Übersichtsarbeiten - OUP 01/2022

Schulterarthrose
Wie erzielen wir mit der anatomischen Schulterendoprothese oder auch mit konservativen und arthroskopischen gelenkerhaltenden Optionen optimale Ergebnisse?

Eigentlich basiert die primäre Schulterarthrose definitionsgemäß auf einer intraartikulären Pathophysiologie, bei der die Rotatorenmanschette oft nicht geschädigt ist. Dennoch ist die Komorbidität von Rupturen der Rotatorenmanschette und von degenerativen Gelenkveränderungen keineswegs selten. So finden sich bei Schäden an der Rotatorenmanschette auch arthrotische Veränderungen im Glenohumeralgelenk mit Häufigkeiten zwischen > 10 % und > 30 % [36, 54]. Neben dem Risiko zunehmender Schadensbilder an der Rotatorenmanschette, der Entwicklung fettiger Muskelatrophien sowie Funktionsverschlechterungen der Schulter wurde sogar bei geringen asymptomatischen degenerativen Rupturen oder Teilrupturen gegenüber einer Kontrollgruppe ein signifikantes Fortschreiten arthrotischer Veränderungen nachgewiesen. Ursächlich hierfür ist v.a. eine zunehmende Dezentrierung der Gelenkführung, die zu unphysiologischen Druckverteilungen beider Gelenkpartner führt [13, 34, 39]. Zudem zeigte bspw. eine arthrographische Verlaufsstudie mit 40 Partialläsionen der Supraspinatussehne nach einer konservativen Therapie von ca. einem Jahr in über der Hälfte der Fälle eine Ausdehnung der Ruptur und in 28 % der Fälle ein Fortschreiten der Rissbildung zu einem kompletten Abriss der Sehne (Totalruptur) [94].

Entsprechend zweier Studien aus den Jahren 2019 und 2020 findet sich nach einer arthroskopischen Rotatorenmanschettenrekonstruktion bei Vorliegen einer Omarthrose ein ebenso gutes Outcome wie bei Patienten nach einer Rekonstruktion, allerdings ohne entsprechende arthrotische Veränderungen. Darüber hinaus ist v.a. bei kleinen und mittelgroßen Schäden der Rotatorenmanschette sowohl hinsichtlich des Outcomes, v.a. aber hinsichtlich der Arthrose- und Rupturprogression, ein gutes Ergebnis zu erwarten [32, 36]. Somit scheint die Naht nicht nur zur Beseitigung von Schmerzen und funktionellen Einschränkungen, sondern auch zur Wiederherstellung eines zentrierten Gelenkes mit balancierten Kraftvektoren sowie hinsichtlich einer Progredienz der Gelenkschäden überaus wertvoll zu sein. Sicherlich bleiben degenerative Gelenkveränderungen weiterhin ein prognostisch nicht gerade günstiger Faktor für das Outcome arthroskopischer, rekonstruktiver Maßnahmen am Schultergelenk. Dennoch zeigen diese beiden Studien recht eindrucksvoll, wie effektiv eine arthroskopische Rekonstruktion der Rotatorenmanschette auch in diesem Patientengut mit arthrotischen Gelenkveränderungen ist. Darüber hinaus zeigen die Daten, dass bei arthrotischen Veränderungen ein Hinauszögern von arthroskopischen Maßnahmen bis zur Notwendigkeit einer Endoprothese nicht für jeden Patienten die beste Lösung darstellt. Logischerweise sollte, sofern an eine gelenkerhaltende Maßnahme einer sekundären Arthrose zu denken ist, die Ursache entsprechend adressiert werden. Nur so kann ein Voranschreiten der Gelenkschäden effektiv verhindert werden. Bei der glenohumeralen Arthrose sind die Optionen konservativer Maßnahmen u./o. eines zusätzlichen arthroskopischen Managements sowie die Möglichkeiten zum Erzielen einer optimalen endoprothetischen Versorgung vielfältig. Oft ist es nicht einfach und in jedem Fall eine sehr individuelle Entscheidung, welches Verfahren für welchen Patienten geeignet ist.

