Übersichtsarbeiten - OUP 12/2017

Ergebnisse nach arthroskopischem Release bei Iliopsoas-Impingement nach alloarthroplastischem Hüftgelenkersatz

Jörg Jerosch1, Sherif Sokkar1, Thomas Filler2

Fragestellung: In der vorliegenden Arbeit werden Ätiologie, Diagnostik und Therapie des Iliopsoas-Impingement-Syndroms (IPI) nach Hüftgelenkersatz dargestellt. Anhand eigener Erfahrungen werden die Möglichkeiten und Ergebnisse der arthroskopischen Therapie dargestellt.

Material und Methode: Zwischen 1999 und Dezember 2016 wurden 68 Patienten mit dem klinischen Bild eines Iliopsoas-Impingements nach Hüftgelenkersatz arthroskopisch behandelt. Alle Patienten hatten bereits vorher einen frustranen konservativen Therapieversuch von wenigstens 6 Monaten mitgemacht. Die Indikation für ein arthroskopisches Vorgehen waren typische klinische Zeichen wie schmerzhafte Hüftflexion, ein positiver Lokalanästhesietest (LA-Test) sowie radiologische Hinweise auf das Vorliegen einer prominenten anterioren Azetabulumkomponente. Die arthroskopische Therapie erfolgte bei allen Patienten mit einer gleichzeitigen anterioren Kapsulo- und partiellen Kapsulektomie der Hüftgelenkkapsel. Nach Identifizierung der Pathologie erfolgte ein arthroskopisches Release der Iliopsoas-Sehne im Bereich der nachgewiesenen Läsion. Der mittlere Nachuntersuchungszeitraum betrug 6,5 Jahre (6 Monate bis 17 Jahre).

Ergebnisse: 60 der 68 Patienten gaben unmittelbar nach postoperativer Mobilisation an, dass die typischen präoperativen Beschwerden verschwunden waren. Bei 8 Patienten lagen noch Restbeschwerden vor. 6 Patienten litten 6 Wochen postoperativ noch an Restbeschwerden, die jedoch deutlich geringer waren als präoperativ. Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung waren diese Beschwerden bei 3 Patienten völlig verschwunden, bei 3 Patienten lagen noch Restbeschwerden vor.

Fazit und klinische Relevanz: Ein IPI stellt eine wichtige Differenzialdiagnose bei Patienten mit anhaltenden Leistenbeschwerden nach Hüft-TEP dar. Ein arthroskopisches Release der Iliopsoas-Sehne gibt vorhersagbar gute Ergebnisse. Eine klinisch relevante Schwächung der Hüftbeugung ist durch diesen Eingriff nicht zu erwarten.

Schlüsselwörter: Hüfte, Iliopsoas-Sehne, Endoprothese,
Arthroskopie

Zitierweise
Jerosch J, Sokkar S, Filler T: Ergebnisse nach arthroskopischem Release bei Iliopsoas-Impingement nach alloarthroplastischem Hüftgelenkersatz. OUP 2017; 12: 630–637 DOI 10.3238/oup.2017.0630–0637

Purpose: In the present study we discuss the etiology, diagnosis and treatment of iliopsoas impingement after THR. Based on our own experience we present the possibilities of arthroscopic treatment.

Material and methods: We arthroscopically treated 68 patients with an IPI-syndrome between 1999 and December 2016. All patients had conservative treatment before, at least for 6 months without any success. The indication for arthroscopic treatment was given after unsuccessful conservative treatment, with the typical clinical signs and symptoms, a positive local anaesthesia test and radiological signs for an anterior prominent acetabular component. Arthroscopy was performed together with an anterior capsulectomy. After identifying the pathology an anterior release of the iliopsoas tendon was performed. Follow up was 6.5 years (6 months to 17 years).

Results: 60 out of 68 patients had immediate pain relief after the procedure. 6 weeks after surgery, 6 patients still had pain, which was however significantly less compared to the preoperative situation. At time of follow-up only 3 patients still showed some complaints. A clinical relevant weakness of hip flexion was only present for the first few days after surgery. 6 weeks after surgery a clinical relevant weakness could not be detected.

Clinical relevance: IPI is a clinical relevant differential diagnosis in patients with persistent complaints after THR. The arthroscopic release of the iliopsoas tendon gives good clinical results. A clinical relevant weakness of hip flexion cannot be expected.

Keywords: Hip, iliopsoas-tendon, hip replacement, arthroscopy

Citation
Jerosch J, Sokkar S, Filler T: Clinical results after an arthroscopic release in iliopsoas-impingement (IPI) after total hip replacement?
OUP 2017; 12: 630–637 DOI 10.3238/oup.2017.0630–0637

Einleitung

Anhaltende Leistenschmerzen nach hüftendoprothetischem Gelenkersatz sind eher selten. Mögliche Ursachen hierzu sind jedoch vielfältig. Hierzu zählen Infektionen, Komponentenlockerungen, periprothetische Osteolysen nach Polyethylen-Abrieb und allergische Reaktionen (z.B. ALVAL-Reaktion). Differenzialdiagnostisch können die Beschwerden von der lumbalen Wirbelsäule stammen, aber auch intraartikuläre oder vaskuläre Ursachen haben [15, 25]. Capogna et al. [8] wiesen im Rahmen eines Literatur-Reviews auf die Sehnenprobleme nach Implantation einer Hüftprothese hin. Hier spielte die Iliopsoas-Sehne eine ganz entscheidende Rolle.

