Übersichtsarbeiten - OUP 05/2019

Physikalische Therapie bei rheumatischen Krankheitsbildern

Man unterscheidet 3 Haupttherapieverfahren der niederfrequenten Reizströme:

Ultrareizstrom nach Träbert (Anlgesie, Hyperämie)

diadynamische Ströme

TENS

Ultrareizstrom nach Träbert: Es werden unipolare Rechteckimpulse mit einer Dauer von 2 ms und einer Pause von 5 ms bei einer Frequenz von 140 Hz verwendet. Die Wirkung ist vor allem analgetisch und hyperämisierend, aber auch muskeldetonisierend, wenn ein modifizierter Ultrareizstrom (Impulse 0,5 ms, Frequenz 182 Hz) eingesetzt wird. Die Kathode wird über dem Schmerzareal platziert. Es wird vom Patienten ein Stromgefühl wahrgenommen in Form einer Vibration (Reizstrommassage). Die Anwendung hat eine Dauer von 15 Minuten in serieller Anwendung von ca. 5–6 Sitzungen (Abb. 3).

Bei den Diadynamischen Strömen handelt es sich um einen gleichgerichteten Impulsstrom in Form von Sinushalbwellen mit einer Impulsbreite von 10 ms, der mit einem konstanten galvanischen Gleichstrom (2–3 mA) unterlagert ist. Der Strom wird sensibel überschwellig dosiert (Vibrationsgefühl) und wird u.a. bei umschriebenen Schmerzen eingesetzt. Verfügbar sind folgende 4 Stromformen mit unterschiedlicher Wirkung, die in gleicher Sitzung in verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten (Programmen) hintereinander appliziert werden können:

DF (diphase fixe): v.a. Analgesie

MF (monophase fixe): motorische und sensorische Stimulation.

CP (courte periode): Resorptionsfördernd

LP (long period): detonisierend.

Folgende Indikationen bestehen für die diadynamischen Ströme: Schmerzhafte Tendinosen, Periostosen, Myogelosen und schmerzhafte Triggerpunkte. Neuralgien, Arthrosen, Gelenkschwellungen, v.a. auch bei Verstauchungen, Zerrungen, Prellungen, Muskelzerrungen. Die Behandlungsdauer beträgt zwischen 5–20 Minuten.

Transkutane elektrische
Nervenstimulation (TENS)

TENS-Geräte stellen eine batteriebetriebene Elektrotherapie im Taschenformat für den Hausgebrauch dar. Gemäß der Gate-control-Theorie von Melzack/Wall erfolgt die sensible schmerzlose Reizung von Schmerzrezeptoren. Die Erregung wird von schnellleitenden Nervenfasern an das Rückenmark weitergeleitet. Schmerzimpulse, die hingegen von langsam leitenden Nervenfasern weitergegeben werden, finden auf Rückenmarksebene durch Hemmung keinen Eingang. Auf Spinalebene kommt es zur Aktivierung deszendierender Hemmsysteme (über u.a. Serotonin und Noradrenalin). Folge ist die Heraufsetzung der Schmerzschwelle. Bei der TENS-Anwendung kommen ausschließlich bidirektionale nullliniensymmetrische niederfrequente Wechselströme zur Anwendung. Durch den raschen (bidirektionalen) Wechsel der Stromrichtung kommt kein effektiver Ionentransport zustande und die praktische Anwendung wird dadurch erleichtert. Eine Elektrolyse ist nicht möglich. Bei der TENS geben Elektroden variable, in der Regel Rechteckimpulse von 0,1 ms Dauer ab. Bezüglich der Handhabung und Elektrodenplatzierung ist eine individuelle Schulung des Patienten erforderlich. Manche neuen Kombinationsgeräte können auch zur isolierten Muskelstimulation multifunktionell umgeschaltet werden. Kontraindikationen sind die Anwendung direkt über dem Herzen, über Schrittmachern und über frischen Thrombosen.

