Übersichtsarbeiten - OUP 04/2016

Strahlenschutz bei C-Bogen-gestützten Wirbelsäulenprozeduren in Orthopädie und Unfallchirurgie

Aufgrund der geringeren Exposition gegenüber durch den Patienten verursachten Streustrahlung sollte daher bei der MIOLD-gestützten Wirbelsäulen-OP in O & U i.d.R. im a.p.-Strahlengang immer die Untertischposition der Strahlenquelle bevorzugt werden (Abb. 2) und bei Einstellung im lateralen Strahlengang der Operateur immer auf Seite des BV, also in Strahlungsrichtung stehen (Abb. 3). Die OP-Assistenz, die auf der Seite der Röntgenquelle steht, ist also in besonders hohem Maße gefährdet. Daher muss es diesen immer ermöglicht werden, bei DL vom Tisch abzutreten und den weitest möglichen Sicherheitsabstand einzuhalten.

Im Falle des Vorhandenseins eines Durchleuchters, der nicht selbst am Tisch operativ mitwirkt, gelten folgende Empfehlungen [67]: Die Streustrahlung ist für den Durchleuchter (DL-Zeit 17 Stunden/Jahr) so gering, dass er sich bedenkenlos mit Schürze neben dem MIODL-Gerät platzieren kann: Strahlenbelastung 0,01 mSv/a. Der Vorteil hierbei ist, dass durch die gute Einsicht des Operationsfelds eine kürzere DL-Zeit möglich ist. Daraus ergibt sich eine geringere Strahlenbelastung für Patient, Operateur und Durchleuchter.

Die konsequente enge Kollimation (Einblendung) des austretenden Strahlenbündels auf die Größe des DL-Bildformats und die ROI garantiert neben einer besseren Bildschärfe und -kontrastierung auch eine Reduktion der Streustrahlung für alle im OP-Saal. Die Einblendung sollte während der ersten Orientierungs-DL erfolgen. Die laterale Einblendung (Schlitzblendenplatten) wird z. B. bei Röhrenknochen, distalem Unterarm, Finger usw. verwendet (nicht das Drehen der Blende vergessen). Die Irisblende verwendet man bei kleineren Knochen, z.B. Patella. Dabei verlangt speziell die manuelle DL etwas Erfahrung mit dem klassischen C-Bogen. Unter manueller DL versteht man die DL ohne automatische Dosisleistungsregelung. Sie ist erforderlich bei zu starker Streustrahlung im Strahlenbild, wenn im DL-Feld viel Metall vorhanden ist, wenn es beim DL-Objekt leicht zum Überstrahlen kommt, bei Extremitäten-DL, wenn der Operateur sie zur Orientierung bewegt oder wenn ein besseres DL-Bild erreicht werden soll.

Der Gebrauch der Kollimation zur Dosisreduktion wird jedoch oft missverstanden. Die diversen klassischen MIODL-Systeme verfahren in ihrem automatischen Modifikationsmodus zur Kompensation der manuellen oder elektronischen Verkleinerung des „field of view“ (FOV; Vergrößerung führt zu Schärfeverlust) durch den Anwender unterschiedlich. Nicht wenige erhöhen die Strahlendosis relevant, wodurch die HED pro Flächeneinheit (DFP) durch die kompensatorische Dosiserhöhung des Systems steigt (in einigen Fällen 2–4-fach). Neben den erwähnten Vorteilen reduziert die Kollimation daher nicht unbedingt die Dosisrate der direkt exponierten Haut (Patient), im Gegenteil, die HED wird aufgrund kompensatorischer Strahlungserhöhung durch das Gerät größer als bei einem größer gewählten FOV. Daher ist bezüglich der Abschirmung des Patienten ggf. je nach System auch noch die Empfehlung zu geben, den kleinstmöglichen Vergrößerungsmodus bzw. den größten praktikablen „field of view“ (FOV) zu wählen. Je schwieriger die Operation, desto weniger konzentriert sich der Operateur jedoch auf die Dosisbelastung, da seine ganze Aufmerksamkeit dem technischen bzw. medizinischen Erfolg der Intervention gewidmet ist. So wird z.B. tendenziell eine starke Vergrößerung (kleines FOV) und ein optimaler und daher meist fixer Strahlengang gewünscht. Auch hängt die Expositionszeit bei diesen Prozeduren deutlich von der Erfahrung und Kompetenz es Operateurs ab. Zusammenfassend bleibt die Empfehlung: Kollimation auf die ROI und größter FOV (kleinster Vergrößerungsmodus) der praktikabel ist.