Inzidenz

Ein Iliopsoas-Impingement oder eine Iliopsoas-Tendinitis sind bisher nur selten in die differenzialdiagnostischen Überlegungen mit eingeflossen [21, 22] – obwohl diese Ursachen für anhaltende Hüftbeschwerden scheinbar gar nicht so selten sind. Bricteux et al. [6] identifizierten als Ursache für anhaltende Scherzen nach hüftendoprothetischer Versorgung in 4,3 % Iliopsoas-Probleme (12 von 280). Die Inzidenz nach Revisionsendoprothetik am Hüftgelenk ist bisher noch weitgehend unbekannt.

Ursache

Schmerzen aufgrund eines Iliopsoas-Impingements oder einer Iliopsoas-Tendinitis können durch prominente oder malpositionierte azetabuläre Komponenten verursacht sein [39, 14, 21, 22] (Abb.1), verbliebene Zementanteile [14, 36, 20], überlange Schrauben zur Fixierung der azetabulären Komponente [6, 14] oder durch einen Abstützring nach einer Pfannenrevision [3, 27].

Eine chronische Iliopsoas-Tendinitis oder -Bursitis kann bedingt sein durch einen direkten mechanischen Mechanismus oder einen indirekten Mechanismus aufgrund eines zu hohen horizontalen Offsets oder eines Beinlängenunterschieds [18]. Ohne endoprothetische Versorgung ist ein Iliopsoas-Problem nicht selten bei Sportlern mit Leistenschmerzen, insbesondere nach Belastungssyndromen [23].

Anatomie

Der Iliopsoas-Muskel und die zugehörige Sehne sind ein Zusammenschluss aus dem M. psoas und dem M. iliacus. Beide entspringen den lumbalen Wirbelkörpern und dem Becken, verlaufen unterhalb des Ligamentum inguinale und inserieren dann am Trochanter minor. Anatomische Untersuchen und kernspintomografische Befunde haben gezeigt, dass der Iliopsoas-Komplex häufig komplizierter ist als bisher beschrieben [37, 31, 22, 30]. Es wurden 2 unterschiedliche Variationen beschrieben [31]. Bei einer Variante verlaufen die kreuzenden Fasern des M. iliacus nur bis zur Höhe des Femurhalses und eine fettgefüllte fasziale Spalte separiert die Iliopsoas-Sehne von einer dünnen intramuskulären Sehne im medialen Aspekt des lateralen Anteils des M. iliacus. Bei der anderen Variante sind die Fasern des M. iliacus bis auf die Höhe des Trochanter minor zu verfolgen, ohne eine Separation. Die Iliopsoas-Bursa trennt die Sehne von der Hüftgelenkkapsel und liegt unmittelbar zwischen den tuberofemoralen und iliofemoralen Ligamenten [28]. Obwohl anatomisch die Sehne außerhalb des Gelenks liegt, kann es nach Hüftimplantation durch Entfernen der ventralen Gelenkkapsel zu einer intraartikulären Lage der Sehne kommen. Der Muskel dient als kräftiger Beuger des Hüftgelenks und in gewissem Ausmaß dient er auch der Außenrotation.

Ziel der vorliegenden Studie ist es, unsere Erfahrungen mit der arthroskopischen Therapie des IPI darzustellen.

Material und Methodik

Zwischen 1999 und Dezember 2016 wurden 68 Patienten mit dem klinischen Bild eines Iliopsoas-Impingements nach Hüftgelenkersatz arthroskopisch in unserer Institution behandelt. Es waren mehr Frauen als Männer (42:26) mit einem durchschnittlichen Lebensalter von 63 Jahren (45–77). In 52 Fällen traten die Schmerzen in ganz engem zeitlichen Zusammenhang zur Hüftprothesenoperation auf und nur in 16 Fällen zu einem späteren Zeitpunkt (Mittelwert: 8,9 Monate).

Alle Patienten hatten bereits vorher frustrane konservative Therapieversuche von wenigstens 6 Monaten und wurden im Anschluss daran in unsere Zuweisungsambulanz überwiesen.

Einen klinischen Verdacht auf ein IPI stellten wir bei Patienten fest, die nach Implantation einer Hüftendoprothese anhaltende oder neu aufgetretene Beschwerden im Bereich der Leiste beklagten. Die genaue anamnestische Befragung ergab bei diesen Patienten, dass dieser Schmerz in seiner Ausprägung anders war als der Schmerz vor dem alloarthroplastischen Hüftgelenkersatz. Die Patienten gaben auch die typischen Schmerzen beim Wechsel vom Sitzen in den Stand sowie beim Treppensteigen an, ebenso wie die typischen Schmerzen bei einer Hyperextension der Hüfte.

