Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2015

Zwischen Hippokrates und Umsatzrendite – das Problem aus Sicht eines budgetverantwortlichen Arztes

Jörg Jerosch1

Zitierweise
Jerosch J: Zwischen Hippokrates und Umsatzrendite – Das Problem aus Sicht eines budgetverantwortlichen Arztes. OUP 2015; 07: 382–387 DOI 10.3238/oup.2015.0000–0000

Probleme bei der Krankenhausfinanzierung

Die strukturelle Unterfinanzierung der Krankenhäuser stellt ein zunehmendes Problem dar. 70 % der Chefärzte empfinden, dass auf Grund der Mittelknappheit im Krankenhaus negative Effekte in der Krankenversorgung entstehen. Bei den Pflegedirektoren sind dies sogar 82 %, bei den Geschäftsführern 66 %. Die Daten beruhen auf Forschungsergebnissen des Lehrstuhls für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen. Die Datenbasis bezieht sich auf die Befragung von 1.432 Chefärzten, 336 Pflegedirektoren und 284 Geschäftsführern. 45 % der Chefärzte nehmen in ihrer täglichen Praxis Entscheidungskonflikte zwischen ärztlichen und wirtschaftlichen Zielsetzungen wahr [1].

Laut Dr. med. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe [2], erfolgte seit 1995 eine enorme Arbeitsverdichtung mit Zunahme von Krankenhausinfektionen, Dekubitalulcera und auch Burn-out-Syndromen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gesundheitswesen. Die durchschnittliche Arbeitszeit je Mitarbeiter sinke insbesondere auf Grund des verschärften Arbeitszeitgesetzes. Gleichzeitig werden im gleichen Zeitraum jedoch mehr Patienten behandelt.

Die mittlere Verweildauer in deutschen Krankenhäusern reduzierte sich von 9,7 Tagen im Jahr 2000 auf 7,6 Tage im Jahr 2012. Im gleichen Zeitraum stiegen die Fallzahlen von 17,3 Millionen (Jahr 2000) auf 18,6 Millionen (Jahr 2012). Diese Zahlen zeigen deutlich die Arbeitsverdichtung.

Laut dem Gesundheitsökonom Wassem [3] werden Mittel im Gesundheitswesen zweckentfremdet. Bei fehlenden Investitionen aus den Ländermitteln sind die Krankenhäuser gezwungen, absolut zwingende, notwendige Investitionen aus den Mitteln für die Patientenversorgung zu nehmen. Bei den privaten Krankenhausträgern werden aus den Mitteln, die die Krankenkassen für die Behandlung der Patienten bereitstellen, sogar noch Ausschüttungen für die Aktionäre getätigt. Hier stellt sich die Frage, ob dieses überhaupt vom Gesetzgeber so intendiert ist.

Prof. Paul Unschuld von der Berliner Charité formulierte in der Eröffnungsveranstaltung des Deutschen Internistentages 2014 in Berlin deutlich: „Die Patienten sind die einzigen Verbündeten der Ärzte im Kampf für eine qualitativ gute Versorgung“. Er kritisierte die zunehmende Ökonomisierung im Gesundheitswesen. Patienten stehen nicht mehr als Leidende, sondern als Kunden im Fokus. Anders als ein Dienstleister-Kunden-Verhältnis sei das Arzt-Patienten-Verhältnis aber besonders von Vertrauen geprägt. Doch dieses stehe derzeit auf dem Spiel, so Prof. Unschuld. Als eines der Beispiele aus seinem klinischen Alltag führt er die klinische Gesundheitsakte an. Damit gehe jede Vertraulichkeit von Gesundheitsdaten verloren. Es besteht die Gefahr, dass es so möglich ist, bestimmte Gruppen aufzuspüren, zu überwachen und auszusondern.

Anforderungen an leitende Ärzte

Eine Vielzahl von Gründen hat dazu geführt, dass der Ärztemangel nun auch auf der Ebene der leitenden Ärzte angekommen ist. Die Besetzung von leitenden Positionen an Krankenhäusern läuft seit einiger Zeit nicht mehr so reibungslos, wie vor Jahren. Das Karriereziel leitender Arzt/Ärztin, hat aus verschiedenen Gründen an Attraktivität verloren. Es bewerben sich zunehmend weniger Oberärzte auf Leitungspositionen. Eine qualifizierte Kandidatenauswahl ist den Headhuntern in einigen Bereichen nur noch dadurch möglich, dass zunehmend Ärzte angesprochen werden, die auch bereits in Leitungspositionen als Chefärzte arbeiten.

Auf die zunehmend schwieriger werdende Akquise weist auch die Tatsache hin, dass die Träger im Deutschen Ärzteblatt weniger Chefarztpositionen ausschreiben. So lagen im Jahr 2003 beispielsweise 561 Ausschreibungen vor, im Jahr 2013 nur noch 372. Sicherlich waren die Anreize im Jahr 2003 hinsichtlich der finanziellen Situation noch deutlich günstiger als im Jahr 2013. Die Chefarztgehälter sind deutlich nach unten korrigiert worden. Gleichzeitig verdienen gerade leitende Oberärzte im außertariflichen Bereich, mit zusätzlich individuellen Vereinbarungen wie Zielleistungsvereinbarungen, deutlich mehr als vor 10 Jahren. Somit sind die Einkommensunterschiede zwischen leitenden Oberärzten und Chefarztpositionen, unter rein ökonomischen Gesichtspunkten, kaum noch lukrativ.

