Übersichtsarbeiten - OUP 09/2016

Vorlieben und Zahlungsbereitschaft von Patienten bei der Behandlung von Kniegelenkarthrose*

Was VS-Injektionen betrifft, so ergibt die Wertverbesserung von einmonatiger Schmerzlinderung (–98,8 Wertpunkte) auf 6-monatige Schmerzlinderung (39,6 Wertpunkte) eine Wertsteigerung um 138,4 Punkte (p < 0,05, t-Test). Dies ergibt einen Betrag von 98,3 € für die Selbstbeteiligung. Also wäre ein Patient ebenso bereit, sich einer kostenlosen VS-Injektion zu unterziehen, die ihm einmonatige Schmerzlinderung bietet, oder für eine VS-Injektion mit 6-monatiger Schmerzlinderung eine Selbstbeteiligung von 100 € zu bezahlen. In diesem Szenario hat die Schmerzlinderung über zusätzliche 5 Monate einen Wert von ca. 100 € . Im Vergleich dazu hat eine Schmerzlinderung über 12 Monate (167,2 Wertpunkte) einen Selbstbeteiligungswert von 122,3 € gegenüber einer Schmerzlinderung von nur einem Monat. Ebenso wies eine Dosierfrequenz von einer Injektion eine Wertzunahme von 65,1 Punkten (Selbstbeteiligung in Höhe von 46,2 € ) gegenüber einer Therapie auf, bei der 5 Injektionen (und 5 Arztbesuche) benötigt werden (p < 0,05, t-Test). Schmerzlinderung innerhalb einer Woche nach Behandlungsbeginn wies eine Wertzunahme von 53,2 Punkten (Selbstbeteiligung in Höhe von 37,8 € ) gegenüber einer Schmerzlinderung innerhalb von 3 Wochen auf (p < 0,05, t-Test). Ein Rückgang der Schmerzen von 10 auf 2 auf der Schmerzskala wies eine Wertzunahme von 77,5 Punkten (Selbstbeteiligung in Höhe von 55,0 €) gegenüber einem Rückgang der Schmerzen von 10 auf 7 auf (p < 0,05, t-Test).

Es bestand die Möglichkeit, anhand von individuellen Conjoint-Werten die mit Präferenzen für spezifische Behandlungsmethoden verbundenen Patientenmerkmale zu bestimmen. Patienten, die eine Präferenz für Injektionen mit höherer Selbstbeteiligung gegenüber weniger kostspieligen oralen Behandlungsmethoden angaben, trugen einen größeren Nutzen davon, von oralen auf injizierbare Behandlungen umzusteigen, als Patienten, die weniger kostspielige Optionen bevorzugten. Frei erhältliche Schmerztabletten und VS-Injektionen wiesen den größten Wertunterschied aller Therapiemethoden auf. In Abbildung 3 sind die Patientenmerkmale dargestellt, die auf Grundlage der Umfrageergebnisse mit einer Präferenz für VS-Behandlungen gegenüber frei erhältlichen Schmerzmitteln verbunden sind.

Wie in Abbildung 3 dargestellt ist, wurde bei Patienten mit Störungen des Gastrointestinal- bzw. GI-Trakts eine höhere Wertsteigerung mit VS-Injektionen gegenüber frei erhältlichen Medikamenten in Tablettenform beobachtet als bei Patienten ohne GI-Störungen. Diese Präferenz liegt wahrscheinlich an den gastrointestinalen Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der längeren Anwendung mancher frei erhältlichen Schmerzmittel [32]. Patienten, denen VS-Injektionen vertrauter waren oder die über ein höheres Einkommen verfügten, wiesen ebenfalls signifikant höhere Wertsteigerungen im Zusammenhang mit VS-Injektionen auf als Patienten mit wenig oder keinen Kenntnissen von VS-Injektionen bzw. mit geringerem Einkommen. Insbesondere die Anzahl bereits unternommener Behandlungsversuche wies eine signifikante Korrelation mit der Wertsteigerung von VS-Injektionen auf (Pearson-Korrelation = 0,19; p < 0,01) (Daten nicht abgebildet). Alter, Geschlecht, das Vorliegen einer Kniegelenkarthrose in beiden Knien und sonstige Komorbiditäten hatten jedoch keinen wesentlichen Einfluss auf die Wertsteigerung von VS-Injektionen.