Mittelfrequenztherapie

Interferenzströme (nach Nemec): Analgesie, Hyperämie

amplitudenmodulierte Mittelfrequenzströme: Analgesie, Hyperämie

direkt an- und abschwellende Mittelfrequenzströme (Wymoton): Muskeltonus steigernd

Der Frequenzbereich liegt zwischen 1–100 kHz. Es wird v.a. ein sinusförmiger nullliniensymmetrischer Wechselstrom (4–20 kHz) verwendet. Bei fehlender Elektrolyse ist auch der Einsatz über Metallimplantaten möglich. Nicht der Einzelimpuls, sondern erst die Summation mehrerer Impulse hintereinander löst im Muskel Aktionspotenziale aus. Wesentliches Zielorgan der Mittelfrequenz ist die Muskelzelle. In der Muskulatur folgt einer primären Muskeltonisierung unmittelbar deren Entspannung. Durch die Summation von vielen Einzelreizen an den Muskelfasern ergibt sich ein Erregungsmechanismus, der den physiologischen Muskelverhältnissen nahekommt. Gewünschter Effekt ist also die physiologische Muskelstimulation. Weitere Vorteile mittelfrequenter Ströme sind die unproblematische Anbringung der Elektroden auf der Haut ohne Gefahr von Nekrosen durch Elektrolyse sowie eine Tiefenwirkung im Gewebe. Die Indikationen entsprechen weitgehend denen der Niederfrequenztherapie. Eingesetzt wird die Mittelfrequenz in der Rheumatologie für reflektorische Muskelverspannungen, vertebragene Schmerzsyndrome und Insertionstendinosen. Bevorzugt werden hier Geräte verwendet, die mit Interferenzströmen (nach Nemec) und Amplituden-modulierten Mittelfrequenzströmen arbeiten. Wichtiges Einsatzgebiet (direkte Mittelfrequenztherapie, z.B. Wymoton) in der Orthopädie und Neurologie ist die Inaktivitätsatrophie oder Stimulation partiell denervierter Muskulatur ohne unangenehme oder schmerzhafte sensible Reizung (Abb. 4).

Interferenzstrom

Bei der Interferenzstromtherapie interagieren 2 sinusförmige mittelfrequente Wechselströme unterschiedlicher Frequenz miteinander. Die 2 unabhängigen Stromkreise überlagern sich im Körper. Einer der Wechselströme hat eine konstante Frequenz von zumeist 4000 Hz, während die Frequenz des anderen Wechselstromkreises zwischen 4000 und 4200 Hz eingestellt werden kann. Im Kreuzungsbereich entsteht im Körperinnern ein therapeutisch wirksamer niederfrequenter Interferenzstrom mit Frequenzen zwischen 1–100 Hz. Es werden 4 Elektroden verwendet, zumeist in Form von Saugelektroden, die zusätzlich eine Hyperämie und Analgesie bewirken. Beim amplitudenmodulierten Mittelfrequenzstrom wird ein ein kreisiger mittelfrequenter Trägerstrom zwischen 4000–20000 Hz verwendet, der im Therapiegerät durch einen niederfrequenten Strom amplitudenmoduliert wird.

Die Hochfrequenztherapie ist eine Sonderform der Wärmetherapie (siehe Kapitel Wärmetherapie). Hier wird elektromagnetische Energie im Gewebe direkt in Wärme umgewandelt. Therapeutisch wird gerne die Tiefenerwärmung (Diathermie) genutzt. Wellenbereiche der Hochfrequenztherapie:

Kurzwelle (27 MHz): Kondensator- oder Spulenfeld

Dezimeterwelle (433 MHz)

Mikrowelle (2500 MHz)

Interessenkonflikt:

Keine angegeben

Literatur

1. Beer AM, Fetaj S, Lange U: Peloidtherapie: Z. Rheumatol. 2013; 72: 581–589

2. Dellhag B, Wollersjö I, Bjelle A: Effect of active hand exercise and wax bath treatment in rheumatoid arthritis patients. Arthritis Care Res 1992; 5: 87–92

3. Dischereit G, Goronzy JE, Müller-Ladner U et al.: Wirkeffekte serieller Heiltorfbäder bei entzündlich rheumatischen und degenerativen Erkrankungen. Z Rheumatol 2019; www.doi.org/10.1007/s00393–018–0582–7

4. Gottfried T, Hoerig T, Beyer WF: Physikalische Therapie. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2018; 13: 123–140

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