Das Gehalt ist jedoch keinesfalls das einzige, ausschlaggebende Kriterium für eine Bewerbung. Ein wichtiger Motivationsfaktor ist der erhoffte Zugewinn an Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten. Hier haben sich jedoch auch erhebliche Änderungen eingestellt. Personalmangel, teilweise äußerst rigide Sparvorgaben und überhöhte Erwartungen an die Umsatzrendite, verändern das Klima erheblich. So hat ein privater Träger im deutschen Krankenhauswesen beispielsweise die Parole 13plus an seine leitenden Ärzte herausgegeben (mehr als 13 % Umsatzrendite). Ein anderer privater Träger hat eine eigene Prothesenfirma aufgekauft, um hier die Erlöskette für das Unternehmen noch positiver zu gestalten.

In diesem Gesamtkontext darf es nicht verwundern, dass öffentliche Krankenhäuser z.Zt. die beliebtesten Arbeitgeber für angehende Chefärzte sind, gefolgt von freigemeinnützigen und konfessionellen Krankenhäusern. Dies jedenfalls zeigt die Studie „Arbeitgeberattraktivität von Kliniken: Für welche Träger sich angehende Chefärzte entscheiden“ der Personalberatung Rochus Mummert in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Marketing und Gesundheitsmanagement der Universität Freiburg, für die bundesweit 239 Ärzte in leitenden Funktionen deutscher Krankenhäuser befragt wurden. „Städtische Kliniken und Kreiskrankenhäuser genießen als Arbeitgeber ein höheres Vertrauen, da sie regional verwurzelt sind und in der Regel eine gewisse Größe haben“, sagt Henrik Räwer, Klinikexperte bei Rochus Mummert. „Sie strahlen Stabilität aus. Gerade für kleinere Privatkliniken ist es schwer, damit zu konkurrieren.“

Während die Oberärzte mit dem Arbeitszeitgesetz eine geregelte Wochenarbeitszeit haben, auf die auch die Aufsichtsbehörden achten, gilt dieses für leitende Ärzte nicht. Hier wird erwartet, dass man, um die Papierroutine abzuarbeiten, morgens zwischen 6.30 Uhr und 7 Uhr die Arbeit beginnt und dann nach getaner Klinikroutine noch abends für Sitzungen bis 20 oder 21 Uhr zur Verfügung steht. All dieses ist natürlich kein Anreiz für Oberärzte, eine solche Position anzustreben, insbesondere wenn man die sonstigen Merkmale der Generation Y betrachtet.

Von Seiten der ärztlichen Standesorganisationen wird dieses Problemfeld durchaus gesehen. Dies zeigt sich beispielsweise auf der Homepage der Bundesärztekammer (www.baek.de/aerzte), auf der ein Bereich eingerichtet wurde, der erfolgreiche Modelle der Wahrnehmung von Leitungsfunktionen in Teilzeit in Krankenhäusern sammelt. Hierin wird dargestellt, dass Arbeitnehmer grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit, nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetzt (TzBfG), besitzen. Hierbei sieht § 6 des TzBFG explizit vor, dass Teilzeit auch bei leitenden Positionen ermöglicht werden soll. Die Bundesärztekammer räumt jedoch auch ein, dass bislang Teilzeit als Arbeitsmodell wenig karrieretauglich ist. Und das für Viele weiterhin kaum vorstellbar ist, dass Oberärztinnen/-ärzte oder Chefärztinnen/-ärzte in Teilzeit tätig sind. Zweifelsfrei wächst jedoch das Interesse an familienfreundlichen Arbeitszeitkonzepten und es wird gesellschaftlich zunehmend weniger akzeptiert, dass Teilzeit zu verringerten Karrierechancen führen soll. Der 117. Deutsche Ärztetag 2014 in Düsseldorf hat sich mit diesem Thema intensiv mit mehreren Entschließungen befasst. Hier wird unter anderem gefordert, dass es möglich sein muss, eine leitende Positionen in der Klinik auch mit Familie in Teilzeit zu erreichen. Allen Beteiligten ist jedoch durchaus auch klar, dass erhebliche Widerstände zu überwinden sind, wenn derartige Gespräche mit Vorgesetzten und Krankenhausgeschäftsführungen geführt werden.

