Übersichtsarbeiten - OUP 12/2015

Monosegmentale, degenerativ erworbene Spinalkanalstenose
Unilaterale Dekompression versus unilaterale Dekompression mit Undercutting der Gegenseite bei beidseitiger Symptomatik Unilateral decompression with contralateral undercutting versus unilateral decompression for symptomatic, bilateral spinal stenosis

Die Art der Therapie und die verschiedenen möglichen Operationsverfahren werden noch immer kontrovers diskutiert [17]. Es ist unumstritten, dass bei Schmerzaggraviation, motorischem Defizit, sensiblem Defizit und Beinschmerzen die operative Therapie der konservativen überlegen und meist unumgänglich ist [18].

Bei der Fülle an Therapiemöglichkeiten ist es der Anspruch dieser Studie, eine mögliche Therapie, die unilaterale Laminotomie mit Undercutting der Gegenseite, im Vergleich zur unilateralen Laminotomie bei bilateraler Symptomatik auf Wirksamkeit und Vorteile zu untersuchen. Deshalb wurde ein Gesamtscore definiert, der die Hauptkriterien bei der Evaluation von Operationsergebnissen der Spinalkanalstenose umfasst. Der Gesamtscore setzt sich aus der Patientenzufriedenheit, der Verbesserung des Globalfunktionsscores, Roland Morris Score und den Schmerzen in den Beinen, erhoben anhand der Visuellen Analogskala, zusammen. Mittels binärer logistischer Regression wurde analysiert, welche Parameter für das Erreichen eines guten Gesamtscores sprechen. In der Literatur gibt es viele Vergleiche zwischen Operationsmethoden für die lumbale Spinalkanalstenose. Nach unserem Wissen gibt es bisher noch keine Studie, die Operationsmethoden anhand eines Gesamtscores vergleicht, der die wichtigsten Kategorien Funktion, Schmerz und Zufriedenheit bei Vorliegen einer Spinalkanalstenose vereint, so ist eine globale Aussage über die Wertigkeit des operativen Verfahrens möglich.

Bilaterale Spinalkanalstenose:

Laminotomie mit Undercutting versus Laminotomie

Der Trend zu wenig invasiven Therapietechniken bei der LSS hat mittlerweile eine lange Entstehungsgeschichte. Ziel ist es, eine adäquate Dekompression zu erreichen, ohne die Stabilität zu gefährden. Es wird versucht das kutane, muskuläre und ossäre Trauma gering zu halten und die Bandintegrität weitestgehend zu erhalten. Getty et al. [19], Poletti et al. [20], Mc Cullochet al. [21] und Young et al. [22] haben vor nun mehr als 30 Jahren mit guten postoperativen Ergebnissen die Grundlagen für die wenig invasive, bilaterale Dekompression über einen unilateralen Zugang wie beispielsweise die Laminotomie mit Undercutting gelegt. Die beiden in unserer Studie untersuchten Operationsmethoden bei bilateraler LSS-Laminotomie mit Undercutting und unilaterale Laminotomie ergaben Erfolgsraten von 80 % und 54 %. Diese wurden über den, von uns vordefinierten, Gesamtscore aus Schmerz, Funktion und Zufriedenheit ermittelt.

Für die bilaterale Laminotomie mit unilateralem Zugangsweg divergieren die Erfolgsraten in der Literatur nach 2–3 Jahren von 68–88 %. Ähnlich hohe Gesamterfolge werden für die unilaterale Laminotomie beschrieben: 68–85 % [21].

