Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Osteoporose im Kontext von Ernährungsfaktoren
Integrale Primär- und holistische Sekundärprävention – Kompensation von systemisch inflammatorischen Prozessen und oxidativem StressIntegrative primary- and holistic secondary-prevention – compensation of systemic inflammatory processes and of oxidative

Werner Seebauer1

Zusammenfassung: Oxidativer Stress, Glykolisierungsprozesse, Enzymreaktionen und insgesamt Transkriptionsfaktoren spielen eine Rolle beim Knochenmetabolismus, womit viele pathogenetische Faktoren der Osteoporose nicht alleine für dieses Erkrankungsbild pathognomonisch sind. Inflammatorische Prozesse, wie z.B. bei der Osteoarthritis, sind häufig systemisch und nicht alleine organbezogen relevant. Man kann sagen, dass nahezu bei allen chronischen degenerativen Erkrankungen Entzündungen ursächlich oder zumindest in der Symptomausprägung beteiligt sind. Auch bei der Osteoporose spielen Glykolisierungsprozesse an Zellstrukturen der Knochen mit der Entstehung von Advanced Glycation End Produkts (AGEs) eine pathogenetische Rolle. Die Akkumulation solcher endogen entstandenen und exogen aus der Nahrung zugeführten AGEs wirkt lokal bei der Degeneration mit und hat über diverse Cross-Links zu systemisch wirkenden Faktoren, wie z.B. dem Nuklear-Factor kappa B (NFkB) und der abnormen Expression von Enzymen (z.B. Cyclooxigenase-2 COX-2) sowie proinflammatorischen Cytokinen (z.B. IL1, IL-6) wesentlich weitreichendere Auswirkungen. Zusammen mit dem oxidativen Stress kann sich eine Kaskade von krankheitsfördernden Reaktionen sogar in Form eines Circulus vitiosus entwickeln und auch Alterungsprozesse werden beschleunigt. Insofern ist die Osteoporose wie die Osteoarthritis im größeren Kontext von systemischer Pathophysiologie zu sehen, wie insgesamt alle chronischen Erkrankungen stets eine mehr integrale Primärprävention oder bei der Sekundärprävention eine holistische Intervention bedürfen. Das beinhaltet komplementär immer die Anpassung der Ernährung und bei Bedarf die adäquate Supplementation von Nährstoffen (insbesondere auch Phytochemicals). In diesem Beitrag wird zu dem sehr komplexen Thema jeweils ein Einblick zu wichtigen Punkten gegeben.

Schlüsselwörter: Osteoporose, Osteoarthritis, Knochenmetabolismus, oxidativer Stress, Glykolysierungsprozesse, Advanced
Glycation End Produkts (AGEs); chronische Inflammationen,
Homocysteinämie, Alterungsprozesse, sekundäre Pflanzenstoffe (Phytochemicals), Phytoöstrogene, Calcium, Vitamin D

Zitierweise
Seebauer W. Osteoporose im Kontext von Ernährungsfaktoren.
OUP 2015; 11: 509–521 DOI 10.3238/oup.2015.0509–0521

Abstract: In osteoporosis glycation processes with the formation of Advanced Glycation End Products (AGEs) are playing a pathogenetic role to cell structures of the bone (AGEs affects the mechanical properties of tissue – disturbs bone remodeling and raises degeneration). This has far-reaching impacts and can develop together with the oxidative stress a cascade of disease-promoting reactions even possible as vicious circle. In this respect, osteoporosis should be seen in a larger context of systemic pathophysiology same as various processes in the pathology of osteoarthritis. Chronic diseases always require integral primary prevention or in case of secondary prevention a holistic intervention. This complementarily includes the adjustment of the diet and the adequate supplementation of nutrients if necessary.

More attention in particular should get the phytochemicals (phytochemicals) in the diversity of their natural matrix. They play very important roles in the reduction of oxidative stress and of increased inflammation as well for the compensation of many other risks (anticarcinogenic, antithrombotic, anti-atherogenic, etc.). The focus of the article is devoted to the influence of nutrition with issues in the context of systemic inflammatory and metabolic factors affecting bone metabolism (with importance also for osteoporosis). In this paper should give an insight to important points of the very complex issues.

Keywords: osteoporosis, osteoarthritis, bone metabolism, chronic inflammations, oxidative stress, processes of glycation, advanced glycation end product (AGEs); homocysteinemia, aging, primary phytonutrients (phytochemicals), phytoestrogens, calcium, vitamin D

Citation
Seebauer W. Osteoporosis in the context of nutritional factors.
OUP 2015; 11: 509–521 DOI 10.3238/oup.2015.0509–0521

Vitamin D

Die Rolle von Vitamin D (Colecalciferol) als Prohormon wird an dieser Stelle nur noch marginal behandelt, da sie hinreichend bekannt ist und ohnehin bei der Thematik Ernährung im Hintergrund steht. Nur ca. 10–20 % des Vitamin D werden üblicherweise über die Ernährung zugeführt (DGE Schätzwerte); bei sehr hohem Fischverzehr kann dies zwar deutlich mehr sein, doch das entspricht nicht den Verzehrgewohnheiten der Bevölkerung. Somit sind die Vitamin-D-Versorgung durch den Sonnenkontakt auf der Haut und die dadurch induzierte endogene Produktion entscheidend. Vitamin D wirkt sich viel mehr als nur über die Funktionen beim Calcium- und Phosphatstoffwechsel auf die Gesundheit aus, an dieser Stelle wird jedoch nur die Thematik der Osteoporose behandelt.

Die International Osteoporosis Foundation (IOF) empfiehlt in ihrem Positionspapier 2010 als Ziel für Senioren ab dem 60. Lebensjahr einen Serumschwellenwert für Vitamin D von ? 75 nmol/l (meist 800–1000 IE/Tag; entsprechen 20–25µg/Tag) für eine optimale Frakturprophylaxe [1]. Die DGE gibt nach epidemiologischen Auswertungen in Ihrer Stellungnahme von 2011 für Männer und Frauen ohne ausreichende endogene Vitamin-D-Synthese 20 µg/Tag (800 IE/d) als angemessen an [2]. Basierend auf Daten aus doppeltblind randomisierten Studien resümieren Bischoff-Ferrari und andere Experten bei nichtverebralen Frakturen (n = 42.279), dass die optimalen Serumwerte zwischen 75–110 nmol/l (30–44 ng/ml) den größten Benefit hinsichtlich der Fraktur-Prävention zeigten (sowie auch hinsichtlich der Herzkreislauf-Gesundheit und der Prävention gegenüber Kolon-Rektal-Krebs). Dafür seien orale Supplementationsdosen zwischen 1800–4000–IE Vitamin D täglich notwendig. Weitere Studien zu Umweltfaktoren und mit größeren Kohorten müssten allerdings durchgeführt werden, um die Dosen für das Erreichen dieser Serumwerte besser definieren zu können [3].

