Übersichtsarbeiten - OUP 11/2019

Landmarkengestützte Injektionstechniken an der Wirbelsäule

Theodoros Theodoridis, Ulricke Randel, Constantinos Georgallas

Zusammenfassung:

Spinalnervanalgesien, epidurale Injektionen, Facettengelenk- und ISG-Infiltrationen wirken direkt
am Ausgangspunkt der Nozizeption im Bewegungssegment und führen häufig zu der „entscheidenden“ Befundbesserung schmerzgeplagter Rückenpatienten, die möglicherweise sogar vor einem operativen
Eingriff stehen. Diese Injektionen lassen sich sicher und effektiv anhand topografisch anatomischer
Orientierungspunkte durchführen. Dies geschieht vor allem strahlenfrei, ohne kostenintensiven
apparativen Einsatz und mit einem geringen organisatorischen und zeitlichen Aufwand. Der vorliegende Beitrag gibt eine Übersicht über die wichtigsten neuroanatomischen Landmarken und vermittelt
praxisnahe Tipps und Tricks zur sicheren und effizienten Durchführung der landmarkengestützten
Injektionstechniken an der Wirbelsäule.

Schlüsselwörter:

anatomische Landmarken, Wirbelsäuleninjektionen, Spinalnervanalgesie, Facetteninjektionen,
ISG-Injektionen, epidurale Injektionen

Zitierweise:

Theodoridis T, Randel U, Georgallas C: Landmarkengestützte Injektionstechniken an der Wirbelsäule.
OUP 2019; 8: 528–539

DOI 10.3238/oup.2019.0528–0539

Summary: Nerve root blocks, epidural injections, facet and sacroiliac joint injections are procedures that influence the pathological process directly in the spine motion segment. They often lead to the decisive improvement of back pain patients, who may even think about a surgery. It is possible to perform these spinal injections considering only topographic anatomical landmarks. That happens without ionizing radiation and expensive equipment and with a low administrative and low time effort. The present article gives an overview on the important topographic anatomical landmarks and presents practically oriented tips and tricks for an efficient and safe performance of spinal injections without imaging.

Keywords: anatomical landmarks, spinal injections, nerve root blocks, periradicular treatment, facet injections, sacroiliac joint injections, epidural injections

Citation: Theodoridis T, Randel U, Georgallas C: Spinal injection techniques supported by anatomical landmarks. OUP 2019; 8: 528–539 DOI 10.3238/oup.2019.0528–0539

Theodoros Theodoridis, Ulricke Randel, Constantinos Georgallas: Viktoria Klinik Bochum, Abt. Minimalinvasive und operative Wirbelsäulentherapie

Einleitung

Die Injektionstherapie an der Wirbelsäule gehört zu den gängigsten und erfolgversprechendsten Therapiearten bei der Behandlung der degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen. Wer seinen Patienten mittels einer Injektion von Schmerzen befreit hat, weiß um die Wichtigkeit und hohe Bedeutung dieser Therapieform. Es handelt sich hierbei um minimalinvasive Vorgehensweisen als Single-shot-Techniken, in Form von epiduralen Injektionen, Nervenwurzelblockaden und Facetten- sowie ISG-Infiltrationen. Die segmentnahe, lokale Applikation von schmerzstillenden, entzündungshemmenden und abschwellenden Präparaten an den Ausgangspunkt der Nozizeption in der Region unmittelbar am Wirbelkanal oder im Wirbelkanal selbst beeinflusst direkt die Primärstörung [38].

Bei den landmarkengestützten Injektionstechniken gelingt das Vorschieben der Kanülen nach palpatorisch-anatomischen Orientierungspunkten, sogenannten anatomischen Landmarken. Das bedeutet, dass während der Intervention auf die Anwendung bildgebender Verfahren verzichtet wird. Diese sind üblicherweise die Sonografie, die Durchleuchtung mittels eines Röntgenbildwandlers, die CT-Steuerung und seltener die MRT-Steuerung. Bei der präinterventionellen Vorbereitung einer landmarkengestützten Injektion wird die Vorgehensweise anhand der bereits vorhandenen Röntgen-, MRT- und ggf. CT-Aufnahmen, die ohnehin zur Diagnosesicherung erforderlich sind, akribisch geplant. Die Injektionen werden nach bestimmten vorgegebenen Winkeln- und Längenangaben durchgeführt. Diese können zusätzlich durch exakte Messungen an den vorhandenen diagnostischen Bildern vor der Injektion nochmal verifiziert und bestätigt werden. Im Grunde genommen ist nur bei der landmarkengestützten Technik aufgrund der Beschränkung auf den eigenen Tastsinn das Augenmerk ausschließlich auf den Injektionsbereich gerichtet, da der behandelnde Arzt nicht durch die Betrachtung eines Monitors „abgelenkt“ wird. Der zeitliche und organisatorische Aufwand der landmarkengestützten Intervention ist im Vergleich zu allen anderen Techniken deutlich kürzer bzw. geringer. Das interventionelle Handling erfolgt ohne größere hygienische Risiken und Manipulationen am Injektionsareal. Die Injektionen werden v.a. strahlenfrei (für Patient und Arzt) und ohne kostenintensiven apparativen Aufwand durchgeführt. Dadurch lässt sich auch die in der Regel notwendige Wiederholung der Injektionen in einem Behandlungszyklus bereits in der Facharztpraxis zweifellos einfacher planen und gestalten.

Somit ist die Durchführung der landmarkengestützten Injektionen in der Hand des Erfahrenen genauso sicher und wirkungsvoll wie die Sonografie-, Bildwandler- oder CT-gesteuerten Techniken, können aber im Vergleich ohne größeren kostenintensiven apparativen und organisatorischen Aufwand strahlenfrei angewandt werden. Indikationen für die Anwendung eines bildgebenden Verfahrens ergeben sich, z.B. bei fehlender Wirkung einer abgelaufenen Injektionsserie ohne Bildgebung, aus besonderen anatomischen Verhältnissen mit der Schwierigkeit, spezielle Landmarken aufzufinden wie bei ausgeprägten Skoliosen, Übergangsanomalien oder sehr adipösen Patienten sowie bei einer präoperativen Diagnostik, wenn z.B. eine Kontrastmitteldarstellung einer Nervenwurzel erforderlich ist. Alle Verfahren haben schließlich eine lange Lernkurve und ein gemeinsames Ziel. Neben der schnellen Beschwerdelinderung gilt es, die komplikationsträchtigen offenen Operationen zu vermeiden, welche irreversible Folgeerscheinungen hinterlassen können. Dies ist bei einer sorgfältig durchgeführten Injektionstherapie nicht der Fall [36].

