Übersichtsarbeiten - OUP 05/2019

Physikalische Therapie bei rheumatischen Krankheitsbildern

Johannes Gottwalt, Thomas Gottfried

Zusammenfassung:

Die Physikalische Medizin ist ein wesentlicher Baustein im multimodalen Behandlungskonzept rheumatischer Krankheitsbilder. Die physikalische Therapie hat eine lange Historie, die bis weit
in die Antike zurückreicht. Zunächst empirisch angewandt, zeigen aktuelle wissenschaftliche
Untersuchungen und Studien reichlich Evidenz und bestätigen deren Stellenwert. Rheumatische Erkrankungen sind häufig von einem chronischen und teils destruierenden Verlauf gekennzeichnet. Anhaltende Schmerzen und Funktionseinschränkungen sind die Folge. Der Artikel soll Überblick verschaffen über etablierte physikalische Therapieverfahren mit Schwerpunkt der Thermo-, Hydro- und Elektrotherapie, deren Wirkungsweise, Indikationen, Kontraindikationen und Nebenwirkungen.

Schlüsselwörter:
Physikalische Medizin, rheumatische Erkrankungen, multimodale Therapie

Zitierweise:
Gottwalt J, Gottfried T: Physikalische Therapie bei rheumatischen Krankheitsbildern.
OUP 2019; 8: 262–272
DOI 10.3238/oup.2019.0262–0272

Summary: Physical medicine is an essential component in the multimodal treatment of rheumatic diseases. Physical therapy has a long history dating back to ancient times. First applied empirically, current scientific studies confirm evidence. Rheumatic diseases are often characterized by a chronic and sometimes destructive course. Persistent pain and functional limitations are the results. Aim of the article is to show an overall view of established physical therapies, focusing on thermo-, hydro- and electrotherapy. The physiological principles, indications, contraindications and side effects are explained

Keywords: physical medicine, rheumatic diseases, multimodal therapy

Citation: Gottwalt J, Gottfried T: Physical therapy in rheumatic diseases. OUP 2019; 8: 262–272
DOI 10.3238/oup.2019.0262–0272

Klinik Höhenried gGmbH, Orthopädie, Bernried

Einleitung

Rheumatische Erkrankungen haben unterschiedliche Ausprägungsformen und vielfältige klinische Erscheinungsbilder. Unterschieden werden grundsätzlich 4 Hauptgruppen:

Entzündlich rheumatische Erkrankungen. Diese sind in der Regel autoimmunvermittelte chronisch inflammatorische Systemerkrankungen. Hierzu zählen unter anderem die Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis und die Spondyloarthritiden, z.B. Ankylosierende Spondylitis (M. Bechterew), Kollagenosen und Vaskulitiden.

Degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen (Arthrosen)

Chronische Schmerzerkrankungen, z.B. das Fibromyalgie-Syndrom.

Erkrankungen des Bewegungsapparats bei Stoffwechselerkrankungen, z.B. die Arthritis urica (Gicht) und Osteoporose.

Die entzündlich rheumatischen Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen haben zumeist einen chronisch-progredienten Verlauf. Bei der Rheumatoiden Arthritis ist die primäre Angriffsfläche die Synovialmembran. Ungebremst resultieren im Extremfall erhebliche Gelenkdestruktionen, die bis zu Gelenkdeformitäten, Kontrakturen und Funktionsverlust führen können. Das ärztliche Bestreben, die Erkrankung in den Griff (Remission) zu bringen, ist es, medikamentös eine zielgerichtete (treat to target) Langzeittherapie zu installieren. Hier stehen als Disease modifying antirheumatic drugs (DMARD) seit nun ca. 20 Jahren zusätzlich gentechnisch hergestellte kostenintensive Biologika zur Verfügung, die erfreulicherweise die Prognose v.a. der Rheumatoiden Arthritis deutlich verbessert haben. Trotz guter Kontrolle der entzündlichen Aktivität unter der immunsupprimierenden Medikation verbleiben dennoch bei einem nicht beträchtlichen Anteil der Patienten Schmerzen, Funktionseinschränkungen und Limitierungen bei der Teilhabe am Sozial- und Arbeitsleben (u.a. Frühberentung). Der Stellenwert nicht-medikamentöser Therapien bei rheumatischen Erkrankungen ist weiter von essenzieller Bedeutung zum Erhalt und zur Verbesserung der Lebensqualität. Nicht nur zur Dosiseinsparung nebenwirkungsbelastender Analgetika (NSAR, Opioide, Opiate) und
den UAWs immunsupprimierender DMARDs ist eine multimodale Behandlungsstrategie indiziert. Diese umfasst u.a. auch Physikalische Medizin, inklusive Physio-/Ergo-/Bewegungs- und Sporttherapie. Aktuell sind derartige Therapiekonzepte realisiert in rehabilitativen ambulanten und stationären Maßnahmen, sowie in der akut-stationären Versorgung, u.a. in Form der multimodalen rheumatologischen Komplexbehandlung.

Physikalische Medizin

Die physikalische Medizin (griech. physis = Natur) umfasst Anwendungen, die physiologische Reaktionen auf äußere Reizsetzungen planmäßig therapeutisch nutzen. Die Effekte basieren somit auf dem Reiz-Reaktions-Prinzip. Die physikalische Therapie nutzt mechanische, thermische, elektrische und aktinische Energie sowie physiko-chemische Faktoren. Im weiteren Sinne zählen auch Physio-/Bewegungs- und Sporttherapie dazu, auf die in diesem Artikel aufgrund der Komplexität nur marginal eingegangen wird. Unterschieden werden kurzfristig wirksame und spürbare Soforteffekte (Immediatwirkung), wie z.B. eine Vasodilatation und Zunahme der Durchblutung im Muskel bei lokaler Wärmeapplikation und längerfristige Regulations- und Anpassungsvorgänge (Adaption) des Organismus bei wiederholter Anwendung über einen längeren Zeitraum. Als Beispiel dient die Modulation des Immunsystems mit verbesserter Infektabwehr bei wiederholten Saunagängen.

Vor Verordnung eines physikalischen Therapiekonzepts ist eine individuelle ärztliche Befunderhebung erforderlich, ggf. ergänzt durch eine bildgebende Diagnostik. Bei der Anamnese sind vor allem auch die Komorbiditäten in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Neben einer muskuloskelettal betonten klinischen Untersuchung sollte insbesondere auch der kardio-pulmonale Status berücksichtigt werden. Bei den entzündlich rheumatischen Systemerkrankungen, wie z.B. der Rheumatoiden Arthritis (RA) und insbesondere aber den Kollagenosen und Vaskulitiden sollte ein potenzieller Organbefall evaluiert werden, da sich aus diesem häufig Kontraindikationen für physikalische Therapieformen ergeben. Die physikalische Therapie ist eine Reiztherapie, die für den Körper zumeist eine Belastung darstellt und mit Nebenwirkungen verbunden sein kann. Ferner müssen Folgen sowie sekundäre Krankheiten einer rheumatischen Erkrankung berücksichtigt werden. Insbesondere Sekundärarthrosen und im Verlauf chronifizierte Schmerzen können das physikalische Portfolio erheblich einschränken. Ebenso sind das Alter, Multimorbidität, die unterschiedliche körperliche Reaktionslage des vegetativen Nervensystems sowie der körperliche Trainingszustand (Fitness) ausschlaggebend für die Intensität und Dauer physikalischer Therapiemaßnahmen. Beim Rheumatiker muss die Verordnung der jeweiligen individuellen Krankheitsaktivität angepasst werden. In einem akuten entzündlichen Schub steht die Analgesie und Entzündungshemmung im Vordergrund, in der Remissionsphase oder einem inaktiven Stadium die Verbesserung der ROM, Kraft, Kraftausdauer und Koordination. Als allgemeine Regel dienlich sind in akuten Krankheitsphasen oder bei starken Schmerzen physikalische Therapieformen wie folgt zu verordnen: Zeitlich eher kurz bemessen, tendenziell niedrigere Reizintensität, dafür aber in der Summe häufigere Termine über den Tag oder die Woche verteilt. Bei chronischen oder subakuten Stadien können die Reizdauer und Reizintensität gesteigert und die Intervalle gespreitet werden. Vor Verordnung sollten zwischen Arzt und Patient realistische Therapieziele vereinbart werden, bei Visiten oder Praxisbesuchen im Verlauf die Verträglichkeit, Nebenwirkungen und die Effizienz der verordneten Maßnahmen überprüft und entsprechend angepasst werden.