Nur über eine nähere Ernährungsanalyse (z.B. Wochenprotokoll) und die Analyse des Sonnenkontakts auf der Haut kann man die Vitamin-D-Versorgung besser abschätzen. Letztendlich gibt die Blutserumbestimmung eine verlässliche Orientierung, die auch weitere Regulationsmechanismen zur den aktiven Formen (Calcitriol) beurteilen lassen. Zur Steuerung der komplementären Gabe von Vitamin D zu Therapiezwecken sollten die Serumwerte zu verschiedenen Jahreszeiten bestimmt werden.

Wie viel Sonnenkontakt auf der Haut ist für die endogene Vitamin-D-Produktion notwendig (Holick-Formel)? Die Ursachen des (in den Ländern nördlich des ca. 51. Breitengrads) verbreiteten Vitamin-D-Mangels in der Winterzeit sind bekannt. Nicht nur die teils fehlende Sonne auf der Haut wirkt sich negativ aus, auch der Einstrahlungswinkel der Sonnenstrahlung bei Hautkontakt im Winter. Selbst in der Sommerzeit haben viele Menschen eine inadäquate Vitamin-D-Produktion über die Haut [4, 5]. Manche Experten beschreiben sogar nördlich und südlich ab dem 33. Breitengrad in der Winterzeit eine zu geringe Vitamin-D-Produktion durch den Sonnenstand und die Haut-Sonnenkontakt-Zeit [6].

Holick und andere Experten empfehlen zudem zur Prävention und Förderung der Knochengesundheit in unseren Kulturkreisen mindestens 30 ng/ml; 75nmol/l Serumwert und betonen dazu, dass es nicht bekannt ist, ob dies auch für die Gesundheitsförderung außerhalb der Knochenthematik ausreichend ist. Abhängig vom Lebensalter und anderen gesteigerten Erfordernissen, wie z.B. in der Schwangerschaft und Stillzeit, werden unterschiedliche Dosisempfehlungen gegeben (s. unten).

Wie viel Sonne für Vitamin-D-Produktion in der Haut ausreicht, kann nach der Holick-Formel abgeschätzt werden [7]. Vereinfacht ausgedrückt: Sonnenexposition auf der Haut täglich (oder mindestens 3-mal pro Woche) auf 25 % der Körperfläche (z.B. Arme, Beine, Gesicht) in einer Dosis von 25 % der Erythemschwelle (Rötungszeit) . Zu beachten ist, dass die Rötung verzögert eintritt. Auch das lässt sich abschätzen. Wenn aus Erfahrung z.B. nach 40 Minuten eine leichte Rötung eintritt, wären 10 Minuten auf 25 % der ungeschützten Hautfläche das Maß (z.B. auf beide Arme und Beine plus Gesicht). Das ist je nach Hauttyp (bei Einteilung von 6 Hauttypen) unterschiedlich und wird durch verschiedenste Begleitfaktoren mitbestimmt (Sonnenschutzcreme, Vorbräunung etc.). Die meisten Menschen in Mitteleuropa entsprechen dem Hauttyp 3 (ca. 80 % der deutschen Bevölkerung).

Supplementationsempfehlungen nach Alter in der
Primär- oder Sekundärprävention

Folgende Vitamin-D-Dosis wird täglich für die Primärprävention empfohlen (bei Säuglingen supplementiert, in den anderen Altersgruppen über die endogene Produktion, die Nahrung und ggf. Supplementation ergänzt):

0–1 Jahr: 400 IE Vitamin D/Tag,

1–18 Jahre: 600 IE/Tag,

19–50 Jahre: 600 IE/Tag,

Schwangere: mindestens 600 IE/Tag,

> 50: mindestens 600–800 IE/Tag.

Für alle Bereiche wird darauf hingewiesen, dass eher höhere Dosen (wahrscheinlich 1500–2000 IE/Tag) notwendig sind, um die Serumwerte von 30 ng/ml zu erreichen [6].

Bei notwendiger Therapie bei Osteoporose oder anderen Erkrankungen (auch komplementär im Kontext diverser Medikationen) werden noch deutlich höhere tägliche Dosen empfohlen, um die mindestens 30 ng/ml Serumwert zu erreichen. Schon bei Kindern sieht man bei notwendiger Therapie die Indikation von 50.000 IE einmal die Woche über 6 Wochen bis zum Erreichen der 30 ng/ml und danach folgend zwischen 400–1000 IE/Tag; bei Erwachsenen ebenso 50.000 IE einmal die Woche, jedoch über ca. 8 Wochen (Ziel 30 ng/ml) und danach 1500–2000 IE/Tag. Bei Patienten mit Malabsorptions-Syndrom oder Therapien, die den Vitamin-D-Metabolismus beeinträchtigen, werden sogar 6000–10.000 IE/Tag bis zum Erreichen der 30 ng/ml Serumlevel und danach folgend zur Erhaltungstherapie 3000–6000 IE/Tag empfohlen [6].

Anmerkung: In der Therapie sind, noch mehr als in der Prävention, letztendlich die Serumlevel das Maß der Orientierung.

Beispiele des Vitamin-D-Gehalts in Lebensmitteln (Nährwerttabelle Universität Hohenheim, µg je 100 g des Lebensmittels): Hering 27; Forelle geräuchert oder Sardelle 20; Lachs frisch 16; Thunfisch 4,5; Rotbarsch 2,3; Ei 2–3; Steinpilze oder Pfifferlinge getrocknet 23 bzw. 21, Champignon 2. Außer in getrockneten Pilzen ist der Vitamin-D-Gehalt in Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft (ohne Zusatz bei verarbeiteten Lebensmitteln) sehr gering. Um 800–1000 IE Vitamin D täglich über die Nahrung zuzuführen, müsste man z.B. täglich ca. 100 g Hering konsumieren.

Homocystein und Osteoporose

Mit einer Homocysteinämie beobachtet man eine Dysbalance zwischen der Aktivität von Osteoblasten und Osteoklasten mit einer verstärkten Aktivität der Osteoklasten; infolgedessen sieht man eine Korrelation zur Osteoporose und dem Frakturrisiko [8, 9]. Ferner erhöht eine Homocysteinämie die Aktivierung von NFkB und von prooxidativen Faktoren (oxidativer Stress), ebenso von Metalloproteinasen, die gleichfalls Zellstrukturschäden steigern können. Ein Mangel an B-Vitaminen (Vitamin B9, Folsäure, Vitamin B12, Cyancobalamin, und teils auch Vitamin B6, Pyridoxin) ist häufiger mit erhöhten Homocysteinwerten korreliert, weshalb in diesem Kontext oft die Supplementierung mit B-Vitaminen empfohlen wird.

Die D.A.C.H.-Liga-Homocystein rät in ihrem Konsensuspapier [10], bereits bei mild erhöhtem Homocystein-Wert (intrazellulär ab 12 µmol/l) zu einer Low-Dose-Ergänzung mit ca. 0,2–0,8 mg Folsäure, 3–100 ?g Vitamin B12 und 2–25 mg Vitamin B6.

