Übersichtsarbeiten - OUP 12/2017

Ergebnisse nach arthroskopischem Release bei Iliopsoas-Impingement nach alloarthroplastischem Hüftgelenkersatz

Jörg Jerosch1, Sherif Sokkar1, Thomas Filler2

Fragestellung: In der vorliegenden Arbeit werden Ätiologie, Diagnostik und Therapie des Iliopsoas-Impingement-Syndroms (IPI) nach Hüftgelenkersatz dargestellt. Anhand eigener Erfahrungen werden die Möglichkeiten und Ergebnisse der arthroskopischen Therapie dargestellt.

Material und Methode: Zwischen 1999 und Dezember 2016 wurden 68 Patienten mit dem klinischen Bild eines Iliopsoas-Impingements nach Hüftgelenkersatz arthroskopisch behandelt. Alle Patienten hatten bereits vorher einen frustranen konservativen Therapieversuch von wenigstens 6 Monaten mitgemacht. Die Indikation für ein arthroskopisches Vorgehen waren typische klinische Zeichen wie schmerzhafte Hüftflexion, ein positiver Lokalanästhesietest (LA-Test) sowie radiologische Hinweise auf das Vorliegen einer prominenten anterioren Azetabulumkomponente. Die arthroskopische Therapie erfolgte bei allen Patienten mit einer gleichzeitigen anterioren Kapsulo- und partiellen Kapsulektomie der Hüftgelenkkapsel. Nach Identifizierung der Pathologie erfolgte ein arthroskopisches Release der Iliopsoas-Sehne im Bereich der nachgewiesenen Läsion. Der mittlere Nachuntersuchungszeitraum betrug 6,5 Jahre (6 Monate bis 17 Jahre).

Ergebnisse: 60 der 68 Patienten gaben unmittelbar nach postoperativer Mobilisation an, dass die typischen präoperativen Beschwerden verschwunden waren. Bei 8 Patienten lagen noch Restbeschwerden vor. 6 Patienten litten 6 Wochen postoperativ noch an Restbeschwerden, die jedoch deutlich geringer waren als präoperativ. Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung waren diese Beschwerden bei 3 Patienten völlig verschwunden, bei 3 Patienten lagen noch Restbeschwerden vor.

Fazit und klinische Relevanz: Ein IPI stellt eine wichtige Differenzialdiagnose bei Patienten mit anhaltenden Leistenbeschwerden nach Hüft-TEP dar. Ein arthroskopisches Release der Iliopsoas-Sehne gibt vorhersagbar gute Ergebnisse. Eine klinisch relevante Schwächung der Hüftbeugung ist durch diesen Eingriff nicht zu erwarten.

Schlüsselwörter: Hüfte, Iliopsoas-Sehne, Endoprothese,
Arthroskopie

Zitierweise
Jerosch J, Sokkar S, Filler T: Ergebnisse nach arthroskopischem Release bei Iliopsoas-Impingement nach alloarthroplastischem Hüftgelenkersatz. OUP 2017; 12: 630–637 DOI 10.3238/oup.2017.0630–0637

Purpose: In the present study we discuss the etiology, diagnosis and treatment of iliopsoas impingement after THR. Based on our own experience we present the possibilities of arthroscopic treatment.

Material and methods: We arthroscopically treated 68 patients with an IPI-syndrome between 1999 and December 2016. All patients had conservative treatment before, at least for 6 months without any success. The indication for arthroscopic treatment was given after unsuccessful conservative treatment, with the typical clinical signs and symptoms, a positive local anaesthesia test and radiological signs for an anterior prominent acetabular component. Arthroscopy was performed together with an anterior capsulectomy. After identifying the pathology an anterior release of the iliopsoas tendon was performed. Follow up was 6.5 years (6 months to 17 years).

Results: 60 out of 68 patients had immediate pain relief after the procedure. 6 weeks after surgery, 6 patients still had pain, which was however significantly less compared to the preoperative situation. At time of follow-up only 3 patients still showed some complaints. A clinical relevant weakness of hip flexion was only present for the first few days after surgery. 6 weeks after surgery a clinical relevant weakness could not be detected.

Clinical relevance: IPI is a clinical relevant differential diagnosis in patients with persistent complaints after THR. The arthroscopic release of the iliopsoas tendon gives good clinical results. A clinical relevant weakness of hip flexion cannot be expected.