Formen der Physikalischen

Medizin:

Hydro- und Balneotherapie

Thermotherapie: Wärme-/Kältetherapie

Elektrotherapie

Ultraschalltherapie

Magnetfeldtherapie

Lichttherapie

Strahlentherapie

Physiotherapie, Ergotherapie

Sporttherapie/Medizinische Trainingstherapie (MTT)

Massagen, weitere Verfahren

Ziele der Physikalischen Medizin

Schmerzlinderung

Funktionsverbesserung (Kraft,
Beweglichkeit, Ausdauer, Koordination)

Erhalt und Verbesserung der Beweglichkeit

Muskeldetonisation, Muskelaufbau. Behebung muskulärer Dysbalancen.

Verbesserung von Durchblutung und Trophik

Entzündungshemmung

Prävention von Folgeschäden

Prophylaxe und Korrektur von Fehlstellungen

Modulation des Immunsystems

Einsparung systemischer Medikation

Verbesserung der körperlichen Reaktionslage, Adaption

Verbesserung des psychischen Wohlbefindens.

Thermotherapie
(Wärme-/Kältetherapie)

Die Thermotherapie umfasst physikalische Verfahren, bei denen Wärmeenergie dem Körper entweder zugeführt oder entzogen (Kryotherapie) wird. Die Wärme wird durch Leitung, Strömung oder Strahlung übertragen. In der Haut befinden sich Kalt- und Warmrezeptoren. Die höchste Rezeptorendichte liegt im Gesichtsbereich, die niedrigste an den Extremitäten. Kalte Reize werden schneller wahrgenommen als warme. Zusätzlich verfügt der Mensch über Hitzerezeptoren, die bei „schmerzhaften“ Temperaturen ab 43 °C erregt werden und deswegen zu den Nozizeptoren zählen. Wärmeanwendungen setzen eine funktionstüchtige Thermoregulation des Patienten voraus. Die Dosierung der Reizintensität und Reizdauer muss individuell der Reaktionslage, Konstitution, den Beschwerden, dem Krankheitsbild, den Komorbiditäten und dem Alter des Patienten angepasst sein. Zu beachten ist zudem die circadiane Rhythmik. Am Morgen bis zum frühen Nachmittag besteht beim Menschen in der Regel eine höhere Empfindlichkeit für kalte Reize, am späten Nachmittag und Abend für warme Reize.

Wärmetherapie

Dem menschlichen Körper kann thermische Energie in verschiedenen Formen zugeführt werden, u.a.:

Packungen/Peloide (Fango, Moor, Torf, Schlick ...)

Hydrotherapie (Teil-/Voll-Bäder, Güsse, Wickel ...)

andere Wärmeträger (Paraffin, Gelpackungen ...)

Elektrotherapie: Hochfrequenztherapie/Diathermie (Tiefenwirkung)

Ultraschallbehandlungen (Tiefenwirkung)

Lichttherapie: Infrarot, Laser

Heißluft (Sauna).

Bei der Leitung (Konduktion) erfolgt der Wärmetransport infolge eines Temperaturunterschieds von einem Feststoff oder einer Flüssigkeit direkt über Hautkontakt in den Körper. Dieser Temperaturgradient wird beispielsweise bei Heublumenpackungen oder Peloiden in der Rheumatologie genutzt. Eine ebenso unmittelbare Erwärmung erfolgt durch den Mechanismus der Strömung (Konvektion) durch beispielsweise Wasser (medizinisches Bad) oder Wind. Bei der Wärmestrahlung (Radiation) wird im Körper elektromagnetische Energie in Wärme umgewandelt (z.B. Infrarottherapie). Wirkungen der Wärmetherapie: Lokal bewirkt der Wärmeanstieg im Gewebe eine Vasodilatation bei gleichzeitiger Abnahme der Viskosität von Flüssigkeiten. Hiervon ist auch die Synovia betroffen. Aus der Hyperämisierung resultiert eine Steigerung von Stoffwechselvorgängen sowie ein vermehrter Abtransport von Metaboliten mit Vorteil auf die Trophik des Gewebes. Ferner ist eine Muskeldetonisierung, verbesserte Gewebeelastizität, Gelenkmobilität und reduzierte Morgensteifigkeit zu registrieren. In der Rheumatologie wird insbesondere auch der analgetische Effekt der Thermotherapie geschätzt. Eine milde Hyperthermie führt zu einer Immunstimulation, eine starke Hyperthermie zu einer Immunsuppression. Bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen wird somit auf das Zytokinmilieu Einfluss genommen, das bei den autoimmun vermittelten inflammatorischen Prozessen eine entscheidende Rolle spielt [3]. Die Wärmetherapie führt allgemein zu einer Zunahme der Herzfrequenz und des Herzminutenvolumens. Venentonus und Blutdruck werden abgesenkt. Allgemein kommt es zudem zu einer psychischen Entspannung. Abhängig von Dauer, Applikationsfläche und Intensität stellt die Thermotherapie eine Belastung für das Herz-Kreislauf-System dar. Dies gilt insbesondere für Moorbäder. Im höheren Lebensalter sollten in der Regel eher reizarme und milde Wärmeanwendungen verordnet werden. Bei rheumatischen Erkrankungen ist zu beachten, dass Thermotherapie in einem subakuten Stadium eine Schubsituation auslösen kann und aktivierte Sekundärarthrosen aggravieren. Bei chronifizierten oder somatoformen Schmerzsyndromen ist nicht selten das subjektive Temperaturempfinden alteriert oder vegetative Begleitreaktionen sind zu zu erwarten.

Als Kontraindikationen für Wärmeanwendungen gelten:

akute Arthritis („rheumatischer Schub“), akuter Gichtanfall, bakterielle Arthritis

akute Tendovaginitis oder Bursitis

floride Vaskulitiden und Kollagenosen

Spondylodiscitis: bakterieller oder autoimmuner Genese (M. Bechterew)

aktivierte (erosive) Arthrose

frischer Bandscheibenvorfall

arterielle Durchblutungsstörungen (pAVK Grad III oder IV nach Fontaine)

tiefe Beinvenenthrombose, Lungenembolie

Blutungen, Blutungsneigung

Tumore, schwere Allgemeinerkrankungen oder fieberhafte Infekte

schwere Herz-/Kreislauferkrankungen, unzureichend eingestellter arterieller Hypertonus, Ödeme

gestörte Thermoregulation oder Sensibilität.

