resektion der lateralen Klavikula. Darüber hinaus erfolgt bei klinischer Relevanz neben der Dekompression von Osteophyten am inferioren Humerus auch die transkapsuläre Neurolyse mit Release des N. axillaris. Bei einer symptomatischen Bicepssehne erfolgt evtl. die Tenodese oder Tenotomie der langen Bizepssehne. Ist das korakohumerale Intervall eingeengt, sind eine Dekompression und Plastik der Korakoidspitze und der Korakoid-Rückfläche empfehlenswert. Dadurch wird der Raum unterhalb und dorsal des Korakoides effektiv erweitert. Die Grenzwerte zur Indikation einer Korakoidplastik liegen bei Frauen und Männern bei Einengungen auf < 8 bzw. > 10 mm [55, 56, 62]. Entsprechend der aktuellen Datenlage zu dem klinischen Nutzen der arthroskopischen Rotatorenmanschettenrekonstruktion bei Vorliegen einer Omarthrose erfolgen in unseren Händen auch mögliche schonende Nahttechniken zur Versorgung der Sehnenrisse [32, 36].

Bei richtiger Indikationsstellung haben solche komplexen Konzepte sowohl im mittelfristigen als auch im langfristigen Follow-up sehr gute klinische Ergebnisse [8, 59, 60]. So ist es logisch, dass ein Omarthrosepatient mit einer ausgeprägten Bicepssehensymptomatik anders angegangen wird als ein Patient mit einer vorrangigen Steife der Schulter. Entsprechend der Studienlage erlauben es diese sehr sicheren und schonenden arthroskopischen Verfahren die Endoprothese um viele Jahre hinauszuzögern. Ist im weiteren Verlauf eine Schulterendoprothese notwendig, so sind die klinischen Ergebnisse ebenso erfolgreich wie bei den Patienten, bei denen direkt eine Endoprothese implantiert wurde [64].

Diese Kombination arthroskopischer Eingriffe ist trotz der vielen OP-Schritte sicher und schonend durchführbar. In unseren Händen erfolgt eine solche Operation in Beach-chair-Position. Die Beweglichkeit wird initial nochmals beurteilt, um den Erfolg der weichteiligen und ggf. knöchernen Arthrolyse zu überprüfen. Der diagnostische Rundgang umfasst die glenohumeralen Gelenkflächen, die Kapselstrukturen, die Bicepssehne und die Ansätze der Rotatorenmanschette. Finden sich subkorakoidal oder im inferioren Recessus freie Gelenkkörper, werden diese entfernt. Anschließend erfolgt von ventral das Debridement inkl. einer Glättung instabiler Gelenkflächenanteile. Bei einer Chondroplastik erfolgt diese bei uns nur bis auf die subchondrale Knochenlamelle. Wir tendieren hierbei eher nicht zur Mikrofrakurierung. Vielmehr möchten wir die subchondrale Knochenlamelle nur schonend anfrischen aber letztlich intakt lassen. Dies erscheint uns aufgrund neuerer Daten, wonach Verlaufs-Untersuchungen nach einer Mikrofrakturierung bspw. im MRT oder CT eher ungünstige Veränderungen wie subchondrale Knochennekrosen, Zystenbildungen, Ausbildung von intraläsionalen Osteophyten etc. zeigen, sinnvoll [47]. Auch bzgl. der klinischen Ergebnisse einer Mikrofrakturierung, wonach sich insbesondere nach wenigen Jahren oft auch eine wesentliche Verschlechterung des Outcomes findet, sind wir hier zurückhaltend [26, 61]. Soll eine knochenmarkstimulierende Technik erfolgen, scheint im Sinne einer Schonung der subchondralen Knochenarchitektur die Nanofrakturierung eher geeignet [96]. Bzgl. einer Tenodese oder Tenotomie der langen Bizepssehne sind wir großzügig. Damit halten wir uns an die klinische Erfahrung und die eindeutige Studienlage, wonach diese Verfahren entsprechende Symptome bei entsprechender Klinik äußerst e?ektiv lindern [1]. Die humerale Osteophytenabtragung richtet sich auf die Anteile, die unter Rotation zum Glenoid einen mechanischen Konflikt erzeugen. Dies erfolgt zusätzlich über die Sicht von ventral über das obere Intervall. Über ein akzessorisches dorsales Portal, das etwas weiter lateral und etwas tiefer als der Softspot des dorsalen Standardportals liegt, erfolgt die Abtragung. Sollte man hier mit der Abtragung unsicher sein, sind Durchleuchtungsbilder in unterschiedlichen Rotationsstellungen hilfreich. Die Portalanlage empfiehlt sich nach Testung mit einer langen Spinalnadel, die dann nach Mook und Millet et al. etwa mittig bzw. am Übergang vom medialen zum mittleren Drittel sowie direkt anterior des hinteren Anteils bzw. des hinteren Bandes des inferioren glenohumeralen Kapselbandes (PIGHL) in das Gelenk eintritt [62]. Hierbei sollte man nicht weiter ventral in die Kapsel eingehen, da ansonsten der Nerv geschädigt werden kann. Nach Einführen eines Wechselstabes erfolgt das Einbringen einer langen, dünnen Arbeitskanüle. Über das kanülierte Portal erfolgt das Abfräsen der ostephytären Ausziehung. Die Gelenkkapsel sollte in dieser Phase erhalten sein, da sie den N. axillaris vor Schäden schützt. Auch ist die Kapsel hilfreich, ein Eindringen von Knochendebris in die Weichteile zu verhindern. Ist die Abtragung des inferioren Osteophyten erfolgreich, ist nicht nur der knöcherne mechanische Konflikt zwischen Osteophyt und Glenoid aufgelöst. Auch ist damit der unter Bewegung ggf. unter Traktion und Druck geratene N. axillaris dekomprimiert. Erst nach der Osteophytenabtragung empfehlen wir die vollständige Synovektomie im Intervall und das Kapselrelease. Bei einer reduzierten Beweglichkeit, insbesondere für die Rotation und Abduktion sowie einer verdickten u./o. entzündlich veränderten Kapsel wird diese vom medialen zum inferioren glenohumeralen Ligament hin gelöst und entfernt. Die Kapselresektion kann bspw. ausgehend vom Labrum und vom interioren Glenoid von medial nach lateral hin erfolgen. Ventral erfolgen die Kapsulotomie und die Resektion in der Tiefe bis auf die Fasern des M. subskapularis. Zu diesem Zeitpunkt kann dann auch, sofern indiziert, die Neurolyse des N. axillaris erfolgen. Die Darstellung erfolgt mit stumpfen Instrumenten von medial-superior unterhalb des M. subscapularis nach distal-inferior, wo er zwischen dem oberhalb gelegenen M. teres minor und den unterhalb gelegene M. teres major verschwindet. Liegt der Nerv bei der Aufsicht von oben, ohne Strangulationen etc., frei, ist die Neurolyse beendet. Zum Erreichen der dorsalen Kapselanteile arbeiten wir wiederum mit einem Portalwechsel mit dem Tausch der Sicht von posterior nach anterior. Final erfolgt das Eingehen nach subakromial. Hier erfolgt die subakromiale Bursektomie, die Dekompression mit Akromioplastik sowie ggf. eine Resektion der lateralen Klavikula. Mit diesem strukturierten Vorgehen haben wir bspw. hinsichtlich Schwellungszuständen durch Flüssigkeitsextravasation etc. gute Erfahrungen. Wir arbeiten zudem mit möglichst moderaten Pumpendrücken.

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