Übersichtsarbeiten - OUP 12/2015

Monosegmentale, degenerativ erworbene Spinalkanalstenose
Unilaterale Dekompression versus unilaterale Dekompression mit Undercutting der Gegenseite bei beidseitiger Symptomatik Unilateral decompression with contralateral undercutting versus unilateral decompression for symptomatic, bilateral spinal stenosis

Sybille Waldron1, Heiko Mewes1, Stefan Endres2

Studiendesign: Retrospektive Vergleichsstudie

Ziel: Retrospektiver Vergleich zweier minder-invasiver Operationsmethoden bei lumbaler Spinalkanalstenose (LSS) mit bilateraler Symptomatik, anhand der postoperativen Veränderungen von Schmerz, Funktion und Zufriedenheit: unilaterale Laminotomie mit Undercutting der Gegenseite (ULBD*, Gruppe 1) und unilaterale Laminotomie (ULBD, Gruppe 2).

Hintergrund: Obwohl viele vorangegangene Studien sich mit minder-invasiven Operationsmethoden bei LSS befassen, gibt es wenige direkte Vergleiche von 2 minder-invasiven Therapieoptionen. Keine Studie vergleicht den Operationserfolg von 2 minder- invasiven Operationsmethoden anhand eines Gesamtscores bestehend aus Schmerz, Funktion und Zufriedenheit.

Methoden : In die Auswertung gehen Daten von 99 Patienten ein, die zwischen 2006 und 2008 im Wirbelsäulenzentrum in Marburg/Wehrda an einer monosegmentalen LSS mit bilateraler Symptomatik operiert wurden. Davon wurden 40 Patienten mittels ULBD* operiert, während die restlichen 59 Patienten eine ULBD erhielten. Bei allen 99 Patienten erfolgte die Datenerhebung in einem Nachuntersuchungszeitraum von 3,5 Jahren. Die Funktion wurde mittels Oswestry Disability Score (ODS), Roland Morris Score (RMS) und Gehstrecke vor und nach der Operation erfasst. Der Schmerz wurde mittels Veränderungen auf der Visuellen Analogskala (VAS) für Schmerzen in den Beinen (lp) und Schmerzen im Rücken (bp) vor und nach der Operation evaluiert. Weiter erhoben wir die Zufriedenheit nach der Operation anhand einer numerischen Skala. Der Erfolg der Operationen wurde mittels eines universellen Gesamtscores ermittelt, der die wichtigsten Outcome-Parameter der LSS umfasst. Es wurden literaturbasierte Grenzwerte für die einzelnen Scores verwendet, die sich an dem minimal-klinischen Unterschied (MCID) orientieren. (Zufriedenheit: 7, Funktion (RMS): 5, Schmerz (VAS lp): 1.5).

Ergebnisse : Patienten beider Gruppen waren im Durchschnitt zufrieden mit dem Operationsergebnis. Die Vergleiche der prä- und postoperativen Score-Veränderungen zeigten Verbesserungen in Schmerz, Funktion und Gehstrecke. Es zeigte sich ein statistisch signifikanter Unterschied der Gehstreckenverbesserung zu Gunsten der UBLD*. Die Erfolgsrate, definiert durch den Gesamtscore, betrug in Gruppe 1 80 % und in Gruppe 2 54 %. In der multivariaten, binären, logistischen Regression hatten die Patienten in Gruppe 1 eine um Faktor 3 erhöhte Chance auf ein besseres Gesamtergebnis als Gruppe 2.

Zusammenfassung: In Zusammenschau aller Ergebnisse dieser Studie kann man zusammenfassen, dass beide Operationsmethoden eine suffiziente Dekompression mit hervorragenden klinischen Ergebnissen bezüglich Schmerzreduktion, Funktionsverbesserung und Patientenzufriedenheit bei LSS verzeichnen, allerdings mit Vorteilen zugunsten der unilateralen Laminotomie mit Undercutting.

Schlüsselwörter: Dekompression, Undercutting, Laminotomie,
Spinalstenose

Zitierweise
Waldron S, Mewes H, Endres S. Monosegmentale, degenerativ erworbene Spinalkanalstenose.
OUP 2015; 12: 601–613 DOI 10.3238/oup.2015.0601–0613

Study Design: Retrospective comparative study

Objective: To compare retrospectively postoperative changes in function, pain and contentedness of two different types of minimal invasive surgical methods for bilateral lumbar spinal canal stenosis (BLSCS): unilateral decompression with contralateral undercutting (ULBD*, Group 1) and unilateral laminotomy for symptomatic, bilateral spinal stenosis (ULBD, Group 2).

Summary of Background Data: Although previous studies have reported several procedures of minimal invasive surgery for the treatment of BLSCS, no article has compared two minimal invasive procedures for BLSCS using an overall score combining contentedness, function and pain.

Methods: We collected data from 103 patients between 2006 and 2008. A total of 42 patients were treated with ULBD* while the remaining 61 patients underwent ULBD. All 103
patients were assessed within three and a half years after the operation. The shortest follow up time was eight months. The patients’ symptoms were evaluated using the functional scores: Oswestry Disability Score (ODS), Roland Morris Score (RMS) and walking capacity pre and post operation. Pain was graded by changes of the Visual Analogue Scale (VAS) for leg pain (lp) and back pain (bp) pre and post operation and post operation satisfaction. Success rate was determined using an universal overall score combining the three most important values concerning BLSCS. We used the most common threshold values for minimal clinical differences found within the literature (satisfaction: 7, function (RMS): 5 and pain (VAS lp): 1.5).