Wie schon erwähnt, wird in der Literatur die Erfolgsrate von Studie zu Studie unterschiedlich definiert, was eine Vergleichbarkeit insgesamt schwierig macht. In der Literatur finden sich insgesamt sehr hohe Erfolgsraten von 61–92 % in Vergleichsstudien mit bilateraler Dekompression über einen unilateralen Zugang. Yang et al. [23] verglichen unilaterale und bilaterale Dekompression anhand des JOA-Scores, Finneson und Cooper [32] mit einem Erfolg von 61 %. Hong et al. [24] verglichen retrospektiv unilaterale und bilaterale Laminotomie anhand von VAS bp, VAs lp, ODI (2011). Sie evaluierten signifikante Verbesserungen in allen Scores. Costa et al. [33] untersuchten retrospektiv Patienten nach bilateraler Laminotomie über einen unilateralen Zugang mittels VAS, Prolo-Score mit einem Erfolg von 87 % (2007). CavuSoglu et al. [4] verwendeten ODI, SF-36 und analysierten den Erfolg von bilateralen Laminotomien über unilaterale Zugänge im Vergleich mit bilateraler Laminektomie und ermittelten einen Erfolg von 68 %. Oertel et al. [11] untersuchten die Ergebnisse von unilateraler Laminotomie im Vergleich zur bilateralen Dekompression anhand des Finneson- und Cooper-Scores. Nach 5 Jahren hatten sie eine Erfolgsrate von 85,3 %. Spetzger und Weiner [12, 34] untersuchten eine modifizierte Laminektomie mit Mittellinienerhalt mit einem sehr guten Gesamterfolg von 87,9 %. Auch Thomé et al. [10] vergleichen bilaterale Laminotomie über einen Zugangsweg mit Laminektomie und verzeichneten 92 % Erfolg für die Laminotomie. Betrachtet man nun das Ergebnis der vorliegenden Studie, ist der Gesamterfolg (81 %) anhand des Gesamtscores in der Gruppe 1 signifikant höher (p < 0,05) im Vergleich mit Gruppe 2. Auch die logistische Regression ergibt, dass die Gruppe, die eine Laminotomie mit Undercutting erhält, eine 3-fach höhere Chance auf einen positiven Gesamterfolg im Vergleich mit der Gruppe mit unilateralen Laminotomie hat. Zu beachten ist, dass sich, wie in vielen anderen Studien, bei einem Vergleich zwischen 2 Operationsmethoden die einzelnen Scores RMS, VAS lp, VAS bp, ODS, Gehstrecke und die Zufriedenheit von den präoperativen Ausgangswerten zu dem postoperativen Ergebnis in beiden Gruppen signifikant verbessern. Auch nach Festlegung der formulierten Cutoff-Werte bestätigt sich dies Beobachtung in der vorliegenden Studie. Der einzige Funktionsparameter, der sich auch unter Berücksichtigung des Cutoff-Werts zwischen den beiden Operationsgruppen signifikant unterscheidet, ist die Gehstreckenverbesserung. Die Patienten der Gruppe 1 haben eine signifikant höhere Verbesserung in der Gehstrecke (p = 0,03). Dies weist indirekt auf eine höhergradige Beeinträchtigung sowie eventuelle höhergradige degenerative Veränderungen im operierten Segment der Patienten der Gruppe 2 hin. Interessanterweise, ohne sich als signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich der Schmerzverbesserung in den Beinen widerzuspiegeln. Um dies bestätigen zu können, sollte in nachfolgenden Studien ein Vergleich mit der Bildgebung erfolgen. Hier schließt sich die Frage nach den grundlegenden Unterschieden zwischen den Patienten in beiden Gruppen an. Eine Feststellung ist, dass sich die Gruppen bezüglich der soziodemografischen, gesundheitlichen und krankheitsbezogenen Parameter (Geschlechterverteilung, Alter, BMI, Beschäftigungsgrad, Arbeitsunfähigkeitsdauer, ASA, Beschwerdedauer) nicht signifikant voneinander unterscheiden. Auch bezüglich der therapiebezogenen Parameter (Vor-/Nachbehandlung, Segmentanzahl, Operationsdauer, Krankenhausverweildauer, Komplikationen) ergibt sich kein signifikanter Unterschied. Der einzig beobachtete Unterschied zwischen den Gruppen bezieht sich auf die Re-Operationsrate. In Gruppe 2 zeigt sich eine signifikant höhere Re-Operationsrate im Beobachtungszeitpunkt (Re-Operationsrate insgesamt 13,5 %; Gruppe 1 N = 4 , 9,5 %; Gruppe 2 N = 10, 16 %, p = 0,04). In der Literatur wurde bei CavuSoglu et al. [4] im 5-Jahres-Beobachtungszeitraum ein Patient wegen Re-Stenose reoperiert (2 %). Bei Yang et al. [23] wurde je ein Patient wegen Instabilität und wegen Re-Stenose (9 %) im Nachuntersuchungszeitraum von 3 Jahren reoperiert. Hong et al. [24] beobachteten in 3 Jahren 2 Re-Operationen (4 %), eine wegen Hämatom und eine wegen Instabilität. Oertel et al. [11] hatten eine Re-Operationsrate von 27,5 % wegen Instabilität, Re-Stenose oder inadäquater Dekompression. Auf einem Weg zu minder-invasiven Operationsmethoden ist das Risiko gegeben, dass nicht ausreichend dekomprimiert wird. Ebenso ist es bei invasiveren Methoden möglich, dass eine zu weitreichende Dekompression eine Instabilität nach sich zieht [24]. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass die LSS naturgemäß eine progressive degenerative Erkrankung ist, die auch durch Knochenwucherungen nach Dekompression gekennzeichnet ist. In der Literatur variieren die Angaben zu einem solchen Wiederauffüllen der schon dekomprimierten Höhen durch neugebildete Knochenmatrix von 44–94 %. Bei der bilateralen Laminotomie mit Undercutting wird dieses Neubilden eher seltener beobachtet, was vermutlich damit zusammenhängt, dass die spinale Integrität weitestgehend erhalten bleibt [11]. Choi et al. [25] haben jüngst einen Unterschied zwischen der Form der spinalen Enge in der Bildgebung als mögliches Kriterium der Wahl der Operationsmethode aufgegriffen. Auf dem Weg zur optimalen Therapieplanung sollte durchaus auch eine spezialisierte Bildgebung eine Rolle spielen.

Einschränkungen der Studie

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