Hauptindikationen stellen lokale, radikuläre und pseudoradikuläre Wirbelsäulensyndrome mit einer Korrelation zwischen klinischem und bildgebendem Befund dar. In den zervikalen Segmenten C5/6 und C6/7 sowie in den lumbalen Segmenten L4/5 und L5/S1 finden sich die stärksten Form- und Funktionsstörungen. Hier findet sich eine besondere Belastungssituation an den Biegungsstellen des zervikothorakalen Übergangs und der unteren Lendenwirbelsäule, wo in unmittelbarer Nähe die Spinalnerven mit ihren abgehenden Ästen liegen. Der Kopf-Hals-Übergang im Bereich der Atlantookzipitalgelenke, der Atlas-/Axisgelenke sowie die Kreuzbein-Darmbein-Fugen, die funktionell zu den unteren lumbalen Bewegungssegmenten gehören, sind häufig in das Schmerzgeschehen miteinbezogen. Dagegen betreffen lediglich 2 % aller schmerzhaften Wirbelsäulensyndrome die Brustwirbelsäule und spielen im Vergleich zu denen an Hals- und Lendenwirbelsäule eine untergeordnete Rolle. Dies gilt sowohl für die Frequenz als auch für die Schwere der Krankheitserscheinungen [33].

Anatomische Landmarken

Voraussetzung für die lokale Palpation und das Aufsuchen der für die Injektionstherapie wichtigen neuroanatomischen Orientierungspunkte sind Kenntnisse in der topografischen und morphologischen Anatomie. Die anatomischen Gegebenheiten bzw. vorhandene anatomische Normabweichungen sollen vorab anhand von Röntgen-, MRT- bzw. CT-Bildern überprüft werden. Das gezielte Ertasten der konkreten Landmarken gelingt oft erst nach dem Aufsuchen von weiteren benachbarten und teilweise fernen Leitstrukturen sowie Anwendung bestimmter Tricks. Bei dem Palpationsvorgang selbst kommt es sowohl auf den Palpationsdruck als auch auf die Palpationstechnik an.

Als Anhaltspunkt für den Palpationsdruck gilt: so viel Druck wie nötig, so wenig Druck wie möglich. Um die Elastizität wahrnehmen zu können, prüft man weich-elastische Gewebe langsam, harte Gewebe dagegen mit einer schnellen Bewegung. Bei der Palpation von Knochenkanten (Crista iliaca, Proc. spinosus) sollte man den palpierenden Finger immer exakt rechtwinklig mit der Fingerspitze gegen die Knochenkante einstellen. Mithilfe dieser Technik lassen sich die äußeren knöchernen Begrenzungen sehr genau darstellen [25].

Nach Beendigung des Palpationsvorgangs sollte man die ertasteten Strukturen und deren Begrenzungen auf die Patientenhaut aufmalen. Anschließend erfolgt das Aufsuchen der Einstichstelle entsprechend der Vorgaben und Messungen für die jeweils geplante Injektionstechnik. Das Markieren der Einstichstelle erfolgt am einfachsten durch Drehen eines Kugelschreibers mit eingefahrener Mine auf der Haut. Dadurch erhält man eine Markierungsstelle, die auch nach der präinterventionellen Desinfektion noch deutlich sichtbar ist [34].

Nachfolgend werden relevante anatomische Grundlagen sowie Tipps und Tricks bei dem Aufsuchen von neuroanatomischen Orientierungspunkten dargestellt, die zur sicheren und effizienten Durchführung der landmarkengestützten Injektionstechniken an der Wirbelsäule erforderlich sind.

Dornfortsatz C7/
Vertebra prominens

Der 7. Halswirbel ist der letzte Wirbel der Halswirbelsäule und befindet sich somit am zervikothorakalen Übergang. Er hat einen besonders langen Processus spinosus und übertrifft damit die anderen an Länge und Stärke. Normalerweise ist er am unteren Ende der Nackenfurche durch die Haut sichtbar und deswegen der erste der Dornfortsätze (von kranial nach kaudal), der sich gut durch die Haut ertasten lässt (Vertebra prominens). Die Dornfortsätze der Halswirbel 3–6 sind dagegen kurz und gegabelt [27]. Auch der Dornfortsatz von Th1 ist oft durch die Haut sichtbar. Die eindeutige Identifizierung des Dornfortsatzes C7 und die topografische Differenzierung zu den benachbarten Dornfortsätzen des 6. Halswirbels (C6) und des 1. Thorakalwirbels (Th1) sind für die schmerztherapeutischen Injektionstechniken an der Hals- und Brustwirbelsäule äußerst relevant und machen eine exakte Untersuchung erforderlich.

Die Ermittlung des Dornfortsatzes C7 erfolgt direkt präinterventionell am sitzenden Patienten mit leicht flektierter Halswirbelsäule und herunterhängenden Armen. Abhängig von der geplanten Injektionstechnik variiert die Flexion der Halswirbelsäule zwischen 30° und 45°. Der behandelnde Arzt muss auf die Schulter-Nacken-Region herunterblicken können. Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz werden durch ein Pulsoxymeter überwacht. Vor dem Patienten steht ein Assistent (Abb. 1). Nach der optimalen Patientenpositionierung legt der behandelnde Arzt beide Hände auf die Schultern des Patienten. In der Regel treffen sich die Daumen bei C7 (Abb. 2). Dies gilt als erste Orientierung zur Ermittlung des Dornfortsatzes C7. In dieser Phase wird ein weiterer Test empfohlen. Eine Daumenbeere bleibt weiterhin über dem vermuteten Dornfortsatz C7 (Abb. 3a). Die freie Hand befindet sich jetzt am Kopf des Patienten und bringt eine Lordosierung der HWS über eine Kopfrückneigung ein. Dabei ist es wichtig zu spüren, ob der unter der Daumenbeere tastbare Dornfortsatz während der kompletten Kopfbewegung unverändert tastbar bleibt. Dies ist bei C7 der Fall. Der Kopf wird erneut in die Ausgangsstellung gebracht (Abb. 3b). Anschließend gleitet der Daumen nach kranial und palpiert den höhergelegenen vermuteten Dornfortsatz C6 (Abb. 4a). Man wiederholt erneut die Kopfrückneigung (Abb. 4b). Am Ende der Lordose verschiebt sich der vermutete Dornfortsatz C6 nach ventral. Diese Verschiebebewegung wird deutlich als Wegtauchen des Proc. spinosus unter der Daumenbeere wahrgenommen. Die gleiche Vorgehensweise erfolgt bei der Identifizierung des Dornfortsatzes C5. In dieser Höhe taucht sogar der Dorfortsatz C5 bereits nach geringer Lordose weg (Abb. 5a–b). Auf diesem Wege ist eine zuverlässige Identifikation der Dornfortsatzspitzen an der unteren HWS möglich.

