Übersichtsarbeiten - OUP 04/2019

Heterotope Ossifikationen nach gelenknahen Frakturen
Klinische Bedeutung, aktueller Stand und Ausblick der Therapie

Fabian Hemm, Lydia Anastasopoulou, Ulrich Thormann, Christian Heiß, Markus Rupp

Zusammenfassung:

Das Phänomen der heterotopen Ossifikationen stellt eine relevante Komplikation vor allem
traumatischer Erkrankungen infolge unterschiedlicher Unfallmechanismen dar. Die klinische
Manifestation kann zu verschiedenen Komplikationen bis hin zum vollständigen Verlust des
Bewegungsumfangs betroffener Gelenke führen, wodurch entsprechende Nachbehandlungen
erforderlich werden. Somit können der Heilungs- und Rehabilitationsprozess verzögert und das
langfristige Outcome der zumeist schwerverletzten Patienten zusätzlich beeinträchtigt werden.
Aktuell beruhen die Therapieoptionen heterotoper Ossifikationen vor allem auf chirurgischen
Interventionen und wenigen prophylaktischen Maßnahmen. Die zunehmende Untersuchung der zugrunde liegenden zellulären und molekularen Mechanismen ermöglicht die Entwicklung
immer gezielterer und nebenwirkungsärmerer Therapeutika.

Schlüsselwörter:
heterotope Ossifikationen, Trauma, Pathophysiologie, Komplikationen, Prophylaxe, Therapie

Zitierweise:
Hemm F, Anastasopoulou L, Thormann U, Heiß C, Rupp M: Heterotope Ossifikationen nach gelenknahen Frakturen. Klinische Bedeutung, aktueller Stand und Ausblick der Therapie.
OUP 2019; 8: 220–228
DOI 10.3238/oup.2019.0220–0228

Summary: The phenomenon of heterotopic ossifications is a major clinical complication mainly following
traumatic events of various mechanisms. Among several clinical symptoms heterotopic ossifications may cause progressive loss of function until complete ankylosis of the affected joints and require specific therapies. This may complicate the further process of healing and rehabilitation as well as decreasing the long-term functional outcome of predominant severely injured patients. Current therapies consist in surgical resection and few
prophylactic procedures. The ongoing research reveals further insights regarding cellular and molecular
processes and offers approaches for upcoming specific therapy options.

Keywords: heterotopic ossifications, trauma, pathophysiology, complications, prophylaxis, therapy

Citation: Hemm F, Anastasopoulou L, Thormann U, Heiß C, Rupp M: Heterotopic ossifications in context of periarticular fractures. Clinical relevance, current therapy procedures and upcoming options.
OUP 2019; 8: 220–228 DOI 10.3238/oup.2019.0220–0228

Für alle Autoren: Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen

Einleitung

Die benigne Neubildung von Knochengewebe außerhalb des physiologischen Skelettsystems wird als heterotope Ossifikation bezeichnet. Zumeist posttraumatisch, aber auch aufgrund genetischer Prädisposition entwickeln sich reife knöcherne Strukturen im Weichteilgewebe, in dem unter physiologischen Umständen kein Knochen vorliegt. Zumeist davon betroffen sind Gewebe mit einem hohen Anteil an Bindegewebe, wie z.B. Gelenkkapseln, Muskeln, Bänder oder Sehnen. Klinisch manifestieren sich heterotope Ossifikationen vor allem durch Schmerzen, können aber auch zu Bewegungseinschränkungen, Nervenschädigungen oder Wundheilungsstörungen führen. Die Diagnostik erfolgt heutzutage vor allem durch konventionelle Bildgebung, womit heterotope Ossifikationen allerdings erst nach einigen Wochen dargestellt werden können. Daher werden zunehmend sensitivere Verfahren entwickelt, um heterotope Ossifikationen früher diagnostizieren zu können. Damit wird das Ziel verfolgt, eine entsprechende Therapie rechtzeitig einleiten zu können, seltener operativ intervenieren zu müssen und letztlich das Outcome der Patienten zu optimieren.

Die zugrunde liegende pathophysiologische Theorie hinter den heterotopen Ossifikationen beschreibt, dass unter bestimmten Bedingungen im Bindegewebe liegende mesenchymale Stammzellen zur Differenzierung in Richtung osteoproliferativer Zellpopulationen veranlasst werden. Die verantwortlichen zellulären und molekularen Prozesse sind Gegenstand intensiver Grundlagenforschung und bieten eine vielversprechende Perspektive zur Entwicklung zielgerichteter Medikamente.

Die Erstbeschreibung heterotoper Ossifikationen erfolgte anhand von Paraplegikern, die im Ersten Weltkrieg Rückenmarksverletzungen erlitten hatten und im Verlauf knochen- und gelenknahe Ossifikationen entwickelten, die schließlich bis zur Gelenkversteifung führten [15]. Seit dieser Erstbeschreibung sind zahlreiche Publikationen veröffentlicht worden, in denen das Auftreten heterotoper Ossifikationen infolge unterschiedlicher Ursachen und an verschiedensten Körperstellen sowie die zugehörigen individuellen Therapieverfahren beschrieben wurden. Zunehmend wurden vor allem Tiermodelle zur Untersuchung heterotoper Ossifikationen und deren molekularen Grundlagen entwickelt. Der vorliegende Review-Artikel gibt einen Überblick über die klinische Relevanz, Pathophysiologie, Diagnostik und aktuelle sowie zu erforschende Therapieoptionen heterotoper Ossifikationen.