Results: Patients from both groups were on average content with the results of the operation. Pre post operation comparisons within both groups identified improvements in function, pain and walking capacity. There was a difference in walking capacity between the two groups post operation, the walking distance in group 1 was higher than in group 2. Success rate, defined by the overall score was 85% in group 1 and 56% in group 2, however patients from group 1 had a significantly better outcome. Multivariate binary logistic regression showed that group 1 had a better chance of achieving the overall score threshold than the group 2 by a factor of three.

Conclusion: Both ULBD and ULBD* were efficient procedures for improving functional and neurological symptoms in patients with BLSCS. In the overall score and walking capacity ULBD* was superior to ULBD in the first 3,5 years after the operation.

Keywords: decompression, spinal stenosis, score, undercutting

Citation
Waldron S, Mewes H, Endres S. Monosegmental lumbar spinal
stenosis.
OUP 2015; 12: 601–613 DOI 10.3238/oup.2015.0601–0613

Einleitung

Obwohl die operative Dekompression einer erworbenen, lumbalen Spinalkanalstenose bei therapieresistenten Schmerzen und neurologischen Defiziten heute unumstritten ist, besteht keine Einigkeit bezüglich der verschiedenen möglichen Operationsverfahren [1, 2]. Der klassische oder traditionelle Zugang ist die offene Dekompressionsoperation mit Laminektomie, partieller Arthrektomie und Foraminotomie, inklusive einer weitreichenden Muskelretraktion und Entfernung stabilisierender Strukturen [3–5]. Trotz der Erfolge, die die traditionelle oder klassische Dekompression aufweist, beinhaltet sie doch ein erhebliches Risiko an postoperativen Instabilitäten, muskulärer Schwäche infolge einer Atrophie und eines sog. Failed-back-surgery-Syndrom [6–10]. Heutzutage finden sich in der Literatur zahlreiche minder-invasive Operationstechniken mit transmuskulärem Zugang zur Wirbelsäule, die dorsal-stabilisierende Strukturen intakt lassen. Eine dieser minder-invasiven Techniken ist die unilaterale Dekompression mit Undercutting der Gegenseite [9–11]. In der aktuellen Literatur finden sich nur wenige vergleichende Arbeiten, die unterschiedliche Operationstechniken direkt miteinander vergleichen. Vor diesem Hintergrund ist es der Anspruch dieser retrospektiven Studie, die unilaterale Laminotomie und die Laminotomie mit Undercutting zur Gegenseite mit beidseitiger Symptomatik, auf Wirksamkeit und Vorteile zu untersuchen.

Dafür wurden bekannte klinische Scores wie der VAS, Roland Morris Score, Oswestry Disability Score und die selbsteingeschätzte Gehstrecke vor der Operation und nach der Operation erhoben. Anschließend wurde ein Gesamtscore definiert. Dieser wurde aus den für die Spinalkanalstenose entscheidenden Parametern Schmerz, Funktion und Zufriedenheit formuliert.

Fragestellungen

  • 1. Bringt die Laminotomie mit Undercutting bei konzentrischen Spinalkanalstenosen mit beidseitiger Symptomatik im Vergleich zur unilateralen Laminotomie eine Verbesserung bezüglich Funktionalität und Schmerzen?
  • 2. Kann man den Erfolg mittels eines Gesamtscores nachvollziehen?
  • 3. Sind Patienten mit degenerativer Spinalkanalstenose mit dieser Operationstechnik zufrieden?
  • 4. Wie ist der Stellenwert der Laminotomie mit Undercutting im Vergleich mit anderen Operationsmethoden im Rahmen einer lumbalen Spinalkanalstenose in der aktuellen Literatur?

Methodik

Einschlusskriterien/
Ausschlusskriterien

In der vorliegenden retrospektiven Studie wurden nur Daten von Patienten verwendet, die aufgrund einer symptomatischen, bilateralen degenerativen lumbalen Spinalkanalstenose von 2006 bis einschließlich 2008 operiert worden waren. Es wurden Patienten identifiziert, die entweder eine unilaterale Laminotomie oder unilaterale Laminotomie mit zusätzlichem Undercutting zur Gegenseite erhalten hatten. Ausgeschlossen wurden Daten von Patienten mit Beschwerden in anderen Wirbelsäulenabschnitten, mit mehr als einem betroffenen Segment, mit anderen Operationsmethoden oder nach Einbringung von Implantaten. Die Wahl des optimalen Operationsverfahrens für den individuellen Patienten erfolgte durch den jeweiligen Operateur. Hauptgründe für die Wahl auf eine bilaterale Dekompression durch Undercutting zu verzichten, waren limitierende präoperative Nebenerkrankungen sowie ausgeprägte segmentale degenerative Veränderungen. Der Einschluss in die Studie erfolgte unabhängig vom Alter. Es konnten nur Patienten eingeschlossen werden, von denen auch Daten vor der Operation erhoben worden waren. Weiter musste eine Einwilligung zur pseudonymisierten Auswertung und Veröffentlichung der Daten zu wissenschaftlichen Zwecken vorliegen. Es wurden auch Daten von Patienten verwendet, die nur die Fragebögen ausfüllten und zurückschickten und nicht an der Nachuntersuchung teilnahmen. Jeder Patient war entsprechend aufgeklärt, dass zu jedem Zeitpunkt ein Abbruch der Teilnahme und damit das Nicht-Einbeziehen der Daten möglich war.