In der Literatur lassen sich einige Untersuchungen finden, die sich mit der Genauigkeit und dem korrekten Aufsuchen des Dornfortsatzes C7 befassen. Das „Department of Anesthesiology and Pain Medicine and Anesthesia and Pain Research Institute“ in der Yonsei University in Seoul/Korea hat 2011 eine randomisierte Untersuchung bei 96 Schmerzpatienten durchgeführt. Dabei wurde die Genauigkeit zweier Techniken zur Identifikation der Vertebra prominens verglichen und anschließend unter radiologischer Kontrolle überprüft. Bei der konventionellen Palpationstechnik wurde der prominenteste Dorn als der Dornfortsatz C7 definiert und entsprechend vor der radiologischen Kontrolle markiert. Bei der Kontrollgruppe wurde der Dornfortsatz C7 mithilfe der Flexion-Extension-Technik (s. oben) bestimmt und markiert. Patientenalter, Geschlecht und der BMI (body mass index) wurden bei der Bewertung ebenfalls berücksichtigt. Der Dornfortsatz C7 wurde bei 77,1 % in der Flexion-Extension-Gruppe korrekt identifiziert. Dagegen lag bei der konventionellen Technik die Trefferquote bei 37,5 %. Hier wurde fälschlicherweise zu 47,9 % der Dornfortsatz C6 als der prominenteste identifiziert. Somit war die Genauigkeit der Palpation des Dornfortsatzes C7 mithilfe der Flexion-Extension-Technik signifikant höher als mittels der konventionellen Technik [29].

In den „Departments of Anesthesiology“ dreier Universitätskliniken aus Thailand und dem „Department of Anaesthesia and Intensive Care“ in der „Chinese University of Hong Kong“ wurde im Rahmen einer weiteren Studie im Jahr 2017 die Genauigkeit der Identifikation des Dornfortsatzes C7 zwischen der bereits oben beschriebenen Flexion-Extension-Technik und der ultraschallgestützten Technik verglichen, v.a. im Hinblick auf die Sicherheit des Einsatzes der thorakalen Paravertebral- und Epiduralanästhesie in der Thorax- und Oberbauchchirurgie. In dieser Studie erfolgte, ebenfalls im Anschluss an die Identifikation und Markierung der vermuteten C7-Dornfortsätze, eine radiologische Kontrolle. Bei der sonografisch-assistierten Technik wurden sowohl die Transversalschnitttechnik (ultrasound transverse scan/US-TS) als auch die Parasagittalschnitttechnik (ultrasound parasagittal scan/US-PS) verglichen. In der Flexion-Extension-Gruppe fand sich eine korrekte Identifizierung des Dornfortsatzes C7 bei 72,5 %. Dagegen lag bei der Transversalschnitttechnik (UT/TS) die Trefferquote bei 52,5 % und bei der Parasagittalschnitttechnik (US/PS) bei 30 %. In den meisten Fällen wurde auch innerhalb dieser Untersuchung in allen Gruppen der Dornfortsatz C6 fälschlicherweise als der vermutete Dornfortsatz C7 identifiziert. Die Ergebnisse zeigten insgesamt, dass die Genauigkeit der Palpation des Dornfortsatzes C7 mithilfe der Flexion-Extension-Technik höher ist als mittels beider sonografisch-gesteuerter (US-TS und US-PS) Techniken. Statistisch signifikant höher war der Unterschied zwischen der Palpationstechnik und der Parasagittalschnitttechnik (US/PS) [24].

Scapula (Angulus medialis/Dornfortsatz Th3, Angulus inferior/Dornfortsatz Th7)

Bei der Palpation und korrekten Ermittlung der Dornfortsätze der Brustwirbelsäule muss man die besonderen anatomischen Merkmale der Brustwirbelkörper berücksichtigen. Die thorakalen Dornfortsätze stehen in unterschiedlichen Winkeln zu ihren Wirbelkörpern. Die Dornfortsätze 1, 2, 10 und 12 liegen fast horizontal in der Sagittalebene, ähnlich wie bei den Lendenwirbeln. Die restlichen thorakalen Dornfortsätze sind stark nach kaudal angewinkelt.

Die Palpation erfolgt direkt präinterventionell am sitzenden Patienten mit leicht flektierter Halswirbelsäule und angelegten herunterhängenden Armen. Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz werden durch ein Pulsoxymeter überwacht. Vor dem Patienten steht ein Assistent. Die Orientierung in diesem Wirbelsäulenabschnitt beginnt mit der Betrachtung der topografischen Lage der Scapula im Verhältnis zur Brustwirbelsäule. Aufsuchen des Angulus medialis an der Scapula. Das ist der dreieckförmige Beginn der Spina scapulae. Durch Einstellung der Finger in einer rechtwinkligen Position gegen den medialen knöchernen Rand des Schulterblatts lässt sich in diesem Bereich der Unterschied zwischen der weich-elastischen Muskulatur und der medialen Knochenkante der Scapula sehr gut differenzieren. In Höhe des Angulus medialis findet sich der Dornfortsatz Th3. Anschließend wird von medial über der Margo medialis der Scapula nach außen lateral bis zur unteren Begrenzung der Scapula, dem Angulus inferior, palpiert (Abb. 6). Auf dieser Höhe findet sich der Dornfortsatz Th7 (Abb. 7). Markieren des Dornfortsatzes Th7 (Abb. 8). Zur Absicherung erneute Orientierung nach kranial, Aufsuchen der Vertebra prominens (s. oben) und Markieren der Dornfortsätze Th1, Th3, C7 und C6 (Abb. 9). Auf diesem Wege ist eine zuverlässige Identifikation der Dornfortsatzspitze Th3 und Th7 möglich. Die anatomischen Gegebenheiten sollten vorab anhand von Röntgen-, MRT- bzw. CT-Bildern überprüft werden.

Das „Department of Anesthesia“ in der University of Calgary in Kanada hat 2009 eine randomisierte Untersuchung bei 210 Patienten durchgeführt. Dabei wurde die Genauigkeit der Identifikation des Dornfortsatzes Th7 unter Zuhilfenahme zweier anatomischer Landmarken, der Vertebra prominens (C7) und des Angulus inferior der Scapula, verglichen. Nach entsprechender Palpation und Markierung des vermuteten Th7-Dornfortsatzes erfolgte eine Überprüfung unter radiologischer Kontrolle. Patientenalter, Geschlecht, Größe, Gewicht und der BMI (body mass index) wurden bei der Bewertung ebenfalls berücksichtigt. Dabei zeigte sich, dass bei Patienten mit einem BMI < 25, der Dornfortsatz Th7 zuverlässig innerhalb eines Segments in 78 % der Fälle, unter Zuhilfenahme des Dornfortsatzes C7 (Vertebra prominens) als Landmarke, korrekt identifiziert werden konnte. Dagegen wurde festgestellt, dass bei den untersuchten Patienten mit einem BMI > 25 weder der Angulus inferior noch der Dornfortsatz C7 zuverlässige Landmarken zur Identifikation des Dornfortsatze Th7 waren [30].