Senken von Risiko-Surrogatparametern reicht nicht

Obwohl die erhöhten Homocysteinwerte mit Osteoporoserisiken korrelieren und sich im größeren Kontext pathophysiologisch Zusammenhänge erklären lassen, und obwohl durch die zusätzliche Verabreichung von B-Vitaminen (vor allem Folsäure und Vitamin B12) Homocysteinwerte gesenkt werden können, zeigte sich durch die Supplementierung auch hinsichtlich der Prävalenz von Osteoporosefrakturen kein signifikanter Benefit. Die B-Vitamine spielen beim Knochenstoffwechsel eine Rolle, dennoch ist es offensichtlich, dass deren isolierte Supplementierung weder die Osteoporose noch deren Frakturen signifikant reduzieren kann.

In einer klinischen Studie (RCT-Design) erhielten 2919 Frauen (Holland) > 65 Jahre mit erhöhten HCY-Werten 500 µg Vitamin B12 plus 400 µg Folsäure oder Placebo für 2 Jahre (beide Gruppen supplmentierten zusätzlich 600IE Vitamin D3/Tag). Das Frakturrisiko in der Interventionsgruppe konnte insgesamt nicht signifikant gesenkt werden. Lediglich bei den > 80-Jährigen sank es, allerdings stiegt die Krebsinzidenz gegenüber der Placebogruppe an [16]. Anmerkung: Nähere Zusammenhänge zur Krebsinzidenz wurden nicht untersucht, womit dies nicht mit der Supplementierung korreliert werden kann.

Auch eine größere RCT-Intervention in Neuseeland mit 8164 Frauen (mit Schlaganfallanamnese), im Altersdurchschnitt von 62,6 Jahren, zeigte bei noch höheren täglichen Supplementierungsdosen über 2,8 Jahre (2 mg Folsäure, 25 mg Vitamin B6 und 500 µg Vitamin B12) verglichen zu Placebo keine signifikanten Effekte (höchstens einen geringen Trend) hinsichtlich der Reduktion von Osteoporosefrakturen während eines Follow-ups über 3,4 Jahre. [17].

Durch die Senkung einzelner Surrogatparameter für Erkrankungsrisiken, wie es mit den B-Vitaminen im Falle des Homocysteins möglich ist, erzielte man auch in anderen Bereichen keinen ausreichenden Benefit an Endpunkten. So z.B. im Handlungsfeld der Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Unabhängig davon, dass große Studien (NORVIT, VISP, HOPE-2) zur Untersuchung der Senkung des Homocysteinspiegels und damit korrelierender kardiovaskulärer Erkrankungen Schwierigkeiten hatten, mit Studiendesigns durch die Nahrungs-Ergänzung von B-Vitaminen (Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12) an Endpunkten in der Sekundärprävention positive Effekte nachzuweisen [18–21], soll an dieser Stelle ein anderer Punkt verdeutlicht werden.

Es ist evident, dass diese B-Vitamine erhöhte Homocysteinwerte signifikant senken können und damit auch plausibel bestimmte Risiken der kardiovaskulären Erkrankungen senken (in der Primärprävention wahrscheinlicher als in der Sekundärprävention). Doch wesentlich ist viel mehr die holistische Betrachtung. Nicht alleine in diesem Bereich wird deutlich, dass die Lösung nicht in der Senkung einzelner Risiko-Surrogatparameter liegt, sondern jeweils komplexer im Kontext der Gesamthomöostaste gedacht werden sollte. Zudem sollte man die Effekte im Rahmen der Primärprävention mehr beachten und mehr untersuchen (was zu selten ausreichend geschieht).

In der Primärprävention gegenüber Schlaganfällen (Metaanalyse aus 13 klinischen Studien mit über 39.000 Teilnehmern) zeigt sich ein geringer signifikanter Benefit (RR 0,89 p = 0,03) bei der Kombination von Folsäure mit weiteren B-Vitaminen [22]. Auch zeigten die Metaanalysen der Cochrane Gruppe, dass Folsäure mit und ohne Vitamin B12 kognitive Aspekte älterer Menschen positiv beeinflussen (auch wenn das HCY erhöht war), doch mehr Studien sind dazu erforderlich [23].

Diese und weitere Metaanalysen zeigen bei systemischer und nicht symptomorientierter Betrachtung im einzelnen medizinischen Fachgebiet, dass es viele plausible Erklärungen gibt, wie mit den Nährstoffen Risiken reduziert werden und die Leistungsfähigkeit zu steigern ist.

Es wird deutlich, dass die Lösung nicht in der Supplementation von einigen wenigen Nährstoffen liegt. Und selbst wenn für manche Bereiche eine orthomolekularer Therapie sinnvoll ist, für die meisten Bereiche der Prävention sind wesentlich mehr Faktoren als nur die Nährstoffe der Nahrung notwendig, um die Erkrankungsrisiken signifikant zu senken.

Es ist selbstverständlich, dass die B-Vitamine nur einen kleinen Teil der notwendigen Mikronährstoffe ausmachen. Bei weit über 12.000 Sekundären Pflanzenstoffen (Phytochemicals), die eine wesentlich höhere antioxidative Potenz haben (verglichen zu den diesbezüglich potentesten Vitaminen), erklärt sich dies bereits dadurch. Die Phytochemicals haben zudem viele weitere wichtige Funktionen (antikanzerogene, antiinflammative, antithrombotische, immunmodulierende etc.). Es sollte beachtet werden, dass sie vor allem in der natürlichen Matrix unserer Nahrung zusammen mit den Vitaminen und Spurenelementen mannigfaltige Schutzfunktionen ausüben. Die Supplementierung von nur wenigen Nährstoffen kann naturgemäß die Wirkungen der komplexen Matrix nicht erreichen. Auch ist zu bedenken, dass die Low-Dose-Konzentrationen der Mikronährstoffe in ihrer Vielfalt einerseits synergistisch mehr und wichtigere Funktionen ausüben als Einzelstoffe oder Kombinationen von wenigen Stoffen, andererseits diese Low-Dose-Komposition in unseren Grundnahrungsmitteln auch nicht die toxischen Effekte haben, wie sie durch isolierte Hochdosis-Supplementierung entstehen können.

Im folgenden ein paar Beispiele zur Komplexität von Zusammenhängen bei Osteoporose, Arthritis und weit darüber hinaus im Themenfeld der Ernährung.

Einfluss von Glykierungsprozessen

Als Risikosurrogat einer höheren Knochenumsatzrate kann auch Pentosidin gesehen werden [24]. Pentosidin gehört zu den Advanced Glycation End Products (AGEs). AGEs wirken proinflammatorisch und erhöhen den oxidativen Stress. Der Glucosemetabolismus im Zusammenhang mit Vitamin-K-Funktionen könnte nach solchen Hinweisen ebenfalls beim Knochenstoffwechsel eine Rolle spielen, die in Zukunft besser zu untersuchen ist.

Als Advanced Glycation Endproducts (AGEs) werden glykierte Reaktionsprodukte von Proteinen, Lipiden und Nukleinsäuren mit Kohlenhydraten bezeichnet. Im Wesentlichen sind es Fruktose, Galaktose und Glukose, die im Falle bestimmter metabolischer Situationen mit körpereigenen Strukturen reagieren und als Risikomoleküle eingestuft werden können (auch für forcierte Zellalterungsprozesse sind sie mitverantwortlich).

