Übersichtsarbeiten - OUP 10/2018

Perioperatives Schmerzmanagement aus Sicht des Operateurs

Gerade bei den minimal invasiven endoprothetischen Verfahren ist eine gute Muskelrelaxation notwendig. Hier gilt es, gemeinsam mit den Anästhesisten zu beachten, dass bei der Intubationsnarkose eine gute Muskelrelaxation möglich ist, hieraus können sich jedoch andere Nachteile ergeben. Bei der Periduralanästhesie gilt zu beachten, dass das sensorische Niveau etwa 1–4 Etagen über dem motorischen Niveau liegt, d.h. für eine gute Relaxation des M. iliopsoas muss beispielsweise eine Periduralanästhesie mindestens bis TH 8 reichen.

Psoas-Blockaden erlauben in Kombination mit einem proximalen Ischiadicusblock operative Eingriffe ab dem distalen Oberschenkel, Gleiches gilt für Femoralis-Blockaden. Bei medialem Knieschmerz kann zusätzlich eine Obturatorius-Blockade hilfreich sein. Saphenus-Blockaden sind in Kombination mit einem distalen Ischiadicusblock bei Operationen des Unterschenkels und Fußes indiziert. Bei operativen Eingriffen an Mittel- und Vorfuß kann der Fußblock gerade in Kombination mit einer Allgemeinanästhesie eine sehr effiziente Analgesieform darstellen und ist vom Operateur selbst ohne großen Aufwand durchzuführen.

Die Wahl der bei peripheren Blockaden eingesetzten Lokalanästhetika sollte sich an der Toxizität und der Wirkdauer orientieren. Bei Katheterverfahren haben sich Kombinationen aus einem niedrig toxischem LA (z.B. Prilocain oder Mepivacain) mit langwirksamen LA (z.B. Ropivacain) bewährt, bei Single-shot-Verfahren sind langwirksame LA zu bervorzugen.

Møiniche et al. untersuchten in einem systematischen Review anhand von 93 Orginalarbeiten (OA), in denen insgesamt 3761 Patienten untersucht wurden, den Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Applikation und den postoperativen Schmerzen: NSAID (20 OA), Opioid (8 OA), NMDA-Rezeptor-Antagonist (8 OA), rückenmarknahe Analgesie (24 OA), periphere LA-Analgesie (20 OA) [31]. Bei etwa 50 % der Patienten erfolgte eine präoperative Analgesie.

Hierbei zeigten sich beim Vergleich einer präoperativen und postoperativen NSAID-Applikation jeweils gleicher Wirkstoffkonzentration lediglich in 2 Fällen signifikante Vorteile der präoperativen Applikation (p < 0,05). Betrachtet man die orthopädischen Operationen, so konnte bei i.v.-Gabe von 60 mg Ketorolac vor Hüft-TEP ein signifikanter Unterschied der postoperativen Schmerzen während des Aufenthalts der Patienten im Aufwachraum beobachtet werden. Schmerzintensitäten nach der 6. Stunde post-OP wurden in dieser Arbeit nicht erfasst. Andere Arbeiten fanden bei der präoperativen Gabe von NSAID (Diclofenac 75 mg oral und i.m.; Ketorolac 30 mg i.v.; Naproxen 100 mg oral) bei Kniegelenkarthroskopie und kleineren orthopädischen Eingriffen keinen signifikanten Unterschied der Applikationszeitpunkte. Der Vergleich der präemptiven Opioid oder NMDA-Rezeptor-Antagonisten-Therapie mit einer postinzision begonnenen Therapie ergab keine signifikanten Unterschiede.