Ätiologie, Epidemiologie und Risikofaktoren

Die multifaktorielle Ätiologie der heterotopen Ossifikationen kann in 3 Gruppen eingeteilt werden:

  • 1. traumatisch,
  • 2. neurologisch,
  • 3. genetisch.

Unter traumatischen Ursachen heterotoper Ossifikationen werden verschiedenste Gewebeverletzungen zusammengefasst. Dazu gehören vor allem gelenknahe Frakturen des knöchernen Bewegungsapparats. Führend sind insbesondere heterotope Ossifikationen infolge von Frakturen des Acetabulums, wobei ohne postoperative Prophylaxe eine Inzidenz von bis zu 90 % zu beobachten ist [27]. Nach Femurfrakturen werden bei etwa 52 % und nach Unterarmfrakturen bei ca. 20 % der Betroffenen heterotope Ossifikationen festgestellt [16]. Heutzutage werden heterotope Ossifikationen bei Kriegsversehrten mit Amputationsverletzungen, überwiegend durch Explosionsverletzungen nach Kontakt mit Sprengfallen, sogar in bis zu 63 % der Fälle beobachtet [34]. Aber auch nach Gelenkluxationen, Sehnenrupturen oder iatrogener Traumatisierung durch größere, teils elektive Gelenkoperationen werden heterotope Ossifikationen als regelmäßige Komplikationen beobachtet. So werden z.B. nach endoprothetischer Versorgung von Hüftgelenken heterotope Ossifikationen bei 16–53 % der behandelten Patienten beschrieben [6]. Andererseits können auch infolge von Verbrennungen ohne direkte Knochenbeteiligung heterotope Ossifikationen entstehen, bei schweren Verbrennungen sogar in bis zu 60 % der Fälle [32]. Weiterhin werden heterotope Ossifikationen auch als Komplikation regelmäßiger muskulärer Überbeanspruchung im Sinne von rezidivierenden Mikrotraumatisierungen vor allem bei Leistungssportlern beobachtet. Als Risikofaktoren für posttraumatische heterotope Ossifikationen zählen u.a. komplizierte Frakturen und Begleitverletzungen, wie z.B. Abdominal-, Thorax- oder Schädel-Hirn-Traumata sowie ein erhöhter Schweregrad der Verletzungen, der anhand des Injury Severity Score (ISS) klassifiziert wird. Ebenso werden zusätzliche Gewebetraumatisierungen durch ausbleibende Immobilisation oder wiederholte Repositionsversuche sowie durch verzögerte chirurgische Versorgung von Frakturen als prädisponierend beschrieben [27, 28, 34].

Die neurologisch bedingten heterotopen Ossifikationen treten vor allem im weiteren Behandlungsverlauf nach schweren Verletzungen des ZNS auf und betreffen etwa 11–20 % der Patienten [16]. Als verletzungsspezifische prädisponierende Risikofaktoren wurden z.B. die vollständige Durchtrennung des Rückenmarks, das Ausmaß der Hirnschädigung mit einem häufigeren Auftreten heterotoper Ossifikationen nach diffusem axonalen Hirnschaden als nach fokalen Läsionen oder die Entwicklung einer Spastik im Verlauf identifiziert [12, 22]. Auch wenn Patienten aufgrund einer isolierten Verletzung initial zunächst durch neurochirurgische Kollegen behandelt werden, können diese im weiteren Verlauf orthopädisch-unfallchirurgische Komplikationen in Form von heterotopen Ossifikationen entwickeln und einer entsprechenden Mitversorgung bedürfen.

Die Fibrodysplasia ossificans progressiva (FOP) beruht auf einer aktivierenden Mutation des ACVR1/ ALK2-Gens, das für einen Bone-morphogenetic-protein(BMP)-Typ-I-Rezeptor kodiert. Diese hereditäre Erkrankung wird autosomal dominant mit voller Penetranz vererbt und gilt als Beispiel genetisch bedingter heterotoper Ossifikationen. Klinisch imponieren zunächst Malformationen der Großzehen. Allerdings können unter dieser genetischen Prädisposition bereits kleinste Verletzungen, wie z.B. Prellungen oder intramuskuläre Injektionen, aber auch einfache Virusinfekte zur Ausbildung heterotoper Ossifikationen am ganzen Bewegungsapparat führen, die langfristig die Beweglichkeit der Patienten massiv einschränken, sie frühzeitig
in den Rollstuhl zwingen und vor allem durch eingeschränkte Beweglichkeit des Thorax die Lebenserwartung der Patienten auf durchschnittlich 40 Jahre limitieren.

Als generelle Risikofaktoren für heterotope Ossifikationen wurden das männliche Geschlecht sowie Vorerkrankungen mit verstärkter knöcherner Metaplasie, wie z.B. ankylosierende Spondylitis (Morbus Bechterew) oder diffuse idiopathische Skeletthyperostose (DISH, Morbus Forestier), beschrieben [28, 29]. Insbesondere bei intensivpflichtigen Patienten sind ein prolongiertes Koma und maschinelle Beatmung als Risikofaktoren zu berücksichtigen [29]. Im weiteren Behandlungsverlauf stellen sich eine längere Immobilisation [17] sowie Infektionen der Lungen oder Harnwege als nachteilig heraus [12].

