Übersichtsarbeiten - OUP 04/2016

Strahlenschutz bei C-Bogen-gestützten Wirbelsäulenprozeduren in Orthopädie und Unfallchirurgie

An technischen Möglichkeiten zur DL-Zeit-Reduktion sollte bei der MIODL möglichst die gepulste DL (Intervall-Impuls-DL) und die LIH-Technik benutzt werden. Beim gepulsten Betrieb werden Bildserien mit Röntgenstrahlen von bis zu 6 Bildern/s gefertigt. Die Pulsdauer variiert zwischen 200 ms bis über 600 ms, das sind bei 6 Bildern/s = 170 ms/Bild. Die Vorteile der Methode sind, dass die kurzen Einzelpulse eine hohe Dosis aufweisen können und die Röhrenbelastung geringer ist als bei einer kontinuierlichen Strahlung. Dabei ist der Anteil des Bildrauschens gering; gleiches gilt für die Strahlenbelastung. Somit entstehen schärfere und kontrastreichere Bilder als bei der normalen DL-Technik. Die möglichst häufige Verwendung der LIH-Funktion (Bildspeicher) und ein begrenzter Einsatz von Loops, Cine- oder Zielaufnahmen hilft weiter, die DL-Zeit gering zu halten. Für den Cine-Modus kann z.B. die Dosis zwischen 0,4 Gy/min (15 Bilder/sec) bis 1 Gy/min (60 Bilder/sec) variieren.

Aktivität

Natürlich wird ein technisch versierter und erfahrener Operateur auch die DL-Zeit geringer halten als ein weniger erfahrener Operateur. Letzterer sollte jedoch immer gewahr sein, möglichst wenig Kontroll-DL zu machen. Wenn der BV nicht nah beim Patienten positioniert wird, sollte bei längeren MIODL-Prozeduren zur Vermeidung einer übermäßigen fokalen Hautbelastung, wenn möglich, der Strahlengangwinkel immer mal wieder geändert werden. Das Ziel einer rationellen DL lässt sich erreichen, indem Höhe und horizontale Tiefe des C-Bogens derart eingestellt und belassen werden, dass die p.-a. bzw. a.-p. und die seitliche Einstellung lediglich durch Schwenken des C-Bogens um 90° erreicht werden kann. Durch die Verminderung zahlreicher Orientierungs-DL wird die Strahlenbelastung erheblich vermindert. Hier kann insbesondere auch die Anwendung einer Laser-Zielvorrichtung hilfreich sein, um die gewünschten DL-Punkte ohne Strahlenemission auffinden zu können.

Abstand

In diversen Studien konnte gezeigt werden, dass neben einer Minimierung der DL-Zeit vor allen Dingen ein großer Abstand zur Strahlenquelle den effektivsten Schutz darstellt, da ein weiter entscheidender Punkt des Strahlenschutzes die Einhaltung des quadratischen Abstandsgesetzes ist: Die Dosis reduziert sich quadratisch mit dem Abstand von der Strahlenquelle. Die Relevanz dieser Regel lässt sich durch die relative Dosisleistung anschaulich aufzeigen. Setzt man bei einem Abstand von 0,5 m diese mit 100 % an, so ergibt sich abstandsabhängig folgende Gesetzmäßigkeit:

1 m: 25 %,

2 m: 6,3%,

4 m: 1,6%.

Wenn Röntgen erforderlich ist, sollte daher ein größtmöglicher Abstand zur Quelle bestehen. Bezogen auf den Strahlenschutz des OP-Personals wird dabei bei der MIODL auch der Patient als (Streu-) Strahlenquelle definiert: Je weiter weg der Patient, desto geringer die Streustrahlendosis für das OP-Team. Das OP-Team muss immer darauf hingewiesen werden, wann der C-Bogen Röntgenstrahlen abgibt, um im Rahmen des OP-Ablaufs alle Möglichkeiten der Vergrößerung des Abstands zur Strahlenquelle, als auch geeignete Strahlenschutzmaßnahmen rechtzeitig nutzen zu können.