Fragebogen

Alle Daten wurden anhand eines standardisierten Fragebogens erfasst. Dieser wurde den Studienteilnehmern postalisch zugestellt und beim Nachuntersuchungstermin besprochen. Der Fragebogen umfasste allgemeine Angaben zur Person, 3 klinisch funktionelle Scores (Oswestry Disability Score, Visuelle Analogskala für Schmerz, Roland Morris Score), den ASA-Score, die prä- und postoperative Gehstrecke und die Patientenzufriedenheit.

Zusätzlich wurden noch die folgenden Parameter zur Auswertung erhoben: Geschlecht, Geburtsdatum, BMI, Beschäftigungsgrad, Beschwerdedauer, Vorbehandlung und Nachbehandlung, operiertes Segment, Operationsdauer/Dauer des stationären Aufenthalts, Komplikation und Krankenhausverweildauer.

Statistische Auswertung

Die statistischen Auswertung der Daten erfolgte mit dem Programm SPSS (Statistical Package for Social Sciences, Chigago, IL, Version 20.0). Für die statistische Beratung wurde das Institut für medizinische Biometrie und Epidemiologie der Universität Hamburg zu Rate gezogen. In dieser Studie wurde bei allen durchgeführten Verfahren ein p-Wert < 0,05 als statistisch signifikant gewertet. Zur deskriptiven Auswertung der Daten wurden Mittelwert und Standardabweichung (SD) für parametrische Daten, Median und Inquartile Range für nichtparametrische Daten angegeben. Außerdem wurde je nach Aussagekraft die prozentuelle Verteilung der Daten bewertet.

Die Daten wurden anhand des Kolmogorov-Smirnov-Tests und zur Bestätigung mittels des Shapiro-Wilk-Tests auf Normalverteilung geprüft. Zur Auswertung der prä- und postoperativen Daten wurde aufgrund der bestehenden Asymmetrie der Daten der Permutationstest verwendet [13]. Um die prä- und postoperativen Werte der untersuchten Scores auszuwerten, haben wir, auf dem Central-Limit-Theorem basierend, den unabhängigen bzw. abhängigen Students’ T-Test verwendet. Anschließend erfolgt der Vergleich der Scores zwischen den beiden Gruppen mittels Students’ T-Test, um mögliche Unterschiede und Vorteile aufzuzeigen.

Ethische Richtlinien

Alle ethischen, rechtlichen und wissenschaftlichen Anforderungen an klinische Prüfungen wurden erfüllt. Vor der Teilnahme an der Studie wurde jeder Patient umfassend über den Untersuchungsablauf, rechtliche Grundlagen, ethische Voraussetzungen und Vertraulichkeit der Daten aufgeklärt. Es erfolgte eine ausführliche Erklärung über den jederzeit möglichen Ausstieg aus der Studie. Jeder Patient gab sein schriftliches Einverständnis zur Studienteilnahme. Die Studie war zu Beginn von der Ethik-Kommission der Universität Marburg genehmigt worden.

Ergebnisse

Patientenkollektiv

Anhand der OPS und ICD-Codes konnten insgesamt 234 Patienten identifiziert werden, die in den Jahren 2006 bis einschließlich 2008 an einer symptomatischen, bilateralen, degenerativen, lumbalen Spinalkanalstenose mittels Laminotomie plus Undercutting bzw. mittels Laminotomie operiert wurden. Anhand einer Zufallszahlentabelle [14] wurden entsprechend den Vorgaben des Biomedizinischen Zentrums des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zu Beginn der Studie eine Auswahl von 120 Patienten getroffen. Unter den übrig gebliebenen 120 Patienten hatten 70 Patienten eine unilaterale Laminotomie und 50 Patienten eine unilaterale Laminotomie mit zusätzlichem Undercutting erhalten.

Die ausgewählten 120 Patienten wurden zur Teilnahme an der Studie telefonisch eingeladen. Bei Bereitschaft zur Teilnahme bekamen die Patienten eine schriftliche Einladung mit genauer Erläuterung der Studie per Post zugesandt. Der schriftlichen Einladung lagen die Fragebögen bei.

Von den 120 eingeladenen Patienten nahmen 103 Patienten an der Studie teil. Die Rücklaufquote betrug 85 %. Es stellte sich heraus, dass bei 4 Patienten in mehr als einem Segment operiert worden waren, sodass sie von der weiteren statistischen Auswertung ausgeschlossen wurden. Von den 17 Patienten, die nicht an der Nachuntersuchung teilnahmen, war ein Patient verstorben, 12 Patienten hatten kein Interesse, 3 Patienten waren telefonisch nicht zu erreichen, ein Patient war unbekannt verzogen. Alle 99 Patienten beteiligten sich in Form der zugeschickten Fragebögen. Davon nahmen 77 an einer klinischen Nachuntersuchung und einer persönlichen Befragung teil. Die restlichen 22 Patienten beteiligten sich ausschließlich in Form des Fragebogens. Von den insgesamt 99 Patienten mit einer symptomatischen, bilateralen degenerativen lumbalen Spinalkanalstenose wurden der Gruppe 1 (Laminotomie mit Undercutting) n = 40 und der Gruppe 2 (unilaterale Laminotomie) n = 59 zugeordnet.

Soziodemografische
Parameter

Segmentverteilung

Das am häufigsten operierte Segment war in beiden Gruppen Segment L4/L5 (Gruppe 1 85 %, Gruppe 2 58 %). Das am zweithäufigsten operierte Segment in Gruppe 1 war Segment L3/L4 (19 %) und in Gruppe 2 Segment L5/S1 (19 %).