Pathophysiologie

Während die verschiedenen Ursachen und Risikofaktoren heterotoper Ossifikationen bereits vielfältig analysiert wurden, bietet die Untersuchung der pathophysiologischen Grundlagen auf zellulärer und molekularer Ebene noch umfangreiches Potenzial und bildet den Ausgangspunkt zur Entwicklung spezifischer Therapieoptionen. Dabei sind die 3 wesentlichen Voraussetzungen zur Entstehung heterotoper Ossifikationen bereits seit Längerem bekannt [9]:

  • 1. Anwesenheit von mesenchymalen Stammzellen,
  • 2. Anwesenheit von osteoinduktiven Faktoren,
  • 3. Osteogenese fördernde Umgebungsbedingungen.

Unter diesen Bedingungen können mesenchymale Stammzellen zu Osteochondroprogenitorzellen und im Verlauf zu Chondrozyten sowie Osteoblasten differenzieren, die schließlich durch enchondrale Osteogenese den Aufbau heterotoper Ossifikationen einleiten [26]. Die Differenzierung der mesenchymalen Stammzellen beginnt mit 16 Stunden nach dem entsprechenden Trauma bereits sehr frühzeitig und zeigt ihren Peak nach etwa 36–48 Stunden [27].

Mesenchymale Stammzellen

Die pluripotenten mesenchymalen Stammzellen kommen in verschiedenen Gewebearten vor und zeigen ein erhebliches Proliferations- und Differenzierungspotenzial. Unter physiologischen Bedingungen können sie, verschiedenen Zelllinien folgend, differenzieren und letztlich zu funktionsfähigen Zellen heranreifen. Daher dienen sie vor allem zur lokalen Regeneration von z.B. Muskeln, Sehnen, Bändern, Fettgewebe, Knorpel oder eben Knochen. Allerdings können aus mesenchymalen Stammzellen unter bestimmten Bedingungen auch andere Zellarten entstehen als ursprünglich vorgesehen waren [39]. Daher stellen sie die zelluläre Grundlage zur Entstehung heterotoper Ossifikationen dar. Den Gradienten komplexer Signalkaskaden (Wachstumshormone und Zytokine im Rahmen der lokalen Entzündungsreaktion) folgend, wandern die mesenchymalen Stammzellen in das frakturumgebende Gewebe ein [16].

Osteoinduktive Faktoren

Durch ein komplexes System aus interagierenden, lokalen sowie systemischen Faktoren werden die Bewegung und die Differenzierung der mesenchymalen Stammzellen koordiniert. Die zugrunde liegenden Zusammenhänge sind bisher allerdings nur in ihren Ansätzen erforscht. Beispiele für entscheidende Zytokine sind die sogenannten Bone Morphogenetic Proteins (BMPs), die eine Differenzierung der mesenchymalen Stammzellen in Richtung osteoproliferativer Zellen induzieren [38]. Neben in vitro-Versuchen konnten aber auch bereits Erkenntnisse anhand von Patienten gewonnen werden. So wurde die systemische Freisetzung verschiedener Wachstumsfaktoren, wie z.B. Prolaktin, Basic Fibroblast Growth Factor oder Insulin-like Growth Factor Type-1, infolge eines Schädel-Hirn-Traumas beobachtet und bereits in Zusammenhang mit der Entstehung heterotoper Ossifikationen gebracht [29].

Osteogenese fördernde
Umgebungsbedingungen

Wie bereits ältere Studien gezeigt haben, hängt die Differenzierung der mesenchymalen Stammzellen ebenfalls von den vorherrschenden Umgebungsbedingungen ab [38]. Der posttraumatischen Entzündungsreaktion wird vor allem in der Frühphase der Entstehung heterotoper Ossifikationen eine wesentliche Bedeutung beigemessen, sodass diese bereits heute als Angriffspunkt prophylaktischer Maßnahmen mit z.B. nicht steroidalen Antirheumatika adressiert wird [14]. Ebenso scheinen hypoxische Umgebungsbedingungen, wie sie auch im Rahmen einer Entzündung auftreten, die Proliferation und Differenzierung mesenchymaler Stammzellen in Richtung osteoproliferativer Zellpopulationen zu unterstützen [37]. In diesem Kontext wurde bereits der Hypoxie-induzierte Faktor 1 ? (HIF1?) als therapeutischer Ansatz identifiziert. Weiterhin scheint auch der lokale pH-Wert von Bedeutung zu sein. So wird die respiratorische Alkalose bei maschinell beatmeten Patienten mit einem erhöhten Risiko für heterotope Ossifikationen assoziiert, da es im alkalischen Milieu zu einer gesteigerten Ausfällung von Calcium- und Phosphatsalzen kommt [29].