Von heutigen Chefärzten/innen erwartet man, dass sie absolute Multitalente sind. Vorausgesetzt wird die medizinische Expertise, mit der sie zum Leistungsträger für das Unternehmen werden. Gleichzeitig sollen sie auch den Spagat zum wirtschaftlichen Erfolg, und wie es in Ausschreibungstesten häufig formuliert wird, eine „ökonomische Kompetenz“ mitbringen. Darüber hinaus finden sich in Ausschreibungstexten die Begriffe „soziale und kommunikative Kompetenz, Organisationsgeschick und Führungsstärke“. Gleichzeitig sind sie verantwortlich für die ärztliche Weiterbildung und stellen zweifelsfrei ein wichtiges Vorbild für die nachrückende Ärztegeneration dar. Sie stellen das Gesicht des Hauses hinsichtlich der medizinischen Versorgung dar (siehe Focus-Listen).

Versucht man all diese Anforderungen zu erfüllen, so kommt es zu einer absoluten Zerreißprobe zwischen Beruf auf der einen Seite und Privatleben auf der anderen Seite. Alle im Gesundheitswesen müssen sich darüber im Klaren sein, dass eine derartige leitende Ärztin/leitender Arzt keinesfalls ein Vorbild für die Oberarzt- oder Assistentengeneration sein kann. Auch wenn in letzter Zeit in den Ausschreibungstexten auf eine höhere Familienfreundlichkeit abgehoben wird, so ist dieses unter den oben genannten Voraussetzungen gar nicht möglich.

Wenn immer wieder von Rollenüberforderungen gesprochen wird, so darf dieses nicht nur die berufliche Sphäre, sondern muss auch die Privatsphäre der handelnden Personen mitbeinhalten.

Es entsteht insbesondere ein ganz erheblicher Druck dadurch, dass die Schere zwischen den zu erbringenden Relativgewichten sowie den zur Verfügung gestellten Sach- und Personenressourcen immer weiter auseinander klafft.

Ärzte in Führungspositionen beklagen drastisch, dass sie nicht ausreichend bei strategischen Fragen und Zielsetzungen eingebunden sind, am Ende aber für negative Ergebnisse verantwortlich gemacht werden. Beispiele hierfür aus dem klinischen Alltag lassen sich viele finden. So gibt es beispielsweise Chefärzte, die über das Outsourcing der eigenen Apotheke erst durch Pharmareferenten erfahren. Die hierdurch verursachte differente Besteuerung bei der Erstellung und Anwendung von Chemotherapeutika fällt hingegen wieder auf das Budget der jeweiligen Abteilung zurück. Beim Outsourcing von Steri-Einheiten werden leitende Ärzte eventuell „gehört“, deren Empfehlungen jedoch nicht umgesetzt. Die hierdurch zusätzlich entstehenden Kosten durch verlängerte OP-Zeiten oder zusätzlich zu öffnende OP-Sieben, da Siebe nicht komplette gepackt oder unsteril sind, wird hingegen den Abteilungsbudgets zugeschlagen.

Die letzten Jahre zeigen auch sehr deutlich, dass bei leitenden Ärzten die sich mit ihren Problemen allein gelassen fühlen, zunehmend der Wunsch entsteht, noch einmal das Krankenhaus zu wechseln – auch wenn es ursprünglich in der persönlichen Karriere- und Familienplanung nicht vorgesehen war. Die Erfahrung zeigt jedoch häufig, dass die Probleme aus Sicht des leitenden Arztes und auch aus Sicht der Geschäftsführung in der neuen Position absolut die gleichen sind. Eine Lösung für das vorher bestandene Problem bietet sich in der Regel somit weder für den leitenden Arzt noch für die Geschäftsführung. Eigentlich kann es nur der Weg sein, die Identität und Kompetenz der ärztlichen Führungskräfte wieder zu gewinnen.

Die Realität ist jedoch, dass durch die Rollenüberforderung (beruflich und privat) in Kombination mit dem Kostendruck, sich ein zunehmendes Gefühl von Ohnmacht breit macht.

Aus ärztlicher Sicht ist auch darauf hinzuweisen, dass im Krankenhausbereich natürlich die Behandlung des Patienten im Mittelpunkt stehen muss und nicht das Interesse der Länderbudgets, die die Finanzierung der Krankenhäuser nicht mehr sicherstellen können oder das Interesse der Aktionäre, die bei privaten Krankenhausketten eine jährliche Rendite und eine Steuerung der Aktienkurse, entsprechend dem DAX-Index, erwarten.

Die Ökonomie gewinnt
(zuviel) an Einfluss

Für leitende Klinikärzte haben umsatzrelevante Steuerungsgrößen mehr Gewicht als Patientenzufriedenheit. Ebenso stehen das Wohl der Mitarbeiter und zusätzliche Sozialleistungen für das Personal nicht im Fokus der Chef- und Oberärzte. Leitende Kliniker haben laut einer Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Aalen (Dr. Bodo R.V. Antonic von der HTW Aalen) zunehmend taktische und umsatzrelevante Steuergrößen im Fokus. Strategien für die Fort- und Weiterentwicklung ihrer klinischen Einrichtung finden zunehmend geringere Beachtung.

Bettenbelegungen, die Fallschwere, das Abrechnungsvolumen und das DRG-System sind bei dem leitenden ärztlichen Klinikpersonal allgegenwärtig. Assistenz- und Stationsärzte nehmen sich noch etwas Zeit für die Patienten und kümmern sich um die Patientenzufriedenheit und Hilfestellungen. Das interessiert die leitenden ärztlichen Mitarbeiter weniger.

