Übersichtsarbeiten - OUP 10/2018

Perioperatives Schmerzmanagement aus Sicht des Operateurs

In der präoperativen Phase werden die Weichen für eine zufriedenstellende Therapie gestellt: Unterstützt durch eine präzise Diagnostik ist die richtige Diagnose einer Erkrankung die Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Therapie. Eine fehlerhaft gestellte Diagnose-/OP-Indikation kann auch bei noch so guter OP-Technik nicht zu dem gewünschten Resultat führen und ist für den Patienten oft mit einer langen Schmerzphase verbunden, die gerade in den ersten Wochen post-OP auf den stattgehabten Eingriff und nur selten auf die fehlerhafte OP-Indikation zurückgeführt wird.

Das Schmerzmanagement in der Orthopädie und Unfallchirurgie sollte schon im Vorfeld der stationären Aufnahme oder der Aufnahme zur ambulanten Operation beginnen. Da in der Orthopädie vornehmlich elektive Eingriffe erfolgen, besteht gerade im Vorfeld einer Operation die Möglichkeit, Patienten auf den bevorstehenden Eingriff vorzubereiten: Neben dem Aushändigen der Patientenaufklärung zur Operation, der Teilnahme der Patienten an Patientenschulungen (z.B. Endoprothesenschule, Rapid Recovery Programm, enhancest recovery, FIT-Programm) können den Patienten schon bei der Vorstellung in der Ambulanz oder der Praxis wichtige Informationen über die Operation als solche und deren Nachbehandlung gegeben werden. Gleichzeitig kann bei entsprechender Schmerzanamnese, Allergien gegen einzelne Wirkstoffe, Magenulcera oder Besonderheiten bei stattgehabten Operationen schon im Vorfeld der elektiven Operation die peri- und postoperative Analgesie zusammen mit den Anästhesisten geplant werden.

Viele Verbesserungen im Bereich der perioperativen Therapien in den letzten Jahren fallen in das sog. FIT-Konzept (Funktionelle Interdisziplinäre Therapie, Tab. 1). Dieses beinhaltet ein ganzes Paket unterschiedlicher Leistungen und beginnt bereits früh vor dem eigentlichen operativen Eingriff. Hierzu zählt u.a. die gezielte präoperative Patienteninformation: Sie führt beispielsweise in der Endoprothesenschulung zu einer deutlich reduzierten Schmerzempfindung der Patienten. Gleiches gilt für den Beginn der Physiotherapie bereits vor der Operation.

Neben der Aufklärung der Patienten über den bevorstehenden Eingriff ist auch eine ordnungsgemäße Aufklärung über Möglichkeiten der peri- und postoperativen Schmerztherapie zu fordern. Insbesondere invasive und medikamentöse Schmerztherapieformen sind ärztliche Eingriffe, die z.T. mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein können [8, 9]. Diese Aufklärung sollte den Patienten auf mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, das bestehende Risiko bei invasiven Verfahren, bestehende Therapiealternativen und insbesondere – so fern gegeben – auf eine Einschränkung der Verkehrstüchtigkeit (v.a bei ambulanten Operationen) hinweisen. Hierbei reicht theoretisch eine dokumentierte verbale Aufklärung der Patienten aus; eine schriftliche Aufklärung ist aber besser.