Enchondrale Osteogenese

Die wesentliche physiologische Bedeutung der enchondralen Osteogenese besteht in der Entwicklung der langen Röhrenknochen während der Embryogenese. Zusammenfassend wird dabei zunächst durch Chondrozyten ein vorläufiges Grundgerüst aus hyalinem Knorpelgewebe erstellt, das zum Zweck der eigentlichen Osteogenese schrittweise durch Osteoklasten resorbiert wird, während Osteoblasten gleichzeitig die knöcherne Struktur ergänzen. Im Gegensatz zur desmalen Osteogenese, wie z.B. bei der Kallusbildung, erfolgt die enchondrale Osteogenese üblicherweise im mechanisch weniger stabilen, die Fraktur umgebenden Gewebe und stellt dabei in der Regel keinen Kontakt zum Periost her [16].

Klinische Symptomatik

Heterotope Ossifikationen können bei geringer Ausprägung ein rein radiologisches Phänomen bleiben, bei gleichzeitig völlig asymptomatischen Patienten. Hingegen korreliert der radiologische Befund nicht immer mit der klinischen Symptomatik, sodass auch geringgradige Befunde zu ausgeprägten Beschwerden führen können.

Die klinische Symptomatik kann bereits 10–12 Tage nach dem zugrunde liegenden Trauma beginnen. Nach einem Trauma des Bewegungsapparats treten die heterotopen Ossifikationen bzw. die entsprechenden Symptome vor allem periartikulär um das betroffene Gelenk herum auf. Nach einem Schädel-Hirn-Trauma oder Trauma des Rückenmarks sind vor allem die Hüfte, Schulter, Ellenbogen oder Knie betroffen [29]. Im Rahmen der genetischen Erkrankung mit Fibrodysplasia ossificans progressiva können heterotope Ossifikationen disseminiert nahezu am ganzen Körper auftreten.

Die häufigsten Beschwerden, die Patienten mit heterotopen Ossifikationen äußern, sind Schmerzen [20]. Der häufigste und oftmals erste Untersuchungsbefund periartikulärer heterotoper Ossifikationen sind Bewegungseinschränkungen des betroffenen Gelenks, die im Verlauf bis zur vollständigen Versteifung und damit zum Funktionsverlust des Gelenks fortschreiten können [19, 20]. Als zweithäufigstes klinisches Merkmal wird die Schwellung der betroffenen Region beschrieben [20]. Zusammen mit einer lokalen Überwärmung sowie einem Erythem wird die differenzialdiagnostische Abklärung einer Gelenkinfektion erforderlich, insbesondere nach vorangegangener Operation. Heterotope Ossifikationen der unteren Extremitäten können u.U. zur Schwellung des gesamten Beins führen und in ihrer klinischen Präsentation einer tiefen Venenthrombose ähneln. Zu den Komplikationen, die im Verlauf heterotoper Ossifikationen auch ohne operativen Eingriff auftreten können, gehören neben der Gelenkversteifung u.a. Wundheilungsstörungen, Druckulzerationen, Muskelkontrakturen sowie die Einklemmung von Leitungsbahnen, wie z.B. des Nervus ulnaris im Bereich des Ellenbogens, oder die erschwerte Prothesenversorgung nach Amputationsverletzungen. Diese Komplikationen können ihrerseits operative Interventionen erforderlich machen, die Rehabilitation der Patienten langfristig hinauszögern, das funktionelle Outcome der Patienten maßgeblich beeinträchtigen und somit die Behandlungskosten erheblich erhöhen, weshalb es diese bestmöglich zu vermeiden gilt.

Diagnostik

Auch heutzutage verzögert sich die Diagnostik heterotoper Ossifikation oftmals bis zum Auftreten der klinischen Symptomatik. Bei bereits symptomatischer Ausprägung besteht die meist einzig zielführende Therapieoption in der chirurgischen Resektion der heterotopen Ossifikationen. Da in absehbarer Zukunft keine Behandlungsalternativen für bereits mineralisierte heterotope Ossifikationen zu erwarten sind, ist die Früherkennung von essenzieller Bedeutung, um eine effektive Behandlung mit den heutzutage und auch zukünftig zur Verfügung stehenden Therapeutika unter Vermeidung chirurgischer Interventionen und deren Komplikationen zu ermöglichen.

Konventionelle Röntgendiagnostik

Das konventionelle Röntgen ist die erste Wahl zur Diagnostik bei Patienten, die z.B. im Verlauf nach einer Fraktur Beschwerden äußern (Abb. 1, 2). Dabei können im Röntgen bereits 3 Wochen nach Trauma, durchschnittlich aber erst nach etwa 2 Monaten, erste flaue Verschattungen im Sinne heterotoper Ossifikationen beobachtet werden, die sich im weiteren Verlauf zunehmend abgrenzen [20]. Vorteile des konventionellen Röntgens sind, dass es einfach durchzuführen, in beinahe jedem Krankenhaus und vielen orthopädisch-unfallchirurgischen Praxen verfügbar und dabei vergleichsweise kostengünstig ist. Ebenso beruhen die inzwischen etablierten Klassifikationen in der Regel auf konventionellen Röntgenaufnahmen, wie z.B. die Klassifikation nach Brooker bezüglich heterotopen Ossifikationen des Hüftgelenks [7] (Tab. 1). Außerdem erleichtert es die Einschätzung des postoperativen Rezidivrisikos, da das präoperative Ausmaß der heterotopen Ossifikationen im Röntgen als Prädiktor gilt [21]. Der wesentliche Nachteil der Röntgendiagnostik, neben der Strahlenbelastung, besteht allerdings darin, dass nur bereits herangereifte, mineralisierte Knochenstrukturen fortgeschrittener heterotoper Ossifikationen dargestellt werden können. Somit ist diese Diagnostik für die Früherkennung und Einleitung einer entsprechenden Therapie ungeeignet.