Abschirmung
(Strahlenschutzmaterial)

Bereits 1983 bestimmte der orthopädische Chirurg Barry mittels TLD-Messung seine eigene Personendosis mit 2,27 mSv/Jahr und zeigte, dass die höchsten Messwerte in der Kopf- und Nackenregion zustande kamen, was zeigt, dass der Oberkörper in bestimmten Situationen besonders exponiert ist und hier persönliche Schutzmaßnahmen ergriffen werden sollten [68]. Eine gute persönliche Schutzausrüstung (PSA) die den Rumpf schützt ist daher obligatorisch und für sie gilt europaweit die Richtlinie 89/686/EWG. Die PSA sollte halbjährlich auf Intaktheit sichtgeprüft und jährlich unter DL qualitätsgeprüft werden. Auf passende Größen, ausreichende Zahl, ordnungsgemäße Aufbewahrung an entsprechenden Halterungen ist zu achten.

Immer häufiger werden Bleischürzen durch leichtere bleireduzierte oder sogar bleifreie Schutzkleidung ersetzt. Diese wird in Deutschland durch die DIN 6857–1 und DIN EN 61331–1 geregelt. Minimalvorgaben zum Bleigleichwert (PbGw) für die PSA gemäß RöV:

Mantelschürze im OP-Bereich: Vorderseite ? 0,25 mm PbGw (Schwächung bei 75 kV 97 %/Reduktionsfaktor 10–200), Rückseite Pb-frei

Mantelschürze Personal (von Halsansatz bis infrapatellar reichend): Vorderseite ? 0,35 mm PbGw (Schwächung bei 75 kV 98,5 %), Rückseite ? 0,25 mm

Schürze Patient: ? 0,5 mm PbGw (Schwächung bei 75 kV 99,7 %)

Gonadenschutz Patient: Testes ? 1 mm PbGw, Ovarien, ? 1 mm PbGw

Thyroidschutz: ? 0,25 mm PbGw (Reduktionsfaktor ca. 20)

Augenschutz, nicht obligat: Bleiglasbrille mit Seitenschutz (Reduktionsfaktor 5–10)

Auch wenn die RöV bezüglich des PbGw im OP geringere Werte vorgibt, wird bei der Schutzkleidung zur Abschirmung außerhalb des Strahlenfelds empfohlen, eine PSA mit einem PbGw von 0,5 mm im vorderen bzw. strahlenquellen-zugewandten Bereich zu tragen, da bei modernen 3D-MIODL-Prozeduren oft gleiche Ortsdosisleistungen auftreten können wie in der Röntgendiagnostik (Tab. 2). Am wichtigsten ist jedoch, dass die PSA intakt ist und korrekt getragen wird (Abb. 1). Noch zu wenig verwendet werden Schutzbrillen zur Vermeidung von Augenschäden; hierzu fehlen allerdings auch noch richtungsweisende Studien.

Will man den Strahlenschutz des Patienten in den Mittelpunkt stellen, so ist eine Detektor-nahe und Strahlenquellen-ferne Patientenlagerung im C-Bogen zu bevorzugen (Röhren-Patienten-Distanz so groß wie möglich). Dies gewährleistet auch eine bessere Bildqualität: größer, schärfer, kontrastreicher (Luftdistanz zwischen Patient und Bildverstärker so gering wie möglich). Daher wurde auch lange Zeit die Übertischposition der Strahlenquelle im OP als die bessere angesehen [67], zumal dadurch auch die Arbeitshöhe der Operateure gewährleistet blieb. Bei einer Positionierung der Quelle unterhalb des Patienten, im Gegensatz zur Obertischposition, haben mehrere Autoren gemessen, dass zwar eine schlechtere Arbeitshöhe resultiert, da der Bildempfänger raumfordernder ist als die Röntgenröhre, es dabei jedoch beim Operateur zu einer deutlich geringeren Exposition im Bereich des Oberkörpers, des Kopfs, der Augen und der Schilddrüse kommt [7, 54, 69]. Moderne neue Flachdetektorbildwandler können deutlich platzsparender sein und somit das Problem der Arbeitshöhe bei Untertischposition lösen. Doch nicht nur die a.p.-Orientierung des C-Bogens spielt eine entscheidende Rolle, sondern auch die Positionierung im lateralen Strahlengang. Rampersaud et al. [70] evaluierten, dass die Dosis am Torso des Chirurgen bei Wirbelsäulenoperationen bei seitlicher Einstellung des C-Bogens, insbesondere auf der Seite der Röntgenquelle, sehr hoch sein kann. Auf der Seite des Detektors, also in Strahlungsrichtung ist die Dosis hingegen um ein Vielfaches geringer (53,3 vs. 0,022 mSv/min). Auch die Handdosis konnte durch diese Positionierung deutlich reduziert werden. Die Thyroiddosis war auf der Seite des Detektors 3–4-fach geringer als auf der Gegenseite [59].

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