Komplikationen

85 Patienten (85,9 %) blieben insgesamt komplikationslos. Bei 14 Patienten traten Komplikationen auf (14,1 %). Davon traten bei 4 Patienten der Gruppe 1 und bei 10 Patienten der Gruppe 2 während bzw. nach der Operation Komplikationen auf. Der Unterschied zwischen den Gruppen ist nicht signifikant (p = 0,25).

Die häufigste Komplikation war das Entwickeln einer Liquorfistel (4,9 %). Blutungen, Serome und sekundäre Wundheilungsstörungen hatten je 1,9 % der Patienten. Bei je 1 % der Patienten kam es zu Entzündungen und allergischen Reaktionen. Verletzungen von großen Blutgefäßen traten nicht auf. Bei keinem Patienten musste während oder nach der Operation ein Erythrozyten-Konzentrat transfundiert werden, wobei der perioperative Blutverlust nicht ermittelt wurde, sondern der postoperative laborchemische Hämoglobin-Wert der Patienten zur Indikationsüberprüfung verwendet wurde. Bei Gruppe 1 traten bei je einem Patienten perioperativ eine Blutung, eine allergische Reaktion und bei 2 Patienten eine Liquorfistel auf. In Gruppe 2 hatten 3 Patienten eine Liquorfistel, je 2 Patienten ein Serom oder eine Wundheilungsstörung und je ein Patient eine Entzündung, eine Blutung oder eine Duraperforation.

Oswestry Disability Score

In der Studie beträgt der Mittelwert des ODS in der Gruppe 1 vor der Operation 46 % (SD 21,20). In der Gruppe 2 beträgt der Mittelwert des ODS vor der Operation 53 % (SD: 18,60). Das bedeutet, dass bei etwa der Hälfte der untersuchten Patienten, aufgrund der Rückenbeschwerden, präoperativ durchschnittlich eine schwere Behinderung der Funktionalität im Alltag bestand. Nach der Operation beträgt der ODS- Score in der Gruppe 1 23 % (SD: 20,16) und in der Gruppe 2 im Mittel 29 % (SD: 22,11 %). Im Vergleich zum präoperativen ODS-Wert entspricht das in der Gruppe 1 im Mittel einem Unterschied von 23 %, in der Gruppe 2: 24 %. Die Funktionalität gemessen am ODS verbessert sich durch die Operation in beiden Gruppen signifikant (p < 0,001). Die Gruppen unterscheiden sich bezüglich der präoperativen und postoperativen ODS Werte nicht signifikant. (p = 0,12 bzw. p = 0,10).

Bezüglich des festgelegten Cutoff- Werts von 15 % haben in der Gruppe 1 26 Patienten (65 %) ein signifikant erfolgreiches klinisches Ergebnis nach der Operation. In der Gruppe 2 haben 33 Patienten (56 %) eine Verbesserung erfahren. Der Unterschied zwischen den beiden unterschiedlichen Operationen ist nicht signifikant (p > 0,05).

Visuelle Analogskala für
Schmerzen im Rücken

Die Patienten der Gruppe 1 gaben vor der Operation bezüglich ihrer Rückenschmerzen im Mittel einen Wert von 7,43 (SD 2,38) Punkten an. Der Mittelwert der Schmerzen nach der Operation betrug 3,30 (SD: 2,72) Punkte. Das entspricht einer durchschnittlichen Veränderung von 4,13 Punkten. In der Gruppe 2 war das Mittel die präoperativen Werte 7,71 (SD: 1,89) und die postoperativen Werte 3,85 (SD: 2,95). Die mittlere Differenz beträgt 3,86. Die Verbesserung der Rückenschmerzen durch die Operation ist in beiden Gruppen signifikant (p < 0,001). Die prä- und postoperativen Werte des VAS bp unterscheiden sich zwischen den Gruppen nicht signifikant. (p > 0,05).

Bei 30 Patienten (75 %) der Gruppe 1 und 34 Patienten (58 %) der Gruppe 2 wurde durch die Operation bei festgelegtem Cuttoff-Wert für VAS bp von 2,5 Punkten eine signifikante Verbesserung erzielt. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen ist nicht signifikant (p > 0,05).

Roland Morrison Score

Vor der Operation hatte der Roland Morrison Score der in Gruppe 1 untersuchten Patienten einen Mittelwert von 13,23 (SD: 5,92) Punkten. Nach der Operation liegt der Mittelwert des RMS in Gruppe 1 bei 5,18 (SD: 6,09) Punkten. Im Vergleich zum präoperativen Wert beträgt die mittlere Differenz zum postoperativen Wert 8,05 Punkte. In Gruppe 2 betrug der präoperative Wert 14,48 (SD: 5,42). Der postoperative Wert lag bei 8,19 Punkten (SD: 6,58). Die mittlere Differenz beträgt 6,29 Punkte. Die Funktionalität gemessen am RMS verbessert sich durch die Operation in beiden Gruppen signifikant (p < 0,001). Die präoperativen Werte des RMS unterscheiden sich zwischen den beiden Gruppen nicht signifikant (p > 0,05). Die postoperativen Werte sind zugunsten der Gruppe 1 signifikant unterschiedlich (p = 0,037).

Bezüglich des für den RMS festgelegten Cutoff-Werts von 5 Punkten haben 25 Patienten (63 %) der Gruppe 1 und 34 (57 %) ein signifikant erfolgreiches klinisches Ergebnis. Die prä- und postoperativen Werte des RMS-Werts unterscheiden sich zwischen den Gruppen nicht signifikant (p > 0,05).