Computertomografie (CT)

Das CT stellt im Vergleich zum konventionellen Röntgen die präzisere Untersuchungsmethode dar (Abb. 1). Durch die dreidimensionale Darstellung ermöglicht es eine detailliertere Einschätzung struktureller Beziehungen sowohl zwischen heterotopen Ossifikationen und physiologischen Knochenstrukturen als auch zwischen mehreren eng zusammenliegenden heterotopen Ossifikationen. Darüber hinaus erlaubt das CT eine Lokalisation der heterotopen Ossifikationen im umgebenden Weichteilmantel, ist dabei aber einem MRT deutlich unterlegen. Das CT kommt daher insbesondere zur präoperativen Planung einer chirurgischen Resektion heterotoper Ossifikationen oder bei unklaren Befunden im konventionellen Röntgen zum Einsatz.

Magnetresonanztomografie (MRT)

Die MRT-Diagnostik ist dem konventionellen Röntgen hinsichtlich Präzision und Früherkennung überlegen. Während MRT-Untersuchungen beim Einsetzen der klinischen Symptomatik bereits oftmals charakteristische Veränderungen aufzeigen, ergeben Röntgenaufnahmen erst ungefähr 3 Wochen später einen entsprechenden Befund [3]. Bei unreifen Vorstadien kann es allerdings zu Verwechslungen mit Entzündungsreaktionen oder anderen Alterationen des Weichteilgewebes kommen. Zur Differenzierung wird daher bei auffälligen MRT-Befunden z.B. die Kombination mit einer CT-Diagnostik empfohlen [40]. Aufgrund der detaillierten Darstellung des umgebenden Weichteilgewebes kommt der MRT-Diagnostik auch im Rahmen der präoperativen Abklärung struktureller Beziehungen heterotoper Ossifikationen z.B. zu Nerven, Gefäßen, Muskeln oder Sehnen eine entsprechende Bedeutung zu.

Drei-Phasen-Skelettszintigrafie

Die Skelettszintigrafie wurde vor über 40 Jahren in die klinische Anwendung eingeführt und gilt bis heute als die sensitivste klinisch verfügbare Methode zur Früherkennung heterotoper Ossifikationen [16]. Dabei erfasst die Skelettszintigrafie die vermehrte Vaskularisierung und Durchblutung des betroffenen Areals, die bereits in den Frühstadien der heterotopen Ossifikationen zu beobachten sind [18]. Daher können Frühstadien mittels Szintigrafie oftmals 4–6 Wochen vor der Darstellung im Röntgen erfasst werden [18]. Darüber hinaus ermöglicht sie die Beurteilung des Metabolismus der heterotopen Ossifikationen im Verlauf. Dabei wird ein Rückgang der Stoffwechselaktivität mit normwertigen szintigrafischen Befunden nach durchschnittlich 12 Monaten als Hinweis für die Ausreifung des Lokalbefunds gewertet [20]. Allerdings geht die Skelettszintigrafie mit einer Strahlenbelastung des Patienten sowie hohen Kosten einher und ist nur an speziellen Zentren verfügbar, sodass diese nur bei selektierten Hochrisikopatienten zur Anwendung kommt.

Sonografie

Die Sonografie stellt eine nicht invasive, kostengünstige, bereits weitverbreitete diagnostische Alternative ohne Strahlenbelastung dar. Ihre hohe Sensitivität zum Screening auf heterotope Ossifikationen wurde bereits anhand umfangreicher Kohorten untersucht [33, 35]. Dabei konnten teilweise Veränderungen des Weichteilgewebes dargestellt werden, bevor ein entsprechendes Korrelat im Röntgen nachgewiesen werden konnte [33]. Aufgrund der vorteilhaften Eigenschaften und vor allem der niederschwelligen Zugänglichkeit erscheint die Sonografie geeignet zum Screening entsprechend prädisponierter Patienten.

Experimentelle bildgebende Verfahren

Die technische Weiterentwicklung der CT-Diagnostik führt zu einer immer feineren Auflösung der Untersuchungsergebnisse. Das Mikro-CT ermöglicht gegenüber der gegenwärtigen CT-Diagnostik eine insgesamt frühere und präzisere Diagnostik sowie die Bestimmung von Knocheneigenschaften, wie z.B. der Porosität, der Mineralisierung sowie des kortikalen als auch trabekulären Knochenvolumens [8]. Aufgrund der erhöhten Strahlenbelastung ist die klinische Anwendung allerdings noch eingeschränkt. Inzwischen befindet sich bereits das Nano-CT in der präklinischen Anwendung und bietet mit der Darstellung von zellulären Strukturen langfristig ein großes Potenzial zur klinischen Anwendung.