Diskussion

Aus der aktuellen Studie geht hervor, dass die Behandlungsformen, denen sich Patienten mit einer Kniegelenkarthrose am häufigsten unterziehen, in der Regel nicht den Behandlungen entsprechen, die hinsichtlich der wahrgenommenen Effektivität oder der Patientenzufriedenheit am besten bewertet werden. Anhand des Selbstbeteiligungssystems als Mittel zur monetären Umrechnung bietet die Studie zudem eine Messgröße des Werts verschiedener Merkmale, die mit den Behandlungsmethoden gegen Kniegelenkarthrose assoziiert werden, und der Zuschläge, die Patienten dafür zu zahlen bereit sind.

In der Analyse zu den angegebenen Präferenzen wurden Injektionen in das Kniegelenk vom größten Teil der Patienten, die sich einer solchen Behandlung unterzogen hatten, als sehr wirksam bewertet und erhielten auch die höchsten Zufriedenheitswerte. In der Analyse zu den abgeleiteten Präferenzen hatte die Behandlungsmethode (sowie das Merkmal der Wirkungsdauer) den größten Einfluss auf die bevorzugte Behandlung, wobei Injektionen gegenüber Tabletten deutlich bevorzugt wurden. Injektionen in das Kniegelenk wurden jedoch ungeachtet des Schweregrads der Erkrankung nur bei einer Minderheit der Patienten (zwischen 25 % und 35 %) vorgenommen. Eine höhere Bevorzugung von Injektionen wurde mit Patienten assoziiert, die an GI-Störungen litten, mehr über die Behandlung wussten und über ein höheres Einkommen verfügten. Wie vielleicht zu erwarten ist, waren auch die Dauer der Schmerzlinderung und die geringere Anzahl Injektionen signifikante Bestimmungsfaktoren für die Wahl der Behandlungsmethode (p < 0,05). Die Analyse ergab zudem, dass die zu entrichtenden Zuzahlungen für Injektionen im Verhältnis zu den Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente und andere Behandlungsmethoden in manchen europäischen Ländern ein Hindernis für ihre vermehrte Nutzung darstellten.

Obwohl die Studie ihrem Design nach eine umfassende Studie zur Zahlungsbereitschaft von europäischen Patienten sein sollte, gibt es einige Einschränkungen dazu. Erstens könnten die Eigenangaben zur Kniegelenkarthrose zu einer gewissen Verzerrung (Reporting Bias) führen, obwohl die Eigenangaben einem Vergleich mit den klinischen Unterlagen standgehalten haben [24, 25]. Es ist zudem wichtig, sicherzustellen, dass die Patientengruppe mit Kniegelenkarthrose repräsentativ ist, und die Stimmigkeit und Repräsentativität der Patientengruppe wurde durch Stichproben aus vielen verschiedenen Bevölkerungsschichten sorgfältig gewährleistet. Obwohl es schwierig ist, dies mit der Gesamtpopulation an Patienten mit Kniegelenkarthrose in Einklang zu bringen, kann das Durchschnittsalter von 57,3 Jahren und der Prozentsatz von 66,3 % Frauen in der Studie doch als vergleichbar mit epidemiologischen Schätzungen für Europa betrachtet werden [7–11]. Trotz Durchführung gemäß einer häufig verwendeten Methode besteht eine weitere mögliche Einschränkung der Allgemeingültigkeit der Umfrage darin, dass die Teilnahme gewisse Computerkenntnisse sowie einen Internetanschluss voraussetzte – dadurch ergibt sich möglicherweise eine Verzerrung zuungunsten von Personen aus einer mehrheitlich älteren Umfragezielgruppe, die sich mit Informationstechnologie nicht auskennt. Das Validierungsinstrument für die Umfrage schließlich bestand aus 6 persönlichen Probebefragungen, was eventuell etwas umfangreicher hätte sein können. Eine mögliche Einschränkung im Zusammenhang mit der Conjoint-Methodik besteht darin, dass die Empfindlichkeit in Bezug auf Zuzahlungen zwischen den getesteten Stufen nicht linear verläuft und die Ergebnisse zwischen den getesteten Werten linear interpoliert wurden.

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