Übersichtsarbeiten - OUP 10/2018

Perioperatives Schmerzmanagement aus Sicht des Operateurs

Die präoperative Gabe von Nichtsteroidalen Antiphlogistika ist vor allem im Hinblick auf den unmittelbaren postoperativen Schmerz in zahlreichen Studien, z.T. mit widersprüchlichen Ergebnissen, untersucht worden [10, 32, 38, 53]. Neben der analgetischen Komponente ist jedoch auch eine mögliche längerfristige Wirkung zu beachten, z.B. durch eine Hemmung der Prostaglandinsynthese im traumatisierten Gewebe und im Rückenmark [44]. Eine verminderte Prostaglandinsynthese verringert so einerseits im traumatisierten Gewebe die Nozizeptorerregung, andererseits wird die Weiterleitung der nozizeptiven Reize zum Großhirn verringert.

2. Opiate

Opioide können im Hinterhorn über Blockierung prä- und postsynaptischer Rezeptoren zu einer verminderten Reizweiterleitung führen. Opioide können präsynaptisch an µ-Rezeptoren binden und verringen so die Freisetzung von Substanz P und Glutamat. Postsynaptische Bindungen an Opiatrezeptoren führen zu einer Aktivierung inhibitorischer Systeme. Peripher führen Opioide durch Bindung an µ-Rezeptoren zu einer verminderten Sensibilisierung von Nozizeptoren durch Prostaglandin E2. Weiterhin wird vermutet, dass über ?- und ?-Rezeptoren die Bradykinin-induzierte Nozizeptorsensibilisierung gehemmt wird [30, 47].

3. NMDA-Rezeptor-Antagonisten

Repetitive Erregungen der terminalen C-Fasern führen zu einer Stimulation der N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptoren. Die Stimulation der NMDA-Rezeptoren führt in der Folge zu einer verstärkten Weiterleitung der Nozizeptorafferenzen im 2. Neuron (Wind-up-Phänomen ). Diese Potenzierung der Nozizeptorafferenzen scheint bei der zentralen Sensibilisierung eine wesentliche Rolle zu spielen [19]. NMDA-Antagonisten wie Ketamin oder Amantadin reduzieren die übermäßige Reizweiterleitung im 2. Neuron auf das normale Maß. NMDA-Rezeptor-Antagonisten wirken vor allem synergistisch mit Opiaten. Hierbei wird durch die Opiatbindung an präsynaptische Rezeptoren die Neurotransmitterfreisetzung limitiert und die postsynaptische Weiterleitung der Afferenzen im 2. Neuron durch die NMDA-Rezeptor-Antagonisten auf ein physiologisches Niveau reduziert. Die eingesetzte Ketamin-Dosis liegt dabei im sub-anästhetischen Bereich. Auch Wirkstoffe wie Amitriptylin, Methadon oder Petidin zeigen eine NMDA-antagonistische Wirkung, spielen im Hinblick auf die Prävention einer zentralen Sensibilisierung oder der Therapie des neuropathischen Schmerzes im Vergleich zu Ketamin eine untergeordnete Rolle.

?2-Rezeptor-Agonisten

Clonidin bindet als ?2-Rezeptor-Agonist im Hinterhorn an noradrenerge inhibitorische Transmitter und hemmt so die Übertragung nozizeptiver Afferenzen. Somit können besonders Schmerzzustände mit erhöhtem Sympathikotonus gelindert werden. Gleichsam führt Clonidin bei intravenöser, intramuskulärer oder rückenmarknaher Applikation zu einer Verstärkung der Opioidanalgesie.