Beckenkamm (intercrestal line, Tuffier’s line, Jacoby’s line), Spina iliaca posterior superior (SIPS)

Das Darmbein (Os ilium) besteht aus dem Darmbeinkörper und der Darmbeinschaufel. Der obere Rand der Darmbeinschaufel ist der Darmbeinkamm (= Crista iliaca, Beckenkamm). Das dorsale Ende des Beckenkamms ist der obere hintere Darmbeinstachel (Spina iliaca posterior superior/SIPS). Die eindeutige topografische Identifizierung sowohl der Beckenkämme als auch der SIPS ist für alle Injektionstechniken an der Lendenwirbelsäule äußerst relevant. Beide Orientierungspunkte lassen sich auch bei sehr adipösen Personen gut ertasten und dienen somit als wichtige anatomische Landmarken im Beckenbereich. Als „intercrestal line“, auch bekannt als Tuffier’s line oder Jacoby’s line, bezeichnet man eine horizontale Linie, die beide Darmbeinkämme verbindet. Sie durchquert in der Regel den Dornfortsatz L4. Das wird in der Literatur im Rahmen von mehreren klinisch-radiologischen und anatomischen Studien verifiziert [5, 15, 40].

Die Ermittlung der Beckenkämme und der SIPS erfolgt direkt präinterventionell am sitzenden Patienten. Der Patient sollte auf einer hohen Untersuchungsliege sitzen mit leichter Oberkörpervorneigung und seine Füße auf einem Fußtritt abstützen. Dadurch lässt sich einfacher, abhängig von der geplanten Injektionstechnik, die Flexion des Oberkörpers variieren. Der behandelnde Arzt sitzt so hinter dem Patienten, dass er fast in Augenhöhe die Inspektion und Palpation der unteren Lumbalregion vornehmen kann. Der Rücken ist so weit frei von Kleidungsstücken, dass unterer Rippenbogen, Taille, Beckenkämme und SIPS bequem untersucht werden können. Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz werden durch ein Pulsoxymeter überwacht. Vor dem Patienten steht ein Assistent.

Es folgt ein bimanuelles Aufsuchen der Beckenkämme. Bei der Palpation sollte man idealerweise die palpierenden Finger immer exakt rechtwinklig mit der Fingerspitze gegen die Darmbeinkante einstellen. Anschließend gleiten die Daumen von lateral über die hinteren Darmbeinkämme nach medial bis zur Spina iliaca posterior superior (SIPS). Dies ist der dorsal-kaudalste Punkt der Crista iliaca. Sind Lendengrübchen vorhanden, befinden sich die SIPS etwas kaudal davon. Abschließend werden die Beckenkämme und die SIPS markiert (Abb. 10).

In der Literatur lassen sich einige Untersuchungen finden, die sich mit der Topografie der „intercrestal line“ befassen. In dem „Department of Anesthesiology“ in Seoul National University Hospital in Korea wurden 2003 bei 103 Patienten angefertigte Röntgen- und Funktionsaufnahmen der LWS ausgewertet. Dabei wurde festgestellt, dass die Verbindungslinie zwischen beiden Beckenkämmen den Dornfortsatz L4 durchquert und sogar bei voller LWS-Flexion keine wesentliche Abweichung vorliegt [9].

Dornfortsätze L3, L4 und L5

Die 5 Lendenwirbel sind unter den nicht miteinander verschmolzenen Wirbeln am größten. Ihre Körper sind im Querdurchmesser größer als von vorne nach hinten. Ober- und Unterseite sind nierenförmig und stehen nahezu parallel, mit Ausnahme des 5. Lendenwirbelkörpers, der etwas keilförmig ausgebildet ist. Die Lendenwirbel besitzen kurze und breite Bogenplatten, die sich in der Mittellinie treffen und den 4-seitigen, nahezu horizontal stehenden Dornfortsatz bilden [22]. Die Dornfortsätze L1 bis L4 sind länglich geformt, dagegen ist der Dornfortsatz L5 kleiner und hat eine eher rundlichere Form. Die eindeutige Identifizierung der Dornfortsätze L3, L4 und L5 sind für alle Injektionstechniken an der Lendenwirbelsäule äußerst relevant und machen eine exakte Untersuchung erforderlich.

Nach der Palpation und korrekter Ermittlung der Beckenkammhöhe und der SIPS erfolgt nun das Aufsuchen der unteren lumbalen Dornfortsätze. Man beginnt die Exploration in Höhe der Beckenkämme (Höhe L4). Die Fingerkuppen des Zeige- und Mittelfingers der einen Hand liegen rechts und links neben der Dornfortsatzreihe (Abb. 11). Mit dem Zeige- oder Mittelfinger der anderen Hand palpiert man gleichzeitig mit abwechselndem Druck die Dornfortsatzspitzen und die Interspinalräume von kranial nach kaudal. Der Dornfortsatz L3 und L4 stellt sich palpatorisch eher länglich geformt dar, im Gegensatz zum Dornfortsatz L5, den man eher als rundere Form ertastet [33]. Anschließend erfolgt das Markieren der Dornfortsätze L3, L4 und L5 (Abb. 12).

Spezielle neuroanatomische Aspekte der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule

Neben der Palpation, Identifizierung und Markierung der Landmarken sind bei der Durchführung der Injektionstechniken an der Wirbelsäule noch weitere neuroanatomische Aspekte zu berücksichtigen.

Die Halswirbelsäule besitzt 7 Halswirbel und 8 zervikale Rückenmarksegmente. Infolge der Wachstumsverschiebung liegen die Bewegungs- und Rückenmarksegmente nicht immer auf gleicher Höhe. Die Spinalnervenwurzeln von C4 an abwärts verlaufen kaudal und lateral, absteigend zu ihrer Austrittsstelle, durch das Foramen intervertebrale. Segmentale Syndrome werden nach der betroffenen Spinalnervenwurzel bezeichnet. An der Halswirbelsäule kennzeichnet die Zahl dabei gleichzeitig den unteren Wirbelkörper des betroffenen Segments. Beim C6 Syndrom ist die Bandscheibe C5/6, beim C7 Syndrom die Bandscheibe C6/7 betroffen. Die Wurzel C8 tritt durch das Foramen intervertebrale C7/Th1 [38].

