Übersichtsarbeiten - OUP 04/2019

Versorgung von Frakturen des distalen Humerus – im Alter wie beim jungen Patienten?

Für ein optimales postoperatives Ergebnis ist neben der Wiederherstellung der anatomischen Verhältnisse, insbesondere der Gelenkfläche, eine adäquate Nachbehandlung von immenser Bedeutung. Unmittelbar postoperativ wird der Ellenbogen in einer Oberarmgipsschiene oder einer Orthese in Funktionsstellung ruhiggestellt. Ist durch die operative Versorgung eine Übungsstabilität gewährleistet, sollte postoperativ beim alten wie beim jungen Patienten nach erfolgter Röntgenkontrolle ohne Zeitverzögerung mit der frühfunktionellen Nachbehandlung begonnen werden. Aufgrund der postoperativ häufig stark schmerzgeplagten Patienten muss hierzu eine suffiziente Analgesie gewährleistet sein. Die präoperative Anlage eines Schmerzkatheters hat sich dabei als nützlich erwiesen. Zum Ausschluss einer sekundären Dislokation sollte nach 3 Wochen eine erneute Röntgenkontrolle erfolgen. Mit dem schrittweisen Belastungsaufbau ist nach einer 6-Wochen-Röntgenkontrolle zu beginnen. Bereits im stationären Setting sollten eine supportive Kryotherapie sowie Lymphdrainagen erfolgen, die auch über den stationären Aufenthalt fortgesetzt werden sollten. Zusätzlich sollten Motorschienen verordnet werden, um eine kontinuierliche Beübung auch außerhalb der physiotherapeutischen Behandlung zu gewährleisten. Die Nachbehandlung ist entsprechend dem operativen Vorgehen anzupassen. Musste der M. triceps intraoperativ abgelöst und refixiert werden, so ist dementsprechend die aktive Streckung gegen Widerstand für 6 Wochen zu unterlassen.

Komplikationen

Die Rate an Komplikationen für die osteosynthetische Versorgung von distalen Humerusfrakturen wird in der Literatur mit bis zu 30–35 % [12] und die Komplikationsrate der endoprothetischen Versorgung mit bis zu 50 % angegeben [15].

Allgemeine Komplikationen wie postoperative Schmerzen, Nachblutungen oder Wundheilungsstörungen sind in der Regel gut zu beherrschen und stellen meist kein langfristiges Problem dar. Daneben finden sich schwerwiegendere Komplikationen, die den Patienten dauerhaft einschränken oder operative Folgeeingriffe notwendig machen. Zu den mitunter stark einschränkenden Komplikationen zählen Bewegungseinschränkungen. Diese können zum einen durch intrinsische Faktoren wie eine Gelenkinkongruenz, freie Gelenkkörper oder sich im Verlauf ausbildende Osteophyten hervorgerufen werden. Extrinsische Faktoren wie heterotope Ossifikationen, die kapsuläre Fibrose und muskuläre Kontraktionen können Bewegungseinschränkungen bis hin zur Gelenksteife hervorrufen. Die Häufigkeitsangaben für das Auftreten von heterotopen Ossifikationen werden nach operativer Versorgung mit 14 % angegeben. Durch eine verzögerte Versorgung oder komplexe Typ-C-Frakturen nach AO kann die Wahrscheinlichkeit jedoch auf bis zu 26 % ansteigen [13]. In der Literatur gibt es unterschiedliche Angaben zur Prophylaxe von heterotopen Ossifikationen. Für den Einsatz von Indometacin sind weder eindeutige Vor- noch Nachteile beschrieben. Bei der Anwendung müssen die Nebenwirkungen einkalkuliert werden. Eine postoperative Einmalbestrahlung des OP-Gebiets mit 7Gy konnte keinen eindeutigen Vorteil gegenüber der Nichtbestrahlung nachweisen [35]. Sin et al. konnten in einer Studie einen Vorteil durch eine Bestrahlung und die Gabe von Indometacin feststellen [42], und von Nauth et al. wurde lediglich eine Empfehlung zur Ossifikationsprophylaxe für Patienten mit hohem Risiko, wie z.B. schweres Schädel-Hirn-Trauma, rezidivierende Ellenbogenluxationen, verspätete Versorgung oder Typ-C-Verletzungen, gegeben [29].