Die klinische Untersuchung zeigte einen Druckschmerz im Bereich der Leiste. Bei den Patienten war ein Schmerz bei aktiver Hüftflexion gegen Widerstand bis zu einem Hüftbeugewinkel von etwa 60–70° auslösbar. Ein präoperativer Lokalanästhesie-Test mit Infiltration der Iliopsoas-Sehne unter Bildwandlerkontrolle mit einem Lokalanästhetikum wurde dann als positiv angenommen, wenn nach Injektion des Lokalanästhetikums der Schmerz für die Wirkdauer des lokalen Anästhetikums verschwand.

Präoperative Röntgenaufnahmen ließen bei den Patienten eine reduzierte Anteversion der Hüftpfanne vermuten (Abb. 2). Ein genaues Ausmessen der Pfannenanteversion ist auf den Röntgenaufnahmen naturgemäß jedoch nicht möglich. Computertomografische Untersuchungen bei 55 Patienten waren aufgrund der hohen Artefaktbildung der metallischen Komponenten nicht immer konklusiv hinsichtlich der Frage eines möglichen Überstands der ventralen Azetabulumkomponente über den ossären Azetabulumrand hinaus. Gerade bei Oberflächenersatzprothesen ist die CT-Darstellung schwierig, bei Pfannenkomponenten aus Titanlegierungen oder mit speziellen Artefaktunterdrückungen im CT ist dies deutlich einfacher (Abb. 3a–c).

Die Operationsindikation wurde dann gestellt, wenn die oben dargestellten anamnestischen, klinischen und radiologischen Angaben vorlagen und ein positiver LA-Test durchgeführt wurde. Bei grober Fehllage des Pfannenimplantats erfolgte kein arthroskopisches Vorgehen.

Der arthroskopische Eingriff wurde in Rückenlage mit Extensionstisch sowie guter Muskelrelaxation durchgeführt. Nach sterilem Abwaschen und Abdecken wurde zunächst ein anterolaterales Portal in Höhe des Trochanter major und knapp ventral davon angelegt. Unter BV-Kontrolle erfolgen die Höhenlokalisation sowie das Einbringen des Arthroskops mit spitzem Trokar nach Stichinzision. Mit dem spitzen Trokar wurde die Arthroskophülse bis an die Gelenkkapsel vorgeschoben. Anschließend erfolgte der Wechsel auf einen stumpfen Trokar und die Penetration der Hüftgelenkkapsel. Unter Sicht und Bildwandlerkontrolle erfolgte dann das Anlegen eines zweiten ventralen Portals. Hierbei wurde darauf geachtet, dass über dieses ventrale Portal auch später die Kapsulotomie, eine partielle Kapselresektion und ein Erreichen der Iliopsoas-Sehne möglich waren. Nach intraartikulärer Inspektion und Palpation sowie Ausschluss weiterer intraartikulärer Pathologien erfolgte die Inzision und ventrale Resektion der Neokapsel nach Implantation der Hüftalloarthroplastik. Bei allen Patienten fanden sich inflammatorische Veränderungen unterschiedlichen Ausmaßes an der ventralen Pfannenbegrenzung. Diese reichten von einer vermehrten Gefäßzeichnung über eine lokale Synovialitis bis hin zum Verlust der ventralen Pseudokapsel mit partieller Freilegung der Iliopsoas-Sehne.

Bei einigen Patienten war die ventrale Neokapsel so kräftig und narbig ausgebildet, dass eine Penetration mit dem Trokar nicht möglich war. Bei diesen Patienten wurde die Neokapsel mit einem bipolaren Resektionsgerät oder einem 5,5 mm Shaver reseziert (Abb. 4). Die anschließende Inspektion der Iliopsoas-Sehne ergab bei allen Patienten auffällige Befunde. Neben inflammatorischen Veränderungen lagen Partialrupturen der Sehne in unterschiedlichem Ausmaß vor. Diese mechanischen Alterationen lagen auf Höhe der ventralen Pfannenbegrenzung sowie distal davon (Abb. 5). Mit einem elektrischen Resektionsgerät erfolgte dann die Tenotomie der sehnigen Anteile der Iliopsoas-Sehne (Abb. 6).

Anschließend erfolgt über den liegenden Trokar die Injektion von 10 ml Lokalanästhetikum und nach Entfernung der Instrumente erfolgt dann die Hautnaht. Postoperativ dürfen die Patienten ab dem ersten Tag schmerzadaptiert vollbelasten. Die Entlassung aus dem stationären Aufenthalt erfolgte nach 1–4 Tagen. Der mittlere Nachuntersuchungszeitraum betrug 6,5 Jahre (6 Monate bis 17 Jahre).

Ergebnisse

In 15 Fällen handelte es sich um eine azetabuläre Komponente beim Oberflächenersatz, in 18 Fällen um eine zementfreie Schraubpfanne und in den übrigen Fällen um eine zementfreie modulare Press-fit-Pfanne. 28 der 65 Patienten litten ursprünglich an einer Dysplasiecoxarthrose. Patienten mit zementierten Prothesen oder Revisionspfannen fanden sich im vorliegenden Kollektiv nicht.

Bei 5 Patienten gelang es trotz präoperativer Röntgenuntersuchung und Computertomografie erst im Rahmen der arthroskopischen Untersuchung, den ventralen Überstand der Prothese darzustellen (Abb. 7a–c).