Indikationen:

Arthrosen, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, chronische Arthralgien

chronisch entzündlich rheumatische Erkrankungen in der nicht-arthritischen Phase: RA, Psoriasis-Arthritis, Spondyloarthritiden

myofasciale Symptomatik, Tendomyosen, Enthesiopathien, Fibroostosen, chronische Periarthropathien

chronische Schmerzsyndrome,
Fibromyalgie

Am häufigsten finden Wärmepackungen und Peloide (pelos = Schlamm) ihren Einsatz in der Rheumatologie. Peloide, wie z.B. Fango und Moor, sind natürliche Heilmittel und kommen als (an)organische Stoffe aus dem Boden. Diese Substanzen werden mit Wasser vermischt und zu Packungen aufbereitet oder auch als Bäder benutzt (Abb. 1–2). Fango ist mit Wasser versetzter Mineralschlamm vulkanischen Ursprungs. Alle Peloide zeichnen sich durch eine hohe Wärmekapazität aus, also Speicherfähigkeit, sodass eine langanhaltende Erwärmung der Haut und der darunterliegenden Bindegewebs- und Muskelschichten möglich ist. Moorpackungen oder Moorbäder haben eine lange Tradition in der Behandlung rheumatischer Erkrankungen, insbesondere der Spondyloarthritiden. Den Moorinhaltsstoffen werden adstringierende, antibakterielle, aber auch entzündungshemmende Effekte zugesprochen. Evidenzbasierte Studien konnten für Heiltorfapplikationen die positive Beeinflussung des Zytokinmilieus (u.a. Interleukine, TNF-alpha) sowie Hinweise für eine Chondroprotektion (bei Cox- und Gonarthrose) schön herausarbeiten und die Wirksamkeit auf die funktionale und funktionelle Gesundheit bei rheumatischen Erkrankungen im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzepts belegen [1]. Moorbäder werden mit ca. 42 °C aufgeheizt. Es erfolgt eine milde Überwärmung (Hyperthermie) mit Erhöhung der Körperkerntemperatur um ca. 1–2 °C. Die Dauer beträgt ca. 20–30 Minuten. Eine ebenso lange Nachruhe muss unbedingt eingehalten werden. Zu beachten ist beim Ausstieg aus dem Moorbad eine potenzielle orthostatische Dysregulation mit Synkope. In der Rheumatologie finden auch häufig Heublumenpackungen Einsatz. Die Pflanzenbestandteile enthalten Cumarine als Wirkstoffe, die ein länger anhaltendes Hauterythem bewirken. Durch ätherische Öle wird eine zentral sedierende und entspannende Wirkung postuliert. Die Temperatur beträgt 40–42 °C, die Heupackung sollte ca. 30 Minuten appliziert werden.

Als effektive Thermotherapie haben sich auch Paraffinbäder zur Behandlung der RA, Systemischen Sklerose (Sklerodermie) und Fingerpolyarthrose im täglichen ergotherapeutischen Einsatz etabliert. Hierbei werden die Hände für ca. 5 Minuten in ca. 45–50 °C heiß-flüssiges Paraffin eingetaucht. Das wachsähnliche Paraffin besitzt ebenfalls eine hohe Wärmekapazität. Anschließend werden spezielle Frottee-Handschuhe über das sich erhärtende Paraffin angezogen. Es entsteht eine isolierende Schicht auf der Haut. Die Gewebeelastizität und Fingermobilität nimmt zu. Paraffinbäder eignen sich auch zur Vorbereitung auf krankengymnastische und ergotherapeutische Funktionsübungen. Paraffinbäder haben in Kombination mit Bewegungsübungen einen kurzzeitigen analgetischen und funktionellen Benefit für Patienten mit RA [2]. Greifübungen in Wannen mit warmen Linsen oder Raps weisen ebenfalls positive Effekte auf den Funktionsstatus rheumatischer Hände aus. Ebenso wird häufig übungsvorbereitend, insbesondere von Physiotherapeuten, die „Heiße Rolle“ angewandt. Dabei werden Frotteehandtücher trichterförmig gefaltet und mit heißem Wasser befüllt. Die durchtränkten Handtücher werden anschließend vor allem über verspannten Muskelpartien langsam unter Druck (zusätzlicher Massageeffekt) wieder aufgerollt. Die „Heiße Rolle“ ist eine simple Form der Wärme-Hydro-Therapie und kann auch bei älteren Rheumatikern oder bei subakutem entzündlichem Schub als milde Thermotherapie, insbesondere im Bereich verspannter Muskelgruppen im Rücken- und Schultergürtel-Nackenbereich eingesetzt werden.

Ultraschall

Im Schallkopf werden Schallwellen mit einer Frequenz von 800–1000 kHz erzeugt. Um zwischen Schallkopf und dem menschlichen Körper eine wirksame Ankoppelung zu gewährleisten, ist ein Kontaktmedium (Gel, Salben, Wasser ...) erforderlich. Im Körper wird Schallenergie in therapeutisch wirksame Wärmeenergie umgewandelt. Der Grad der Erwärmung ist vom Gewebe und dessen unterschiedlicher Absorption von Schallwellen abhängig. Gewebe mit hohem Wassergehalt, wie z.B. Muskeln, absorbiert die Energie um ein Vielfaches als z.B. Fettgewebe. Am stärksten ist die Erwärmung an Knochengrenzen. Hier findet zusätzlich eine Reflektion der Ultraschallwellen statt. Dies erklärt die gute Effizienz bei knochennahen Erkrankungsprozessen wie Sehnenansatztendinosen. Ultraschall erzeugt im Gewebe Druckwellen und Vibrationen (Mikromassage) und setzt zudem Reibungswärme frei. Die Eindringtiefe beträgt ca. 1,7–3,5 cm bei 800 kHz. Damit zählt die Ultraschalltherapie zu den wirksamsten gezielten lokalen Tiefenerwärmungsverfahren. Die Wirkungen der Ultraschalltherapie entsprechen denen der oben skizzierten Thermotherapie. Geschätzt werden auch die Zunahme der Dehnbarkeit kollagener Faserstrukturen sowie die Erhöhung der Schmerzschwelle. In der praktischen Anwendung sind kreisende Bewegungen erforderlich, um lokal nicht eine zu hohe Wärmeentwicklung zu generieren. Ideal ist eine Anwendungsdauer von 5–15 Minuten in einer seriellen Anwendung täglich bis 2-täglich für ca. 10 Sitzungen.

Eine Sonderform stellt die Phonophorese dar, bei der zusätzlich ein Medikament (z.B. Diclofenac-Gel) in Salbenform appliziert wird. Ultraschalltherapie kann auch bei Vorliegen von Metallimplantaten oder Endoprothesen durchgeführt werden. Vorsicht ist jedoch geboten aufgrund der verstärkten Wärmeentwicklung an Grenzflächen. Bei Herzschrittmachern sollte ein Abstand von mindestens 15 cm eingehalten werden. Indikationen sind: Insertionstendinosen, Achillodynie, Fersensporn, Tendinitis calcarea, Myotendinosen, Karpaltunnelsyndrom, Handgelenksarthritis, Narbenbehandlung und Arthrosen. In der Rheumatologie findet die Ultraschalltherapie ein breites Einsatzspektrum, insbesondere bei Spondyloarthritiden und der Psoriasis-Arthritis. Bei diesen Krankheitsbildern treten gehäuft Enthesitiden, wie z.B. Achillodynien auf. Bei der Rheumatoiden Arthritis sind neben Handgelenkarthritis [8] und Tendovaginitiden Sekundärarthrosen wie z.B. Gonarthrose oder sekundär-degenerative Rotatorenmanschettenveränderungen sinnvolle Indikationen. Kontraindikationen stellen dar: Ultraschall über parenchymatösen Organen, Augen, Gehirn, Rückenmark, Epiphysen und Geschlechtsorganen, Vaskulitis, Malignome, akute fieberhafte Erkrankungen, Thrombosen, Thrombophlebitis, Varikosis, Schwangerschaft.