Man kann zwischen exogen aufgenommenen und endogen gebildeten AGEs unterscheiden. Die endogene Bildung mit der höheren Konzentrationen an AGEs im Serum resultiert vor allem aus einem erhöhten Blutzucker und korreliert somit mit Ernährungsformen mit einem höheren Anteil an Kohlenhydraten mit hohem glykämischen Index (GI) in Verbindung mit zu geringer physischer Aktivität. Die Kohlenhydrate mit einer moderaten oder niedrigen glykämischen Last (slow carbs) sind damit nicht gemeint und müssen differenziert betrachtet werden. Die Fruktose (obwohl sie keinen hohen GI hat) hat dabei allerdings nicht wie früher oft gedacht ein geringeres Risiko, sie wirkt hinsichtlich der AGE-Bildung stärker als die Glukose [25].

Auch die Kohlenhydrate aus Getreide können AGEs bilden, wenn sie im Übermaß konsumiert werden (vor allem in Weißmehlprodukten). Da meist Weizen verarbeitet wird, ist dieser als AGE-Bildner stark aktiv, wenn wiederum daraus ein unverhältnismäßiger Blutzuckeranstieg folgt (z.B. infolge mangelnder physischer Aktivität). Die Art der „Ballaststoffe“ bzw. Stärke (Form der resistenten Stärke) und somit die Geschwindigkeit der Resorption spielt immer eine wichtige Rolle. Die resistente Stärke 1 (RS1), die mehr in Vollkornprodukten oder Hülsenfrüchten enthalten ist, wirkt sich positiv aus, indem sie langsamer verdaut wird und der Blutzuckerspiegel nicht schnell steigt. Das Amylopektin (glykosidisch gebundene Glukoseketten) der Kartoffel oder des Weizens u.a. Getreides (vor allem des ausgeschroteten Korns in Form von Weißmehlprodukten) wird durch die Amylase am schnellsten resorbiert und metabolisiert, womit die Kohlenhydrate des Korns im Überfluss auch zur Glykolisierung anderer Stoffe bzw. Strukturen führen.

Die hohe Dosis solcher Kohlenhydrate (fast carbs) in Lebensmitteln als auch die vielen Zuckerzusätze von Mono- oder Disacchariden können den gesamten Metabolismus in Dysbalance bringen. Nicht nur die Folgen von zunehmendem Übergewicht und Adipositas, vom Metabolischen Syndrom und Diabetes hängen damit zusammen; durch die im Übermaß gebildeten endogenen AGEs [26] als auch die Einschränkungen verschiedenster metabolischer Funktionen entstehen vermehrt oxidativer Stress und chronische Entzündungen [27–29], die sich gegenseitig fördern. Auch die vielfältigen Funktionen einer gesunden Darmflora bei der Immunabwehr und Immunmodulation, bei der Detoxifikation von Xeneobiotika, bei Resorptionsbedingungen von Nährstoffen und vielem mehr, werden dadurch beeinträchtigt.

Der Umgang des Organismus mit den über die Nahrung aufgenommenen AGEs hängt einerseits von den Kompensationsressourcen und somit auch von den bereits endogen produzierten Mengen ab, andererseits von der Komposition der Lebensmittel. Auch Lebensmittel tierischer Herkunft wie Fleisch (besonders Wurstware sowie Käse enthalten viele AGEs.

Die Zubereitungs- bzw. Verarbeitungsform per se kann wesentlichen Einfluss darauf nehmen, welche Toxine zusätzlich entstehen (z.B. polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Acrylamid, Acrolein, Furan, Transfettsäuren, Nitrosamine, Chlorpopanole, Lysinalanine, Ethylcarbamat, etc.); bereits die sich akkumulierenden Zusätze von Salz und Zucker sollten im Zusammenhang sich summierender negativer Effekte beachtet werden.

Was die AGEs betrifft, steigt das Risikopotenzial wie bei anderen Verarbeitungsprozessen von Lebensmitteln vor allem auch durch starkes Erhitzen (Frittieren, Grillen, Braten, langes Kochen); so kann der AGE-Gehalt um ein Vielfaches erhöht werden. Allgemein sind die Lebensmittel auch AGE-reicher, wenn sie viele gesättigte Fettsäuren enthalten.

Ein lange bekannter Surrogatparameter zur Bestimmung eines endogenen Glykationsprodukts ist das Glykohämoglobin (HbA1c). Heute gibt es erweiterte Bestimmungsmethoden, die auch exogene Glykolisationsprodukte sowie die Glykierung der Nukleinsäure besser erfassen können; und zwar nicht nur die Glukose-, sondern auch die Fruktose- und Galaktose-modifizierten Strukturen.

Aus dem gesamten Kontext wird deutlich, dass die AGEs an der Pathogenese verschiedener chronischer Erkrankungen beteiligt sind, wie dem Diabetes und den Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch der Osteoporose [30], und der Arthritis [33–35] (Abb. 1).

Die Gabe von Biphosphonaten zur Prävention von Osteoporosefrakturen ist wirksam, doch wegen potenziell schwerer Nebenwirkungen (Kiefernekrosen, atypische Femurfrakturen) und dem erhöhten Risiko für Ösophaguskarzinome sollten diverse Aspekte berücksichtigt werden [31]. Möglicherweise ist die Akkumulation von AGEs auch bei diesen unerwünschten Nebenwirkungen beteiligt, indem sie das Ausmaß der Hemmung der Osteogenesis bei erhöhtem Knochenabbau mitbestimmen [30].

Auch die Steigerung der Arthritis-Prävalenz wird im Zusammenhang mit den AGEs gesehen. Sowohl proinflammatorischen Prozesse, als auch die gesteigerten Immunreaktionen sowie direkt auch der erhöhte Abbau von Kollagen II durch die AGEs forcieren die Pathogenese [33, 32, 34].

AGEs steuern diverse Signalwege der Zellen, des Metabolismus und von Detoxifikationen über das Lysomalsystem. An spezifischen Rezeptoren erfolgen sog. AGE-RAGE-Interaktionen über zahlreiche Signalkaskaden, wie z.B. Jak/Stat (Signalweg z.B. in der Transkription und Zellproliferation, bei Cytokinreaktionen, etc.), Enzymreaktionen im Oxidationsprozess (z.B. über die NADPH-Oxidase), über MAPK = mitogen activated protein kinasen (Regulation der Zelldifferenzierung, Zellproliferation als auch Apoptose) etc. und die Aktivierung von zentralen Transkriptionsfaktoren wie dem NFkB als wesentlicher Modulator von Entzündungsreaktionen und Immunreaktionen [33, 34].

In der Pathogenese sieht man, dass die übersteigerte Glykierung und somit die AGEs sowohl zahlreiche Funktionen von Enzymen und Zellfunktionen als auch Stoffwechselprozesse beeinträchtigen. Die Bindung an spezielle AGE-Rezeptoren (RAGE) z.B. auf proinflammatorischen Cytokinen führt über die Interaktion mit dem NFkB zu übersteigerten und systemischen Entzündungen; in Makrophagen werden z.B. IL1, IL6, TNF-? und Insulin-like-growth-factor-1 (IGF-1) angeregt, was zum einen die Entzündungen steigert aber auch als prokanzerogene Faktoren evident ist. Neben den Entzündungen resultiert gesteigerter oxidativer Stress als auch nitrosativer Stress. Durch die gegenseitigen Induktionen kann so ein Circulus vitiosus entstehen.