Zur Nahinfrarotspektroskopie (near-infrared (NIR) optical imaging) im Maus-Modell wird ein Calcium-chelatbildendes Tetrazyklin-Derivat (IRDye 680RD Bonetag) injiziert und anschließend die Fluoreszenz im Bereich der zu untersuchenden Körperregion ermittelt [31]. Mit diesem Verfahren konnten heterotope Ossifikationen bereits 5 Tage nach dem initialen Trauma präzise und zuverlässig detektiert werden, während das Mikro-CT erst nach 5 Wochen entsprechende Befunde vorwies.

Ebenfalls konnte am Maus-Modell die transkutane Raman-Spektroskopie in vivo eine signifikant gesteigerte Knochenmineralisierung im Sinne heterotoper Ossifikationen bereits 5 Tage nach dem Trauma nachweisen und im Verlauf verfolgen, während das Mikro-CT erst nach 3 Wochen positive Befunde aufwies [32].

Labormedizinische Diagnostik

Eine generelle Problematik labormedizinischer Untersuchungen im Gegensatz zu bildgebenden Verfahren ist bis heute, dass sie keinen Hinweis auf die Lokalisation der heterotopen Ossifikationen, z.B. bei polytraumatisierten Patienten oder Patienten mit isoliertem Schädel-Hirn-Trauma, geben können.

Die Bestimmung der alkalischen Phosphatase im Serum wird bereits seit Längerem zur Frühdiagnostik heterotoper Ossifikationen herangezogen. Steigende Serumspiegel können bis zu 7 Wochen vor der klinischen Symptomatik auftreten und zeigen dabei eine gesteigerte osteoblastische und osteoklastische Aktivität im Rahmen der Knochenbildung an [13, 19, 20]. Allerdings ist der Serumspiegel nur wenig spezifisch für heterotope Ossifikationen und korreliert nicht ausreichend mit deren tatsächlichen Ausprägung. Eine jüngere Studie hat zudem Zweifel an der ausreichenden Sensitivität von Laborparametern, wie z.B. der alkalischen Phosphatase oder der knochenspezifischen alkalischen Phosphatase, zur Anwendung als zuverlässige Screening-Methode geweckt [11]. Daher konzentriert sich die Früherkennung heterotoper Ossifikationen aktuell hauptsächlich auf die bildgebenden Verfahren.

Aktuelle Therapieoptionen

Bisher besteht die einzige potenziell kurative Therapie von symptomatischen, bereits mineralisierten heterotopen Ossifikationen in der chirurgischen Resektion mit ihren Komplikationen und dem Rezidivrisiko. Dementsprechend kommt der Prophylaxe heterotoper Ossifikation eine besonders wichtige Bedeutung zu. Aufgrund des frühzeitigen Beginns der pathophysiologischen Prozesse noch innerhalb der ersten 24 Stunden sollte eine entsprechende Prophylaxe so zeitnah wie möglich eingeleitet werden. Obwohl bereits zahlreiche Publikationen bezüglich der Behandlungsoptionen veröffentlicht wurden, sind bislang kaum Ansätze zur Standardisierung der Therapieabläufe zu erkennen. Umfassende, evidenzbasierte Empfehlungen zur Behandlung heterotoper Ossifikationen in Form nationaler oder internationaler Leitlinien existieren aktuell nicht.

Physiotherapie

Um der Immobilisation als Risikofaktor für heterotope Ossifikationen und weiteren Komplikationen entgegenzuwirken, hat sich die vorsichtige Anwendung von Physiotherapie als vorteilhaft erwiesen [17]. Dabei kommen vor allem assistierte Bewegungsübungen und vorsichtige Dehnung zum Einsatz. Die Schmerzgrenzen des Patienten sollten eingehalten werden, um eine Beschwerde-Exazerbation zu vermeiden. Die forcierte und wiederholte Manipulation eines bereits eingesteiften Gelenks führt eher zu einer weiteren Schädigung. Stattdessen ist eine frühzeitige Resektion der heterotopen Ossifikationen mit einer unmittelbar anschließenden behutsamen, aber intensiven Mobilisation vorzuziehen [10]. Physiotherapie wird oftmals mit anderen prophylaktischen Modalitäten kombiniert, um einen bestmöglichen therapeutischen Effekt zu erzielen.

Nicht steroidale
Antirheumatika (NSAR)

Die NSAR und insbesondere das Indometacin haben sich sowohl primär, z.B. nach einer Fraktur, Hüftprothesenimplantation oder Verletzung des Rückenmarks als auch sekundär nach chirurgischer Resektion heterotoper Ossifikationen als effektive Prophylaxe bewährt [4, 23, 28]. Durch die Hemmung der Prostaglandin-Synthese wird deren stimulierende Wirkung auf heterotope Ossifikationen reduziert [16]. Zusätzlich können NSAR die Differenzierung pluripotenter Stammzellen zu Osteoblasten aufhalten. Allerdings sind NSAR nur auf die Prophylaxe heterotoper Ossifikationen limitiert, bereits ausgebildete heterotope Ossifikationen können mittels NSAR nicht mehr reduziert werden. Daher sollte die Behandlung mit NSAR möglichst früh begonnen werden. In bisherigen klinischen Studien wurde eine effektive Prophylaxe durch Indometacin mit Dosierungen von 25–50 mg jeweils 2- oder 3-mal täglich (Tagesdosis 75–150 mg) über 1–6 Wochen erzielt [25]. Zusammenfassend erscheint vor allem der frühestmögliche Therapiebeginn entscheidend zu sein, während die Fortführung über die erste Woche hinaus nur wenig zur prophylaktischen Wirkung beiträgt [25]. Aufgrund ihrer gastrointestinalen und kardiologischen Nebenwirkungen sind NSAR allerdings in ihrer klinischen Anwendung limitiert. Darüber hinaus wird eine negative Beeinflussung der physiologischen Frakturheilung diskutiert [25]. Diese Nebenwirkungen gaben Anlass zur klinischen Erprobung der selektiven COX-2-Hemmer, insbesondere Meloxicam, in der Annahme, dieselbe prophylaktische Wirkung bei geringeren Nebenwirkungen zu erzielen. Allerdings demonstrierte Meloxicam in verschiedenen Dosierungen, z.B. nach prothetischer Hüftoperation, eine gegenüber Indometacin unterlegene prophylaktische Wirksamkeit bei höheren Therapiekosten [5].