Keywords: Hip, iliopsoas-tendon, hip replacement, arthroscopy

Citation
Jerosch J, Sokkar S, Filler T: Clinical results after an arthroscopic release in iliopsoas-impingement (IPI) after total hip replacement?
OUP 2017; 12: 630–637 DOI 10.3238/oup.2017.0630–0637

Einleitung

Anhaltende Leistenschmerzen nach hüftendoprothetischem Gelenkersatz sind eher selten. Mögliche Ursachen hierzu sind jedoch vielfältig. Hierzu zählen Infektionen, Komponentenlockerungen, periprothetische Osteolysen nach Polyethylen-Abrieb und allergische Reaktionen (z.B. ALVAL-Reaktion). Differenzialdiagnostisch können die Beschwerden von der lumbalen Wirbelsäule stammen, aber auch intraartikuläre oder vaskuläre Ursachen haben [15, 25]. Capogna et al. [8] wiesen im Rahmen eines Literatur-Reviews auf die Sehnenprobleme nach Implantation einer Hüftprothese hin. Hier spielte die Iliopsoas-Sehne eine ganz entscheidende Rolle.

Inzidenz

Ein Iliopsoas-Impingement oder eine Iliopsoas-Tendinitis sind bisher nur selten in die differenzialdiagnostischen Überlegungen mit eingeflossen [21, 22] – obwohl diese Ursachen für anhaltende Hüftbeschwerden scheinbar gar nicht so selten sind. Bricteux et al. [6] identifizierten als Ursache für anhaltende Scherzen nach hüftendoprothetischer Versorgung in 4,3 % Iliopsoas-Probleme (12 von 280). Die Inzidenz nach Revisionsendoprothetik am Hüftgelenk ist bisher noch weitgehend unbekannt.

Ursache

Schmerzen aufgrund eines Iliopsoas-Impingements oder einer Iliopsoas-Tendinitis können durch prominente oder malpositionierte azetabuläre Komponenten verursacht sein [39, 14, 21, 22] (Abb.1), verbliebene Zementanteile [14, 36, 20], überlange Schrauben zur Fixierung der azetabulären Komponente [6, 14] oder durch einen Abstützring nach einer Pfannenrevision [3, 27].

Eine chronische Iliopsoas-Tendinitis oder -Bursitis kann bedingt sein durch einen direkten mechanischen Mechanismus oder einen indirekten Mechanismus aufgrund eines zu hohen horizontalen Offsets oder eines Beinlängenunterschieds [18]. Ohne endoprothetische Versorgung ist ein Iliopsoas-Problem nicht selten bei Sportlern mit Leistenschmerzen, insbesondere nach Belastungssyndromen [23].

Anatomie

Der Iliopsoas-Muskel und die zugehörige Sehne sind ein Zusammenschluss aus dem M. psoas und dem M. iliacus. Beide entspringen den lumbalen Wirbelkörpern und dem Becken, verlaufen unterhalb des Ligamentum inguinale und inserieren dann am Trochanter minor. Anatomische Untersuchen und kernspintomografische Befunde haben gezeigt, dass der Iliopsoas-Komplex häufig komplizierter ist als bisher beschrieben [37, 31, 22, 30]. Es wurden 2 unterschiedliche Variationen beschrieben [31]. Bei einer Variante verlaufen die kreuzenden Fasern des M. iliacus nur bis zur Höhe des Femurhalses und eine fettgefüllte fasziale Spalte separiert die Iliopsoas-Sehne von einer dünnen intramuskulären Sehne im medialen Aspekt des lateralen Anteils des M. iliacus. Bei der anderen Variante sind die Fasern des M. iliacus bis auf die Höhe des Trochanter minor zu verfolgen, ohne eine Separation. Die Iliopsoas-Bursa trennt die Sehne von der Hüftgelenkkapsel und liegt unmittelbar zwischen den tuberofemoralen und iliofemoralen Ligamenten [28]. Obwohl anatomisch die Sehne außerhalb des Gelenks liegt, kann es nach Hüftimplantation durch Entfernen der ventralen Gelenkkapsel zu einer intraartikulären Lage der Sehne kommen. Der Muskel dient als kräftiger Beuger des Hüftgelenks und in gewissem Ausmaß dient er auch der Außenrotation.

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