Hochfrequenztherapie (Kurz-/Dezimeter-/Mikrowelle)

Sie gehört zur Elektrotherapie und ist eine Sonderform der Thermotherapie Hier wird elektromagnetische Energie im Gewebe direkt in Wärme umgewandelt. Die Wärmeentwicklung hängt von den elektrischen Eigenschaften des Gewebes ab. Es können größere Volumina in der Tiefe erwärmt werden. Die Kurz- und Dezimeterwelle wird wegen der Tiefenwirkung primär bei muskuloskelettalen Indikationen eingesetzt, wohingegen die Mikrowelle eine Präferenz im HNO-Bereich (oberflächlichere Wirkung) hat. Bei der Hochfrequenztherapie dringt die Wärme im Vergleich zu den Peloidpackungen tiefer ein. Als Nebenwirkung kann durch Streustrahlen bedingte Verbrennungsgefahr auftreten. Vorsicht ist bei Schweißbildung, feuchten Kleidungsstücken oder Salbenverbänden geboten. Ein Sicherheitsabstand von mindestens 5 Metern zu elektrischen Geräten sollte eingehalten werden, um deren Funktion nicht zu beeinträchtigen. Metallgegenstände wie Schmuck, Uhren, Piercing, Knöpfe oder Münzgeld sind zu entfernen. Kontraindikationen stellen u.a. Metallimplantate, Schrittmacher, Pumpen, Defibrillatoren, IUP, akute Entzündungen, heterotope Ossifikationen, Nähe zu Augen (Linsentrübung), offene Wachstumsfugen, CRPS, lokale Ischämie, Sensibilitätsstörungen im Behandlungsareal und Schwangerschaft dar. Die Indikationen decken sich weitgehend mit denen der Thermotherapie.

Phototherapie

Sie ist die therapeutische Anwendung elektromagnetischer Strahlenenergie des sichtbaren Lichtes sowie des angrenzenden längerwelligen Infrarot- und des kurzwelligen Ultraviolettspektrums. Zur Behandlung der Haut wird bei der Psoriasis-Arthritis eine UV-Strahlentherapie eingesetzt (nähere Erläuterung siehe Kapitel Hydrotherapie). Als Lichttherapie wird auch das Infrarotstrahlenspektrum therapeutisch genutzt. Die Infrarottherapie basiert auf elektromagnetischer Energie, die erst im Gewebe direkt in Wärme umgewandelt wird. Die Wellenbereiche der Infrarottherapie liegen zwischen 780 bis > 3000 nm. Die Absorption und der thermische Effekt umfassen nur die oberflächlichen Hautschichten (Strahlungswärme). Die Wirkung des natürlichen Lichts auf den Vitamin-D-Stoffwechsel in der Behandlung der Osteoporose sollte hinlänglich bekannt sein. Bei Kollagenosen, insbesondere dem Systemischen Lupus erythematodes, ist Phototherapie nicht indiziert.

Lasertherapie

Bei dieser Form der Phototherapie wird stark gebündeltes, monochromatisches Licht von hoher Intensität eingesetzt. Es kommt der sogenannte Low-level-Laser (LLL) zur lokalen Bestrahlung mit Laserlicht niedriger Energie zum Einsatz. Dieser hat allerdings nur wenig thermische Effekte, wirkt aber vor allem durch Aktivierung intrazellulärer photochemischer Prozesse. Eine antiinflammatorische Wirkung wird postuliert sowie eine verstärkte synoviale Proteinsynthese und Mikrozirkulation. Der LLL hat durch seine Wirkung auf periphere Nerven analgetische Effekte. Bei der Rheumatoiden Arthritis besteht eine positive Studienlage bezüglich Schmerzlinderung und Verbesserung der Morgensteifigkeit bei einer Dauer von 4 Wochen mit einer Frequenz von 2–3x pro Woche [10]. Der LLL findet vor allem bei myofascialen Schmerzen z.B. im Schultergürtel-Nacken-Bereich und bei Sehnenansatzbeschwerden seinen Einsatz.

Kältetherapie

Sie wird auch Kryotherapie genannt, wenn Temperaturen unter 0 °C eingesetzt werden. Diese umfasst physikalische Therapieverfahren, bei denen dem Körper Wärme entzogen wird. Therapeutisch werden Temperaturen zwischen +15° bis –180 °C verwendet. Die Kältetherapie kann lokal umschrieben sein oder den ganzen Körper betreffen. Zu beachten ist, dass der kurzzeitige Einsatz von Kälte einen anderen Effekt (v.a. Gefäßreaktionen: Konstriktion, reaktive Hyperämie) aufweist als eine längerzeitige Kälteapplikation. Zur Entzündungshemmung und zur Erzielung intramuskulärer Wirkungen sollte Kälte mindestens 20 Minuten appliziert werden. Lokale oberflächliche Kälteapplikation führt zu einem Absinken der Gewebetemperatur, bei längerer Dauer von ca. 20 Minuten bis in eine Tiefe von etwa 2–3 cm. In der Peripherie erfolgt eine 2-phasige Reizantwort, abhängig von der Dauer der Applikation. Als sofortige Reizantwort tritt in den ersten Minuten reflektorisch eine Vasokonstriktion der Haut- und Muskelgefäße ein. Bei längerer Einwirkdauer der Kälte setzt eine „reaktive Hyperämie“ ein. Dieser Thermoregulationsmechanismus stellt ein Schutz vor einem Gewebsschaden durch Erfrierung dar. Durch Verlangsamung der Mikrozirkulation kommt es zu einer Reduktion der Enzymaktivität (z.B. auch knorpelschädigender Kollagenasen) und Stoffwechselvorgänge. Dies betrifft auch die Hemmung der Freisetzung von Entzündungsmediatoren und somit auch inflammatorischer Prozesse rheumatischer Genese. Durch die Vasokonstriktion wird die Ödembildung und Blutungsneigung gehemmt sowie die Gewebeviskosität erhöht. Diese Kälteeffekte werden in der Rheumatologie bei akuter Arthritis und der Behandlung postoperativer Schwellneigungen und entzündlicher Prozesse wirkungsvoll genutzt. Es kommt ferner zu einer Hemmung der Nozizeptoren. Bei einer Hauttemperatur von ca. 15 °C wird Analgesie erreicht. Durch Verringerung der Nervenleitgeschwindigkeit sowie einer Verlangsamung der physiologischen Kenngrößen eines Muskels (Latenz-, Kontraktions- und Erschlaffungszeit) resultiert eine Detonisierung der Muskulatur. Kurze Kaltreize bewirken hingegen zunächst eine Steigerung des Muskeltonus.

Kontraindikationen:

lokale Ischämie, Minderperfusion, trophische Störungen

pAVK

Vaskulitis

Kryoglobulinämie. Kälteagglutininkrankheit. Kälteurtikaria

Raynaud-Syndrom

Infekte der Nieren und Harnwege

Cave bei Sensibilitätsstörungen.

Indikationen der Kältetherapie im rheumatologischen Fachgebiet:

akute Arthritis, Gichtanfall

aktivierte Arthrosen

akute Periarthropathien/Reizzustände, akute Bursitiden, Tendinitiden und Epicondylitiden

postoperativ nach (rheuma)orthopädischen Eingriffen.

Als lokale Applikationsarten werden Eisgranulate, Eisbeutel, Gelpackungen, Eisroller, Kompressen, Peloide, Kältemanschetten oder Kältespray verwendet. Die Hauttemperatur sinkt z.B. bei Auflage eines Eisbeutels innerhalb von 20 Minuten um 5–8 °C. Um die Gefahr lokaler Erfrierungen zu vermeiden, muss ein trockenes Leinen- oder Frotteetuch untergelegt werden. In Spraydosen abgefülltes Flüssiggas, (z.B. Chloräthyl) wird auf die Haut aufgetragen. Es werden Temperaturen von ?25 bis ?55 °C erreicht. Kältesprays wirken stark kühlend über Verdunstungskälte, aber nur kurzfristig. Kältesprays werden zumeist bei akuten Sportverletzungen als Erstmaßnahme und weniger in der Rheumatologie verwendet.