Bisphosphonate

Die Bisphosphonate gelten als erste therapeutisch verfügbare Medikamentengruppe, die unmittelbar in den Entstehungsprozess heterotoper Ossifikationen eingreifen [13]. Dabei induzieren sie einerseits Apoptose in den Osteoklasten und verhindern andererseits die Aggregation von Calcium-Hydroxylapatit-Kristallen, hemmen dadurch das Wachstum von heterotopen Ossifikationen bzw. die Mineralisierung des Osteoids und können daher noch eingesetzt werden, wenn die Entstehung heterotoper Ossifikationen bereits begonnen hat [13, 16]. Dementsprechend können Bisphosphonate diesen Prozess allerdings nur so lange aufhalten, wie sie auch eingenommen werden. Werden sie zu früh abgesetzt, schreitet das Wachstum der heterotopen Ossifikationen weiter voran. Daher werden Bisphosphonate in Abhängigkeit von der Ausprägung bereits vorliegender heterotoper Ossifikationen für mindestens 6 Monate eingenommen [6].

Strahlentherapie

Ebenso wie die NSAR ist auch die gezielte Strahlentherapie der betroffenen Region in der Lage, heterotope Ossifikationen sowohl nach dem ursächlichen Trauma als auch Rezidive nach chirurgischer Entfernung zu vermeiden. Im Gegensatz zur medikamentösen Prophylaxe ist die Strahlentherapie allerdings nur sinnvoll anwendbar, wenn die potenzielle Lokalisation heterotoper Ossifikationen mit hoher Wahrscheinlichkeit abzusehen ist, wie z.B. nach einer Fraktur oder der Resektion heterotoper Ossifikationen. Die Anwendung zur primären Prophylaxe bei isolierten Neurotraumata oder genetischer Erkrankung erscheint dagegen wenig zielführend. Ähnlich wie NSAR ist eine Bestrahlung auch vor allem prophylaktisch wirksam. Eine Größenreduktion bereits ausgebildeter heterotoper Ossifikationen ist bisher nicht möglich. Allerdings kann sie supportiv zur Schmerztherapie bei therapierefraktären Schmerzen aufgrund fortgeschrittener heterotoper Ossifikationen angewendet werden [24].

Die prophylaktische Bestrahlung der betroffenen Region kann in einem Zeitfenster von einem Tag präoperativ bis zum 4. Tag postoperativ erfolgen. Nachdem zunächst Konzepte mit mehrtägiger Bestrahlung angewendet wurden, kommen heute vor allem präoperative Einmalbestrahlungen zum Einsatz [25]. In klinischen Studien konnte kein signifikanter Unterschied in der prophylaktischen Wirksamkeit zwischen einer Einmalbestrahlung oder der Einnahme von Indometacin nachgewiesen werden [27]. Beide Verfahren gelten als sicher und effektiv, allerdings ist die Strahlentherapie deutlich kostenintensiver.