Arthroskopisch fand sich bei den meisten Patienten eine ventrale Neokapsel, mit der die Iliopsoas-Sehne verwachsen war. Nach Etablierung eines anterioren Kapselfensters konnte in allen Fällen die Iliopsoas-Sehne dargestellt werden. Bei 39 der 68 Patienten fanden sich ventral 2 oder mehr Sehnenstrukturen im Bereich des Iliopsoas (Abb. 8). Bei allen Patienten lagen neben lokalen Tendinitiden auch bereits mechanische Beeinträchtigungen mit Partialrupturen unterschiedlichen Ausmaßes der Iliopsoas-Sehne vor. Die Läsion fand sich im Rahmen der Arthroskopie in Höhe der ventral prominenten azetabulären Komponente sowie auch distal davon. Bei allen Patienten konnten die pathologisch imponierenden Sehnenanteile mit einem bipolaren Resektionsgerät reseziert werden. Am ersten postoperativen Tag wurden die Patienten unter schmerzadaptierter Vollbelastung mobilisiert.

60 der 68 Patienten gaben bereits am 1. postoperativen Tag an, dass die präoperativ vorhandenen Schmerzen, die zur Operation geführt haben, verschwunden waren. 6 Patienten litten 6 Wochen postoperativ noch an Restbeschwerden, die jedoch deutlich geringer waren als präoperativ. Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung waren diese Beschwerden bei 3 Patienten völlig verschwunden, bei 3 Patienten lagen noch minimale Restbeschwerden vor.

Der mittlere präoperative Harris-Hip-Score betrug 42,1 (33–55). Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung fand sich ein mittlerer von 85,2 (Range 63–95).

Die mittlere Muskelkraft für die Hüftbeugung nach Janda betrug vor dem Iliopsoas-Release 3,5 (Range 3–4). Bei allen Patienten lag eine Schwäche der aktiven Hüftbeugung gegen Widerstand während der ersten 7 Tage nach dem Release vor. Diese beeinträchtigte die frühe Mobilisation nicht und führte auch nicht zu einer Beeinträchtigung des normalen bipedalen Gangbilds. Die manuelle Überprüfung der Hüftbeugung gegen Widerstand zwischen 0–70° zeigte hier jedoch eine Schwäche im Vergleich zur Gegenseite. Die mittlere Muskelkraft nach Janda betrug zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung 4,7.

Alle Endoprothesen waren zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung nach wie vor in situ. Es zeigten sich keine durch das arthroskopische Vorgehen bedingten neurovaskulären oder sonstigen Komplikationen.

Diskussion

Verschiedene Gründe haben dazu geführt, dass das Interesse am Iliopsoas-Impingement zugenommen hat [3]. Einer der Gründe mag in speziellen Prothesendesigns liegen, bei denen – insbesondere bei Oberflächenersatzendoprothesen – die azetabulare Komponente teilweise am Pfannenrand eine für die Iliopsoas-Sehne ungünstige und teils scharfe Konfiguration aufweist (z.B. BHR, Smith & Nephew). Ein weiterer Grund kann darin liegen, dass das Versorgungsalter für die endoprothetische Versorgung von Coxarthrosepatienten tendenziell eher abgenommen hat und hierdurch ein zunehmender Teil von Dysplasie-Coxarthrose-Patienten mit Endoprothesen versorgt werden. Bei diesen ist anatomisch bedingt die anteriore Azetabulumbegrenzung nur gering ausgebildet, sodass dies häufig zu einer prominenten ventralen azetabulären Komponente führt.

Verschiedene Berichte in der Literatur zeigen, dass es sich beim IPI nicht um Einzelfallbetrachtungen handelt, sondern dass man bei sorgfältiger Diagnostik dieses Krankheitsbild häufiger antrifft als früher angenommen.

Klinische Beschwerden

Die Patienten berichten üblicherweise über Hüftschmerzen, welche verstärkt werden beim Treppensteigen, ins und aus dem Bett gehen, Aufstehen vom Stuhl, aus der sitzenden Position, Ein- und Aussteigen aus dem Auto [18]. Seltener beschreiben Patienten ein schnappendes Gefühl. Die Beschwerden haben eine große Variabilität bzgl. des initialen Auftretens. So sind Beschwerden schon nach einem Monat, aber auch erst nach 96 Monaten nach Implantation einer Hüftendoprothese initial aufgetreten [14, 18].

Klinische Befunde

Die klinische Untersuchung zeigt spezifische Befunde. Die Patienten haben üblicherweise einen Druckschmerz im Bereich der Leiste, selten kann man auch ein Schnappen der Sehne palpieren, ebenfalls selten ist eine Bursa zu palpieren [28, 10, 4, 24]. Oftmals haben Patienten beim normalen Gehen kaum Beschwerden [18]. Eine Schmerzverstärkung ist zu reproduzieren bei kraftvoller Beugung der Hüfte im Sitzen oder beim Anheben des gestreckten Beins [20, 13]. Ein Schmerz kann ebenfalls auftreten bei passiver Hyperextension sowie bei aktiver Außenrotation und Extension der Hüfte [6].

