Übersichtsarbeiten - OUP 04/2019

Versorgung von Frakturen des distalen Humerus – im Alter wie beim jungen Patienten?

Steht bereits präoperativ der endoprothetische Gelenkersatz als mögliche Rückzugsstrategie im Raum, sollte hier der operative Zugangsweg so gewählt werden, dass ein intraoperativer Verfahrenswechsel möglich bleibt. Hier hat sich der paratrizipitale Zugang bewährt, bei dem der Streckapparat erhalten bleibt, dieser jedoch problemlos zum lateral para olecranon approach, der die Implantation einer Ellenbogenprothese möglich macht, erweitert werden kann. Diese Option muss vor allem bei Patienten mit fortgeschrittener Osteoporose, durch eine Arthrose oder rheumatoide Arthritis hervorgerufene fortgeschrittene Gelenkzerstörung sowie Frakturen mit einer massiven Gelenkzerstörung in Betracht gezogen werden.

Ellenbogenendoprothetik

Grundsätzlich wird zwischen Oberflächenersatzprothesen, Hemiprothesen, ungekoppelte und gekoppelte Totalendoprothesen unterschieden. Bis auf die gekoppelten Totalendoprothesen sind alle Prothesen auf einen funktionierenden Kollateralbandapparat und die Stabilität des Ellenbogengelenks angewiesen. Da die Indikation für einen Gelenkersatz streng zu stellen ist, leiden die in Frage kommenden Patienten meist an einer Verletzung des Kollateralbandapparats. Somit ist die Stabilität des Gelenks nicht mehr gegeben, und es kommt nur eine gekoppelte Totalendoprothese in Frage. Dies trifft insbesondere auf geriatrische Patienten zu, bei denen die epikondyläre Region des distalen Humerus und damit die Ursprünge der Kollateralbänder mit betroffen sind. Nach ersten Studien zum primären endoprothetischen Ersatz des Ellenbogengelenks mit vielversprechenden kurz- und mittelfristigen Ergebnissen von Cobb und Morrey erhält die Frakturendoprothetik in einem streng ausgewählten Patientenkollektiv zunehmend an Bedeutung [7]. Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung der Prothesen treten Komplikationen wie Lockerungen seltener auf. Dennoch zeigte sich im Vergleich mit der zunehmenden Anzahl an implantierten Ellenbogenprothesen ein vermehrter Anstieg an Revisionen und Wechseloperationen [3]. In der aktuellen Literatur beträgt die mittlere Überlebenszeit einer Ellenbogenprothese nach 7 Jahren ca. 86 % und nach 12 Jahren ca. 74 % [45]. Die Indikation für einen endoprothetischen Gelenkersatz wird hierbei nicht alleine am Patientenalter festgemacht. Vielmehr spielen der Grad der frakturbedingten oder bereits vorbestehenden Gelenkzerstörung, die Lebenserwartung sowie das biologische Alter bei der Entscheidungsfindung eine Rolle. Für einen endoprothetischen Gelenkersatz sprechen ältere multimorbide Patienten, durch eine Arthrose oder rheumatoide Arthritis hervorgerufene Gelenkzerstörung, eine begleitende Osteoporose, eine massive Zerstörung der Gelenkfläche durch die Fraktur und nicht zu rekonstruierende Frakturformen [1] (Abb. 3). Die Vorteile im Vergleich zum Gelenkerhalt mittels Osteosynthese werden vor allem in einer kürzeren OP-Zeit sowie der sofortigen Übungsstabilität gesehen [26]. Gerade bei multimorbiden Patienten muss das Risiko eines second hits durch eine lange und aufwendige operative Frakturversorgung mit anschließend langer Nachbehandlung gegen die Vorteile einer primären Ellenbogenprothese abgewogen werden. Durch den weniger traumatischen Eingriff können die Krankenhausverweildauer verkürzt und Komorbiditäten reduziert werden. Auch sind Revisionseingriffe in der kurz- und mittelfristigen Periode nach Versorgung seltener als bei der Osteosynthese [13]. In Vergleichsstudien zeigte sich jedoch gerade bei jüngeren Patienten ein hoher Anteil an Prothesenlockerungen und operativen Revisionen [5]. Im Vergleich dazu fand sich bei einem älteren Patientenkollektiv ein geringerer Anteil an Lockerungen [1]. Dies kann man als Ausdruck des höheren funktionellen Anspruchs von jüngeren Patienten an den eigenen Körper und damit an die Prothese ansehen. Problematisch am Gelenkersatz ist zudem die zunehmende Komplikationsrate im mittel- bis langfristigen Verlauf. Die Rate an Prothesenlockerungen liegt je nach Studie zwischen 7–15 % [21]. In einer 10-Jahres-Nachuntersuchung zeigte sich eine Komplikationsrate von 38 % und eine Reoperationsrate von 31 % [10]. Die Rate an Protheseninfektionen wird mit 5–8 % angegeben. Eine lebenslange Limitation auf eine Belastbarkeit des Arms, je nach Autor von 0,9 kg bis maximal 5 kg, bedeutet eine starke Einschränkung in der Bewältigung von Aufgaben des täglichen Lebens. Die Indikation zum primären Gelenkersatz sollte eng gestellt sowie die Vor- und Nachteile gemeinsam mit dem Patienten besprochen werden. Bei jüngeren, gesunden und aktiven Patienten muss der Gelenkersatz äußerst kritisch gesehen werden, da neben der geringen Belastbarkeit die Datenlage bezüglich des Langzeitverlaufs noch nicht eindeutig ist. Zudem zeigten sich vergleichbare funktionelle Ergebnisse nach primären Gelenkersatz und sekundärer Implantation einer Prothese nach gescheitertem konservativen oder osteosynthetischen Therapieversuch [2, 37]. Absolute Kontraindikationen für eine endoprothetische Versorgung sind neben systemischen oder lokalen Infektionen auch Non-Compliance und ein hoher funktioneller Anspruch.

Fixateur externe und
Bewegungsfixateur

Neben der temporären Versorgung mittels Fixateur externe bei Luxationsfrakturen und offenen Frakturen bietet der Bewegungsfixateur die Möglichkeit zur Ausbehandlung ohne Verfahrenswechsel. Zuerst von Volkov und Oganesian in den 1970er-Jahren zur Unterstützung bei der Rekonstruktion der Gelenkfläche von steifen Gelenken eingeführt, werden Bewegungsfixateure zunehmend in der Unfallchirurgie bei komplexen Ellenbogenverletzungen bzw. Gelenkluxationen eingesetzt [11]. Die o.g. lokalen oder allgemeinen Risikofaktoren beim älteren Menschen können zu einer erhöhten Komplikationsrate bei den empfohlenen Standardverfahren (Osteosynthese, Gelenkersatz) führen. Hier bietet die Verwendung eines Bewegungsfixateurs entscheidende Vorteile. Zum einen kann das zusätzliche Weichteiltrauma deutlich reduziert werden, zum anderen besteht die Möglichkeit frühzeitiger Rehabilitation durch die vorgegebene Bewegungsfreiheit bei deutlicher Schmerzreduktion [25]. Hier konnten insbesondere für geriatrische Patienten in ersten Studien gute Ergebnisse nachgewiesen werden. Beim jungen Patienten kommt der Bewegungsfixateur hauptsächlich bei chronischen Instabilitäten in Folge ligamentärer Verletzungen oder bei Revisionen im Zuge posttraumatischer Bewegungseinschränkungen zum Einsatz.

Nachbehandlung

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7