In der Brustwirbelsäule setzt sich die bei der HWS beschriebene Verschiebung der Rückenmarksegmente gegenüber den dazugehörigen Bewegungssegmenten weiter fort. Das topografische Verhältnis zwischen Dorn- und Querfortsätzen der Brustwirbelkörper fällt segmentabhängig unterschiedlich aus. In Zentimetern ausgedrückt variiert die Lagebeziehung zwischen Dornfortsatz und Querfortsatz von 2,5–3,5 cm. Außerdem liegt die Prominenz des Querfortsatzes deutlich weiter dorsal als die thorakale Facette, d.h., der Knochenkontakt bei einer Infiltration mit dem Querfortsatz liegt nicht tiefer als der Knochenkontakt mit der thorakalen Facette [33].

In der Lendenwirbelsäule ist die Verschiebung zwischen dem Rückenmarksegment und dem entsprechenden Bewegungssegment am größten. Das untere Ende des Rückenmarks mit seiner Spitze streckt sich nur bis zum 1.–2. Lendenwirbelkörper. Die Spinalnerven verlaufen eine längere Strecke im Subarachnoidalraum und treten weiter kaudal in ihrem zugehörigen Foramen intervertebrale aus dem Wirbelkanal aus. Die Gesamtheit der langen kaudalen Spinalnerven, zusammen mit dem Filum terminale, dem Endfaden des Rückenmarks, welcher bis zum 2. Steißbeinwirbel reicht, nennt man Cauda equina [14].

An der Lendenwirbelsäule ist die Gefahr einer bandscheibenbedingten Kompression in den Segmenten L4/5 und L5/S1 am größten, da nur in den beiden unteren Segmenten die lumbalen Nervenwurzeln durch Bandscheiben tangiert werden. Ein Bandscheibenvorfall der Bandscheibe L4/5 bedrängt in erster Linie die Wurzel L5. Bei einem großen lateralen bzw. kranial verschobenen Prolaps in dieser Höhe kann auch die L4-Wurzel komprimiert werden, da diese oberhalb der Zwischenwirbelscheibe L4/5 verläuft. Dagegen können im Segment L5/S1, auch bei einem kleineren lateralen Vorfall, die Wurzeln L5 und S1 gleichzeitig komprimiert sein, da die Spinalnervenwurzel L5 im oberen Abschnitt des Foramen intervertebrale direkt den äußeren Lamellen der Bandscheibe aufliegt [38].

Injektionsstechniken

Neben der Indikationsstellung nach Sicherung der Diagnose muss vor Einleitung der Injektionstherapie im betroffenen Wirbelsäulenabschnitt auch das Vorhandensein von Kontraindikationen überprüft werden. Dazu tragen die eingehende Anamneseerhebung, die sorgfältige orthopädisch-neurologische und ggf. laborchemische Untersuchung sowie die für den individuellen Fall erforderlichen bildgebenden Verfahren bei (Tab. 1).

Zur Ergänzung der vorgegebenen Längen- bzw. Tiefen- und Winkelangaben können präinterventionell, z.B. mittels verschiedener Messtools, digital an den bereits vorhandenen Bildern (Röntgen, MRT, CT) sämtliche erforderliche Messungen exakt vorgenommen werden.

Zervikale Spinalnervenanalgesie (CSPA)

Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 5 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %) ggf. im Gemisch mit Steroiden (Off-label-Use) mit einer 6–8 cm langen Kanüle an der Austrittsstelle der zervikalen Spinalnervenwurzel aus dem Foramen intervertebrale. Hauptindikationen sind die am häufigsten in diesem Wirbelsäulenbereich vorkommenden C6-und C7-Wurzelreizsyndrome mit Irritation in den entsprechenden Segmenten C5/C6 und C6/C7 [38].

Technik

sitzende Position mit abgestützten Füßen, Kopfvorneigung ca. 30–40°

Palpation und Markieren der Dornfortsatzspitzen C5, C6 und C7

senkrechter Einstich 3–4 cm lateral der Medianlinie auf der halben Distanz zwischen 2 Dornfortsätzen bis zum Rand der Seitenmassen der Halswirbelbögen (Wurzel C6: 3,5–4 cm lateral bei C5/6, Wurzel C7: 3,5–4 cm lateral bei C6/7) (Abb. 13)

nach Knochenkontakt Stichrichtung nach kraniolateral oberhalb der Knochenbegrenzung, vorschieben etwa 0,5–1 cm und LA-Injektion (Abb. 14)

Ze

rvikale Facetteninfiltration

(Fac. Zervik.)

Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 5–10 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %) ggf. im Gemisch mit Steroiden mit einer 6–8 cm langen Kanüle an den zervikalen Wirbelgelenkkapseln. Hauptindikationen sind das lokale- und pseudoradikuläre Zervikalsyndrom sowie das Zervikozephalsyndrom.

Technik

sitzende Position mit abgestützten Füßen, Kopfvorneigung ca. 20–30°

Palpation und Markieren der Dornfortsatzspitzen C5, C6 und C7

senkrechter Einstich 2 cm lateral der Medianlinie auf der halben Distanz zwischen 2 Dornfortsätzen bis zum jeweiligen Facettengelenk (Erreichen des Knochen-Kapselkontakts nach 5–6 cm (Abb. 15)), LA-Injektion

Klinische Relevanz der Injektionstherapie an der Halswirbelsäule

Mit der zervikalen Spinalnervenanalgesie hat man eine komplexe lokale Einwirkung auf das Schmerzausgangsgeschehen an der Halswirbelsäule, da bei der Infiltration an der Austrittsstelle des Foramen intervertebrale nicht nur der R. ventralis des Spinalnervs erreicht wird, sondern auch der R. dorsalis, der R. meningeus sowie die sympathischen Fasern über die Rr. communicantes. Bei der Injektionstherapie an der Halswirbelsäule steht eine Serie von zervikalen Spinalnervenanalgesien ergänzt durch Facetteninfiltrationen im Vordergrund. Beide Techniken stellen eine Alternative zu aufwendigen Dekompressionsoperationen dar [38].

Thorakale Facetteninfiltration

(Fac. thorakal.)

Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 5 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %) ggf. im Gemisch mit Steroiden mit einer 6 cm langen Kanüle an den thorakalen Wirbelgelenkkapseln. Hauptindikationen sind das lokale- und pseudoradikuläre Thorakalsyndrom.