Differenzialdiagnose

Die differenzialdiagnostische Abklärung kann schwierig sein. Anhaltende Beschwerden nach Hüftendoprothese können bedingt sein durch eine Low-grade-Infektion, eine azetabuläre oder femorale Lockerung, okkulte Frakturen des Beckens oder des Azetabulums. Gelegentlich können die Beschwerden auch von dem ISG oder der lumbalen Wirbelsäule herrühren. Sehr selten sind die Beschwerden verursacht durch intraabdominelle, retroperitoneale oder vaskuläre Probleme. Um einen Hüftgelenkinfekt auszuschließen, wird das C-reaktive Protein bestimmt und gleichzeitig wird eine Punktion ohne Antibiotikagabe durchgeführt. Eine Knochenszintigrafie wird empfohlen bei Vermutung auf eine okkulte Fraktur oder eine Lockerung der azetabulären Komponente, wenn die Primärimplantation schon mehrere Jahre zurück-liegt. Die Durchführung einer Szintigrafie kurze Zeit nach der Prothesenimplantation bringt keinen diagnostischen Gewinn.

Bildgebung

Eine Standardröntgenaufnahme in 2 Ebenen lässt bereits die Pfannenpositionierung erahnen. Letztendlich ist eine exakte Überprüfung der Pfannenpositionierung nur im CT möglich. Die Kernspintomografie ist in der Regel bei den metallischen Implantaten nicht hilfreich. Eine Ultraschalluntersuchung kann unter Umständen andere Differenzialdiagnosen wie eine iliopektineale Zyste ausschließen.

Auf Nativ-Röntgenaufnahmen können gleichzeitig grobe Lockerungen erkannt werden. Kleinere Osteolysen sind mit Hilfe der Computertomografie sicher diagnostizierbar. Anhand der Computertomografie kann gleichfalls die Anteversion der Hüftpfanne bestimmt werden. Ebenso kann dokumentiert werden, inwieweit die azetabuläre Komponente evtl. ventral überragt und dann zu einem Iliopsoas-Impingement oder zu einer Bursahypertrophie führen kann [14, 11].

Eine ventral überragende azetabuläre Komponente von mehr als 12 mm scheint einen Prädispositionsfaktor für ein Iliopsoas-Impingement darzustellen [11]. In einer anderen Untersuchung betrug der ventrale Überstand im Schnitt sogar nur 5,8 mm (Range: 2–10 mm) [14].

Odri et al. [29] korrelierten die Pfannengröße mit einem anterioren Iliopsoas-Impingement und konnten aufweisen, dass bei oversized Cups ab einer Differenz zwischen Original-Pfanne und Implantat-Pfanne von 6 mm das Risiko für ein Iliopsoas-Impingement deutlich erhöht ist.

Es ist nicht bekannt, inwieweit die Version der azetabulären Komponente alleine zu einer Tendinitis prädisponiert, wenn die azetabuläre Komponente mit Knochen abgedeckt ist.

Die Kernspintomografie ist in der Regel wenig hilfreich aufgrund der Artefakte. Potter et al. [32] entwickelte eine spezielle Software mit einem Algorithmus zur Artefaktunterdrückung im Rahmen der Kernspintomografie. Diese Autoren konnten ein erhöhtes Signal und Flüssigkeitsansammlung im Bereich des Prothesenlagers diagnostizieren [32]. Die differenzialdiagnostische Abklärung hinsichtlich einer iliopektinealen Zyste ist sicherlich mit dem MRT möglich [4]. Die Sonografie kann mit entsprechender Erfahrung ebenfalls differenzialdiagnostische Hinweise geben [4, 1, 34, 40]. Es scheint so, dass die Iliopsoas-Sehne bei symptomatischen Patienten sonografisch dokumentiert mehr ventral und medial der azetabularen Komponente liegt [32]. In einer anderen Untersuchung wurden ultraschallgeführte Testinjektionen aus diagnostischen und therapeutischen Gründen durchgeführt [1]. Rezig et al. [34] beschrieben einen Patienten, bei dem das Krankheitsbild sogar mit Hilfe der Sonografie diagnostiziert werden konnte.

Lokalanästhesie-Test

Nach wie vor ist der häufigste diagnostische Test zur Überprüfung einer Iliopsoas-Tendinitis oder eines Iliopsoas-Impingements die bildgesteuerte Injektion im Bereich der Iliopsoas-Sehnenscheide mit einer geringen Menge eines Lokalanästhetikums [39, 14, 36, 20, 28, 10, 13, 1, 34, 40]. Der Patient berichtet daraufhin, wie sich die Beschwerden im weiteren Verlauf der nächsten Stunden verhalten. Dalmau-Carolà [12] berichtet über 2 Fälle eines Iliopsoas-Impingements und wies auf die besondere Relevanz der diagnostischen Injektion hin.