Die Nutzung eines Streustrahlenrasters zur Streustrahlenreduktion ist heutzutage apparativer Standard. Je nach operativem Vorgehen können auch Bleiglaswände oder Tischanbauten die Strahlenexposition deutlich vermindern. Auch flexible am C-Bogen fixierbare Schutzschilder gegen Streustrahlung werden entwickelt, sind aber bezüglich ihrem Nutzen-Anwendungs-Profil im OP noch nicht umfassend getestet [71].

Vorsicht gilt bei erhöhtem Patientenvolumen. Dies ist ein Haupteinflussfaktor auf die HED. Die Strahlendosis reduziert sich um den Faktor 2 für jede 4,5–5 cm Gewebetiefe. Das bedeutet, dass ein Patient, der 10 cm dicker ist, eine ca. 4–10-fach höhere Strahlendosis erhalten kann. Hochdosis-Modus-Einstellung am Gerät können bei unsachgemäßer Aktivierung bzw. Gebrauch HED von über 1 Gy/min generieren. Als direkte Folgen können Haarverlust und Katarakte innerhalb weniger Minuten induziert werden, Hautnekrosen können in weniger als 30 min entstehen [67].

Sanders et al. evaluierten 1993, dass bei der MIODL-gestützten Frakturreposition beide Hände gleichermaßen exponiert werden, unabhängig von der führenden Seite des Operateurs, und dass es ab einer mittleren Emission von 1,7 min zu einer messbaren relevanten Belastung kommt [72]. Daher gilt v.a. für die Operateure, permanent auf die Exposition der Hände achten. Deren Arme sollten sich nie unnötig im Strahlengang befinden.

Qualitätssicherung

Zum Strahlenschutz gehört auch das regelhafte Controlling der Strahlungsexposition aller Personen im OP. Vorschrift seit 01.07.2002 (StSV) bezüglich der Strahlenexposition des Patienten ist ein DFP-Messgerät zur Ermittlung der HED. Dabei ist eine getrennte Dokumentation für jede Prozedur notwendig (kumulierte Dokumentation sind grundsätzlich nicht zulässig). Für die Ermittlung der Personendosis der OP-Teams sei angemerkt, dass die Nutzung der amtlichen Röntgenschutzplakette (Filmdosimeter) unter der PSA keine relevante Aussagekraft hat, was logisch erscheint. Relevant für die Kontrolle der Ortsdosis und Personendosis ist aber ein jederzeit ablesbares Dosimeter (z.B. Stabdosimeter) außerhalb der Schutzkleidung, am besten oberhalb der Bleischürze am Hals oder Auge. Da gerade für operativ-interventionellen Prozeduren unter MIODL in einigen Fällen die Jahresdosen der Hände über dem Limit von 500 mSv gemessen werden [73], wird jedem Operateur, der MIODL-assistierte Prozeduren durchführt, empfohlen ein Fingerdosimeter zu benutzen. Echtzeitdosimeter mit Warnfunktion sind nützlich! Synowitz et al. [50] konnten einen Reduktion der HED für die Hände des Operateurs bei Durchführung einer Vertebroplastie durch Verwendung eines Schutzhandschuhs nachweisen. Dies geht jedoch i.d.R. mit einer Reduktion der Fingersensibilität einher, was für viele Operateure nicht tolerabel sein dürfte. Nach Beendigung der Operation müssen die DL-Werte dokumentiert werden (kV, mA, DL-Zeit, Anzahl der Aufnahmen, DFP). Zur Qualitätssicherung der i.o. mittels C-Bogen gefertigten Bilddaten wird empfohlen, sowohl die einzelnen Kontrollbilder, als auch relevante Bildsequenzen automatisiert bzw. zumindest postoperativ einer digitalen Speicherung im klinikinternen Bildarchivierungs- und Dokumentationssystem (PACS) zuzuführen und die Leistung im Radiologischen Informationssystem (RIS) zu dokumentieren bzw. quittieren.

Hygiene, Sterilität

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