Originalarbeiten - OUP 12/2012

Injektionsverfahren im Bereich der Lendenwirbelsäule

 

Indikationen für eine epidurale Injektionstherapie [16, 23, 24]:

Radikuläres WRS

Multisegmentale Erkrankung (z.B. Spinalkanalstenose)

Lokaler Rückenschmerz (z.B. diskogener Schmerz), nach Ausschluss anderer Ursachen (z.B. Facettengelenk, ISG)

Nicht erfolgreiche konservative Therapie

Drohende Schmerzchronifizierung

 

Ca. 60–75 % der Patienten mit WRS profitieren von der Gabe epiduraler Steroide [23]. Der Steroid-Effekt ist oft von limitierter Dauer. Der Behandlungsvorteil im Vergleich zur nicht invasiven Therapie beträgt Wochen bis zu 3 Monate [23]. Bei kürzerer Schmerzanamnese sind bessere Ergebnisse zu erwarten.

Bei Versagen der konservativen Therapie des lumbalen Wurzelreizsyndroms besteht die Indikation zur frühzeitigen Kortikoidinjektion, v.a. um der Schmerzchronifizierung vorzubeugen [2, 5, 12]. Trotz eines nur kurz- bis mittelfristigen Erfolges kann der „Circulus vitiosus“ des Schmerzes durchbrochen und der Patient einer aktiven Physiotherapie zugeführt werden [5].

 

Es besteht heute Einigkeit darüber, dass epidurale Steroide zur Behandlung des Wurzelreizsyndroms mit radikulärer Schmerzsymtomatik, bei dem oft zusätzlich lokaler axialer Rückenschmerz vorliegt, nützlich sind. Der Einsatz beim Rückenschmerz ohne radikuläre Symptomatik wird kontrovers diskutiert.

 

Angriffspunkt bei periduralen Injektionen ist i.d.R der ventrale bzw. ventrolaterale Epiduralraum, wo sich üblicherweise der pathologische Prozess befindet. Die epidurale Injektatverteilung kann durch Narbengewebe oder ligamentäre Verbindungen (Plica mediana dorsalis, transforaminale Ligg. etc.) beeinflusst werden [23]. Bekanntermaßen gelangen epidural applizierte Substanzen über mikrovaskuläre Transportmechanismen zu den betroffenen Spinalnervenwurzeln [25].

 

Ergebnisse nach epiduraler
Steroid-Injektion (ESI):

Luijsterburg et al. [26]: Geringe Hinweise für Kurzwirksamkeit von ESI, fehlende Langwirksamkeit bei Lumboischialgie (Systematische Literaturbewertung, 880 Patienten).

Watts et al. [27]: Im Vergleich zum Placebo geringer Wirksamkeitsnachweis der ESI zur Behandlung

 

der Lumboischialgie. Bessere Kurzwirksamkeit (2 Monate) als Langwirksamkeit (12 Monate), CESI wirksamer als ILESI (Meta-Analyse aus 907 Patienten).

Interlaminäre Verfahren

Syn.: Single-Shot-Periduralanästhesie (SS-PDA), interlaminäre epidurale Steroidinfiltration (ILESI)

Prinzip:

Dorsaler (interlaminärer) Zugang zum Epiduralraum unter Verwendung der „loss of resistance“(LOR)-Technik

Indikation:

Pathologie Etage LWK 1/2 bis LWK 5/SWK1

Technik:

I.d.R. sitzend („Katzenbuckel“), alternativ Seitenlage oder bei BV-Anwendung Bauchlage.

Zur Höhenlokalisation Orientierung an den Beckenkämmen (entspricht in etwa Processus spinosus des 4. LWK, Intercristale Linie, Tuffier-Linie).

Nach Desinfektion und Abdeckung mit Lochtuch Setzen eines kleinen LA-Depots. Unter ständiger Überprüfung der medianen Nadelführung Einstechen (ansteigender Winkel von ca. 10°) der ledigen „Epidural“-Nadel (i.d.R. 18- oder 19-G-Touhy-Nadel, Standardlänge 8 cm) mit kranialseitiger Öffnung durch das ca. 1 cm dicke Lig. supraspinale in das Lig. interspinale (oft „knirschender“ Widerstand). Aufsetzen der 10 ml LOR-Spritze (z.B. Omnifix von Braun) mit 10 ml 0,9%iger NaCl-Lsg.. Unter konstantem Stempeldruck weiteres gleichmäßiges medianes Vorschieben bis in das mehrere mm dicke Lig. flavum (fühlbarer zunehmender Stempeldruck). Bei Eintritt in den Epiduralraum mit typischem Widerstandsverlust (“loss of resistance“) lässt sich i.d.R. die Kochsalzlösung leicht („butterweich“) applizieren.

