Übersichtsarbeiten - OUP 04/2019

Heterotope Ossifikationen nach gelenknahen Frakturen
Klinische Bedeutung, aktueller Stand und Ausblick der Therapie

Die Sonografie stellt eine nicht invasive, kostengünstige, bereits weitverbreitete diagnostische Alternative ohne Strahlenbelastung dar. Ihre hohe Sensitivität zum Screening auf heterotope Ossifikationen wurde bereits anhand umfangreicher Kohorten untersucht [33, 35]. Dabei konnten teilweise Veränderungen des Weichteilgewebes dargestellt werden, bevor ein entsprechendes Korrelat im Röntgen nachgewiesen werden konnte [33]. Aufgrund der vorteilhaften Eigenschaften und vor allem der niederschwelligen Zugänglichkeit erscheint die Sonografie geeignet zum Screening entsprechend prädisponierter Patienten.

Experimentelle bildgebende Verfahren

Die technische Weiterentwicklung der CT-Diagnostik führt zu einer immer feineren Auflösung der Untersuchungsergebnisse. Das Mikro-CT ermöglicht gegenüber der gegenwärtigen CT-Diagnostik eine insgesamt frühere und präzisere Diagnostik sowie die Bestimmung von Knocheneigenschaften, wie z.B. der Porosität, der Mineralisierung sowie des kortikalen als auch trabekulären Knochenvolumens [8]. Aufgrund der erhöhten Strahlenbelastung ist die klinische Anwendung allerdings noch eingeschränkt. Inzwischen befindet sich bereits das Nano-CT in der präklinischen Anwendung und bietet mit der Darstellung von zellulären Strukturen langfristig ein großes Potenzial zur klinischen Anwendung.

Zur Nahinfrarotspektroskopie (near-infrared (NIR) optical imaging) im Maus-Modell wird ein Calcium-chelatbildendes Tetrazyklin-Derivat (IRDye 680RD Bonetag) injiziert und anschließend die Fluoreszenz im Bereich der zu untersuchenden Körperregion ermittelt [31]. Mit diesem Verfahren konnten heterotope Ossifikationen bereits 5 Tage nach dem initialen Trauma präzise und zuverlässig detektiert werden, während das Mikro-CT erst nach 5 Wochen entsprechende Befunde vorwies.

Ebenfalls konnte am Maus-Modell die transkutane Raman-Spektroskopie in vivo eine signifikant gesteigerte Knochenmineralisierung im Sinne heterotoper Ossifikationen bereits 5 Tage nach dem Trauma nachweisen und im Verlauf verfolgen, während das Mikro-CT erst nach 3 Wochen positive Befunde aufwies [32].

Labormedizinische Diagnostik

Eine generelle Problematik labormedizinischer Untersuchungen im Gegensatz zu bildgebenden Verfahren ist bis heute, dass sie keinen Hinweis auf die Lokalisation der heterotopen Ossifikationen, z.B. bei polytraumatisierten Patienten oder Patienten mit isoliertem Schädel-Hirn-Trauma, geben können.

Die Bestimmung der alkalischen Phosphatase im Serum wird bereits seit Längerem zur Frühdiagnostik heterotoper Ossifikationen herangezogen. Steigende Serumspiegel können bis zu 7 Wochen vor der klinischen Symptomatik auftreten und zeigen dabei eine gesteigerte osteoblastische und osteoklastische Aktivität im Rahmen der Knochenbildung an [13, 19, 20]. Allerdings ist der Serumspiegel nur wenig spezifisch für heterotope Ossifikationen und korreliert nicht ausreichend mit deren tatsächlichen Ausprägung. Eine jüngere Studie hat zudem Zweifel an der ausreichenden Sensitivität von Laborparametern, wie z.B. der alkalischen Phosphatase oder der knochenspezifischen alkalischen Phosphatase, zur Anwendung als zuverlässige Screening-Methode geweckt [11]. Daher konzentriert sich die Früherkennung heterotoper Ossifikationen aktuell hauptsächlich auf die bildgebenden Verfahren.