Technik

sitzende Position mit abgestützten Füßen, kyphosierte BWS

Palpation und Markieren der Dornfortsatzspitzen C7, Th3, Th7 zur leichteren topografischen Orientierung und anschließend Aufsuchen der betroffenen Dornfortsätze

senkrechter Einstich 1 cm lateral der Dornfortsatzoberkante bis zum jeweiligen Facettengelenk (Knochen-Kapsel-Kontakt) (Abb. 16), LA-Injektion

Klinische Relevanz der Injektionstherapie an der Brustwirbelsäule

Mit der Injektionstherapie an den dorsalen thorakalen Bewegungssegmenten können Irritationen von Nozizeptoren in den Facettengelenken, den Kostotransversalgelenken und den thorakalen Spinalnerven beeinflusst werden. Es besteht jedoch ein hohes Pneumothoraxrisiko. Insgesamt empfiehlt sich eine weitgehende Zurückhaltung bei der Injektionsbehandlung an der Brustwirbelsäule, da lokale und radikuläre Thorakalsyndrome einen gutartigen selbstlimitierenden Verlauf zeigen. Die thorakale Facetteninfiltration ist von allen Injektionstechniken an der Brustwirbelsäule am sichersten [38].

Lumbale Spinalnervenanalgesie (LSPA)

Posterolaterale Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 10 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %) ggf. im Gemisch mit Steroiden (Off-label-Use) mit einer 12 cm langen Kanüle an der Austrittsstelle der lumbalen Spinalnervenwurzel aus dem Foramen intervertebrale. Hauptindikationen sind die am häufigsten in diesem Wirbelsäulenbereich vorkommenden L3-, L4-, L5- und S1-Wurzelreizsyndrome mit Irritation in den entsprechenden Segmenten L3/4, L4/5 und L5/S1.

Technik

sitzende Position mit abgestützten Füßen

Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4 und L5

ausgehend von einer Einstichstelle 8 cm lateral der Medianlinie in Höhe der Beckenkämme erfolgt die Einstellung der 12 cm langen Kanüle auf 60° in der Horizontalebene (Abb. 17)

abhängig von der Höhe der Segmentirritation gibt es 3 Stichrichtungen (Einstich bis zum Knochenkontakt/foraminoartikuläre Injektion):

horizontaler Einstich:
Wurzel L3 (Region L3/4)

kraniales Anwinkeln um 30°: Wurzel L4 (Region L4/5)

kraniales Anwinkeln um 50°: Wurzel L5 (Region L5/S1) (Abb. 18)

Mit dieser schrägen Einstichtechnik erreicht man einen sicheren Knochenkontakt im posterolateralen Anteil des Lendenwirbels. Dies ist auch der wesentliche Unterschied zu den Techniken von Reischauer [26] und Macnab und Dall [16].

Lumbale Facetteninfiltration (Fac. Lumbal)

Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 10 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %) ggf. im Gemisch mit Steroiden mit einer 6–8 cm langen Kanüle an den lumbalen Wirbelgelenkkapseln. Hauptindikationen sind das lokale und pseudoradikuläre Lumbalsyndrom sowie das lumbale Facettensyndrom.

Technik

sitzende Position mit abgestützten Füßen

Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4 und L5

senkrechter Einstich 2 cm (Fac.L3/4 u. L4/5) bzw. 2,5 cm (Fac. L5/S1) (Abb. 19) lateral der Medianlinie auf der halben Distanz zwischen 2 Dornfortsätzen bis zum jeweiligen Facettengelenk (Knochen-Kapselkontakt) (Abb. 20), LA-Injektion

Ligamentäre Infiltration am Iliosakralgelenk (ISG-Block)

Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 10 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %) ggf. im Gemisch mit Steroiden mit einer 6–8 cm langen Kanüle an den dorsalen Bandapparat der Sakroiliakalgelenke und an den Ansätzen des Lig. iliolumbale. Hauptindikationen sind das ISG-Syndrom mit oder ohne Blockierung, das lokale und pseudoradikuläre Lumbalsyndrom und ggf. die Sakroiliitis.

Technik

sitzende Position mit abgestützten Füßen

Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4, L5, Aufsuchen und Markieren des Dornfortsatzes S1

Einstich nach lateral in Höhe des Dornfortsatzes S1 genau in der Mittellinie zwischen der Medianlinie und der gleichseitigen SIPS in 45°-Winkeleinstellung bis zum jeweiligen ISG-Gelenk (Knochenkontakt/ligamentäre fächerförmige Infiltration nach kranial und kaudal), LA-Injektion

Epidurale dorsale Injektion (Epi dorsal/Epi gerade)

Dorsale interlaminäre Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 5–10 ml Naropin 2 mg/ml) ggf. im Gemisch mit Steroiden (Off-label-Use) mit einer 7,5 cm langen Spinocan-Kanüle in den dorsalen lumbalen Epiduralraum. Hauptindikationen sind das polyradikuläre Lumbalsyndrom und die zentrale Spinalkanalstenose.

Technik

sitzende Position mit abgestützten Füßen

Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4 und L5

senkrechter Einstich einer mit physiologischer Kochsalzlösung gefüllten „loss of resistance“- Spritze genau in der Medianlinie zwischen den Dornfortsätzen, meistens zwischen L3 und L4 sowie L4 und L5

langsames Vorschieben unter kontinuierlichem Andruck am Spritzenstempel bis ein schlagartiger Widerstandsverlust entsteht („loss of resistance“-Technik/Erreichen des Epiduralraums)

Auswechseln der NaCl-Spritze gegen die LA-Spritze, epidurale Injektion

Epidurale perineurale Injektion (Epi peri)

Dorsale schräg-kontralaterale interlaminäre Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 1 ml Naropin 2 mg/ml) ggf. im Gemisch mit Steroiden (Off-label-Use) mit einer 12 cm langen 29-G-Spinocan-Kanüle in den anterolateralen Epiduralraum im Segment L5/S1. Hauptindikationen sind das monoradikuläre Wurzelreizsyndrom L5 und S1.

Technik

sitzende Position mit abgestützten Füßen

Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4 und L5, Aufsuchen und Markieren des Dornfortsatzes S1

Einstich einer 3,5 cm langen Führungskanüle 1 cm unterhalb und 1 cm kontralateral des Dornfortsatzes L5 in einem Winkel von 15–20° schräg bis zum Lig. flavum [35]

Einführen der 29-G-Kanüle durch die Führungskanüle. Vorschieben der Kanüle bis zum anterolateralen Epiduralraum L5/S1 (Abb. 21)

Aufsetzen der 1-ml-Spritze, epidurale-perineurale Injektion anterolateral

In einer Studie von Teske et al. [31] wurden Voluminamessungen des anterolateralen Epiduralraums L5/S1 durchgeführt. Dabei kam heraus, dass ganz geringe Volumina ausreichen (ca. 1 ml), um beide Nervenwurzeln (L5 und S1) zu umfluten.