Bei der Ganzkörperkältetherapie (Kältekammer) erfolgt eine Exposition an trockener kalter Luft in Badekleidung unter Akren- und Atemschutz. Zunächst erfolgt eine Kälteadaption in einer Vorkammer (–60 °C). In der Hauptkammer (–110 °C) bewegen sich die Patienten moderat-schnell bis zu maximal 3 Minuten. Bei fehlender Verdampfungskälte werden die Temperaturen nicht ganz so unerträglich eiskalt wahrgenommen. Es kommt zu einer Absenkung der Hauttemperatur um ca. 5 °C, die Körperkerntemperatur bleibt unverändert [11]. Reaktiv kommt es zu einer oberflächlichen reaktiven Hyperämie. Ein analgetischer Effekt kann in der Regel 2–3 Stunden oder länger anhalten. Ferner sind immunmodulatorische und entzündungshemmende Effekte zu registrieren. Bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis und Ankylosierender Spondylitis konnte eine Steigerung der Schmerzschwelle und eine Supprimierung von T-Lymphozyten und der Zytokinsekretion nachgewiesen werden [5]. Auch bei chronifizierten Schmerzsyndromen wird die Kältekammer angewandt, allerdings besteht für das Fibromyalgie-Syndrom gemäß der aktuellen S3-Leitlininen keine Empfehlung.

Hydrotherapie

Die Hydrotherapie ist die methodische äußere Anwendung von Wasser. Balneologie (Bäderkunde) ist die Lehre von der therapeutischen Anwendung natürlicher Heilquellen, Heilgase und Peloide in Form von Bädern, Trinkkuren und Inhalationen. Die Grenzen zwischen Hydro-, Balneo- und Thermotherapie sind fließend.

Formen der Hydrotherapie:

Bewegungstherapie im Wasser (Bewegungsbad)

Bäder: Wannenvollbad. Teilbäder

hydrogalvanisches Bad: Stangerbad, 2– oder 4-Zellenbad

Güsse. Kneipptherapie

Unterwasserdruckstrahlmassage

Waschungen

Dampfbäder

Kontraindikationen für das Bewegungsbad/Hydrotherapie:

kardiale oder respiratorische Insuffizenz

instabile Angina pectoris. Herzinsuffizienz NYHA III und IV

unzureichend eingestellte(r)
Epilepsie / Arterieller Hypertonus

pAVK Stadium IIIb oder IV

frische Bein- und Beckenvenenthrombosen (< 4 Wochen)

fieberhafte Infekte

nässende oder offenen Wunden, noch nicht abgeschlossene Narbenheilung, Chlorallergie, diverse Hauterkrankungen.

Harn-/Stuhlinkontinenz, Menstruation

In der Medizin haben der therapeutische Einsatz und die Heilwirkung von Wasser und Bädern eine lange Tradition, die von der Antike (Thermen) über das Mittelalter (Badestuben) bis in die Neuzeit (Kneipp, moderne Rehabilitation) reicht. Wasser kann in 3 Aggregatzuständen vorliegen: Eis, Flüssigkeit, Gas. In der Hydrotherapie dient Wasser als Träger und Vermittler physikalischer (mechanischer, chemischer, elektrischer und thermischer) Reize. Hauptsächlich folgende physikalische Eigenschaften sind hervorzuheben: Auftrieb, hydrostatischer Druck, Reibungswiderstand und hydrodynamische Wirkungen. Das Element Wasser besitzt zudem eine hohe spezifische Wärmekapazität.

Auftrieb: Nach dem Archimedes-Prinzip reduziert sich das Gewicht des Körpers um das Gewicht des von ihm verdrängten Wassers. Im Falle des Menschen würde dies bedeuten, dass das Körpergewicht beim Eintauchen bis zum Hals nur noch gut 10 % beträgt. Der mechanische Auftrieb kann durch Dichteveränderung des Wassers durch Zusätze (z.B. beim Solebad) oder durch Hilfsmittel wie Schwimmgurte verstärkt werden. Chronisch-afferente Impulse aus der Haut werden gehemmt. Reflektorisch kommt es zu einer Detonisierung der Muskulatur. Zusammen mit der geringeren Gewichtsbelastung resultiert eine verbesserte Ausgangslage für physiotherapeutische Übungen bei Gelenkentlastung und Zunahme der Gelenkmobilität sowie in der Folge eine Schmerzreduktion. Bei Bewegungsübungen kommt zudem der Wasserwiderstand zum Tragen. Der Reibungswiderstand wird therapeutisch zur Kräftigung der Muskelkraft genutzt.

Hydrostatischer Druck: Bei Immersion in das Wasser wird von außen auf den menschlichen Körper eine Kompression ausgeübt, die mit der Tiefe zunimmt. Bei einem im Bewegungsbad stehenden Menschen ist somit der Schweredruck an den unteren Extremitäten am höchsten. Durch den Wasserdruck kommt es zu einer Blutvolumenverlagerung im venösen System von der Peripherie nach zentral und somit zu einer verstärkten kardialen Belastung. Folge ist u.a. ein Anstieg des Herzschlag- und des Herzminutenvolumens. Dies ist bei Herzrhythmusstörungen sowie arterieller Hypertonie zu beachten. Kontraindikationen für ein Voll- und Bewegungsbad stellen eine kardiopulmonale Dekompensation und eine frische Myokardischämie dar. Bei Bewegungsübungen sollte die Wassertemperatur unterhalb der als angenehm empfundenen und reizarmen Indifferenztemperatur von 34–36 °C liegen. Im Bewegungsbad beträgt die Wassertemperatur in der Regel 29–32 °C. Bei rheumatischen oder degenerativen Erkrankungen ist die Temperatur zumeist höher (33–34 °C). Dies wirkt sich u.a. positiv auf die Elastizität der weichteiligen Strukturen aus. Besonders effektiv hervorzuheben ist hierbei das Aquajogging, ein aerobes Ganzkörper-Ausdauertraining, das oben genannte Faktoren in der Summe nutzt. Als Nebeneffekt auch für den Rheumatiker bietet Aquajogging zusätzlich ein sehr effektives Herz-Kreislauf-Training und eine generelle Anregung der Stoffwechselvorgänge im Körper. Durch die leichte Auskühlung im Wasser wird unter anderem auch der Fettstoffwechsel angeregt. Eine Sonderform ist das Aqua-Cycling, das einem Unterwasser-Ergometer-Training entspricht. Übungen im Bewegungsbad sollten den Zeitraum von 30 Minuten nicht überschreiten.

Medizinische Bäder sind Wannenvollbäder, die als Hydro-Thermotherapie ihren Einsatz finden. Die Wassertemperatur liegt mit 36–38 °C überhalb der Indifferenztemperatur. Die Anwendungsdauer liegt zwischen 10–20 Minuten. Der Ausstieg aus dem Wannenbad sollte aufgrund einer potenziellen orthostatischen Dysregulation langsam erfolgen, anschließend eine Nachruhe von 15–30 Minuten. Badezusätze verstärken die Reizwirkung. Bei der Rheumatoiden Arthritis und Ankylosierenden Spondylitis bieten sich Heublumenbäder an. Beim Fibromyalgie-Syndrom können belebende Rosmarinbäder oder bei Einschlafstörungen abendliche Baldrianbäder verordnet werden.

