Übersichtsarbeiten - OUP 10/2018

Perioperatives Schmerzmanagement aus Sicht des Operateurs

Ziel ist es, den Patienten früh zu mobilisieren. Nicht immer gelingt das, wie in der Literatur dargestellt, schon nach 3–5 Stunden. Generell zeigt jedoch auch unsere eigene Erfahrung, dass die Mobilisation viel zügiger erfolgen kann als mit anderen Formen der Anästhesie. Die Motorik ist nicht beeinträchtigt, sodass der Patient auch rasch das Knie aktiv belasten kann. In anderen Ländern erfolgt dann auch eine sehr frühe Entlassung, teilweise schon am 2. postoperativen Tag [40]. Dieses ist für das deutsche Versorgungssystem so eigentlich nicht umsetzbar.

Für die Knieendoprothetik liegt bereits eine umfangreiche Studienlage vor. Es finden sich prospektive epidemiologische Erhebungen [35, 27, 4]. Daneben sind auch verschiedene randomisierte kontrollierte Studien publiziert. Hierzu zählen 5 Studien im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit systemischer Analgesie [52, 11, 5, 21, 20], 3 Studienvergleiche zu einer Nervus-
femoralis-Blockade [34, 49, 12] sowie 2 Studienvergleiche zu einer Epiduralanalgesie [2, 46].

Die LIA zeigt in allen Studien eine signifikant verbesserte Analgesiequalität, welche sich in einer höheren Patientenzufriedenheit und insbesondere in einer besseren Funktionalität des Gelenks auswirkt. Dieser Effekt ist in den ersten Tagen bis zu etwa 3 Monaten nachweisbar. Nach 6 Monaten findet sich jedoch kein Unterschied mehr zwischen den Gruppen. In den Studien, in denen die Liegedauer ein besonderes Qualitätsmerkmal darstellt, scheint es auch so zu sein, dass die LIA die Liegedauer verkürzt. Wundheilungsstörungen oder systemische Toxität bzw. potenziell toxische Plasmakonzentration, bedingt durch die hohe Dosis Lokalanästhetika, wurde in keinem Fall beobachtet.

Die Studien, die LIA versus Femoralis-Blockade vergleichen, zeigen, dass die LIA sowohl die Schmerzen als auch die Rescue-Medikation und die Funktionalität in den ersten Tagen deutlich verbessert [34, 49]. Im Vergleich von LIA und Epiduralanästhesie [2, 46] zeigen sich in der LIA-Gruppe bessere Schmerz-Scores, Rescue-Medikation und Krankenhausliegedauer.

Auch bei ganz aktuellen Studien zeigt sich die multimodale Medikamenten-Injektion in der Knieendoporthetik als sehr effektiv [48]. Weiterhin ist es durchaus sinnvoll, eine LIA mit einer epiduralen Anästhesie zu kombinieren [50].

Operative Phase

Die beste Möglichkeit, postoperativen Schmerzen vorzubeugen, ist eine Reduktion des operativen (Weichteil-)Traumas auf das Nötigste, ohne Abstriche bei der Qualität der operativen Versorgung machen zu müssen. Mit der Etablierung der arthroskopischen Gelenkoperationen, zunächst am Kniegelenk und später an vielen weiteren Gelenken, war plötzlich die Möglichkeit gegeben, Operationen wie die Mensikektomie bei gleichbleibender Qualität der operativen Kausalversorgung ohne großes Weichteil- und Kapseltrauma durchzuführen. Hierdurch konnte dem Patienten in der Folge eine langwierige, z.T. immobilisierende Nachbehandlung erspart werden und eine frühfunktionelle Nachbehandlung erfolgen.

Eine vergleichbare Entwicklung ist auch bei anderen orthopädischen Standardoperationen zu erkennen: minimalinvasive Techniken bei der endoprothetischen Versorgung von Hüfte und Knie, minimalinvasive, z.T. endoskopische Verfahren in der Wirbelsäulenchirurgie und nicht zuletzt neue Implantate, die eine verbesserte Versorgung unserer Patienten ermöglichen.