Ein weiterer Teufelskreislauf entsteht auch hinsichtlich der Steigerung der Insulinresistenz durch zahlreiche dieser Faktoren, worüber dann wiederum die Hyperglykämie bei der üblichen Ernährung und dem üblichen Lebensstil zunehmend häufiger und stärker ausfällt. Dabei ist nicht nur das Risiko zum Diabetes gesteigert sondern auch noch die Progredienz der Ausprägung, denn das Myelin der Neuronen ist besonders anfällig gegenüber der Glykierung und dem oxidativen, respektive nitrosativen Stress. Letztendlich ist auch das Risiko gesteigert, an Morbus Alzheimer zu erkranken [35, 36].

Resümierend kann man feststellen und betonen, dass bestimmte Faktoren, die die Osteoporose und Osteoarthritis mitbedingen und verstärken können, auch für die Pathogenese verschiedener anderer Erkrankungen mitverantwortlich sind. Die Nahrung muss in diesem Zusammenhang nicht nur als Lieferant von Nährstoffen (z.B. Calcium und einen Teil des Vitamin D sowie Vitamin K und B-Vitaminen mit allen ihren Funktionen im Knochenstoffwechsel) betrachtet werden, sondern auch als Quelle potenziell negativer Effekte. Nahrungsmittel, die hohe exogene AGE-Konzentrationen liefern oder die endogene AGE-Produktion anregen, können auch akut die arteriellen Durchblutungsverhältnisse beeinträchtigen (postprandiale endotheliale Dysfunktion), wesentlich sind jedoch vor allem die negativen Effekte auf den Stoffwechsel und Immunreaktionen sowie die Schädigung verschiedener Zellstrukturen.

Auch die Fettsäuren können in gleichem Maße die
Erkrankungsrisiken erhöhen

Nicht nur die Kohlenhydrate, auch Fettsäuren können sich im gleichen Kontext schädigend auswirken, da auch sie oxidativen Stress, Inflammationen und Zellschädigungen mitverursachen können. Die Rolle verschiedener Fettsäuren mit ihren ebenfalls potenziell entzündungs- und oxidativen Stress fördernden Effekten sei hier nur am Rande genannt. Der Aarachidonsäuremetabolismus und inflammatorische Prozesse hängen eng zusammen und Lipiperdoxidationen im Rahmen von oxidativem Stress führen häufig zur gesteigerten Produktion zytotoxischer, immunogener, vasoaktiver und proinflammatorischer Faktoren (spezifischer Prostaglandine, Leukotriene und Thromboxane). Zuviel Arachidonsäure kann aus der direkten Zufuhr hoher Dosen aus Lebensmitteln resultieren (besonders aus fettreichen Fleischprodukten, Schmalz oder Eigelb) oder indirekt über die Synthese aus Omega-6-Fettsäuren, womit auch bestimmte pflanzliche Öle mit einem zu hohen Omega-6-Fettäurenanteil (z.B. Distelöl, Sonnenblumenöl, Maiskeimöl) Quellen von zu hoher Aarachidonsäure und proinflammatorischen Prozessen sein können. Die o.g. postprandiale endotheliale Dysfunktion wird durch den einseitigen Konsum von Fetten auch erhöht.

Ernährung, Hormone, Cytokine, Knochenstoffwechsel

Die wichtige Rolle von zahlreichen Hormonen am Knochenstoffwechsel ist gut erforscht, z.B.:

hinsichtlich der Synthese von Osteocalcin in den Osteoblasten über Transkription durch den aktivierten Vitamin D-Rezeptor;

der Östrogene als Regulatoren von RANK-Genen bei der Synthese von Osteoblasten sowie der Hemmung von IL-1, IL-6, TNF-? sowie Osteoklasten. (TNF-? fördert die Reifung der Osteoklasten und deren Resorptionsfähigkeit. IL-1 stimuliert aktiviert Osteoklasten und hemmt die Osteoblasten. TNF-? und IL-1 zusammen erhöhen die Apoptosebereitschaft der Osteoblasten [37]. Durch oxidativen Stress (z.B. durch Rauchen) werden um ein Vielfaches höhere IL-1 Cytokine produziert.);

der Hemmung der Transkription von Kollagen- und Osteocalcin-Genen durch Glucocortikoide;

hinsichtlich der Funktionen des Parathormons (PTH) bei der Freisetzung des Calciums aus den Knochen infolge der Aktivierung der Osteoklasten (durch das PTH erfolgt eine gleichzeitige verstärkte Ausschüttung von Cytokinen wie IL-1 und IL-6, welche die Osteoklastensynthese und gleichzeitig deren Aktivität erhöht.

Auch das Schilddrüsenhormon Trijodthyronin (T3) ebenso wie das Wachstumshormonen (IGF-1), das Insulin und weiterer Hormone sind am Knochenstoffwechsel beteiligt.

All dies ist mit Ernährungsfaktoren gekoppelt. Die Zufuhr verschiedenster Nährstoffe ist essenziell für ein funktionierendes endokrines System; eine unausgewogene Ernährung kann eine wichtige Rolle bei der Pathogenese endokrinologischer Erkrankungen haben. Dabei geht jedoch nicht alleine um ernährungsmedizinische Themen bei Erkrankungen, sondern wesentlich auch um die Prävention. Beispielsweise kann die Art der Ernährung auch den Östrogenstoffwechsel und die „Entgiftung“ des Östrogens über einen risikoärmeren Weg steuern. Das hat sicherlich auch Bedeutung bei der Verstoffwechselung in der Hormonersatztherapie bei Wechseljahrbeschwerden, die hinsichtlich Brustkrebs Risiken hat. Dazu braucht es weitere Untersuchungen, doch es ist bereits plausibel, dass man über die Phytoöstrogene aus der Nahrung (nicht in isolierter Form zu Therapien!) über den natürlichen Weg den Östrogenstoffwechsel verbessern kann. Das Östrogen kann über sekundäre Pflanzenstoffe – z.B. aus Brokkoli, Kohlgewächsen und grünem Blattgemüse besser und sicherer verstoffwechselt werden [38–40]. Der Phase-I-Metabolismus von Östradiol und Östron erfolgt über eine Hydroxylierung an verschiedenen Positionen. Der „sichere Weg“ geht über den 2-Hydroxy-Pfad. Der Phase-II-Metabolismus von 2– und 4-Hydroxy-Katechol-Östrogen besteht in einer Methylierung. Diese wird bewerkstelligt durch die Katechol-OMethyltranferase (COMT), welche bzgl. der Methylgruppe von S-Adenosyl-Methionin (SAM) abhängig ist.