Bei der Psoriasis-Arthritis mit Hautbefall dient im Rahmen einer PUVA-Bad-Photochemotherapie der chemische Wirkstoff 8-Methoxy-Psoralen zur Photosensibilisierung der Haut vor einer UV-A-Lichttherapie [7]. Dies birgt den Vorteil der Umgehung systemischer Nebenwirkungen gegenüber der oralen Applikation des Photosensibilisators. Therapeutisch kommen unter anderem auch Sole- oder Ölbäder bei der Psoriasis vulgaris zum Einsatz.

In der Rheumatologie ist vor allem auch das Kohlensäurebad/CO²-Bad bei der Therapie bei der Systemischen Sklerose (Ssc) indiziert. Die Sklerodermie gehört zu den Kollagenosen und ist eine Autoimmunerkrankung. Eine verstärkte Kollagensynthese durch gesteigerte Fibroblastenaktivität führt zur Verdickung und Verhärtung der Haut. Durch den bindegewebigen Umbau resultieren in der Folge Muskelatrophie, Kontrakturen, Myalgien, Arthralgien und eine deutliche Mobilitäts- und Funktionseinschränkung. Gefürchtet ist ein viszeraler Befall wie eine Lungenfibrose, pulmonale Hypertonie oder Ösophagus-, Gefäß-, Nieren- oder Herzbeteiligung. Typische Gefäßmanifestation der Ssc ist das Raynaud-Syndrom. In Extremfällen kann die Minderdurchblutung der distalen Extremitäten zu akralen Ulzerationen und Nekrosen der Fingerkuppen führen. Beim CO² -Bad wirkt Kohlensäure als gelöstes Gas auf den menschlichen Körper ein. Kohlensäurehaltiges Wasser kommt entweder als natürliches Heilmittel in Quellen vor, kann physikalisch unter Druck normalem Wasser zugesetzt oder in Form einer chemischen Reaktion (Kohlensäureentwickler) chemisch hergestellt werden. Kohlensäure wird über die Haut resorbiert. Die Empfindlichkeit der Thermorezeptoren wird beeinflusst. Durch Hemmung der Kälte- und Erregung der Wärmerezeptoren entsteht ein subjektives Wärmegefühl. Dies hat den Vorteil, dass bereits eine Vollbadtemperatur von 30–33 °C als ca. 2 °C wärmer und angenehm empfunden wird. In der praktischen Anwendung ist ein Kohlensäurebad mit einer niedrigeren Herzkreislaufbelastung verbunden. Die CO² -Resorption bewirkt zusätzlich eine Erweiterung der Hautkapillaren, Viskositätsabnahme des Bluts und Durchblutungsförderung mit verstärkter Hautrötung. Die Körperkerntemperatur sinkt, die Stoffwechselvorgänge verlangsamen sich, die Herzfrequenz und der systolische/diastolische Blutdruck nehmen ab. Bei der Ssc wird eine Badedauer von ca. 20 Minuten, sowie eine Nachruhe von 20–30 Minuten empfohlen. Ein Vollbad sollte 3–4x pro Woche verordnet werden. Teilbäder (z.B. für die Hände bei Raynaud-Syndrom) können hingegen auch 2–3x pro Tag verordnet werden.

Das Wannenbad kann zusätzlich um mechanische Reize in Form einer Unterwasserdruckstrahlmassage erweitert werden. Teilbäder sind hilfreich bei lokalen Maßnahmen und finden häufig auch als Wechselbäder Anwendung, die durch den extremen Temperaturwechsel eine höhere Reizintensität darstellen und bei serieller Anwendung die Adaption und Reaktionslage verbessern. Waschungen sind die schwächsten Reize der Hydro-Thermotherapie und finden deswegen fast ausschließlich beim geriatrischen, mulitmorbiden oder bettlägerigen Rheumatiker Anwendung.

Hydrogalvanische Anwendungen, Voll- oder Teilbäder können zusätzlich mit Elektrotherapie kombiniert werden unter der Verwendung von Gleichstrom (siehe Elektrotherapie).

Elektrotherapie

Hierzu werden alle Verfahren gezählt, die dem Körper elektrische Energie zu therapeutischen Zwecken zuführen. Den unterschiedlichen Formen ist gemeinsam, dass Gleich- oder Wechselstrom den Körper durchfließt. Bei den Wechselströmen werden unterschiedliche Frequenzen eingesetzt. Der menschliche Körper kann Elektrizität nur in seiner Wirkung wahrnehmen, da es keine Sinnesorgane für Elektrizität gibt. Man unterscheidet nach dem Frequenzbereich 4 therapeutisch eingesetzte Stromarten:

konstanter Gleichstrom: Galvanisation

Niederfrequenz: < 1 kHz

Mittelfrequenz: 1–100 kHz

Hochfrequenz: > 100 kHz

Bei den Verfahren im Nieder- und Mittelfrequenzbereich ist der Patient unmittelbar dem elektrischen Strom ausgesetzt. Hochfrequenz- und Ultraschallanwendungen zählen zur Thermotherapie. Elektrischer Strom ist die gerichtete Bewegung freier Ladungsträger in leitfähigen Medien. Die Ladungsträger können negativ geladene Elektronen oder positive oder negativ geladene Ionen sein (Elektrolyte, Leiter 2. Klasse). Strom bewirkt einen Ionentransport in entgegengesetzte Richtung zwischen 2 unterschiedlichen Ladungen. Elektrischer Strom kann nur fließen, wenn leitfähiges Material (Metall, Flüssigkeit, etc.) vorliegt. Der elektrische Reiz nimmt im menschlichen Körper (Leiter 2. Klasse) also Einfluss auf das Ionenmilieu: Gleichzeitige entgegengesetzte Bewegung von Ionen und Kationen. Neben direkten und indirekten analgetischen Effekten können je nach elektrischem Impuls auch an den Membranen peripherer Muskel- und Nervenfasern Aktionspotenziale ausgelöst werden. Dadurch entstehen sensible Empfindungen bzw. Muskelkontraktionen. Ferner werden freie Nervenendigungen gereizt. Durch die bewegliche Komponente des elektrischen Stroms kommt es im Organismus im durchströmten Areal zur Reibungswärme. Gleichstrom und die Nieder- und Mittelfrequenz werden hauptsächlich wegen analgetischer und hyperämisierender Wirkung eingesetzt. Einige Verfahren der Mittelfrequenz weisen zusätzlich eine stärker muskeldetonisierende Eigenschaft auf.

Zur primären Elektroanalgesie werden folgende Verfahren eingesetzt:

Galvanisation

hydroelektrische Bäder

Iontophorese

diadynamische Ströme

Hochvolttherapie

neofaradischer Strom

transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS).

Gleichstromtherapie
(Galvanisation)

Das ist die Behandlung mit Strom konstanter Spannung, Stromrichtung und Stromstärke. Bei geringer Stromstärke hat der Patient sensible Empfindungen wie Kribbeln oder Prickeln, die bei Erhöhung der Stromstärke als Schmerzreiz empfunden werden können. Physiologisch kommt es zu einer Verschiebung des Membranpotenzials der Haut- und Muskelzellen im Sinne einer Depolarisation und Hyperpolarisation.

Durch Reizung vasomotorischer Nervenfasern im Bereich der Haut und Freisetzung vasoaktiver Substanzen (u.a. Histamin, Serotonin) erfolgt eine Hyperämisierung oberflächlicher Schichten mit Ausbildung des typischen Galvanoerythems. Dieses kann über eine Stunde nach dem Anwendungszeitraum anhalten. Im Bereich der Muskulatur erfolgt ebenfalls eine Hyperämisierung und eine Muskelrelaxation.