Visuelle Analogskala
für Schmerzen in den Beinen

Die Patienten der Gruppe 1 gaben vor der Operation bezüglich ihrer Schmerzen in den Beinen im rechten Bein im Mittel einen Wert von 4,67 (SD 3,63) Punkten an. Der Mittelwert der Schmerzen im rechten Bein nach der Operation betrug 2,23 (SD: 2,68) Punkte. Das entspricht einer durchschnittlichen Verbesserung von 2,44 Punkten. Die Verbesserung der Schmerzen im Bereich des rechten Beins durch die Operation ist signifikant (p < 0,002). Die Schmerzen im linken Bein in Gruppe 1 verbesserten sich ebenfalls signifikant (p < 0,002) von 5,00 (SD: 3,46) Punkten auf 2,72 (SD: 3,20) Punkte.

Die Patienten der Gruppe 2 gaben vor der Operation bezüglich ihrer Schmerzen in den Beinen im rechten Bein im Mittel einen Wert von 4,02 (SD 3,67) Punkten an. Der Mittelwert der Schmerzen im rechten Bein nach der Operation betrug 2,36 (SD: 3,13) Punkte. Das entspricht einer durchschnittlichen Verbesserung von 1,66 Punkten. Die Verbesserung der Schmerzen im Bereich des rechten Beins durch die Operation ist signifikant (p < 0,003). Die Schmerzen im linken Bein in Gruppe 2 verbesserte sich ebenfalls signifikant (p < 0,002) von 4,1 (SD: 3,72) Punkten auf 1,88 (SD: 2,85) Punkte.

Zwischen den beiden Gruppen gab es bezüglich der Schmerzen in den beiden prä- und postoperativ keinen signifikanten Unterschied.

Für 27 Patienten (68 %) in Gruppe 1 und 34 (58 %) in Gruppe 2 war die Operation bei festgelegtem Cutoff-Wert für VASlp von 1,2 Punkten ein signifikante Verbesserung. Es lag kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich der Verbesserung der Schmerzsymptomatik in den Beinen vor.

Gehstrecke

In Gruppe 1 lag die mittlere Gehstrecke vor der Operation bei 100–500 m, nach der Operation bei > 1000 m. In der Gruppe 2 lag die präoperative Gehstrecke im Mittel zwischen 0–100 m, postoperativ betrug die Gehstrecke im Mittel > 1000 m. Die Gehstreckenverbesserung war in beiden Gruppen signifikant (p < 0,001).

Die Operation war bezüglich des festgelegten Cutoff-Werts für die Gehstreckenverbesserung von > 1000 m für 34 Patienten (85 %) der Gruppe 1 und 33 Patienten (56 %) der Gruppe 2 erfolgreich. Die Gehstreckenverbesserung ist zugunsten der Gruppe 1 signifikant (p = 0,03) unterschiedlich.

Zufriedenheit

In der Gruppe 1 betrug die mediane Zufriedenheit 8 Punkte (Range 0–10). 31 Patienten (78 %) waren mit der Operation sehr zufrieden. In der Gruppe 2 betrug die mittlere Zufriedenheit 8 (Range 1–10). 45 Patienten (76 %) waren mit der Operation sehr zufrieden. Die Zufriedenheit zwischen den Gruppen ist vergleichbar (p = 0,73).

Gesamtscore

Unter Berücksichtigung des für diese Studie erstellten Gesamtscores haben in der Gruppe 1 80 % und in der Gruppe 2 54 % der Patienten ein positives Outcome. Der Gesamtscore setzt sich, wie oben erläutert, aus den jeweiligen Cutoff-Werten der Scores RMS, Zufriedenheit und VAS lp zusammen. Es wurde als positives Gesamtoutcome gewertet, wenn mindestens 2 der Scores über dem jeweiligen Cutoff-Wert des Scores lagen. Es besteht ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen (p = 0,01) bezüglich des Gesamtscores

Diskussion

Für die lumbale Spinalkanalstenose, die zu den spezifischen Rückenschmerzen zählt, konnte eine Verdopplung der kodierten Fälle in 6 Jahren verzeichnet werden. So wurden in der Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2011 55.793 kodierte Fälle erfasst. Im Vergleich dazu waren es 2005 noch 28.001 kodierte Fälle [15]. In der Studie von Deyo et al. [16] wird bis zum Jahr 2025 von einer steigenden Prävalenz der Erkrankungen um 59 % ausgegangen. Das heißt, 64 Millionen ältere Menschen sollen bis dahin unter einer symptomatischen Spinalkanalstenose leiden.

Die Art der Therapie und die verschiedenen möglichen Operationsverfahren werden noch immer kontrovers diskutiert [17]. Es ist unumstritten, dass bei Schmerzaggraviation, motorischem Defizit, sensiblem Defizit und Beinschmerzen die operative Therapie der konservativen überlegen und meist unumgänglich ist [18].

Bei der Fülle an Therapiemöglichkeiten ist es der Anspruch dieser Studie, eine mögliche Therapie, die unilaterale Laminotomie mit Undercutting der Gegenseite, im Vergleich zur unilateralen Laminotomie bei bilateraler Symptomatik auf Wirksamkeit und Vorteile zu untersuchen. Deshalb wurde ein Gesamtscore definiert, der die Hauptkriterien bei der Evaluation von Operationsergebnissen der Spinalkanalstenose umfasst. Der Gesamtscore setzt sich aus der Patientenzufriedenheit, der Verbesserung des Globalfunktionsscores, Roland Morris Score und den Schmerzen in den Beinen, erhoben anhand der Visuellen Analogskala, zusammen. Mittels binärer logistischer Regression wurde analysiert, welche Parameter für das Erreichen eines guten Gesamtscores sprechen. In der Literatur gibt es viele Vergleiche zwischen Operationsmethoden für die lumbale Spinalkanalstenose. Nach unserem Wissen gibt es bisher noch keine Studie, die Operationsmethoden anhand eines Gesamtscores vergleicht, der die wichtigsten Kategorien Funktion, Schmerz und Zufriedenheit bei Vorliegen einer Spinalkanalstenose vereint, so ist eine globale Aussage über die Wertigkeit des operativen Verfahrens möglich.