Die Hauptdeterminante für den sicheren Östrogenmetabolismus (2-Hydroxy-Pfad gegenüber dem 16-Hydroxy-Pfad) wird durch z.B- Brokkoli und sämtliche Kohlarten, mitbestimmt.

Die Produktion von SAM wird von grünem Blattgemüse mitbestimmt, und je mehr produziert wird, desto besser ist es. Wenn SAM und COMT die Katechol-Östrogene nur langsam entgiften, werden diese zu Östrogen-Chinonen oxidiert und können karzinogene Wirkungen entfalten. COMT ist zusätzlich für die Produktion mehrerer Neurotransmitter (Katecholamine) wie Dopamin, Epinephrin, Norepinephrin und Serotonin verantwortlich. Darüber werden dann Zusammenhänge mit Symptomen des prämenstruellen Syndroms (PMS) vermutet. Während der Tage 18–25 im Menstruationszyklus (in der Lutealphase) wird durch den plötzlichen Anstieg von Östrogen vermehrt COMT verbraucht, wodurch sich die Menge der Neurotransmitter verändern kann, und Symptome des PMS entstehen.

Eine Studie mit 10.786 Frauen zeigte über den 2-Hydroxy-Pfad eine Senkung des Brustkrebs-Risikos um 40 %. Eine weitere Langzeitstudie ergab, dass an Brustkrebs erkrankte postmenopausale Frauen im ausgeschiedenen Urin eine um 15 % niedrigere 2-/16-Hydroxy-Ratio aufwiesen als die Frauen der Kontrollgruppe, und die Frauen mit der höchsten Ratio wiesen ein 30 % geringeres Brustkrebs-Risiko auf.

Die Botschaft: Der Verzehr von Brokkoli und Kohlarten verbessert auch den Östrogenstoffwechsel und reduziert somit Krebsrisiken. Die Orientierung an der Primärprävention über die Natur unserer Nahrung ist der beste Weg, und wenn bereits Defizite bzw. Erkrankungen vorliegen, kann es erforderlich sein, weitere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen sowie andere Maßstäbe anzulegen.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Art der Östrogen-Substitution und der Östrogen-Stoffwechsel ebenfalls entscheidende Faktoren für eine Risikoerhöhung sind oder umgekehrt einen Schutz bieten. Wichtige Erkenntnisse gibt es nun hinsichtlich der Ernährung und weiterer Lebensstilfaktoren, die entscheidenden Einfluss nehmen. Der Konsum von verschiedenem Gemüse und Salaten sowie allgemein von an Antioxidantien reichen Lebensmitteln, wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten (Soja) und grünem Tee, verbessern diverse Stoffwechselsituationen, die auch dem Hormonstoffwechsel zu Gute kommen.

Ferner haben die Darmkeime, deren Zusammensetzung wiederum von der Ernährungsform abhängig ist, einen Einfluss auf die Verstoffwechselung z.B. auch der Phytonutrients (wie Phytoöstrogene) [55]. Das Thema ist sehr komplex und wird an anderer Stelle behandelt.

Weitestgehend sollte eine unausgewogene Ernährung vermieden werden. Unausgewogen heißt: in der Bilanz zu viele einfache Zucker, zu viele Fette [besonders Transfette, gesättigte Fette und Arachidonsäurebildner], zu viel Salz, zu viele Schadstoffe und umgekehrt zu wenige Mikronährstoffe bzw. Bioaktivstoffe (insbesondere sekundäre Pflanzenstoffe)

Die Funktionen der Phytoöstrogene aus der Gruppe der Isoflavone (sekundäre Pflanzenstoffe die gut in Soja vorkommen) machen es plausibel, dass sie auch Auswirkungen auf die Knochengesundheit haben. Die Daten aus Studien sind inhomogen und schwer verwertbar, da die Studien zu diesem Bereich viel zu kurze Laufzeiten hatten. Die Korrelation des Sojakonsums in Asien mit dort wesentlich weniger Osteoporose oder Brustkrebs kann sicherlich nicht alleine einfach durch das Soja erklärt werden. Es gibt zwar diverse Nachweise von positiven Effekten hinsichtlich Knochendichte und Knochenstoffwechsel im Zusammenhang mit den Isoflavonen, doch dürften sie nicht alleine verantwortlich sein, denn ihre isolierte Supplementierung zeigte, wie in anderen Bereichen bei Supplementierung mit isolierten Vitaminen (s. Thema Homocystein, etc.), oft keinen ausreichenden Benefit.

In diesem Kontext ist nochmals zu betonen, dass immer eine Interaktion von tausenden Bioaktivstoffen der Nahrung über eine lange Zeit (möglichst in frühen Lebensjahren begonnen und konsequent konsumiert) erst die entscheidenden Effekte bewirkt. Das schließt nicht aus, dass man auch in späteren Jahren positive Wirkungen durch eine Ernährungsumstellung und die höhere Zufuhr von Bioaktivstoffen aus der Nahrung hat. Dann ist die Wirkung freilich, bei bereits begonnenen oder fortgeschrittenen Verschleißerscheinungen, nicht mehr im Sinne der Prävention nachweisbar und wahrscheinlich erst nach längerer Intervention signifikant feststellbar, wenn zusätzlich auch weitere Faktoren optimiert werden (mehrere Risikofaktoren senken und Schutzfaktoren steigern). Da dies oft nicht optimal umgesetzt wird, sind die Effekte in den Studien teils nicht signifikant. Dies bedeutet allerdings nicht, dass keine Wirkung entfaltet wurde. Es ist eben ein Baustein, der bereits das Gerüst stabilisiert, jedoch alleine nicht für die höheren Belastungen ausreichend optimiert.

Modulation von Enzym-
und Immunreaktionen
durch Phytochemicals

Auch hinsichtlich der Knochengesundheit gilt es, neben der Hemmung übersteigerter COX-2-Expression, besonders das NFkB down zu regulieren.

Wie dargestellt, spielen bei der Osteoporose indirekt und bei der Osteoarthritis direkt, verschiedene Enzym- und Immunreaktionen eine Rolle, die über NFkappaB (NFkB) gesteuert werden. Die Genexpression des Enzyms Clyclooxigenase-2 (COX-2), welches die Arachidonsäure zu Prostaglandinen oxidiert, wird wahrscheinlich auch durch NFkB verstärkt. Diese und viele andere Syntheseprozesse von proinflammatorischen Cytokinen sowie Prooxidantien werden wesentlich vom NFkB gesteuert. NF-kappaB ist an der Transkription von mehr als 400 Genen beteiligt (z.B. Enzymen wie COX-2, 5-LOX, iNOS; und Cytokinen wie TNF, IL 1, IL6, IL8) [42]. Daher ist bei nahezu allen chronischen Erkrankungen (auch bei der Osteoporose und Osteoarthritis) immer die Indikation gegeben, gestörte Transkriptionsprozesse sowie Inflammationen und oxidativen Stress zu reduzieren. Deshalb ist neben der Senkung des Homocysteins wiederum an die Rolle von Antioxidantien zu denken (besonders auch Phytochemicals bzw. sekundären Pflanzenstoffe).