Die hemmende Wirkung unter der Anode auf die Nozizeptoren führt zu einen analgetischen Effekt und zur Muskeltonussenkung. Unter der Kathode bewirkt die Steigerung der Erregbarkeit der Nerven eine Erhöhung des Muskeltonus. Trophik und Stoffwechselvorgänge werden angeregt. Da es sich hierbei um eine unidirektionale Stromform handelt, besteht ein gerichteter Transport von Ionen, wobei sich die beteiligten Ionen bezüglich ihrer Beweglichkeit unterscheiden, sodass es auf Dauer zu einer Änderung der Ionenkonzentrationen kommt und damit das Mikromilieu der Gewebe beeinflusst wird. Da die einzelnen Gewebearten inhomogen sind, kommt es zu einem Nebeneinander von hyper- und depolarisierenden Gewebeabschnitten. Außer beim Ein- und Ausschalten werden bei den Nerven- und Muskelfasern keine Aktionspotenziale und damit keine Muskelkontraktionen ausgelöst. Deswegen sollte beim Einschalten des Geräts die Stromstärke langsam hochreguliert bzw. beim Ausschalten entsprechend ausgeschlichen werden, damit keine unangenehmen Muskelzuckungen auftreten. Um durch Elektrolyse erhebliche Hautaffektionen wie Nekrosen und Verätzungen zu vermeiden, müssen unbedingt zwischen Elektroden und Haut befeuchtete und ausreichend dicke Viskoseschwämmchen angelegt werden. Die Elektroden können gleich groß sein oder als kleinere (differente) oder größere (indifferente) Elektroden verwendet werden. Unter der kleineren Elektrode ist die Stromdichte und somit der Reizeffekt größer. Der Anwendungszeitraum beträgt 10–20 Minuten in einer seriellen Anwendung von bis zu 10 Terminen.

Kontraindikationen der Gleichstrombehandlung:

Sensibilitätsstörungen im Behandlungsareal, Paresen

akute Entzündungen

Thrombosen

arterielle Durchblutungsstörungen ab Stadium II b

Metallimplantate/Endoprothesen.

Herzschrittmacher

entzündliche Hauterkrankungen

akute fieberhafte Infekte

Demenzkranke Patienten, Kinder

Indikationen der Gleichstrombehandlung:

Arthralgien bei Arthrose und chronischen Arthritiden

schmerzhafte degenerative Wirbelsäulenveränderungen. Spondylarthritiden

Durchblutungsstörungen: pAVK bis Stadium 1/1a

neuropathische Schmerzen, Neuralgien und Neuritiden, CRPS

Bursitiden. Periarthropathien, Myotendinosen und myofasciale Syndrome

Raynaud-Syndrom

Hyperhidrosis

Hydrogalvanische Bäder

Vertreter dieser Hydro-Wärme-Elektro-Therapie sind das Stangerbad, das 2- und 4-Zellen-Bad. Das Wasser liegt als Elektrode dem Körper überall gleichmäßig an, wobei nur ca. 30 % des Stroms den Körper passieren. Hingegen ist bei den Zellenbädern (Teilbäder für Arme und/oder Beine) eine genaue Dosierung des Gleichstroms möglich, da das eingetauchte Körperteil zu nahezu 100 % durchflutet wird. Es können verschiedene Körperdurchströmungen durch Längs-/Quer- und Diagonalschaltungen gewählt werden. Eine absteigende Galvanisation (Anode: kranial, Kathode: kaudal) wirkt beruhigend, eine aufsteigende Galvanisation (Anode: kaudal, Kathode: kranial) erregungssteigernd. Für gewöhnlich kommen Stromstärken von 200–600 mA zum Einsatz. Die Stromstärke wird dem Empfinden des Patienten angepasst. Der Strom sollte auf der Haut kribbeln, aber keine Schmerzen oder Unwohlsein auslösen. Es wird in der Regel die indifferente Wassertemperatur (36–38 °C) gewählt. In der Rheumatologie finden hydrogalvanische Bäder Anwendung, beispielsweise bei den Spondyloarthritiden (Ankylosierende Spondylitis) zur Analgesie und Muskeltonussenkung. Beim Fibromyalgie-Syndrom ist die tonusregulierende Komponente nicht zu vernachlässigen. Zu beachten ist die häufige Angst vor Strom, dessen Ungefährlichkeit zuvor im Arzt-Patienten-Gespräch thematisiert werden sollte. Die Kontraindikationen entsprechen denen der Gleichstrombehandlung und der Hydro- und Wärmetherapie. Akute kardio-vaskuläre Erkrankungen, Herzschrittmacher und Metallimplantate, Infekte und Hautläsionen müssen vor Verordnung abgefragt werden.

Bei der Iontophorese macht man sich die Ionenwanderung des Gleichstroms zunutze. Es erfolgt die transkutane und lokale Einbringung von ionisierbaren Medikamenten. Die Haut muss im intakten Zustand sein. Ein positiv geladenes Medikament kommt immer unter die Anode, ein negatives unter die Kathode. Zur Anwendung kommen in Flüssigkeit gelöste Medikamente in Form von Gels oder Salben. In der Rheumatologie und Orthopädie werden v.a. NSAR-, Salicylsäure-, sowie Heparin- und Hirudin-haltige Salben eingebracht, die zumeist negativ geladen sind und dann unter der positiven Kathode aufzutragen sind. Unter der Anode werden u.a. folgende positiv geladene Medikamente in Salben oder Gelform verwendet: Lidocain, Procain, Histamin (Vasodilatation), Adrenalin (Vasokonstriktion) oder Hyaluronidase, das gewebserweichend und resorptionsfördernd wirkt. Indikationen: Behandelt werden mit der Iontophorese aufgrund der relativ geringen Eindringtiefe oberflächennahe Prozesse wie Epikondylopathien, Ansatztendinosen, Achillodynien, Tendovaginitiden und Arthrosen. Eine Stromstärke von ca. 0,05–0,2 mA/cm² kommt zum Einsatz in serieller Applikation, in der Regel je 15–30 Minuten. Risse, Wunden und entzündliche Veränderungen der Haut müssen bei der Elektrodenposition unbedingt ausgespart werden.

Niederfrequenztherapie

Der Frequenzbereich liegt < 1 kHz. Therapeutisch werden meist Frequenzbereiche zwischen 1–150 Hz verwandt. Bei der Niederfrequenztherapie werden sowohl an Nerven- als auch Muskelfasern Aktionspotenziale ausgelöst, weswegen sie auch als Reizstromtherapie bezeichnet wird. Um eine rasche Depolarisation an der Zellmembran zu erreichen, werden wiederholte rechteck- oder dreieckähnliche elektrische Impulse abgegeben. Dabei muss die Pause zwischen 2 Impulsen länger sein als die Refraktärzeit der Zellmembran (Erholungszeit), sodass sich die Membran nach jedem Impuls wieder aufbauen und auf den nachfolgenden Impuls mit einem erneuten Aktionspotenzial reagieren kann. Dies wird durch sogenannte Impulsströme erreicht, die entweder streng unidirektional oder bidirektional fließen. Bei den bidirektionalen Strömen pendeln die Ionen im Rhythmus des Polwechsels – ohne effektiven Ionentransport – abwechselnd hin und her.

Man unterscheidet 3 Haupttherapieverfahren der niederfrequenten Reizströme:

Ultrareizstrom nach Träbert (Anlgesie, Hyperämie)

diadynamische Ströme

TENS

Ultrareizstrom nach Träbert: Es werden unipolare Rechteckimpulse mit einer Dauer von 2 ms und einer Pause von 5 ms bei einer Frequenz von 140 Hz verwendet. Die Wirkung ist vor allem analgetisch und hyperämisierend, aber auch muskeldetonisierend, wenn ein modifizierter Ultrareizstrom (Impulse 0,5 ms, Frequenz 182 Hz) eingesetzt wird. Die Kathode wird über dem Schmerzareal platziert. Es wird vom Patienten ein Stromgefühl wahrgenommen in Form einer Vibration (Reizstrommassage). Die Anwendung hat eine Dauer von 15 Minuten in serieller Anwendung von ca. 5–6 Sitzungen (Abb. 3).