Konservative Therapie

Die nichtoperative konservative Therapie der akuten oder chronischen Iliopsoas-Tendinitis bei nichtendoprothetisch versorgten Patienten beinhaltet eine Sportpause, NSAIDS und physikalische Therapie. Solche Maßnahmen können auch bei Patienten nach endoprothetischem Ersatz durchgeführt werden. Während bei bisher nicht endoprothetisch versorgten Patienten Injektionen mit Lokalanästhetika und Kortikoide hilfreich sind und durchaus einen kurzfristigen Erfolg geben, ist der langfristige Erfolg dieser Maßnahmen jedoch eher zweifelhaft [6, 14, 2]. Dora et al. [14] konnten keinen Effekt bei der konservativen Therapie eines Iliopsoas-Impingements nach endoprothetischer Versorgung dokumentieren. In einer Serie von 9 Patienten zeigten sich nur 2 erfolgreich nach einem konservativen Therapieregime. Bei beiden wurden Injektionen durchgeführt [20]. Evtl. ergibt die ultraschallkontrollierte Injektion ein besseres Ergebnis. Von 11 Patienten, welche 1–2 ultraschallkontrollierte Injektionen erhielten, fand sich bei 9 Patienten eine etwa 50 %ige Schmerzverbesserung bei einem 1-Jahres-Follow-up [1]. Es gibt auch einen Bericht zur Schmerzreduktion durch Botulinumtoxininjektionen an 3 verschiedenen Stellen des Iliopsoas-Muskels, wobei dieser Effekt offensichtlich nur etwa 6 Monate anhielt [17]. Insgesamt scheint die operative Therapie erfolgreicher. Eine aktuelle Literaturübersicht zeigt, dass nur in 15 von 38 Patienten eine konservative Therapie erfolgreich war.

Operative Therapie

In den meisten Fällen ist somit eine operative Therapie angezeigt. Die hier verwendeten Verfahren beinhalten das Release der Iliopsoas-Sehne allein oder die Entfernung von Zement, prominenten Schrauben, die Revision der Hüftpfanne allein oder in Kombination mit der Iliopsoas-Tenotomie [6, 39, 14, 36, 20, 18, 28, 10, 24, 13, 11, 40, 2].

Für das operative Release wurden unterschiedliche Techniken beschrieben. Heaton und Dorr [18] beschreiben sogar einen dorsalen Zugang, der uns aus anatomischen Betrachtungen eher ungünstig erscheint. Die meisten Autoren erreichen über einen ventralen Zugang in anterolateraler oder in streng anteriorer Technik das Operationsgebiet [14]. Schoof et al. [35] führten bei 12 Patienten eine Pfannen-Revision bei Iliopsoas-Impingement durch und konnten zeigen, dass dieses Vorgehen nach 56 Monaten mittlerer Nachuntersuchungszeit zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führte. Lausmann et al. [26] beschrieben Psoas-Hämatome bei Iliopsoas-Kontaktphänomen in 2 Fällen.

Spiker et al. [33] beschreiben in einer Übersichtsarbeit das Krankheitsbild des Iliopsoas-Impingement sowie die operative Technik, ohne auf eigene Ergebnisse zu verweisen. Die offene Technik zeigt eine Erfolgsrate von über 90 % [6, 39, 14, 36, 20, 18, 10, 24, 13, 11, 40].

Ala Eddine et al. [2] berichteten über eine Serie von 9 Patienten, die sie aus einer Gruppe von 206 schmerzhaften Hüften nach Gelenkersatz als Iliopsoas-Impingement isolierten (4,3 %). In ihrer Gruppe lag das mittlere Alter der Patienten bei 50 Jahren und in 8 Fällen handelte es sich um unzementierte Press-fit-Pfannen, nur in einem Fall handelte es sich um eine zementierte Pfanne. Sie führten sowohl konservative Therapieversuche als auch Tenotomien der Iliopsoas-Sehne durch. Auch diese Autoren beobachteten bei der letzten Nachuntersuchung bei ihren Patienten keinen Verlust der Flexionskraft.

Bricteux et al. [6] berichteten über 12 Fälle mit Iliopsoas-Impingement, die sie aus einer Gruppe von 280 schmerzhaften Hüftendoprothesen isolierten (4,3 %). In ihrer Gruppe fanden sich mehr Frauen als Männer (9:3) mit einem höheren durchschnittlichen Lebensalter von 72 Jahren. 9 ihrer Patienten hatten eine Primärimplantation und 3 eine Revision. In 10 Fällen (83 %) traten die Schmerzen unmittelbar nach der Operation auf und nur in 2 Fällen (17 %) zu einem späteren Zeitpunkt. Sie beobachteten die typischen Schmerzen auch beim Wechsel vom Sitzen in den Stand sowie beim Treppensteigen. Gleichfalls beobachteten sie die typischen Schmerzen bei einer Hyperextension der Hüfte.

Cyteval et al. [11] beschrieben radiologische und computertomografische Befunde bei 8 Patienten mit einem Iliopsoas-Impingement. In ihrer Untersuchung konnten sie zeigen, dass bei der Hälfte der Patienten mit einem IPI eine übergroße femorale Komponente implantiert wurde; weiterhin zeigten sie, dass bei allen IPI-Patienten die azetabuläre Komponente ventral mindestens 12 mm überstand. In einer Kontrollgruppe war der ventrale Überstand immer weniger als 8 mm.