Klinische Relevanz der Injektionstherapie an der Lendenwirbelsäule

Bei den am häufigsten vorkommenden L5- und S1-Wurzelreizsyndromen kann die komprimierte und angeschwollene Nervenwurzel am besten im anterolateralen Epiduralraum mit der epiduralen-perineuralen Injektion sowie in der foraminoartikulären Region mit der Spinalnervenanalgesie erreicht werden. Bei starken Schmerzen durch Nervenwurzelreizerscheinungen können lumbale Spinalnervenanalgesien sogar täglich an mehreren Tagen durchgeführt werden. Epidurale Injektionen sowie Facetten- und ISG-Infiltrationen können diesen Teil des Behandlungsprogramms ergänzen. Je nach Schweregrad können die Injektionen ambulant oder stationär durchgeführt werden.

Komplikationsmöglichkeiten

Am häufigsten sind orthostatische Reaktionen zu verzeichnen. Symptome wie Blässe, Übelkeit und kurzzeitige Bewusstseinseintrübung sind meist harmlos und durch Hochlagerung der Beine rasch reversibel. Die versehentliche Punktion der Pleura pulmonalis, zerebrale und kardiovaskuläre Komplikationen durch intravasale Applikation, allergische Reaktionen, Infektionen, tiefe Blutungen, Dura- oder Nervenwurzeltaschenpunktionen sowie eine akzidentelle intrathekale LA-Applikation erlangen dagegen aufgrund der Nähe zum ZNS, eine besondere Bedeutung und können zu schwerwiegenden Komplikationen führen. Diese können letztendlich unabhängig von der technischen Durchführung der Injektionen auftreten. Die Komplikationsrate bei der Injektionstherapie an der Wirbelsäule ist insgesamt jedoch gering [37], insbesondere im Vergleich zu anderen minimalinvasiven Verfahren wie Lasertherapie, intradiskale Verfahren, endoskopische und offene Bandscheibenoperationen.

Ergebnisse in der Literatur

Es gibt zahlreiche Untersuchungen über die Bedeutung der Wirbelgelenke bei der Entstehung von Rücken-/Beinschmerzen [3, 8, 17, 18, 21, 28, 42]. Studien mit bildgesteuerten Injektionen konnten nachweisen, dass bereits geringe Mengen eines Lokalanästhetikums (0,3–0,5 ml) ausreichen, um den Ramus medialis an den Wirbelgelenken sicher zu umfluten und zu anästhesieren [1, 7]. Eine Arbeit von Manchikanti [19] mit weiteren 54 Autoren, die gleichzeitig die Guidelines der „American Association of Interventional Pain Physicians“ darstellt, weist eine gute Evidenz bezüglich der diagnostischen Blockaden an den Facetten- und ISG-Gelenken sowie eine gute Evidenz für die epidurale und transforaminale Injektionstherapie zur Behandlung der Radikulopathie beim Bandscheibenvorfall und eine befriedigende Evidenz bei der Spinalkanalstenose. Eine befriedigende bis gute Evidenz findet sich bei den therapeutischen Blockaden. Hingegen findet sich nur eine limitierte Evidenz bei den intraartikulären Facetteninjektionen und bei den diagnostischen Nervenwurzelblockaden. In dieser umfassenden Arbeit wurden insgesamt über 2400 Arbeiten aus den Jahren 1966–2012 berücksichtigt und ausgewertet. Zur Wirksamkeit epiduraler Injektionen beim lumbalen Wurzelkompressionssyndrom liegen weitere Ergebnisse aus randomisiert-kontrollierten Studien vor [4, 6 10, 11, 12, 20, 39, 41]. Zur epiduralen-perineuralen Injektionstechnik mit dem Doppelnadelsystem gibt es insgesamt 3 Studien, alle mit einer positiven Evidenz. Untersucht wurde die Wirksamkeit von Lokalanästhetika mit Steroiden [13], von Orthokin [2] (vom Eigenblut hergestelltes Protein mit antiphlogistischer Wirkung) und von Lokalanästhetikum allein [23, 32].

Schlussfolgerung

Die landmarkengestützte segmentnahe Injektionstherapie an der Wirbelsäule hat einen besonderen Stellenwert bei der Behandlung der degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen. Abschwellende und entzündungshemmende Medikamente werden sicher und effektiv, ohne größeren kostenintensiven apparativen und organisatorischen Aufwand, direkt an den Ausgangspunkt der Nozizeption im Bewegungssegment appliziert. Dies geschieht vor allem strahlenfrei und kann somit problemlos wiederholt werden. Lokale, radikuläre und pseudoradikuläre Wirbelsäulensyndrome mit einer Korrelation zwischen klinischem und bildgebendem Befund stellen meistens die Hauptindikationen dar. Die sorgfältige Vorbereitung der Injektionsbehandlung hilft, Fehler und Komplikationen zu vermeiden. Insgesamt zählt die Injektionstherapie zu den sichersten und wirksamsten Methoden der orthopädischen/unfallchirurgischen Schmerztherapie.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Literatur

1. Barnsley L, Bogduk N: Medial branch blocks are specific for the diagnosis of cervical zygapophysial joint pain. Reg Anaesth 1993, 18: 343–350

2. Becker C, Heidersdorf S, Drewlo S, Zirke S, Krämer J, Willburger R: Efficacy of epidural perineural injections with autologous contitioned serum for lumbar radicular compression. An investor-initiated, prospective, double-blind, reference-controlled study. Spine 2007; 32:1803–1808

3. Carrera F: Lumbar facet injection in LBP and sciatica. Radiology 1980; 137: 661–664

4. Carette S, Leclaire R, Marcoux S et al.: Epidural corticosteroid injections for sciatica due to herniated nucleus pulposus. N Engl J Med 1997; 336: 1634–1640

5. Chakraverty R, Pynsent P, Isaacs K: Which spinal levels are identified by palpation of the iliac crests and the posterior superior iliac spines? J Anat 2007; 210: 232–236

6. Cuckler JM, Bernini PA, Wiesel SW, Booth RE Jr., Rothman RH, Pickens GT: The use of steroids in the treatment of lumbar radicular pain. J Bone Joint Surg Am 1985; 67: 63–66

7. Dreyfuss P, Schwarzer AC, Lau P, Bogduk N: Specifity of lumbar medial branch and L5 dorsal ramus blocks: a computed tomographic study. Spine 1997; 22: 895–902

8. Ghormley RK: Low back pain with special reference to the art. Facets with presentation of an operative procedure. J Amer Med Ass 1993; 101: 1773