Vorsichtige Aspiration zum Ausschluss einer intravasalen oder subduralen/intrathekalen Lage. Absetzen der Spritze, um einen spontanen Rückfluss von Liquor oder Blut auszuschließen.

Bei korrekter Nadellage langsame Injektion der LA-Testdosis von ca. 3–4 ml, anschließend ca. 5 Minuten abwarten.

 

Merke: Bei Hinweisen für ein inkorrekte Nadellage, ist die Injektion zu unterbrechen und im gleichen oder benachbarten Segment neu durchzuführen, bzw. bei V. a. subdurale / intrathekale Nadellage abzubrechen.

 

Merke: Eine „subdurale/intrathekale“ oder intravasale Injektion ist trotz negativer Aspiration oder negativer Testinjektion möglich!

 

Technische Hinweise:

Bei Injektionen in voroperierten Segmenten besteht ein erhöhtes Risiko für eine Durapunktion [23].

Untersuchungen zur Segmentlokalisation aufgrund anatomischer Landmarks (z.B. Beckenkamm) zeigten nur in ca. 30 % der Fälle eine korrekte Höhenlokalisation, in ca. der Hälfte der Fälle wurde die Etage zu hoch gewählt [28]. Deswegen sollten interlaminäre Injektion ohne BV-Kontrolle überwiegend kaudal der „geschätzten“ Etage LWK 2/3 durchgeführt werden.

Modifikationen:

– ILESI unter Durchleuchtung mit KM (Tab. 3).

– Epiduralkatheter zur mehrtägigen Injektion.

– paramediane Zugänge mit gerader [21] oder leicht schräger Nadelführung [1].

– Schräge (kontralaterale) epidurale-perineurale Injektion nach Krämer [6].

Spezielle Risiken:

Gefäß-/Nervenverletzung, subdurale/intrathekale Injektion, postpunktioneller Kopfschmerz, epidurale Blutung bzw. Infektion

 

Ergebnisse nach ILESI:

Parr et al. [29]: Systematische Literaturbewertung der ILESI (687 Patienten mit NPP und/oder SKS), deutlicher Beweis für Kurzzeitwirkung (< 6 Monate) und geringer Beweis für Langzeitwirkung bei Lumboischialgie durch NPP, geringer Beweis für Kurz- und Langzeitwirkung bei spinalkanalstenose-bedingtem oder diskogenem Rückenschmerz.

 

Abdi et al. [30]: Systematische Literaturbewertung der ILESI (990 Patienten); starker Beweis für Kurzzeitwirkung (< 6 Wochen) und limitierter Beweis für Langzeitwirkung(> 6 Wochen).

Posterolaterale Injektionen in den foraminoartikulären Bereich

Historischer Überblick

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurden thorakale und lumbale paravertebrale Blockaden mit Kokain durchgeführt [1]. Reischauer wandte seit 1951 in den Segmenten LWK4/5 und LWK 5/SWK1 die Zwischenwirbelloch-Infiltration mit großem Volumen (30 ml 1%ige Novocain-Lsg.) als „paravertebrale Umflutung“ zur Behandlung der Lumboischialgie bei WRS L5 und S1 zur Desensibilisierung hypererger Nervenfasern an. MacNab stellte 1971 mit Kontrastmittel den Spinalnerven und Nervenwurzeln als „diagnostische Wurzelscheideninfiltration“ bei unklarer Operationsindikation dar [22]. Wenig später wurde diese Technik mit zusätzlicher Kortikoidgabe zur Behandlung der Radikulopathie genutzt [1]. Inzwischen existieren mehrere modifizierte Injektionstechniken in die Zwischenwirbellochregion (Tab. 4).

Injektionstechniken

Man unterscheidet prinzipiell in die diagnostische selektive Nervenblockade (SNB) sowie die therapeutische transforaminale epidurale Steroidinfiltration (TFESI) und die sog. paravertebrale „Wurzelblockade“ (Blockade des Spinalnerven bzw. R. ventralis und ggf. der segmentalen Nervenwurzeln).

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