Ebenso empfinden die Patienten, dass die Stationsärzte freundlicher sind und mehr Zuwendung zeigen, als die leitenden Mediziner. Hygiene und Sauberkeit steht bei allen Befragten im Mittelpunkt des Interesses. Das dürfte an der breiten Diskussion über Krankenhausinfektionen liegen. Stationsärzte sind näher am Patienten und legen Wert auf gute Beratung, Freundlichkeit und Hilfestellungen. Soziale Leistungen wie Mitarbeiterwohnungen, Kindergärten für das Klinikpersonal und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz findet bei den leitenden Klinikärzten nur wenig Berücksichtigung.

„Zu Lasten einer empathischen Arzt-Patientenbeziehung droht der Patient zum Werkstück in einem industriellen Prozess zu werden“, lautete das Zitat der Woche von Prof. Dr. med. Arved Weimann, Chefarzt am Klinikum St. Georg in Leipzig, im Deutschen Ärzteblatt [4].

Wie dieses im klinischen Alltag aussieht, stellt der Artikel von Dr. Herbert Bliemeister sehr deutlich dar [5] .

Der bisher nur Insidern bekannte negative Einfluss der Ökonomie wird nun zunehmend auch der Bevölkerung deutlich. So titelte Spiegel Online im Oktober 2014: „Hygieneskandal an Uni-Klinik Mannheim: Totes Insekt im OP-Besteck – Haare, Keime und Knochensplitter an vermeintlich sterilen Instrumenten: In der Uni-Klinik Mannheim sind die Zustände internen Unterlagen zufolge noch schlimmer als bislang bekannt.“

Stolz waren die Stadt und der Geschäftsführer Alfred Dänzer darauf, dass die Uniklinik 4,5 Millionen im Jahr 2013 und im Vorjahr sogar knapp 6 Millionen Euro erwirtschaftete. Der rentable Betrieb wurde jedoch offensichtlich mit einem harten Sparkurs und in der Folge mit Schlamperei und Unterausstattung erkauft.

Nach einer anonymen Anzeige hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe Anfang Oktober 2014 Teile des OP-Betriebs wegen Hygienemängeln stillgelegt und mehr als ein Dutzend nichtqualifizierte Mitarbeiter nach Hause geschickt.

Klinikgeschäftsführer Alfred Dänzer rechtfertigte die Probleme bisher damit, dass „auf dem Markt kein qualifiziertes Personal vorhanden gewesen“ sei. Im Übrigen habe es aus dem Haus „keinerlei Hinweise“ auf die Probleme gegeben.

Es zeigte sich jedoch, dass die Probleme lange bekannt waren. Im CIRS (Critical Incident Reporting System) sind insbesondere Defizite im Sterilisationsbereich seit mehr als 2 Jahren vermerkt. Das Beschwerdesystem enthält Dutzende Hilferufe des Personals, die die Klinikleitung längst hätten alarmieren müssen.

Schon im März 2012 hieß es in einer Antwort der Arbeitsgruppe, die die Beschwerden bearbeitet: „Es wurde besprochen, dass die Mitarbeiter der Sterilisation regelmäßig an den Instrumentenschulungen teilnehmen sollen.“ Die jedoch fanden offenbar nicht oder nur unzureichend statt. Die Pannen nahmen zu, die Hilferufe von Ärzten und Pflegern wurden dringlicher. Im Juni 2013 fragte ein Pfleger: „Wie viel Verantwortung für regelwidriges Verhalten soll die Pflege noch tolerieren?“ Einige Monate später war zu lesen: „Wir sind kein Produktionsbetrieb, hier geht es um Menschenleben.“

Im Oktober 2013 monierte ein Arzt schlimme Mängel am Operationsgerät: „Regelmäßig sind Siebe unvollständig gepackt oder Instrumente und Geräte nicht vollständig funktionstüchtig.“ Und weiter: „In meiner OP heute fehlten 4 Instrumente.“ Etwa zur gleichen Zeit wurden nach Spiegel-Online-Informationen in 2 Sieben der Orthopädieabteilung Staphylokokken nachgewiesen. Der Befund wurde auch der Geschäftsleitung gemeldet. Abhilfe geschaffen wurde offenbar nicht.