9. Kim JT, Jung CW, Lee JR, Min SW, Bahk JH: Influence of lumbar flexion on the position of the intercrestal line. Reg Anesth Pain Med 2003; 28: 509–511

10. Klenerman C, Greenwood R, Davenport HT et al.: Lumbar epidural injection in the treatment of sciatica. Brit. J. Rheumatol 1984; 23: 35–38

11. Koes BW, Scholten RJPM, Mens JMA, Bouter LM: Efficacy of epidural steroid injections for low back pain and sciatica: a systematic review of randomised clinical trials. Pain 1995; 63: 279–288

12. Koes BW, Scholten RJPM, Mens JMA, Bouter LM: Epidural steroid injections for low back pain and sciatica: an updated systematic review of randomised clinical trials. Pain Digest 1999; 9: 241–247

13. Krämer J, Ludwig J, Bickert U, Owczarek V, Traupe M: Lumbar epidural perineural injection: a new technique. Eur Spine J 1997; 6: 357–361

14. Krämer R, Matussek J, Theodoridis T: Bandscheibenbedingte Erkrankungen; 6. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Stuttgart: Thieme, 2013

15. Lakchayapakorn K, Suwanlikhid N: The interlaminar and the narrowest distances at the L3/4 and L4/5 interspinous spaces and location of the intercrestal line in Thai cadavers. J Med Assoc Thai 2014; 97 Suppl 8: S16

16. Macnab J, Dall D: The blood supply of the lumbar spine and its application to the technique of intertransverse lumbar fusion. J Bone Jt Surg 1971; B53: 628

17. Manchikanti L, Pampati VS; Pakanati RR, Fellows B: The prevalence of facet joint pain in chronic low back pain. Pain Physician 1999; 2: 59–64

18. Manchikanti L, Singh V, Rivera J, Pampati V: Prevalence of cervical facet joint pain in chronic neck pain. Pain Physician 2002; 5: 243–249

19. Manchikanti L, Abdi S, Atluri S et al.: An update of comprehensive evidence-based guidelines for interventional techniques in chronic spinal pain. Part II: guidance and recommendations. Pain Physician 2013; 16: 49–283

20. McQuay H, Moore A: Epidural corticosteroids for sciatica. In: An evidence-based resource for pain relief, The Bath Press Ltd, Bath 1998; 216–218

21. Moran R, O’Connel D, Walsh MG: The diagnostic value of facet injections. Spine, 1988; 13, 1407–1410

22. Netters Orthopädie. Stuttgart: Thieme, 2001

23. NG L, Chaudhary N, Sell P: The efficacy of corticosteroids in periradicular infiltration for chronic radicular pain. Spine 2005; 30: 857–862

24. Pangthipampai P, Karmakar MK, Songthamwat B, Pakpirom J: The accuracy of 7th cervical spinous process identification using ultrasound transverse scan and parasagittal scan compared to palpation technique, J Med Assoc Thai 2017; 100: S173–S179

25. Reichert B (Hrsg.): Palpations-Techniken Anatomie in vivo. Stuttgart: Thieme, 2018

26. Reischauer F: Zur Technik der lokalen Novocainbehandlung bei Lumbago/Ischias. Dtsch med Wschr 1953, 78: 13–73

27. Schünke M, Schulte E, Schumacher U et al. (Hrsg.): Prometheus LernAtlas Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme, 2011

28. Schwarzer AC, Aprill CN, Derby R, Fortin J, Kine G, Bogduk N: Clinical features of patients with pain stemming from the lumbar zygapophysial joints. Ist he lumbar facet joint syndrome a clinical entity? Spine 1994; 19: 1132–1137

29. Shin S, Yoon DM, Yoon KB: Identification of the correct cervical level by palpation of spinous processes. Anesth Analg 2011; 112: 1232–1235

30. Teoh DA, Santosham KL, Lydell CC, Smith DF, Berault MT: Surface anatomy as a guide to vertebral level for thoracic epidural placement. Anesth Analg 2009; 108: 1705–1707

31. Teske W, Zirke S, Nottenkämper J, Lichtinger T, Theodoridis Th, Krämer J, Schmidt K: Anatomical and surgical study of volume determination of the anterolateral epidural space nerve root L5/S1 under the aspect of epidural perineural injection in minimal invasive treatment of lumbar nerve root compression. European Spine J 2011; 20: 537–541

32. Teske W, Zirke S, Trippe C et al.: Epidural injection therapy with local anaesthetics versus cortisone in the lumbar spine syndrome: a prospective study. Z Orthop Unfall 2009; 147: 199–204

33. Theodoridis T, Krämer J: Injektionstherapie an der Wirbelsäule. Manual und Atlas. Stuttgart: Thieme, 2017

34. Theodoridis T, Krämer J: Spinal Injection Techniques. Stuttgart: Thieme, 2019

35. Theodoridis T, Mamarvar R, Krämer J, Wiese M, Teske W: Einstichwinkel bei der epidural-perineuralen Injektion an der Lendenwirbelsäule. Z Orthop Unfall 2009; 147: 65–68

36. Theodoridis T: Stellenwert der Injektionstherapie bei degenerativen Erkrankungen der Lendenwirbelsäule. Orthopäde 2012; 41: 94–99

37. Theodoridis T, Neu J: Erkenntnisse über die Injektionstherapie an der Wirbelsäule aus norddeutschen Schlichtungsverfahren. In: Theodoridis T, Krämer J: Injektionstherapie an der Wirbelsäule. Manual und Atlas. Stuttgart: Thieme, 2017: 104–105

38. Theodoridis T: Landmarkengestützte Infiltrationen und Injektionstechniken an der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule. In: Jerosch J (Hrsg.): Minimalinvasive Wirbelsäulenintervention. Berlin: Springer, 2019: 35–53

39. Van Tulder MW, Koes BW, Bouter LM: Conservative treatment of acute and chronic non-specific low back pain: a systematic review of randomised clinical trials of the most common interventions. Spine 1997, 22: 2128–2156

40. Wattanaruangkowit P, Lakchayapakorn K: The position of the lumbar vertebrae in relation to the intercrestal line. J Med Assoc Thai 2010; 93: 1294–300

41. Watts RW, Silagy CA: A meta analysis on the efficacy of epidural corticosteroids in thge treatment of sciatica. Anaesth Intens Care 1995; 23: 564–569

42. Young KH, King AI: Mechanism of facet load transmission as a hypothesis for low back pain. Spine 1983, 8: 327

Korrespondenzadresse

Dr. med. Theodoros Theodoridis

Viktoria Klinik Bochum

Abt. Minimalinvasive und
Operative Wirbelsäulentherapie

Viktoriastr. 66–70

44787 Bochum

info@dr-theodoridis.de

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8