Aktuelle Therapieoptionen

Bisher besteht die einzige potenziell kurative Therapie von symptomatischen, bereits mineralisierten heterotopen Ossifikationen in der chirurgischen Resektion mit ihren Komplikationen und dem Rezidivrisiko. Dementsprechend kommt der Prophylaxe heterotoper Ossifikation eine besonders wichtige Bedeutung zu. Aufgrund des frühzeitigen Beginns der pathophysiologischen Prozesse noch innerhalb der ersten 24 Stunden sollte eine entsprechende Prophylaxe so zeitnah wie möglich eingeleitet werden. Obwohl bereits zahlreiche Publikationen bezüglich der Behandlungsoptionen veröffentlicht wurden, sind bislang kaum Ansätze zur Standardisierung der Therapieabläufe zu erkennen. Umfassende, evidenzbasierte Empfehlungen zur Behandlung heterotoper Ossifikationen in Form nationaler oder internationaler Leitlinien existieren aktuell nicht.

Physiotherapie

Um der Immobilisation als Risikofaktor für heterotope Ossifikationen und weiteren Komplikationen entgegenzuwirken, hat sich die vorsichtige Anwendung von Physiotherapie als vorteilhaft erwiesen [17]. Dabei kommen vor allem assistierte Bewegungsübungen und vorsichtige Dehnung zum Einsatz. Die Schmerzgrenzen des Patienten sollten eingehalten werden, um eine Beschwerde-Exazerbation zu vermeiden. Die forcierte und wiederholte Manipulation eines bereits eingesteiften Gelenks führt eher zu einer weiteren Schädigung. Stattdessen ist eine frühzeitige Resektion der heterotopen Ossifikationen mit einer unmittelbar anschließenden behutsamen, aber intensiven Mobilisation vorzuziehen [10]. Physiotherapie wird oftmals mit anderen prophylaktischen Modalitäten kombiniert, um einen bestmöglichen therapeutischen Effekt zu erzielen.

Nicht steroidale
Antirheumatika (NSAR)

Die NSAR und insbesondere das Indometacin haben sich sowohl primär, z.B. nach einer Fraktur, Hüftprothesenimplantation oder Verletzung des Rückenmarks als auch sekundär nach chirurgischer Resektion heterotoper Ossifikationen als effektive Prophylaxe bewährt [4, 23, 28]. Durch die Hemmung der Prostaglandin-Synthese wird deren stimulierende Wirkung auf heterotope Ossifikationen reduziert [16]. Zusätzlich können NSAR die Differenzierung pluripotenter Stammzellen zu Osteoblasten aufhalten. Allerdings sind NSAR nur auf die Prophylaxe heterotoper Ossifikationen limitiert, bereits ausgebildete heterotope Ossifikationen können mittels NSAR nicht mehr reduziert werden. Daher sollte die Behandlung mit NSAR möglichst früh begonnen werden. In bisherigen klinischen Studien wurde eine effektive Prophylaxe durch Indometacin mit Dosierungen von 25–50 mg jeweils 2- oder 3-mal täglich (Tagesdosis 75–150 mg) über 1–6 Wochen erzielt [25]. Zusammenfassend erscheint vor allem der frühestmögliche Therapiebeginn entscheidend zu sein, während die Fortführung über die erste Woche hinaus nur wenig zur prophylaktischen Wirkung beiträgt [25]. Aufgrund ihrer gastrointestinalen und kardiologischen Nebenwirkungen sind NSAR allerdings in ihrer klinischen Anwendung limitiert. Darüber hinaus wird eine negative Beeinflussung der physiologischen Frakturheilung diskutiert [25]. Diese Nebenwirkungen gaben Anlass zur klinischen Erprobung der selektiven COX-2-Hemmer, insbesondere Meloxicam, in der Annahme, dieselbe prophylaktische Wirkung bei geringeren Nebenwirkungen zu erzielen. Allerdings demonstrierte Meloxicam in verschiedenen Dosierungen, z.B. nach prothetischer Hüftoperation, eine gegenüber Indometacin unterlegene prophylaktische Wirksamkeit bei höheren Therapiekosten [5].

Bisphosphonate

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