Da über den oxidativen Stress Kaskaden übersteigerter Expression von z.B. TNF-? IL1 angeregt werden, und weil in diesem Kontext auch über den MAP-Kinase-Weg (MAP mitogen-activated protein) eine Kaskade sich selbst verstärkender inflammatorischer sowie wiederum prooxidativer Prozesse folgen kann [43], gibt es weitere Ansätze, welche die Knochendestruktion im Rahmen von oxidativem Stress erklären und den erhöhten Bedarf von Phytochemicals aus der Nahrung als Gegenspieler plausibel machen. Im gleichen Kontext lässt sich über die Stickstoffmonoxid Oxydase (iNOS) die Beteiligung an der Zerstörung der extrazellulären Matrix und an der gesteigerten Knorpel-Resorption sowie die gesteigerte Knochenbildung erklären [44, 45].

NFkB Down-Regulierung durch Phytochemicals

Die Phytochemicals aus unserer Nahrung sind wirksam sowohl bei der Downregulierung des NFkB als auch bei der Reduktion übersteigerter Expression zahlreicher proinflammatorischer Cytokine (IL1, IL6, etc.), sowie der Reduktion von an Entzündungsprozessen beteiligten Enzymen (z.B. COX-2). Dies wurde häufig nicht im Kontext der Knochengesundheit untersucht, doch wie oben dargestellt, spielen die gleichen pathogenetischen Mechanismen respektive notwendigen Interventionsmaßnahmen gleichwohl bei der Knochengesundheit eine Rolle. Diverse Aspekte der Forschungsdaten können auf Knochen-Gelenk-Problematiken übertragen werden. [46–58].

Weitere positive Wirkungen der Phytochemicals

Erwähnenswert ist auch, dass die Phytochemicals Entgiftungsprozesse positiv modulieren – die Phase-I- und Phase-II- Detoxifikation, wofür z.B. bei medikamentösen Therapien ein erhöhter Bedarf besteht. Sie nehmen ferner Einfluss auf die genetische Variation (SNIPS) der Nährstoffresorption, Verdauung, Biotransformation und Ausscheidung von Stoffwechselabfallprodukten [59]. Phytochemicals können sogar im Rahmen der Epigenetik ungünstige Genpolymorphismen still schalten und z.B. auch die Alterung bremsen, den Energiestoffwechsel optimieren, die zelluläre Stressresistenz erhöhen, die Apoptose von Krebszellen erhöhen und die Reparatur von DNA-Brüchen verbessern [60, 63].

Besonders die Isoflavone aus Soja (Phytoöstrogene) wie Genistein oder Daidzein können wohl diverse Erkrankungsrisiken bei Frauen in der Postmenopause senken. Die vermutete Erhöhung von Brustkrebs hat sich nicht bestätigt, es zeigt sich sogar eine Risikosenkung bzw. höhere Überlebensrate bei Brustkrebspatientinnen. Die Reduktion der Osteoporoseprävalenz scheint durch die Isoflavone zwar gefördert zu werden, doch dazu muss bereits in jüngeren Jahren ein Konsum von Sojaprodukten über viele Jahre stattgefunden haben, so wie es in Asien üblich ist [64].

Isoflavonoide können sowohl östrogene als auch antiöstrogene Wirkungen entfalten. Da die Östrogene bei der Frau effektiv zur Knochengesundheit beitragen, setzt man schon länger auch Phytoöstrogene zur Osteoporose-Fraktur-Prophylaxe ein. Die Studienergebnisse dazu sind jedoch inhomogen (u.a. wegen der Schwierigkeit der Effektfeststellung bei zu kurzer Laufzeit). Bei Frauen vor der Menopause zeigte sich kein Effekt [61], bei Frauen nach der Menopause gab es unterschiedliche Ergebnisse [62]. Auch hier ist die Supplementierung mit isolierten Stoffen meist keine Lösung und weitere Ernährungs- und Lebensstilfaktoren sind notwendig, um einen signifikanten Benefit auch innerhalb kürzerer Zeit zu sehen. Wie erwähnt spielt bei den Isoflavonen auch die Interaktion mit der gesunden Darmflora eine Rolle [55]. Das verdeutlicht, dass gleichzeitig eine längerfristige Behandlung einer Dysbiose notwendig sein kann.

Im Tierversuch zeigten Phytochemicals aus Trauben bei Ratten eine Verbesserung der Knochenmineralisierung [65]. Prospektive Studien wie die Scarborough-Fair-Studie mit Frauen im mittleren Lebensalter untersuchen gezielt den Obst und Gemüsekonsum hinsichtlich der Knochengesundheit. Die Studienergebnisse stehen noch aus. Die Framingham-Studie in Boston zeigt, dass Karotinoide (Gruppe der Phytochemicals) die Knochendichte im Trochanter signifikant steigern konnten [66].

Braucht man Kuhmilch
für eine gute Calciumversorgung?

Milch und Milchprodukte sind ein wertvoller Beitrag zur Ernährung, wenn keine Allergie oder Intoleranz (Laktoseintoleranz) besteht. Sie sind gute Quellen für Calcium, doch man benötigt nicht zwingend Milch oder Milchprodukte für eine gute Calciumversorgung.

Zwar ist die Osteoporoseinzidenz bei niedrigem Konsum von Milchprodukten in unseren Kulturkreisen höher, doch man kann sich auch ohne Milchprodukte ausreichend versorgen (s.u. Fazit Empfehlungen zur Prävention). Dies wird besonders gut durch andere Kulturkreise erkennbar, in denen keine oder kaum Milchprodukte konsumiert werden, und in denen nicht mehr, sondern häufiger sogar weniger Osteoporose vorkommt.

Trotz der guten Möglichkeiten zur ausreichenden Calciumversorgung stellt man bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Deutschland einen Calciummangel fest (Ernährungsbericht 2008 DGE (02/2009). Der Ernährungsbericht nach Daten des Robert Koch-Instituts stellt fest, dass Kinder und Jugendliche im Alter von 1 bis unter 18 Jahren teils zu viel Proteine zu sich nehmen und, gemessen an den D-A-CH-Referenzwerten, zu wenig Vitamin D und Vitamin E sowie für Folat, Ballaststoffe, Calcium und Eisen (bei Mädchen). Auch alte Menschen (Untersuchungen an Heimbewohnern) zeigten eine deutlich zu niedrige Zufuhr von Vitamin E, Vitamin C, Folat, Calcium und Magnesium. Die geringere Calciumzufuhr im Alter wirkt sich zusätzlich stärker aus, weil mit zunehmendem Alter auch die Calciumresorption sinkt [67].

Auch die Vitamin-D-Versorgung älterer Menschen ist oft u.a. wegen weniger Aufenthalten in der Sonne geringer. Eine Multicenterstudie in mehreren europäischen Ländern zeigte, dass bei der Untersuchung des Vitamin-D-Serumwerts von 8532 Frauen > 80 Jahren bei 80,9 % der Frauen der Serumspiegel < 75 nmol/l (30ng/ml) lag und bei 44,5 % der Frauen unter 50 nmol/L (20 ng/ml). Von Patienten mit Vitamin-D- und Calcium-Supplementation lagen die Werte im Mittel bei 65,2 nmol/l und bei alleiniger Vitamin-D-Supplementation bei 50,3 nmol/l. Die Zielwerte von > 75 nmol/l werden somit selten erreicht.