Epidurale Analgesie als single shot zeigt bei der präemptiven Applikation von 3 mg Morphin bei lumbaler Laminektomie signifikant geringere post-OP-Schmerzen, eine längere Zeitspanne bis zur ersten post-OP-Analgetikagabe und insgesamt verringerten Analgetikabedarf in den ersten 24 h nach der Operation. Andere Arbeiten zeigen bei Operationen anderer Fachrichtungen uneinheitliche Ergebnisse. Eine kontinuierliche, epidurale Analgesie zeigt im Hinblick auf einsetzende Schmerzen ebenfalls unterschiedliche Ergebnisse. Auffällig ist hierbei, dass die kontinuierliche Applikation von Morphin und Ketamin als synergistische präemptive Analgesie signifikant geringere Post-OP-Schmerzen, einen signifikant geringeren Analgetika-Bedarf und ein längeres schmerzfreies Intervall post-OP zeigt als die post-OP begonnene Therapieform. Im Gegensatz dazu scheint die präoperative epidurale Infiltration von Bupivacain und Morphin, gefolgt von einer kontinuierlichen epiduralen Applikation, keine Vorteile gegenüber der post-OP begonnen Applikation nach einer Knie-TEP-Implantation zu bieten. Die Kombination eines epiduralen Opioids mit einem NMDA-Rezeptor-Antagonisten scheint also bei der präemptiven Analgesie Vorteile zu bieten. Der Zeitpunkt einer Wundrandinfiltration mit Lokalanästhetika scheint ebenfalls keinen Einfluss auf die Schmerzen in den ersten 24 h post-OP zu haben.

Aussagen über die längerfristige Effizienz einer bereits präoperativ begonnenen Analgesie lassen sich jedoch aufgrund der vorliegenden Daten – auch jenseits des Reviews – aufgrund der limitierten Studiendauer nicht treffen. So zeigt z.B. eine präoperativ begonnene, kontinuierliche epidurale Analgesie mit einem Lokalanästhetikum bei Thorakotomie nach 3 und 6 Monaten deutliche Vorteile im Hinblick auf ein Post-Thorakotomie-Syndrom und der Anzahl beschwerdefreier Patienten gegenüber der erst postoperativ begonnenen Analgesie [33]. Gerade im Hinblick auf eine mögliche Chronifizierung postoperativer Schmerzen sind weitere Studien nötig, um den Einfluss bereits präoperativ begonnener Maßnahmen erfassen zu können. Sofern kein erhöhtes Risiko für eine bereits präoperativ beginnende Analgesie besteht, sollte diese durchgeführt werden. Denn im Umkehrschluss hat keine der aufgeführten Arbeiten gezeigt, dass die präoperative Therapie zu schlechteren Post-OP-Ergebnissen führt als die post-OP begonnene Analgesie.

5. Lokale Infiltrationsanästhesie (LIA)

Zurzeit gilt als optimale Form der postoperativen Schmerztherapie nach wie vor die Epiduralanästhesie oder die kontinuierliche Peripher-Regionalanästhesie über mehrere Tage. Verschiedene Studien und auch die klinische Erfahrung zeigen jedoch, dass diese Verfahren technisch anspruchsvoll sind und z.T. erhebliche Risiken bergen. In diesem Umfeld hat sich die lokale Infiltrationsanästhesie (LIA) insbesondere im Bereich des Kniegelenks einen Namen gemacht. Sie ist sicher, preisgünstig und erfordert einen deutlich geringeren technischen Aufwand und Fertigkeiten als die oben genannten Verfahren.

Die ersten klinischen Studien hierzu zeigen sehr vielversprechende Ergebnisse [37, 52, 11]. Die lokale Infiltrationsanästhesie erfolgt durch den Operateur selbst. Er infiltriert verschiedene sukzessive Bereiche (dorsale Kapsel, Seitenbänder, Ligamentum patellä und das Subkutangewebe) in 3 verschiedenen Portionen. Ein Katheter wird intraartikulär positioniert, der am Abend und am nächsten Tag mit einer weiteren Gabe des o.g. Schmerzcocktails bestückt wird. Nach der morgendlichen Gabe wird der Katheter entfernt. Ein Kompressionsverband mit großflächiger Kühlung mit Kühlelementen für 4–6 Stunden verlängert die Analgesiedauer.

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