Aufgrund der exponierten Lage und unmittelbaren Nachbarschaft zur Fraktur ist der N. ulnaris, insbesondere bei der operativen Versorgung von komplexen Frakturen, besonders gefährdet. Das Auftreten von perioperativen Ulnaris-Schäden wird mit bis zu 20 % angegeben. Zu Vermeidung einer iatrogenen Verletzung muss bei entsprechendem operativem Zugangsweg der N. ulnaris sorgfältig dargestellt und gesichert werden.

Die primäre intraoperative Transposition des N. ulnaris aus seinem Sulcus wird kontrovers diskutiert. Die aktuellen Daten zeigen jedoch keinen Vorteil einer prophylaktischen Transposition des N. ulnaris [44]. Nach der Reposition und Osteosynthese muss aufgrund der genauen Analyse des Operationsgebiets nach erfolgter Osteosynthese über die Transposition individuell entschieden werde. Die Transposition des N. ulnaris kann bei vorliegender Nervenirritation auch 2-zeitig erfolgen.

Das Auftreten von Früh- und Spätinfektionen ist gefürchtet. Die Angaben zur Häufigkeit für das Auftreten von postoperativen Infektionen sind jedoch sehr unterschiedlich. Bei unkomplizierten Frakturen, geringem Weichteiltrauma, zeitnaher operativer Versorgung und kurzer operativer Versorgungszeit liegt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Infektionen bei ca. 5–10 % [19]. Bei einem Frühinfekt kann ein Versuch zum Erhalt der Osteosynthese mittels operativer Revision, Lavage des OP-Gebiets und Plattenlagers sowie parenteraler antibiotischer Therapie versucht werden. Häufig muss jedoch die komplette Metallentfernung erfolgen. Geriatrische Patienten sind oft aufgrund von Multimorbidität sowie schlechten Haut- und Weichteilverhältnisse häufiger von Wundheilungsstörungen und Infektionen betroffen.

In 2–10 % der Fälle kommt es zu Pseudarthrosenbildung [47]. Hinweise für eine ausbleibende Knochenheilung sind hauptsächlich persistierende Bewegungsschmerzen, insbesondere unter Belastung. Im Nativröntgen geben weiterhin abgrenzbare Frakturspalten, Lysezonen oder auch Lockerung bzw. Bruch des Osteosynthesematerials Hinweise auf das Vorhandensein einer Pseudarthrose. Als mögliche Ursachen kommen hierbei insuffiziente Primärosteosynthesen, zu frühe Steigerungen der Belastung und Infektionen in Frage. Die Therapiemöglichkeiten ergeben sich aus der zugrunde liegenden Ursache. Bei nicht vorhandenen Hinweisen auf das Vorliegen eines Infekts ist die Re-Osteosynthese mit eventuell autologer Knochentransplantation das Verfahren der Wahl. Im Falle eines Infekts kann ein Erhaltungsversuch mit lokaler Revision und antibiotischer Therapie erfolgen. In Abhängigkeit vom Heilungsverlauf können die totale Implantatentfernung und Stabilisierung im Fixateur externe notwendig werden. Bei älteren Patienten mit osteoporotisch vorgeschädigtem Knochen muss ein Verfahrenswechsel mit Implantation einer Ellenbogenprothese in die Überlegung einbezogen werden. In jedem Fall ist jedoch sorgfältig das Nutzen-Risiko-Verhältnis abzuwägen. Insbesondere der geriatrische Patient kann beim Vorhandensein einer straffen Pseudarthrose wenig bis gar nicht in der Bewältigung von Aktivitäten des täglichen Lebens eingeschränkt sein. Hier lässt sich ein Zusammenhang zwischen den Pseudarthrose-bedingten Beschwerden und dem Aktivitätslevel erkennen. Hier schlägt die Klinik die Bildgebung.

Schlussfolgerungen

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