Bilaterale Spinalkanalstenose:

Laminotomie mit Undercutting versus Laminotomie

Der Trend zu wenig invasiven Therapietechniken bei der LSS hat mittlerweile eine lange Entstehungsgeschichte. Ziel ist es, eine adäquate Dekompression zu erreichen, ohne die Stabilität zu gefährden. Es wird versucht das kutane, muskuläre und ossäre Trauma gering zu halten und die Bandintegrität weitestgehend zu erhalten. Getty et al. [19], Poletti et al. [20], Mc Cullochet al. [21] und Young et al. [22] haben vor nun mehr als 30 Jahren mit guten postoperativen Ergebnissen die Grundlagen für die wenig invasive, bilaterale Dekompression über einen unilateralen Zugang wie beispielsweise die Laminotomie mit Undercutting gelegt. Die beiden in unserer Studie untersuchten Operationsmethoden bei bilateraler LSS-Laminotomie mit Undercutting und unilaterale Laminotomie ergaben Erfolgsraten von 80 % und 54 %. Diese wurden über den, von uns vordefinierten, Gesamtscore aus Schmerz, Funktion und Zufriedenheit ermittelt.

Für die bilaterale Laminotomie mit unilateralem Zugangsweg divergieren die Erfolgsraten in der Literatur nach 2–3 Jahren von 68–88 %. Ähnlich hohe Gesamterfolge werden für die unilaterale Laminotomie beschrieben: 68–85 % [21].

Wie schon erwähnt, wird in der Literatur die Erfolgsrate von Studie zu Studie unterschiedlich definiert, was eine Vergleichbarkeit insgesamt schwierig macht. In der Literatur finden sich insgesamt sehr hohe Erfolgsraten von 61–92 % in Vergleichsstudien mit bilateraler Dekompression über einen unilateralen Zugang. Yang et al. [23] verglichen unilaterale und bilaterale Dekompression anhand des JOA-Scores, Finneson und Cooper [32] mit einem Erfolg von 61 %. Hong et al. [24] verglichen retrospektiv unilaterale und bilaterale Laminotomie anhand von VAS bp, VAs lp, ODI (2011). Sie evaluierten signifikante Verbesserungen in allen Scores. Costa et al. [33] untersuchten retrospektiv Patienten nach bilateraler Laminotomie über einen unilateralen Zugang mittels VAS, Prolo-Score mit einem Erfolg von 87 % (2007). CavuSoglu et al. [4] verwendeten ODI, SF-36 und analysierten den Erfolg von bilateralen Laminotomien über unilaterale Zugänge im Vergleich mit bilateraler Laminektomie und ermittelten einen Erfolg von 68 %. Oertel et al. [11] untersuchten die Ergebnisse von unilateraler Laminotomie im Vergleich zur bilateralen Dekompression anhand des Finneson- und Cooper-Scores. Nach 5 Jahren hatten sie eine Erfolgsrate von 85,3 %. Spetzger und Weiner [12, 34] untersuchten eine modifizierte Laminektomie mit Mittellinienerhalt mit einem sehr guten Gesamterfolg von 87,9 %. Auch Thomé et al. [10] vergleichen bilaterale Laminotomie über einen Zugangsweg mit Laminektomie und verzeichneten 92 % Erfolg für die Laminotomie. Betrachtet man nun das Ergebnis der vorliegenden Studie, ist der Gesamterfolg (81 %) anhand des Gesamtscores in der Gruppe 1 signifikant höher (p < 0,05) im Vergleich mit Gruppe 2. Auch die logistische Regression ergibt, dass die Gruppe, die eine Laminotomie mit Undercutting erhält, eine 3-fach höhere Chance auf einen positiven Gesamterfolg im Vergleich mit der Gruppe mit unilateralen Laminotomie hat. Zu beachten ist, dass sich, wie in vielen anderen Studien, bei einem Vergleich zwischen 2 Operationsmethoden die einzelnen Scores RMS, VAS lp, VAS bp, ODS, Gehstrecke und die Zufriedenheit von den präoperativen Ausgangswerten zu dem postoperativen Ergebnis in beiden Gruppen signifikant verbessern. Auch nach Festlegung der formulierten Cutoff-Werte bestätigt sich dies Beobachtung in der vorliegenden Studie. Der einzige Funktionsparameter, der sich auch unter Berücksichtigung des Cutoff-Werts zwischen den beiden Operationsgruppen signifikant unterscheidet, ist die Gehstreckenverbesserung. Die Patienten der Gruppe 1 haben eine signifikant höhere Verbesserung in der Gehstrecke (p = 0,03). Dies weist indirekt auf eine höhergradige Beeinträchtigung sowie eventuelle höhergradige degenerative Veränderungen im operierten Segment der Patienten der Gruppe 2 hin. Interessanterweise, ohne sich als signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich der Schmerzverbesserung in den Beinen widerzuspiegeln. Um dies bestätigen zu können, sollte in nachfolgenden Studien ein Vergleich mit der Bildgebung erfolgen. Hier schließt sich die Frage nach den grundlegenden Unterschieden zwischen den Patienten in beiden Gruppen an. Eine Feststellung ist, dass sich die Gruppen bezüglich der soziodemografischen, gesundheitlichen und krankheitsbezogenen Parameter (Geschlechterverteilung, Alter, BMI, Beschäftigungsgrad, Arbeitsunfähigkeitsdauer, ASA, Beschwerdedauer) nicht signifikant voneinander unterscheiden. Auch bezüglich der therapiebezogenen Parameter (Vor-/Nachbehandlung, Segmentanzahl, Operationsdauer, Krankenhausverweildauer, Komplikationen) ergibt sich kein signifikanter Unterschied. Der einzig beobachtete Unterschied zwischen den Gruppen bezieht sich auf die Re-Operationsrate. In Gruppe 2 zeigt sich eine signifikant höhere Re-Operationsrate im Beobachtungszeitpunkt (Re-Operationsrate insgesamt 13,5 %; Gruppe 1 N = 4 , 9,5 %; Gruppe 2 N = 10, 16 %, p = 0,04). In der Literatur wurde bei CavuSoglu et al. [4] im 5-Jahres-Beobachtungszeitraum ein Patient wegen Re-Stenose reoperiert (2 %). Bei Yang et al. [23] wurde je ein Patient wegen Instabilität und wegen Re-Stenose (9 %) im Nachuntersuchungszeitraum von 3 Jahren reoperiert. Hong et al. [24] beobachteten in 3 Jahren 2 Re-Operationen (4 %), eine wegen Hämatom und eine wegen Instabilität. Oertel et al. [11] hatten eine Re-Operationsrate von 27,5 % wegen Instabilität, Re-Stenose oder inadäquater Dekompression. Auf einem Weg zu minder-invasiven Operationsmethoden ist das Risiko gegeben, dass nicht ausreichend dekomprimiert wird. Ebenso ist es bei invasiveren Methoden möglich, dass eine zu weitreichende Dekompression eine Instabilität nach sich zieht [24]. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass die LSS naturgemäß eine progressive degenerative Erkrankung ist, die auch durch Knochenwucherungen nach Dekompression gekennzeichnet ist. In der Literatur variieren die Angaben zu einem solchen Wiederauffüllen der schon dekomprimierten Höhen durch neugebildete Knochenmatrix von 44–94 %. Bei der bilateralen Laminotomie mit Undercutting wird dieses Neubilden eher seltener beobachtet, was vermutlich damit zusammenhängt, dass die spinale Integrität weitestgehend erhalten bleibt [11]. Choi et al. [25] haben jüngst einen Unterschied zwischen der Form der spinalen Enge in der Bildgebung als mögliches Kriterium der Wahl der Operationsmethode aufgegriffen. Auf dem Weg zur optimalen Therapieplanung sollte durchaus auch eine spezialisierte Bildgebung eine Rolle spielen.