Ein OP-Mediziner bestätigte die Missstände. Vielfach hätten bei Operationen mehrere sterilisierte Instrumentensätze geöffnet werden müssen, weil darin Werkzeug fehlte. „Die Siebe sind fehlerhaft gepackt“, sagte der Zeuge. Auch er berichtete von verschmutzten Geräten, weil sie unzureichend vorgereinigt waren oder die Sichtkontrolle ausfiel. „Es gab Haare und Knochensplitter, wo sie nicht sein sollten.“ Ein CIRS-Eintrag berichtete Anfang 2014 sogar von einem Insekt im Operationsbesteck: „Beim Öffnen eines OP-Siebes befand sich im sterilen OP-Sieb eine tote Fliege.“

Das Mannheimer Personal verzweifelte schier an der Untätigkeit der Verantwortlichen. Im November 2013 war in CIRS zu lesen: „Patienten müssen verschoben werden, weil nicht genügend Instrumente/Siebe in einem Haus der Maximalversorgung zur Verfügung stehen.“ Und nur ein paar Tage später fast schon flehentlich: „Bitte, bitte lassen Sie es nicht dazu kommen, dass Patienten zu Tode gespart werden. Mehr, viel mehr Personal im Steri.“ Als selbst im deutschen Gesundheitswesen aktiv tätige Person, kann der Autor bestätigen, dass es sich bei den oben dargestellten Vorkommnissen in der Uni Mannheim keinesfalls um Ausnahmen handelt.

Das Finanzierungssystem im Krankenhaus ist heute vorrangig auf ökonomische Effizienzaspekte ausgerichtet. Für den Arzt ist der Patient jedoch Zweck der Gesundheitsversorgung und nicht Mittel zur Erlösmaximierung. Die tägliche Routine im Krankenhaus sieht jedoch anders aus. Die Patientenversorgung wird immer marginaler. Begrifflichkeiten, die dieses sehr deutlich beschreiben, sind:

Arbeitsverdichtung,

Prozessoptimierung,

Outsourcing.

Das Ziel ist hier finanzielle Mittel einzusparen. Ein Profit ist hierbei für den Patienten nicht zu erkennen. Kurzfristig werden die Bilanzen, Umsatzrenditen und Deckungsbeiträge der Krankenhäuser mit derartigen Strategien schön gerechnet; Diese Maßnahmen sichern die Existenz der Krankenhäuser und der Abteilung jedoch nur sehr kurzfristig. Es ist ein Wandel zu fordern zu einem qualitätsorientierten nachhaltigen Finanzierungssystem, dass die ärztliche Entscheidung, die sich an den Bedürfnissen des Patienten orientiert, herausfordert und nicht ökonomisch bestraft. Der verantwortliche Arzt muss einem Patienten auch von einer bestimmten Therapie abraten dürfen, auch wenn es nicht im Sinne der Zielvereinbarungen der Ärzte und der Geschäftsführer ist. Die ärztliche und pflegerische Kompetenz darf nicht betriebswirtschaftlichen Zielen untergeordnet werden. In der Summe brauchen wir für unsere kranken Patienten eine Zone, die frei ist von ökonomischen Zwängen. Ein Krankenhaus ist eine soziale Einrichtung und darf nicht zu einem auf Profitmaximierung ausgelegten Wirtschaftsunternehmen degradiert werden. Sehr deutlich kommt dieses bei privaten Trägern zutage. Bei derartigen Unternehmen ist zwangsläufig der Shareholder Value wichtiger als das unmittelbare Wohl der Patienten. Das mag niemand so zugeben, dennoch ist die tägliche Realität die, dass mit immer weniger Geld und immer weniger Mitarbeitern medizinische und pflegerische Qualität gesteigert werden soll. Sehr drastisch zeigt das die Aussage des Fresenius Klinikkonzerngeschäftsführers Ulf Schneider, der eine Rendite von 15 % als realistisches Ziel einstuft.

„Was meinen Sie, was in diesem Land los wäre, wenn die Menschen wüssten, was in diesem Land los ist?“ (Volker Pispers)

Das Bild aus Sicht
der Patienten

3 von 4 Patienten sind mit dem deutschen Gesundheitssystem insgesamt zufrieden; 7 von 10 Patienten mit den sie behandelnden Ärzten [6]. Gleichzeitig sehen jedoch auch 9 von 10 Patienten einen Reformbedarf im Gesundheitssystem. Hier finden sich von Seiten der Patienten vor allen Dingen 2 Problemkreise. Ein Großteil der Patienten sorgt sich um die Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens sowie auch um die Möglichkeit, bei einer Erkrankung am medizinischen Fortschritt teilnehmen zu können. 85 % der Befragten gehen davon aus, dass die Krankenkassenbeiträge in Zukunft weiterhin deutlich steigen werden. 54 % gehen davon aus, dass die Leistungsumfänge in Zukunft deutlich eingeschränkt werden müssen. 47 % befürchten eine sinkende medizinische Qualität in der Patientenversorgung.

Die Patienten schätzen die Gesamtsituation somit sehr realistisch ein. Zwei Drittel würden auch durchaus höhere Krankenkassenbeiträge in Kauf nehmen, um am medizinischen Fortschritt weiter teilhaben zu können.