Eine der umfangreichsten Arbeiten zum Thema wurde von Dora et al. [14] vorgestellt. Die Autoren berichten über eine Serie von 29 Patienten (30 Hüften) mit einem IPI. Alle Patienten durchliefen zunächst ein frustranes konservatives Therapiemanagement. Nach Diagnosestellung wollten 8 Patienten bei einer konservativen Therapie bleiben. Die übrigen 22 Patienten erhielten entweder eine konventionelle offene Iliopsoas-Tenotomie oder eine Revision der azetabulären Komponente mit Debridement der Iliopsoas-Sehne. Bei einem durchschnittlichen Nachuntersuchungszeitraum von 7,8 Jahren zeigten alle 8 Patienten in der konservativen Gruppe ein Therapieversagen. In der operativen Therapiegruppe gab es eine Schmerzreduktion bei 18 von 22 Hüften (81,8 %). Nur eine Hüfte zeigte anhaltende Beschwerden in der Tenotomiegruppe, wohingegen 3 Patienten in der Gruppe, die eine Azetabulumrevision mit Debridement der Sehne erhielten, Beschwerden behielten. Aufgrund ihrer Ergebnisse schlussfolgerten die Autoren, dass eine Iliopsoas-Tenotomie dieselben funktionellen Ergebnisse wie eine Revision der azetabulären Komponente erwarten lassen, dies jedoch mit einem deutlich geringeren operativen Aufwand und einer geringeren Komplikationsrate.

Chalmers et al. [9] untersuchten die operativen und nicht operativen Ergebnisse bei Iliopsoas-Impingement nach Hüft-Arthroplastik. Insgesamt wurden 49 Patienten behandelt. 21 erhielten eine Azetabulum-Revision, 8 eine Tenotomie und 20 wurden konservativ behandelt. Der mittlere Nachuntersuchungs-Zeitraum betrug 4 Jahre.

50 % der Patienten mit einer konservativen Therapie behielten Leistenschmerzen. In der operativen Gruppe waren es nur 24 %. Bei Patienten, bei denen der vordere Pfannenrand der Arthroplastik weniger als 8 mm prominent war, führte die Tenotomie in 100 % zu einer Beschwerdefreiheit. Bei Patienten mit mehr als 8 mm Prominenz führte die Azetabulum-Revision in 92 % zu einer Beschwerdefreiheit. Bei einer Prominenz von mehr als 8 mm konnte nur bei einem von 3 Patienten mit einer reinen Tenotomie eine Beschwerdefreiheit erreicht werden.

Die Autoren schlussfolgerten, dass eine konservative Therapie in nur 50 % der Fälle zu einer Beschwerdefreiheit führt; bei minimaler Pfannen-Prominenz unter 8 mm zeigt ein Iliopsoas-Release ein gutes Ergebnis. Bei höheren Pfannen-Fehlstellungen empfehlen die Autoren eine Revision der Pfannenkomponente.

Neben den offenen konventionellen Techniken erscheint die arthroskopische Technik besonders reizvoll und vorteilhaft, da diese mit einer geringen Morbidität des Patienten einhergeht. Der Eingriff ist in übersichtlichem Zeitrahmen ohne großes Komplikationsrisiko für den Patienten durchzuführen. Hierbei wird natürlich nur eine Iliopsoas-Tenotomie durchgeführt, ohne eine Reorientierung der Prothesenkomponenten zu erreichen. In der hüftarthroskopischen Literatur finden sich nur wenige Arbeiten zum Thema des Iliopsoas-Sehnenreleases [21, 22]. Diese behandeln zum Teil Sehnenaffektionen ohne einliegende Endoprothese. So berichten Tibor und Sekiya [38] über eine „interne schnappende Hüfte“ aufgrund einer Iliopsoas-Tendinitis. Byrd [7] beschreibt die schmerzhafte Iliopsoas-Sehne ebenfalls und gibt operationstechnische Hinweise zum endoskopischen Release an.

Ilizaliturri et al. [19] beschreiben ebenfalls das interne Hüftschnappen aufgrund einer Iliopsoas-Affektion bei 7 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 28,5 Jahren, bei denen ein endoskopisches Release der Iliopsoas-Sehne durchgeführt wurde. Das Release wurde in dieser Gruppe auf Höhe des Trochanter minor durchgeführt. Die Autoren beobachteten ebenfalls eine abgeschwächte Hüftflexion, die jedoch nicht über 8 Wochen hinaus andauerte.

Zunehmend finden sich auch arthroskopische Arbeiten bei einem IPI. Filanti et al. [16] behandelten 35 Patienten mit anhaltenden Leistenschmerzen arthroskopisch. Bei Patienten mit dem klinischen Verdacht auf ein Iliopsoas-Impingement wurde ein Lokalanästhesie-Test durchgeführt. Bei positivem Test und positivem intraoperativen Befund erfolgte eine transkapsuläre Tenotomie in arthroskopischer Technik. Das Alter der Patienten reichte von 29 bis 77 Jahren (Mittelwert 57 Jahre). Die Beschwerden setzten 5–15 Monate (Mittelwert 10,8 Monate) nach Implantation der Hüft-Prothese ein. Der mittlere präoperative Harris-Hip-Score betrug 41,1 (32–56). Die mittlere Muskelkraft für die Hüftbeugung betrug 3,2 (Range 3–4). Nach 24 Monaten Nachuntersuchungszeitraum fand sich ein mittlerer Harris-Hip-Score von 75,73 (Range 50–90). Bei Iliopsoas-Release zeigt sich der postoperative Harris-Hip-Score bei 83,25 (Range 61–91). Die mittlere Muskelkraft betrug 4,45.