Einschränkungen der Studie

Eine Einschränkung der Studie ist, dass die Daten von 26 Patienten (fast 25 %) lediglich über einen postalischen Fragebogen erhoben wurden und in die Studie integriert wurden. Diese Art der Auswertung kann das Gesamtergebnis beeinflussen, ohne dass man es nachvollziehen kann. Im Anbetracht der Tatsache, dass in die endgültige Auswertung hauptsächlich demografische Daten und Ergebnisse von Scores einfließen, setzten wir wenige fehlerhaften Angaben voraus. Uns ist bewusst, dass die Bewertung des Operationserfolgs durch die selbsteingeschätzte Gehstrecke anhand der von uns gewählten 4 Kategorien (0–100 m, 100–500 m, 500–1000 m, > 1000 m) aufgrund einer gewissen Ungenauigkeit nur tendenziell zu bewerten ist. Jedoch ist es unserer Ansicht nach und in Zusammenschau mit der Patientenzufriedenheit ein großer Erfolg, wenn sich der Bewegungsumfang durch eine Operation von wenigen, auf das Haus limitierenden Metern, auf eine alltagstaugliche Strecke von einem Kilometer erweitert. Sicher sind zukünftig Laufbandanalysen in Kombination mit bildgebendem Verfahren zum Nachweis von unterschiedlichem Degenerationsausmaß und Instabilitäten für einen Operationsgruppenvergleich notwendig.

Welche Vorteile bringt die Laminotomie mit Undercutting im Vergleich zu Laminektomie, bilateraler Laminotomie mit Instrumentierung, bilateraler Laminotomie ohne Instrumentierung?

Zu den am häufigsten angewandten Methoden zur operativen Therapie der lumbalen Spinalkanalstenose gehören Laminektomie mit oder ohne Fusion, Laminotomie uni- bzw. bilateral, Laminotomie plus Instrumentierung, Dekompression mittels Endoskop. Wie schon mehrfach erwähnt, bekommt man bei den meisten Operationsverfahren der LSS ein kurzfristig sehr gutes Ergebnis bezogen auf Schmerz, Funktion und Zufriedenheit. In der Literaturrecherche fällt auf, dass das mittelfristige Ergebnis häufig mit einer gewissen Verschlechterung behaftet ist, während das langfristige Ergebnis sich meist auf einem Level über der Ausgangssituation befindet. Betrachtet man die Ergebnisse unserer Studie (Laminotomie mit Undercutting) und die Resultate aus anderen Studien (Laminektomie und bilaterale Laminotomie mit Instrumentierung) zu einem eher kurzfristigen Nachuntersuchungszeitpunkt, so lässt sich diese Beobachtung bestätigen. Im Folgenden werden verschiedene invasive Operationsmethoden anhand Operationszeit, Re-Operationsrate und Komplikationsrate verglichen: die minder-invasive Laminotomie mit Undercutting, die unilaterale Laminotomie, die Dekompression mit Device und die konventionelle Laminektomie.