Die Rolle der Geschäftsführer

Der Autor ist selbst Chefarzt an einer orthopädisch/unfallchirurgischen Klinik und hat, innerhalb seiner 15-jährigen Zugehörigkeit, in dem Unternehmen 6 neue Geschäftsführer miterlebt. Bei allen Geschäftsführern findet sich, insbesondere zum Dienstbeginn, der gleiche Reflex. Die Excel–Dateien mit den Budgetberichten werden geöffnet und es werden regelhaft jeweils 1–2 Stellen im ärztlichen und 1–2 Stellen im nicht ärztlichen Personal gestrichen, sodass sich der Deckungsbeitrag für die Vorstellung beim Aufsichtsrat positiv darstellt. Die verbleibenden Mitarbeiter/innen müssen dann ihre Arbeitsabläufe den neuen Gegebenheiten anpassen. Dieses Vorgehen führt zwangsläufig zu Qualitätsverlusten in der Patientenversorgung sowie zu Überlastungen der Mitarbeiter. Auch von ärztlicher Seite wird natürlich die Notwendigkeit zu ökonomischen Betrachtungen gesehen. Medizinisch sinnvoll wäre es jedoch, zunächst Prozesse zu optimieren und erst dann die überflüssigen Ressourcen zu streichen.

Insgesamt nimmt wegen der oben genannten Gründe das Konfliktpotenzial zwischen leitendem Arzt und Geschäftsführung zwangsläufig zu. Dieses zeigt sich allein schon durch die mittlere Unternehmenszugehörigkeit von Chefärzten und Krankenhausgeschäftsführern.

Konkrete Zahlen hierzu waren im Rahmen der Recherche zu diesem Artikel von keiner offiziellen Stelle zu erfahren (Bundesministerium für Gesundheit, Deutsche Krankenhausgesellschaft, Bundesärztekammer, Landesärztekammer Nordrhein, Verband leitender Klinikärzte, Kienbaum und Partner). Aus diesem Grund wurde im Herbst 2014 vom VLOU (Verband leitender Orthopäden und Unfallchirurgen) Sektion Mitte/West unter Leistung von Dr. Walter Schäfer und Prof. Jörg Jerosch eine Umfrage unter den leitenden Ärzten dieser Sektion durchgeführt. Die Daten von 55 leitenden Ärzten konnten ausgewertet werden. Es zeigte sich, dass leitende Ärzte im Median 9,5 Jahre in der jeweiligen Position sind, wohingegen der Median bei Geschäftsführern bei 3,5 Jahren lag. Nur wenige Chefärzte hatten einen langfristigen Partner in der Geschäftsführung. Der Mittelwert der Geschäftsführer pro Chefarzt lag bei 3 (Standardabweichung 2).

Diese Daten zeigen deutlich, dass Chefärzte durch die lange Unternehmenszugehörigkeit ihre medizinischen und strategischen Entscheidungen auf Nachhaltigkeit ausrichten, wohingegen Geschäftsführer mit zunehmend mehr 3-Jahresverträgen und jahresspezifischen Zielleistungsvereinbarungen auf kurzfristige Unternehmensziele ausgerichtet sind. Dieses führt auch zu ökonomisch nicht sinnvollen Ansätzen, wenn beispielsweise eine Firma zum Jahresende die Kyphoplastie-Sets zu einen extrem günstigen Preis für die Abnahme größerer Mengen anbietet, der Krankenhausgeschäftsführer diesem Kauf jedoch nicht zustimmt, um seine persönliche, wirtschaftliche Jahreszielvereinbarung nicht zu gefährden. Ökonomisch wäre es jedoch sinnvoll, eine große Menge von Sets für das darauf folgende Jahr abzunehmen.

Aus diesem Grund wäre es vielleicht auch sinnvoll, die Jahreszielvereinbarungen sowohl für Geschäftsführer als auch für leitende Ärzte erheblich aufzuweichen und beispielsweise vielmehr in „5-Jahres-Plänen“ zu denken, um mehr Nachhaltigkeit nicht nur auf medizinisch-strategischem, sondern auch auf den wirtschaft-strategischen Bereich auszudehnen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch eine Studie der KPMG AG [7]. Diese zeigte, dass jedes 4. Krankenhaus Jahr für Jahr Mitglieder der Geschäftsführung austauscht. Die Autoren haben analysiert, dass das Risiko des Geschäftsführerwechsels um 50 % größer ist als im Vorstand eines DAX-Unternehmens. Die nähere Analyse zeigt, dass die Rate bei öffentlichen Krankenhäusern etwa 20 % beträgt, bei privaten Krankenhäusern 31,7 % und bei freigemeinnützigen 24,7 %.

Untersucht wurde in diesem Zusammenhang auch, ob ein Geschäftsführerwechsel sich auf die Ertragslage des Krankenhauses auswirkt. Unabhängig vom Wechsel der Geschäftsführung beobachten die Autoren einen Rückgang der positiven Jahresergebnisse im Untersuchungszeitraum 2009–2012 um etwa 17 %. Wechselnde Geschäftsführungen in einem Krankenhaus mit bereits negativem Jahresergebnis führten etwa in gleicher Häufigkeit zu einer Verbesserung oder einer Verschlechterung des Jahresgesamtergebnisses. Lediglich 48,4 % der Krankenhäuser mit Negativergebnis verbessern nach einem Geschäftsführerwechsel ihr Ergebnis und rund 51,6 % verschlechtern es weiter. In den Jahren 2011 und 2012 zeigte sich sogar nur bei einem Drittel der Krankenhäuser ein positiver Effekt des Geschäftsführerwechsels auf das Jahresergebnis.