Chirurgische Intervention

Die chirurgische Resektion stellt bis heute die einzige kurative Therapieoption bei ausgereiften, symptomatischen heterotopen Ossifikationen dar. Das Therapieziel besteht in der Schmerzreduktion und funktionellem Zugewinn des Patienten durch Steigerung bzw. Wiederherstellung des Bewegungsumfangs oder zumindest die Positionierung des betroffenen Gelenks in einer funktionell vorteilhaften Stellung. Allerdings gestalten sich operative Eingriffe zur Entfernung heterotoper Ossifikationen oftmals sehr kompliziert, aufgrund der eingeschränkten Gelenkbeweglichkeit, Kapsel- und Muskelkontrakturen oder veränderten anato mischen Lagebeziehungen und Vernarbungen nach vorangegangenen Operationen. Ebenso sind Operationen in diesem Kontext von einer hohen Komplikationsrate begleitet, z.B. durch Wundheilungsstörungen, Verletzung von beteiligten Leitungsbahnen oder Frakturen, besonders bei bereits durch Immobilisation osteoporotisch verändertem Knochen. Zusätzlich stellt jede Operation zur Entfernung heterotoper Ossifikation ihrerseits einen Auslöser zur Entstehung weiterer heterotoper Ossifikationen dar, sodass ein hohes Rezidivrisiko besteht [2]. Um dieses Rezidivrisiko zu minimieren, wurde lange Zeit abgewartet, bis keine Progredienz im Röntgen zu beobachten war und normwertige Befunde der Skelettszintigrafie sowie der alkalischen Phosphatase als Hinweis auf das Erreichen eines Ruhezustands vorlagen [20]. Dementsprechend wurde eine operative Resektion heterotoper Ossifikationen frühestens 6 Monate nach einem Trauma bzw. Operation, 12 Monate nach einer Rückenmarksverletzung oder 18 Monate nach einem Schädel-Hirn-Trauma empfohlen [20]. Inzwischen ist man von dieser restriktiven Haltung abgekommen, da in Studien kein signifikanter Unterschied zwischen einer verzögerten oder frühzeitigen Intervention gezeigt werden konnte [16]. Daher wird heutzutage die OP-Indikation primär auf Grundlage der klinischen Symptomatik bzw. neurologischen Rehabilitation des Patienten unter Berücksichtigung des radiologischen Ausmaßes der heterotopen Ossifikationen gestellt. Wesentliche Kriterien sind dabei Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Zudem sollten nach Möglichkeit präoperativ keine Schwellung, möglichst wenig Schmerzen und ein intakter Hautmantel vorliegen. Die OP-Planung bei polytraumatisierten Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma oder Verletzung des Rückenmarks erfordert die Berücksichtigung des neurologischen Status. Denn Patienten mit ausgeprägten kognitiven und/oder physischen Einschränkungen profitieren weniger von einer operativen Intervention bei gleichzeitig höherer Rezidivrate als Patienten mit präoperativ guter neuromuskulärer Kontrolle [20, 29]. Andererseits sollte mit einer Operation auch nicht länger als 2 Jahre gewartet werden, um Komplikationen wie intraartikuläre Ankylose, Muskelkontrakturen oder Frakturen des osteoporotischen Knochens zu vermeiden [21]. Als bester Prädiktor des funktionellen Outcomes gilt der präoperative Bewegungsumfang [21]. Patienten mit einer präoperativen Restbeweglichkeit erzielen in der Regel einen größeren Zugewinn des Bewegungsumfangs als Patienten mit einer vollständigen Ankylose. Postoperativ ist eine Prophylaxe z.B. mit Indometacin oder Bestrahlung, ggf. auch in Kombination, empfehlenswert. Ebenso hilft die kontinuierliche passive Bewegung, in physiotherapeutischer Begleitung postoperativ den bestmöglichen Bewegungsumfang zu erzielen.

Zusammengefasst vereinfacht eine frühe Intervention mit geeigneter Prophylaxe die Operation, vermeidet Rezidive, verkürzt den Heilungs- und Rehabilitationsprozess, verbessert das funktionelle Outcome und reduziert die Behandlungskosten.

Zukünftige
Therapieoptionen

Die Anforderungen an zukünftige Medikamente zur Behandlung heterotoper Ossifikationen umfassen vor allem eine spezifische Wirkung auf den Entstehungsprozess, um Nebenwirkungen wie eine verzögerte Frakturheilung zu reduzieren. Allerdings setzen diese prophylaktischen Ansätze stets eine frühestmögliche Diagnosestellung voraus, weshalb auch die diagnostischen Verfahren weiterentwickelt werden müssen, um letztendlich die Therapie zu optimieren. Für den Fall der verzögerten Diagnosestellung sind ergänzende Therapeutika zur Behandlung bereits herangereifter heterotoper Ossifikationen wünschenswert, sind aber vorerst nicht zu erwarten.

Wie zuvor beschrieben haben die Bone Morphogenetic Proteins (BMPs) einen wesentlichen Anteil an der Differenzierung mesenchymaler Stammzellen zu osteoproliferativen Zellpopulationen. Daher stellen Inhibitoren der BMP-Signalwege einen vielversprechenden Ansatz für aktuell noch experimentelle Therapieoptionen dar. Dazu gehören der BMP-Inhibitor Noggin sowie BMP-Rezeptor-Inhibitoren [30]. Bei effektiver Wirkung zur Hemmung heterotoper Ossifikationen erscheinen die Nebenwirkungen aufgrund einer ubiquitären Relevanz der BMP-Signalwege in vielen Organen noch limitierend [16]. Da für die Chondrogenese ein vermindertes Signal von Retinsäure-Rezeptoren (RAR) erforderlich ist, werden RAR?-Agonisten experimentell untersucht und können heterotope Ossifikationen effektiv vermindern [36].

Andere Therapieansätze versuchen die induzierende Wirkung der hypoxischen Umgebungsbedingungen aufzuheben. Durch die Unterstützung der Mikrozirkulation im verletzten Gewebe, z.B. durch Anwendung von Hydroxyethylstärke (HES) oder gepulste elektromagnetische Feldtherapie (PEMF), konnte die Ausprägung heterotoper Ossifikationen signifikant reduziert werden [16, 41]. In diesem Zusammenhang ist der HIF1?-Signalweg von zentraler Bedeutung, sodass die Inhibitoren PX-478 und Rapamycin bereits in verschiedenen Tiermodellen heterotope Ossifikationen reduzieren oder sogar verhindern konnten [1].

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Literatur

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