Gerade im Hinblick auf die immer kürzer werdende durchschnittliche Krankenhausverweildauer und die stetige Erweiterung der ambulant durchzuführenden Operationen ist diese Entwicklung sicher noch nicht abgeschlossen. Es bleibt dabei jedoch zu beachten, dass der Trend zur minimalinvasiven Operation nicht zulasten der operativen Qualität geht. Minimalinvasiv muss nicht immer gleichbedeutend mit einem möglichst kleinen Hautschnitt sein, sondern sollte für eine schonende, die funktionellen Strukturen erhaltende, komplikationsarme Operationsmethode stehen, die es dem Patienten ermöglichen soll, den zu erwartenden operativen Outcome möglichst früh zu erreichen.

Mit einer Verringerung des Weichteilschadens kommt es auch zu einer verminderten mechanischen Nozizeptorerregung, verminderter Freisetzung von Bradykininen, Prostaglandinen und Serotonin und somit auch zu einer verminderten peripheren Sensibilisierung der Nozizeptoren. Eine Reduktion der Nozizeptorafferenzen führt natürlich auch auf Rückenmarksebene und den höher gelegenen Zentren zu einer verminderten Reizweiterleitung und somit zu einer Verringerung der subjektiv wahrgenommenen Schmerzen.

Intraoperativ sollten möglichst atraumatische Operationstechniken gewählt werden. Bei der Einlage von Redondrainagen ist stets die Notwendigkeit zu prüfen. Gleiches gilt für die Wahl des Nahtmaterials: Resorbierbares Nahtmaterial scheint postoperative Schmerzen positiv zu beeinflussen, während Hautklammern im Vergleich zu nichtresorbierbarem Nahtmaterial zu einem geringfügig höherem Schmerzniveau führen [53]. Auch die Lagerung des Patienten auf dem OP-Tisch sollte sorgsam geprüft werden, um Druckläsionen von Haut und Nerven zu vermeiden.

Postoperative Analgesie

Die postoperative Schmerztherapie richtet sich nach dem Patientenprofil (Schmerzintensität, Grunderkrankungen, Alter, Risikofaktoren) (Abb. 3), dem stattgehabten Eingriff und den gegebenen Möglichkeiten der Klinik. Hierbei sind nicht immer PCA-Pumpen, ein etablierter „acut pain service“ oder eine computergestützte Schmerzdokumentation und Überwachung nötig: In Abhängigkeit zum Eingriff und der zu erwartenden Schmerzintensität sollte eine basale Schmerzmedikation individuell für den Patienten verordnet werden. Ergänzend hierzu sollte bei persistierenden Schmerzen oder einzelnen Schmerzspitzen eine rasch wirkende Bedarfsmedikation angeordnet sein. Bei häufig in Anspruch genommener Bedarfsmedikation oder erhöhten Schmerzwerten, die sich aus der Schmerzdokumentation ergeben, sollte die Basismedikation entsprechend erhöht werden (dynamische Analgesie). Hierzu sind in gewissem Umfang Dosissteigerungen des eingesetzten Wirkstoffs geeignet, z.T. ist aber das Präparat selbst zu wechseln. Die Basismedikation sollte hierbei in Form von kontinuierlich intravenös applizierten Präparaten bestehen oder, wenn eine orale Medikation indiziert ist, aus retardierten Präparaten, um ein ständiges Ab- und Anfluten der Wirkstoffkonzentration zu vermeiden. Eine Kombination verschiedener Substanzklassen z.B. NSAIDs und Opioide, haben sich hierbei als günstig erwiesen. Bei der Verordnung der Bedarfsmedikation ist primär auf einen raschen Wirkungseintritt zu achten. Die Patienten-kontrollierte Analgesie in Form von Bolusinjektionen hat hier ihre wesentliche Indikation. Moderne mechanische PCA-Pumpen können vom Patienten an einem Schlüsselband um den Hals getragen werden und geben „auf Knopfdruck“ im Bedarfsfalle eine durch die eingesetzte Wirkstoffdosierung zuvor errechnete Menge an Wirkstoff ab, ohne die Mobilität des Patienten einzuschränken. Andere Möglichkeiten sind Kurzinfusionen, am besten über einen Tropfenzähler, oder die orale Medikation in Form von „Schmerztropfen“. Hierbei sind jedoch entsprechend dem Risikoprofil des Patienten Nebenwirkungen wie Atemdepression, orthostatische Reaktionen, Unverträglichkeiten oder Nausea zu beachten.

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