Erfolgreich wird nur ein Team aus Geschäftsführung und leitenden Ärzten sein, welches sich auf langfristige medizinisch- und ökonomisch-strategische Ziele in vertrauensvoller Zusammenarbeit einigen kann, und indem die medizinisch-ökonomische Kompetenz der leitenden Ärzte bei strategischen Frage- und Zielsetzungen nicht nur gehört wird, sondern auch mit in die Planung eingebunden wird und Pawlowsche Reflexe der Geschäftsführer (Exel-Datei auf, Personalstellen raus, Exel-Datei zu) der Vergangenheit angehören.

Die Probleme kommen in der Öffentlichkeit an

Früher lud die eher großzügige Vergütung von Klinikleistungen zur Verschwendung ein. Hier schlägt das Pegel mittlerweile stark in die Gegenrichtung aus. Der allgemeine Sparzwang nimmt in deutschen Krankenhäusern überhand. Es gilt, hier ein vernünftiges Maß zwischen Medizin und Ökonomie in deutschen Krankenhäusern zu finden. Im Jahre 2014 hat der deutsche Ethikrat zu einer öffentlichen Tagung mit dem Titel „Vom Krankenhaus zum kranken Haus?!“ eingeladen. Im Rahmen dieser Tagung wurde von der Ärzteschaft stark bedauert, dass unter den jetzigen Bedingungen die Ärzte gezwungen sind, dem Patienten eine ganz wichtige Ressource in der Arzt-Patientenbeziehung vorzuenthalten: die Zeit. Das gleiche gilt durchaus auch für die Pflegekräfte. Pfleger und Ärzte müssen in deutschen Krankenhäusern im täglichen Ablauf ständig Entscheidungen treffen, bei denen sie zwischen medizinischen und ökonomischen Argumenten abwägen müssen. Dieses verursacht bei beiden Gruppen erheblichen emotionalen Stress. Beide Berufsgruppen erleben in ihrem Alltag, dass sie entweder im Sinne des ökonomischen Interesses oder im Sinne des Patienten agieren können. Dieses führt zu einem kontinuierlichen Interessenskonflikt.

Die Rolle des DRG-Systems

Es ist auch zu kurz gegriffen, das DRG-System für all diese Probleme verantwortlich machen zu wollen. Bereits in den 1980er Jahren zeigte sich ein zunehmender Einfluss von marktwirtschaftlich orientierten Gesundheitsökonomen auf die Krankenhauspolitik. Bereits im Jahr 1989 lag ein Grundsatzdokument des Bundesarbeitsministeriums (dieses war seinerzeit noch für die Gesundheitspolitik zuständig) vor, in dem diese Folgen in Begrifflichkeiten vorkamen:

schrittweise Weiterentwicklung zu einem Preissystem,

interne Budgetierung,

interne Wirtschaftlichkeitsanreize,

Einbeziehung der Chefärzte in die Budgetverantwortung,

erfolgsabhängige Chefarztverträge.

Wir sind mittlerweile in einem Bereich angekommen, in dem der Kostendruck auf das Lohnleitsystem, insbesondere der deutschen Krankenhäuser, enorm ist. Im DRG-System ist nur ein Gewinn zu erzielen wenn es gelingt, wirtschaftlicher zu arbeiten, als in der Kalkulation oder der DRG-Pauschale gerechnet wurde. Einen entscheidenden Einfluss hat die Liegedauer. Der interne Mechanismus des DRG-Systems sorgt hier dafür, dass der Kostendruck immer weiter zunimmt. Dabei muss allen handelnden Personen im System bewusst sein, dass es aufgrund der DRG-Eigenmechanismen zwangsläufig zu einem „unethischen Hamsterrad“ kommt:

Die Festlegung der DRG, berechnet aufgrund der Durchschnittskosten der Kalkulationen, erfordert, dass alle Krankenhäuser, die mit ihren Kosten über diesem Durchschnitt liegen, ihre Kosten entsprechend zu senken haben.

Soweit dieses möglich ist, kommt es in der darauffolgenden Kalkulationsrunde abermals zu einer Senkung des Kostendurchschnitts und konsequenterweise auch auf dieser Grundlage zu einer Absenkung des neu festgesetzten Preises.

Durch diese Senkung des Preises geraten erneut die Kliniken unter Kostendruck und müssen ihre Kosten senken.

Diese DRG-eigene Kalkulationslogik führt zu einer Abwärtsspirale der Preise, wobei das Krankenhaus selbst dafür sorgt, das es jedes Jahr zu einer Verschlechterung der Preise kommt, die Patienten für dieselbe Leistung erhalten.

In diesem Gesamtgeflecht gilt es folgende zusätzliche Aspekte zu berücksichtigen:

Es findet sich eine rückläufige bzw. überhaupt keine Investitionsförderung durch die Bundesländer für die Krankenhäuser mehr.