4. Regionalanästhesie

Ziel ist es hierbei, die nozizeptiven Afferenzen schon vor dem Hautschnitt zu blockieren. Die Regionalanästhesie umfasst neben den rückenmarknahen Anästhesieformen und den Plexus-Blockaden auch die peripheren Blockaden und die Oberflächenanästhesie. Gerade Letztere sind vom Operateur z.T. ohne größeren Aufwand durchzuführen. Sowohl die Infiltration des geplanten operativen Zugangs als auch eine in Allgemeinanästhesie angelegte periphere Blockade, z.B. durch einen Fußblock, können zu einer deutlichen postoperativen Schmerzreduktion führen [26]. Natürlich sollte der Patient dabei neben der Prämedikation durch die Kollegen der Anästhesie über die zusätzliche Analgesie informiert werden, sodass sich der Patient postoperativ nicht über eine persistierende Dysästhesie sorgt.

Bei Operationen der oberen Extremität haben sich die Plexus-Blockaden gerade im Hinblick auf die postoperative Analgesie als vorteilhaft erwiesen. Anteriore und posteriore interskalinäre Blockaden haben bei der operativen Therapie von Schulter, proximalem Oberarm und lateraler Clavikula genauso ihre Indikation wie auch im Rahmen der postoperativen Analgesie [1, 29]. Singelyn et al. verglichen die Wirksamkeit von intraartikulärer Analgesie sowie supraskapulärer Blockade (SSB) und die interskalinäre Blockade (ISB) (jeweils single shot) nach arthroskopischen Schulteroperationen [45]. Sie konnten dabei eine Überlegenheit der Skalenusblockade in den ersten 24 h postoperativ gegenüber dem Supraskapularis-Block und der intraartikulären Instillation von Lokalanästhetika (LA) aufzeigen. Betrachtet man die der intraartikulären Instillation von LA überlegenen Plexus-Blockaden ISB und SSB, so ist dem Applikationszeitpunkt von ISB und SSB (prä-OP) und der i.a. Instillation von LA (am Ende der OP) besondere Beachtung zu schenken. Zeigte diese Studie keinen Unterschied im Hinblick auf die postoperative Analgesie zwischen der LA-Patientengruppe (20 ml Bupivacaine 0,25 % + Adrenalin 1:200.000) und der Kontrollgruppe, so zeigen andere Studien gegensätzliche Ergebnisse [29, 33, 39]. Barber und Herbert zeigten die Wirksamkeit einer kontinuierlichen 48-stündigen Bupivacain-Applikation (0,5 %, 2 ml/h) über einen intraoperativ positionierten Katheter (subacromial/glenohumeral) nach arthroskopischer Operation (Rotatorenmannschettennaht, subakromiale Dekompression, Slap-lLesion-Refixation und Kapselraffung im Vergleich zu dem Kontrollkollektiv (NACL, 2 ml/h) [7].

Bei der konservativen oder postoperativen Therapie der „frozen shoulder“ ist eine Supraskapularis-Blockade (auch in Form einer kontinuierlichen LA-Applikation) eine geeignete Analgesieform. Infraklavikuläre und axilläre Blockaden empfehlen sich bei Operationen des Ellenbogens sowie distal davon.

Wir selber haben mit dem intraoperativ gesetzten N.-supraskapularis-Block bei Schultereingriffen (Abb. 2a–b, Tab. 2) oder auch dem Fußblock bei Eingriffen im Bereich des Fußes gute Erfahrungen gemacht. Beide Leitungsblöcke können vom Operateur gut vor oder nach dem sterilen Abdecken gesetzt werden. Daneben sind verschiedene Kathetertechniken möglich, bei denen die Schmerzkatheter in das OP-Feld gelegt werden. Hierzu bietet der Markt neue Systeme an, welche die Sterilität und die Anwenderfreundlichkeit deutlich erhöhen.

Operationen der unteren Extremitäten werden häufig in Spinal- oder seltener in Epiduralanästhesie durchgeführt. Ein dabei epidural platzierter Katheter kann in den ersten postoperativen Tagen im Rahmen einer Patienten-kontrollierten Analgesie (PCEA) verwendet werden. Bereits 12–24 h prä-OP angelegte PCEA verringern nicht nur den prä-OP zu messenden Schmerz der Patienten, sondern auch den postoperativen Lokalanästhetika-Bedarf durch die PCEA [28].

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