Konservative Therapie der Omarthrose

Die Omarthrose ist klinisch ein Mischbild mit zunehmenden Schmerzen, einer zunehmenden Schultersteife mit der Unfähigkeit, die Schulter nach außen zu rotieren oder Überkopfaktivitäten auszuführen. Besonders gestört ist die Lebensqualität, wenn Ein- und Durchschlafstörungen hinzukommen und somit die psychosoziale Gesundheit angegriffen ist [52, 85]. Effektive Angriffspunkte einer konservativen Therapie lassen sich anhand dieser Symptome gut ableiten. So beinhaltet die Therapie eine Anpassung des Aktivitätsniveaus des Patienten an die Beschwerden und physiotherapeutische Maßnahmen. Insbesondere die Manualtherapie und die Krankengymnastik dienen der Aufrechterhaltung der Beweglichkeit und einer Zentrierung des Schultergelenks. Auch physikalische Anwendungen mit Wärme, Elektrotherapie etc. sind eine sinnvolle Ergänzung. Wesentlich ist ein multimodales Vorgehen. So wurden bspw. für die Manualtherapie, physikalische Maßnahmen u./o. Physiotherapie in Kombination mit Analgetika- u./o. Injektionstherapien bessere Ergebnisse beschrieben als für alleinige analgetische Therapien. Wichtig ist, dass die behandelnden Therapeuten und Ärzte bei der Erstellung eines Behandlungsplans für die Omarthrose die unterschiedlichen Ansprüche, den Leidensdruck und auch die physiologische und psychische Belastbarkeit des Patienten berücksichtigen [28]. Zur physiotherapeutischen Behandlung der Omarthrose sind nur wenige Studien vorhanden [48]. In der Initialbehandlung ist eine gezielte, individuelle Physiotherapie sicherlich stets ein sinnvoller erster Therapieansatz. Anhand der hiermit ggf. erzielten Schmerzreduktion sowie Verbesserung der Gelenkfunktion kann dann über weitere Maßnahmen entschieden werden. Finden sich anhaltende Schmerzen, so zeigt die medikamentöse Therapie aufgrund der chronisch entzündlichen Komponente der Omarthrose insbesondere mit Acetaminophen (Paracetamol) und nichtsteroidale Antirheumatika gute Ergebnisse. Paracetamol wirkt über eine Hemmung der Prostaglandinsynthese analgetisch und antiphlogistisch, zudem treten vglw. selten Nebenwirkungen auf. Insbesondere bei moderaten Arthroseschmerzen ist Paracetamol nach mehreren placebokontrollierten Studien sowie diverser Fachgruppenempfehlungen bei eher mäßigen Schmerzen als Mittel der 1. Wahl anzusehen. Bei zunehmender Schmerzsymptomatik können kurzzeitig nichtsteroidale Antiphlogistika und in Ausnahmefällen niedrigpotente Opioide verordnet werden [57]. Zu beachten ist jedoch das Spektrum von Nebenwirkungen, v.a. hinsichtlich gastrointestinaler und kardiovaskulärer Komplikationen. Die COX-2-Hemmer werden bzgl. gastrointestinaler Nebenwirkungen besser vertragen, weshalb diese bei über 65-Jährigen und vorhandenem Risikoprofil für eine Kurzeitmedikation eher geeignet sind. Kontraindikationen hierfür sind Durchblutungsstörungen, der Zustand nach einem Schlaganfall etc. [99]. Intraartikuläre Injektionen mit Kortikosteroiden u./o. Hyalaten sind an der Schulter anerkannt. Ein größerer Reviewartikel und auch eine größere prospektiv randomisierte Studie zeigten, dass Hyalate gegenüber den Kortikosteroiden auf die Schmerzen und die Funktion eine stärkere und lang anhaltendere Wirkung von bis zu einem halben Jahr aufweisen. Die Wirkung von Kortikosteroiden liegt hingegen nur in Bereichen von etwa 1 Monat [15, 53]. Darüber hinaus zeigte eine placebokontrollierte Studie unter Hyalatinjektionen signifikante funktionelle Verbesserungen sowohl für die aktive Elevation als auch für die Außenrotation der Schulter [17].

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