Die zugestandenen Leistungserweiterungen durch die Kostenträger fallen jährlich geringer aus als die Tarifsteigerung der im Krankenhaus Beschäftigten.

Das DRG-System hat somit einen solchen Kostendruck auf deutsche Krankenhäuser ausgelöst, dass mehr als die Hälfte der Häuser rote Zahlen schreibt. Alle Experten sind sich darüber einig, dass es keine Lösung sein wird in das alte Finanzierungssystem der Tagessätze zurückzufallen. Es ist aber aus Sicht vieler Fachleute geboten, die zweifelsfrei immer knapper werdenden Ressourcen adäquat einzusetzen. Die deutschen Krankenhäuser mit dem DRG-System und der DRG-eigenen Logik zum Ressourceneinsparen allein zu lassen, führt unweigerlich zum Zusammenbruch des Systems. Hier sind Politik und die öffentliche Meinung gefragt, eine ethische Ressourcenverteilung durchzuführen. Diese Aufgabe kann nicht Konzerngeschäftsführungen überlassen werden, die evtl. auch noch aktiengesteuert sind. Hierbei geht es zuallererst darum, den ökonomischen Druck in den Krankenhäusern zu mindern.

Wenn Krankenhäuser Investitionen aus den DRG-Erlösen finanzieren müssen, fehlt dieses naturgemäß bei der Versorgung der Patienten.

Letztendlich wird die Politik und auch die öffentliche Meinung den Mut aufbringen müssen, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Hierzu zählen beispielsweise:

in überversorgten Bereichen Abteilungen oder Krankenhäuser zu schließen,

„der Flatrate“ auf Krankenkassenkarte eine Absage zu erteilen,

Basisleistungen zu definieren, die aus der Solidargemeinschaftskrankenkasse zu erbringen sind,

gemeinsam mit der Ärzteschaft „faire Zuzahlungsmodelle“ für Zusatzleistungen zu entwickeln, wie diese beispielsweise in der Zahnmedizin schon gang und gäbe sind,

das DRG-System zu renovieren, sodass beispielsweise die Krankenhausfinanzierung nicht zu 100 % an den Klinikleistungen oder Fallpauschalen hängt, sondern dass das DRG-System nur ein Instrument neben anderen bei der Vereinbarung eines krankenhausindividuellen Budgets ist.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Dr. theol. Eckhard Nagel, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Essen und Mitglied des Deutschen Ethikrats, formuliert in diesem Zusammenhang absolut treffend: „Je mehr die Medizin in Rentabilitätskalkülen zu denken lernt, desto mehr wird sie sich zuallererst von den Schwächsten verabschieden.“

Zweifelsfrei müssen Krankenhäuser Ressourcen mit Bedacht und Verantwortung einsetzten. Zu einem solchen verantwortungsvollen Umgang mit finanziellen Mitteln gehört zweifelsfrei auch, Arbeitsabläufe zu hinterfragen und wirtschaftlicher zu gestalten. Das Unternehmen Krankenhaus bewusst dazu zu nutzen um Gewinne zu erwirtschaften ist jedoch absolut unethisch. Auch den Terminus „Einsparpotenzial“ in direktem Zusammenhang mit Qualitätssteigerung zu bringen ist widersinnig. Die Gesellschaft muss sich die Frage stellen, ob sie unser Gesundheitswesen in eine Gesundheitswirtschaft umwandeln möchte.

In diesem Zusammenhang formuliert Bernd Hontschik in seinem Buch „Hippokrates for sale“: „Nicht mehr der Kranke ist Gegenstand der Medizin, der Heilkunst, sondern die Krankheit wird zum Gegenstand eines profitablen Wirtschaftsprogramms.“

Dieses ist nicht dass, was wir Ärzte wollen!

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch

Abteilung für Orthopädie,
Unfallchirurgie und Sportmedizin

Johanna-Etiennne-Krankenhaus

Am Hasenberg 46

41452 Neuss

J.Jerosch@ak-neuss.de

Literatur

1. Die Mittelknappheit schadet dem Patienten. Dtsch Arztebl 2014; 111, B-1287–1288

2. Windhorst T. Die Mittelknappheit schadet dem Patienten. Dtsch Arztebl 2014; 111, B-1287–1288

3. Die Mittelknappheit schadet dem Patienten. Dtsch Arztebl 2014; 111, B-1287–1288

4. Weimann A. Dtsch Arztebl 2014; B-1646

5. Bliemeister H. „Katastrophe Krankenhaus“. Dtsch Arztebl 2014; 111

6. Umfrage der Techniker Krankenkasse gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa. Dtsch Arztebl 2014; 111, 42, B-1524

7. KPMG AG. Penter, 2014, http://www.kpmg.com/DE/de/Documents/Studie% 20GF-Wechsel%20im%20deutschen% 20Krankenhaus.pdf

8. Hontschik B. Hippokrates for sale. Frankfurt: Weissbooks, 2014

Fussnoten

1 Klinik für Orthopädie, Unfallchirugie und Sportmedizin, Johanna-Etienne-Krankenhaus, Neuss

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6