Die Autoren schlussfolgerten, dass die Hüft-Arthroskopie bei einem Leistenschmerz nach Hüft-Prothetik eine gute Indikation darstellt und gerade beim anterioren Iliopsoas-Impingement ein sehr wertvolles Werkzeug ist, um wenig invasiver als mit anderen offenen Techniken das Problem zu lösen.

Nach Revisionsendoprothetik sind Literaturhinweise auf ein IPI noch selten. Morohashi et al. [27] beschrieben einen Fall bei dem nach Hüftrevisionsendoprothese mit einem Pfannenabstützring eine arthroskopische Iliopsoas-Resektion durchgeführt wurde.

Anatomische Betrachtungen

Interessanterweise konnten wir bei 39 der 68 Patienten ventral 2 Sehnenstrukturen im Bereich der Iliopsoas-Sehne identifizieren. Dieses Phänomen wurde von uns bereits 2013 beschrieben [22]. Anatomisch könnte es sich dabei um eine separate Iliacus- und Psoas-Sehne handeln. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass bei diesen Patienten ein separater Iliopsoas minor als anatomische Variante vorlag.

Philippon et al. [30] konnten im Rahmen einer anatomischen Arbeit ebenfalls aufzeigen, dass auf Höhe des Hüftgelenkes durchaus mehr als ein Sehnenanteil vorhanden ist. Sie untersuchten 53 Präparate (Fresh frozen) mit einem mittleren Lebensalter von 62 Jahren (47–70 Jahre). Sie fanden in 28,3 % nur einen Sehnenanteil, in 64,2 % 2 und in 7,5 % sogar 3 Sehnenanteile. Sie wiesen darauf hin, dass in einem solchen Fall mehr als nur ein Sehnenanteil zu lösen ist, um ein Iliopsoas-Impingement zu beheben. Seine anatomische Arbeit zeigt auch sehr deutlich, dass es sich hierbei um intramuskuläre Sehnenanteile handelt und keinesfalls um Sehnen am körperfernen Ende des Muskels. Dieses macht verständlich, dass ein Release dieser Sehnenanteile nicht zum Funktionsverlust des M. iliopsoas führt.

In diesem Zusammenhang ist die Arbeit von Brandenburg et al. [5] interessant. Sie führten bei 18 Patienten ein arthroskopisches Release der Iliopsoas-Sehne bei entsprechender klinischer Symptomatik durch. Hier handelte es sich jedoch um Patienten, die noch keine Hüftprothese erhalten hatten. Die Autoren untersuchten die Muskulatur vor und nach dem Release mittels MRI und klinischen isometrischen Hüftbeuge-Tests. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass nach einem Release eine Iliopsoas-Atrophie von 25 % und eine Reduktion Hüftbeugekraft von 19 % resultierten. Kritisch ist anzumerken, dass weder Kernspintomografie noch Flexionskraft vor der Intervention dokumentiert wurden. Man kann also nicht sagen, welcher Effekt auf die Erkrankung an sich und welcher auf das Iliopsoas-Release zurückzuführen ist.

Morohashi et al. [27] berichteten über einen Fall mit Iliopsoas-Impingement, wiesen auf die Notwendigkeit eines 2-Level-Releases hin und sie beobachteten, dass ein Release im Bereich des Trochanter minor nicht ausreichend war und ein zweites Release auch für die ventrale Pfannenkomponente notwendig wurde. Dieses mag unter dem Aspekt der oben dargestellten anatomischen Zusammenhänge verständlich sein.

Fazit und klinische Relevanz

Das IPI muss in die differenzialdiagnostischen Überlegungen bei anhaltenden Beschwerden nach hüftalloarthroplastischem Gelenkersatz miteinbezogen werden. Die typische Anamnese, Schmerzen bei der kraftvollen Hüftflexion zwischen 0–70° sowie ein positiver LA-Test sind wegweisend für die Diagnose. Konservative Therapieverfahren zeigen nur geringe Aussicht auf Erfolg. Ein arthroskopisches Release der Iliopsoas-Sehne bietet eine minimal invasive Therapieoption mit vorhersagbar gutem Erfolg und ist einer erneuten Prothesenrevision mit Umplatzierung der Komponenten nach dem jetzigen Stand der Literatur vorzuziehen. In vielen Fällen sind mehrere Sehnenanteile zu lösen.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch

Johanna-Etienne Krankenhaus

Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin

Am Hasenberg 46, 41462 Neuss1

j.jerosch@ak-neuss.de

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Fussnoten

1Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Johanna-Etienne Krankenhaus Neuss, 2Institut für Anatomie, Universität Düsseldorf

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