Schmerzdokumentation

Spätestens mit der stationären Aufnahme des Patienten sollte die Schmerzdokumentation beginnen. In einzelnen Fällen ist es ratsam, schon vor der stationären Aufnahme die Schmerzen der Patienten zu erfassen, um sie so im Hinblick auf ihre Schmerzwahrnehmung einschätzen zu können. Dabei haben sich zur Schmerzdokumentation numerische Ratingskalen (NRS), verbale Ratingskalen (VRS) oder visuelle Analogskalen (VAS) als brauchbare Instrumente der Schmerzeinschätzung durch den Patienten erwiesen [18, 23, 24, 36, 43]. Kleinere Kinder können ihre Schmerzen anhand von lustigen bis traurigen Gesichtern (Smiley-Skala) einstufen. Diese Angaben sollten im Rahmen der Visiten vom Pflege- und ärztlichem Personal mindestens 3-mal täglich erfragt und dokumentiert werden. Bei akuten Schmerzen ist eine sofortige Schmerzerfassung selbstverständlich. Je nach Schmerzintensität erfolgt dann unmittelbar die Therapie. Durch den Stationsarzt, den Anästhesisten oder den Operateur festgelegte individuelle Bedarfsmedikationen (z.B. Paracetamol i.v. 1 g/100 ml; Piritramid 7,5–15 mg/100 ml als Kurzinfusion) in Abhängigkeit zur Schmerzintensität (VAS-Werte > 30). Bei der Verordnung der Bedarfsmedikation sollten stets die Angaben aus dem Anästhesieprotokoll miteinfließen, da hier der individuelle Analgetikabedarf, eventuelle Unverträglichkeiten, Volumenverlust und weitere intraoperative Besonderheiten ersichtlich sind.

Da die subjektiv empfundenen Schmerzen auch von Ängsten der Patienten beeinflusst werden, ist nach Operationen die Kommunikation zwischen Operateur und Patient essenziell, um eventuelle Ängste möglichst ausräumen zu können. Schmerzen können jedoch auch eine Warnfunktion für Komplikationen sein und sollten somit nicht eine „blinde“ medikamentöse Therapie zur Folge haben. Prothesenluxationen, Gefäß-/Nervenverletzungen, Hämatome, Infektionen und weitere Komplikationen sollten stets ausgeschlossen werden.

Geriatrische Patienten stellen eine besondere Herausforderung an die Schmerzdokumentation und Schmerztherapie dar. Häufig ist hier eine Erhebung der bestehenden Schmerzen durch die Analogskalen unmöglich. Ältere Menschen sehen den Schmerz häufig als einen natürlichen Bestandteil des Alterns an und lehnen Analgetika aus Angst vor Nebenwirkungen oder aus Angst vor weiteren Interventionen ab. Bei Vorliegen renaler, kardialer oder gastrointestinaler Begleiterkrankungen ergibt sich für den behandelnden Arzt die Problematik der Auswahl und Dosierung von Analgetika. Diese Schwierigkeit führt nicht selten aus Angst vor Nebenwirkungen zu einer Minderdosierung der Analgetika und in der Folge zu persistierenden Schmerzen beim Patienten. Gerade bei geriatrischen Patienten ist eine suffiziente Schmerztherapie Grundvoraussetzung für einen komplikationslosen Heilungsverlauf.

Präemptive Analgesie

Während der Operation kann der Operateur das Schmerzgeschehen des Patienten durch verschiedene zusätzliche Anästhesieverfahren, z.B. die Oberflächenanästhesie, aber auch tiefe Anästhesieverfahren wie die OP-Feldinfiltration und Nervenblöcke erheblich beinträchtigen. Die großzügige Verwendung von Lokalanästhetika im Operationsfeld, beispielsweise bei Gelenkeingriffen, stellt einen erheblichen Vorteil für den Patienten dar und reduziert den Verbrauch an Schmerzmitteln in der postoperativen Phase.

Ziel der präemptiven Analgesie ist die Vermeidung einer (intraoperativen) Sensibilisierung der peripheren und zentralen Nozizeptoren. Dafür bedarf es der Prävention abzusehender Nozizeptorerregungen. Hierzu stehen verschiedene Optionen zur Auswahl:

  • 1. NSAIDs
  • 2. Opiate
  • 3. NMDA-Rezeptor-Antagonisten,
    ?2-Rezeptor-Agonisten
  • 4. Regionalanästhesie
  • 5. Lokale Infiltrationsanästhesie (LIA).

1. NSAIDs

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