Das Patientenkollektiv der Studien ist vergleichbar: Das durchschnittliche Alter der teilnehmenden Patienten der Studien erstreckt sich im Mittel von 63–75 Jahre. Der Follow-up-Zeitraum der untersuchten Studien beträgt 12–24 Monate. Die mittlere Operationszeit bei der Dekompression mittels bilateraler Dekompression über einen unilateralen Zugang beträgt in unserer Studie 34 Minuten. Bei den Patienten, die eine unilaterale Laminotomie zur bilateralen Dekompression bekamen, beträgt sie vergleichbare 37 Minuten. In der Studie von Tanaka et al. [26] betrug die Operationszeit 95 Minuten bei der Dekompression nur einer Höhe bzw. 119 Minuten bei Dekompression mehrerer Höhen. Eine vergleichbare Operationszeit hatten die Patienten, die eine Dekompression mit Implantation eines Devices erhielten. In der Studie von Strömqvist et al. [27] dauerte die Dekompression plus Device-Implantation im Mittel 62 Minuten und in der Studie von Moojen et al. [28] bei gleicher Operationsmethode 24 Minuten. Die konventionelle dekomprimierende Laminektomie benötigte eine Operationszeit von 43 bzw. 98 Minuten. [29] Vorteil der von uns untersuchten Operationsmethode gegenüber den anderen Verfahren ist die kurze Operationszeit. In der Literatur beträgt die Operationszeit bei Laminotomie durchschnittlich 55 Minuten, bei mikroendoskopischen Verfahren 85 Minuten und bei Laminektomien 120 Minuten.

Während die Komplikationsrate bei den Patienten mit Laminotomie mit Undercutting in unserer Studie vergleichbar mit denen aus den Vergleichsstudien für minder-invasive Laminotomie plus Implantation eines Device ist (4–5), ist sie bei der Kohorte von Jakola et al. [30], die eine Laminektomie erhielten, mit 18 erheblich höher.

In der Literatur wird diskutiert, dass bei weniger invasivem Vorgehen, wie bei der bilateralen Laminotomie mit beidseitiger Dekompression über einen Zugang, das Schonen der paraspinalen Muskulatur ein entscheidender Vorteil ist. Dies ist wichtig, da ein schlechtes Ergebnis der Dekompression häufig mit Denervation und Muskelatrophie vergesellschaftet ist. Ebenfalls wird verhindert, dass im Operationsfeld große Tot-raumvolumen entstehen, die bei den konventionellen Methoden postoperative Probleme bereiten. Durch diese leeren Räume kann es primär zu einem größeren Blutverlust und sekundär zu einem Ansammeln von Bakterien und dem Entstehen von Infektionen kommen. Der leere Raum wird mit Narbengewebe aufgefüllt, sodass bei einer Re-stenose erneute dekomprimierende Operationen nötig werden.

In der vorliegenden Studie gab es 14 Re-Operationen (Laminotomie mit Undercutting 4; Laminotomie 10). Dies ist vergleichbar mit der Anzahl der Re-Operationen der Studie von Tanaka et al. [26] sowohl bei Dekompression nur einer Höhe als auch bei den Patienten mit Dekompression in mehreren Höhen. In der Kohorte von Jakola et al. [30] war die Re-Operationsanzahl mit 7 Fällen höher. Am höchsten ist sie in den Studien von Strömqvist et al. [27] und Moojen et al. [28] nach Implantation eines Devices (n = 13 bzw. 21). Dies bestätigt sich auch in der Metaanalyse von Wu et al. [31] und Deyo et al. [16]. Die Implantation von Devices ist wenig invasiv. Die hohe Re-Operationsrate ist durch Implantatversagen, Dislokation und Re-Stenose zu erklären. Aufgrund der wenig-invasiven Technik kann dieses Verfahren zur kurzfristigen Besserung bei Patienten mit hohem Operationsrisiko gewählt werden, jedoch sollte die Indikationsstellung insbesondere bei Begleiterkrankungen der Wirbelsäule z.B. Spondylolisthese überdacht werden. Diese Ergebnisse könnten zu dem Schluss führen, dass bei ähnlichen Operationsresultaten von Funktionalität, Schmerz und Zufriedenheit nach unterschiedlichen Operationsmethoden, die am wenigsten invasive Methode gewählt werden sollte, jedoch unter Berücksichtigung der individuellen Patientencharakteristika.

Zusammenfassung

In Zusammenschau aller Ergebnisse dieser Studie kann man zusammenfassen, dass beide Operationsmethoden eine suffiziente Dekompression mit hervorragenden klinischen Ergebnissen bezüglich Schmerzreduktion, Funktionsverbesserung und Patientenzufriedenheit bei LSS verzeichnen, allerdings mit Vorteilen zugunsten der unilateralen Laminotomie mit Undercutting. In Zukunft sollte das Ergebnis der Operationsverfahren monosegmentale unilaterale Dekompression und unilaterale Dekompression mit Undercutting der Gegenseite als mögliche Dekompressionsmethoden bei Spinalkanalstenose mit einem längeren Follow up und einem größeren Patientenkollektiv in einer dem Studien-Design entsprechenden prospektiven randomisierten Studie bestätigt werden.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Stefan Endres

KKH Rheinfelden – Endoprothesenzentrum der Maximalversorgung

Am Vogelsang 4

79618 Rheinfelden

endres_s@freenet.de

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Fussnoten

1 Wirbelsäulenzentrum Marburg

2 KKH Rheinfelden

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