Bei den Diadynamischen Strömen handelt es sich um einen gleichgerichteten Impulsstrom in Form von Sinushalbwellen mit einer Impulsbreite von 10 ms, der mit einem konstanten galvanischen Gleichstrom (2–3 mA) unterlagert ist. Der Strom wird sensibel überschwellig dosiert (Vibrationsgefühl) und wird u.a. bei umschriebenen Schmerzen eingesetzt. Verfügbar sind folgende 4 Stromformen mit unterschiedlicher Wirkung, die in gleicher Sitzung in verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten (Programmen) hintereinander appliziert werden können:

DF (diphase fixe): v.a. Analgesie

MF (monophase fixe): motorische und sensorische Stimulation.

CP (courte periode): Resorptionsfördernd

LP (long period): detonisierend.

Folgende Indikationen bestehen für die diadynamischen Ströme: Schmerzhafte Tendinosen, Periostosen, Myogelosen und schmerzhafte Triggerpunkte. Neuralgien, Arthrosen, Gelenkschwellungen, v.a. auch bei Verstauchungen, Zerrungen, Prellungen, Muskelzerrungen. Die Behandlungsdauer beträgt zwischen 5–20 Minuten.

Transkutane elektrische
Nervenstimulation (TENS)

TENS-Geräte stellen eine batteriebetriebene Elektrotherapie im Taschenformat für den Hausgebrauch dar. Gemäß der Gate-control-Theorie von Melzack/Wall erfolgt die sensible schmerzlose Reizung von Schmerzrezeptoren. Die Erregung wird von schnellleitenden Nervenfasern an das Rückenmark weitergeleitet. Schmerzimpulse, die hingegen von langsam leitenden Nervenfasern weitergegeben werden, finden auf Rückenmarksebene durch Hemmung keinen Eingang. Auf Spinalebene kommt es zur Aktivierung deszendierender Hemmsysteme (über u.a. Serotonin und Noradrenalin). Folge ist die Heraufsetzung der Schmerzschwelle. Bei der TENS-Anwendung kommen ausschließlich bidirektionale nullliniensymmetrische niederfrequente Wechselströme zur Anwendung. Durch den raschen (bidirektionalen) Wechsel der Stromrichtung kommt kein effektiver Ionentransport zustande und die praktische Anwendung wird dadurch erleichtert. Eine Elektrolyse ist nicht möglich. Bei der TENS geben Elektroden variable, in der Regel Rechteckimpulse von 0,1 ms Dauer ab. Bezüglich der Handhabung und Elektrodenplatzierung ist eine individuelle Schulung des Patienten erforderlich. Manche neuen Kombinationsgeräte können auch zur isolierten Muskelstimulation multifunktionell umgeschaltet werden. Kontraindikationen sind die Anwendung direkt über dem Herzen, über Schrittmachern und über frischen Thrombosen.

Mittelfrequenztherapie

Interferenzströme (nach Nemec): Analgesie, Hyperämie

amplitudenmodulierte Mittelfrequenzströme: Analgesie, Hyperämie

direkt an- und abschwellende Mittelfrequenzströme (Wymoton): Muskeltonus steigernd

Der Frequenzbereich liegt zwischen 1–100 kHz. Es wird v.a. ein sinusförmiger nullliniensymmetrischer Wechselstrom (4–20 kHz) verwendet. Bei fehlender Elektrolyse ist auch der Einsatz über Metallimplantaten möglich. Nicht der Einzelimpuls, sondern erst die Summation mehrerer Impulse hintereinander löst im Muskel Aktionspotenziale aus. Wesentliches Zielorgan der Mittelfrequenz ist die Muskelzelle. In der Muskulatur folgt einer primären Muskeltonisierung unmittelbar deren Entspannung. Durch die Summation von vielen Einzelreizen an den Muskelfasern ergibt sich ein Erregungsmechanismus, der den physiologischen Muskelverhältnissen nahekommt. Gewünschter Effekt ist also die physiologische Muskelstimulation. Weitere Vorteile mittelfrequenter Ströme sind die unproblematische Anbringung der Elektroden auf der Haut ohne Gefahr von Nekrosen durch Elektrolyse sowie eine Tiefenwirkung im Gewebe. Die Indikationen entsprechen weitgehend denen der Niederfrequenztherapie. Eingesetzt wird die Mittelfrequenz in der Rheumatologie für reflektorische Muskelverspannungen, vertebragene Schmerzsyndrome und Insertionstendinosen. Bevorzugt werden hier Geräte verwendet, die mit Interferenzströmen (nach Nemec) und Amplituden-modulierten Mittelfrequenzströmen arbeiten. Wichtiges Einsatzgebiet (direkte Mittelfrequenztherapie, z.B. Wymoton) in der Orthopädie und Neurologie ist die Inaktivitätsatrophie oder Stimulation partiell denervierter Muskulatur ohne unangenehme oder schmerzhafte sensible Reizung (Abb. 4).

Interferenzstrom

Bei der Interferenzstromtherapie interagieren 2 sinusförmige mittelfrequente Wechselströme unterschiedlicher Frequenz miteinander. Die 2 unabhängigen Stromkreise überlagern sich im Körper. Einer der Wechselströme hat eine konstante Frequenz von zumeist 4000 Hz, während die Frequenz des anderen Wechselstromkreises zwischen 4000 und 4200 Hz eingestellt werden kann. Im Kreuzungsbereich entsteht im Körperinnern ein therapeutisch wirksamer niederfrequenter Interferenzstrom mit Frequenzen zwischen 1–100 Hz. Es werden 4 Elektroden verwendet, zumeist in Form von Saugelektroden, die zusätzlich eine Hyperämie und Analgesie bewirken. Beim amplitudenmodulierten Mittelfrequenzstrom wird ein ein kreisiger mittelfrequenter Trägerstrom zwischen 4000–20000 Hz verwendet, der im Therapiegerät durch einen niederfrequenten Strom amplitudenmoduliert wird.

Die Hochfrequenztherapie ist eine Sonderform der Wärmetherapie (siehe Kapitel Wärmetherapie). Hier wird elektromagnetische Energie im Gewebe direkt in Wärme umgewandelt. Therapeutisch wird gerne die Tiefenerwärmung (Diathermie) genutzt. Wellenbereiche der Hochfrequenztherapie:

Kurzwelle (27 MHz): Kondensator- oder Spulenfeld

Dezimeterwelle (433 MHz)

Mikrowelle (2500 MHz)

Interessenkonflikt:

Keine angegeben

Literatur

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10. Lange U (Hrsg.): Lehrbuch Physikalische Medizin in der Rheumatologie, 2. Aufl. Bad Nauheim, 2012. Rheuma Wissen.

11. Metzger D, Zwingmann C, Protz W et al.: Die Bedeutung der Ganzkörperkältetherapie im Rahmen der Rehabilitation bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen. Rehabilitation 2000, Stuttgart: Thieme; 39: 93–100

12. Stein V, Greitemann B: Rehabilitation in Orthopädie und Unfallchirurgie. Heidelberg: Springer Verlag 2005

13. Werner G, Klimczyk K, Rude J et al.: Checkliste Physikalische und Rehabilitative Medizin. Stuttgart, New York: Thieme Verlag 1997

Korrespondenzadresse

Johannes Gottwalt

Orthopädie

Klinik Höhenried gGmbH

82346 Bernried

johannes.gottwalt@hoehenried.de

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