Ein zunehmender Trend der Annahme, man sei laktoseintolerant (durch Medientrends gefördert, oder fehlinterpretiert durch Magen-Darm-Problematiken) führt dazu, dass eine zusätzliche gute Quelle von Calcium ausgeschlossen und die ohnehin knappe Versorgung infolge unausgewogener Ernährung noch erschwert wird. Verschiedene Intoleranzen wie gegenüber Laktose oder Fruktose beruhen teils nicht auf einer primären Intoleranz, sondern auf einem Zusammenspiel von mehreren ungünstigen Faktoren, die an der Darmschleimhaut zu chronischen subklinischen Entzündungen und einer Permeablitätsstörung (Leaky Gut) führen und somit die Toleranzschwelle auch gegenüber der Laktose senken können.

Manifeste chronische Darmentzündungen infolge bestimmter Krankheiten und/oder bestimmte Nebenwirkungen von Therapien erhöhen die
sekundäre Laktoseintoleranz. Untersuchungen zeigen, dass laktoseintolerante Menschen in unseren Kulturkriesen ca. 50 % weniger Calcium zu sich nehmen als laktosetolerante Menschen [68].

Gerade Defizite der Calciumzufuhr im Kindes- und Jugendalter beeinträchtigt den Aufbau der optimalen maximalen Knochendichte (peak bone mass), die man als „Reserve“ nach dem 30. Lebensjahr benötigt. Hinzu kommt die mangelnde physische Aktivität, bei größeren Bevölkerungsgruppen schon im Kindesalter und im steigenden Alter zunehmend.

Calcium

Je besser die Calciumversorgung vor allem in jungen Jahren, desto niedriger ist das Osteoporoserisiko (Primärprävention). Auch in der Sekundärprävention bei Osteoporosepatienten senkt die Calciumsupplementation die Frakturhäufigkeit. Die Dosis der Supplemenierung sollte 1,2–1,5g/Tag nicht überschreiten (hohe Dosen zeigten Korrelation zu Krebsrisiken [70]: Calciumsupplemente von etwa 1000 g pro Tag senken das Risiko für Darmkrebs, erhöhen aber das Risiko für Prostatakrebs). Besser als die isolierte Supplementierung (ob mit oder ohne Vitamin D) wäre es, die Calciumquellen in der Matrix der Ernährung und die Resorptionsraten zu erhöhen und so die Supplemetationsdosis niedriger zu halten. Neben der Aufnahmefähigkeit von Calcium im Darm ist die renale Ausscheidung bzw. Rückresorption in der Niere zu beachten.

Calciumcarbonat hat die beste Bioverfügbarkeit, kann jedoch eine Obstipation steigern. Daher sollte es zu den Mahlzeiten über den Tag auf mehrere Dosen verteilt mit jeweils viel Flüssigkeit eingenommen werden. Andere Calciumverbindungen (-zitrat, -laktat oder -glukonat) können problemloser am Abend genommen werden.

Sowohl die Therapie mit Bisphosphonaten als auch die Hormonersatztherapie können die Resorption von Calcium beeinträchtigen. Die Bioverfügbarkeit steigt bei gleichzeitiger, ausreichender Vitamin-D-Zufuhr. Bei erhöhtem Calciumbedarf bzw. -Mangel sollte darauf geachtet werden, dass nicht gleichzeitig Eisen- oder Zinkpräparate eingenommen werden und Mahlzeiten mit höherem Eisengehalt gegenüber Mahlzeiten mit höherem Calciumgehalt in einem zeitlichen Abstand von ca. 4 Stunden getrennt werden.

Erwähnt werden muss, dass auch die Kombination von Calcium mit Vitamin D das Frakturrisiko nicht ausreichend senken kann, wie eine Metaanalysen von Daten bis 2007 zeigte [69]. Doch die Metaanalyse durch die Cochrane Gruppe bei der Studienauswertung bis 2014 zeigte, dass nur Vitamin D alleine verabreicht, die Osteoporosefrakturen zwar nicht signifikant vermeiden konnte, doch die Kombination mit mehr Calcium die Inzidenz reduziert. Gleichzeitig wurde bei der Kombinationstherapie ein leichter signifikanter Anstieg von Magen-Darm-Problemen festgestellt. [71].

Wie in anderen Bereichen und mehrfach bereits betont, ist die Lösung des Problems nicht durch Supplementationen von einzelnen oder wenigen Nährstoffen gegeben. Hinsichtlich der Calciumaufnahme sollte beachtet werden, dass es kompetitive Hemmungen bei der Aufnahme zwischen Calcium und anderen Mineralstoffen als auch durch Antinutrients (s.u.) gibt.

Calciumresorption

Bestimmte Liganden (Antinutrients) sind natürliche Lebensmittelbestandteile, wie Protease Inhibitoren, z.B. in Hülsenfrüchten, welche die Verdauung von Proteinen hemmen, oder Phytinsäure in Nüssen, Samen und Vollkorn, die die Aufnahme von z.B. Magnesium, Calcium, Eisen und Zink reduzieren (s. Tab. 1).

Die Resorption von Eisen kann verbessert werden durch die gleichzeitige Zufuhr von Vitamin C-reichen Lebensmitteln, z.B. Beeren oder Obstsäfte). Die Ascorbinsäure (Vitamin C) wird als der wichtigste Antagonist gegen die resorptionshemmende Wirkung der Phytate und Polyphenole gesehen.

Phosphat

Entgegen früherer Annahmen zeigte sich in neueren Untersuchungen, dass der Phosphatgehalt der Nahrung eine untergeordnete Rolle für die Calciumverfügbarkeit spielt. Ein negativer Einfluss von Nahrungsmitteln mit einem hohen Phosphatgehalt (Fertigprodukte) oder Getränken (Colagetränke) kann höchstens bei einer gleichzeitigen Unterversorgung mit Calcium gesehen werden; dann addiert sich dies durch die Phosphat-induzierte höhere Calciumausscheidung, doch eine Verbindung zu mehr Osteoporose konnte in Studien nicht belegt werde. Das früher angeratene 1:1 Verhältnis von Calcium zu Phosphat in Lebensmitteln ist daher kein Kriterium mehr.

Proteine

Eine hohe Proteinzufuhr erhöht zwar die Calciumausscheidung über die Niere, andererseits können Nahrungsproteine die Calciumaufnahme im Darm erhöhen. Insgesamt scheint der etwas höhere Konsum von Proteinen die Calciumbilanz in Knochen nicht nachteilig zu beeinflussen [72]. Bei älteren Menschen scheint die höhere Proteinzuhr (> 0,8 g Protein/kg KG) sogar vorteilhaft bezüglich der Calciumbilanz im Knochen [73]. Die moderate Erhöhung der Proteinzufuhr bei älteren Menschen (ca. 80 g Protein/Tag) zeigte eine Verbesserung der Calcium- und Vitamin-D-Effekte [74]; schon eine zusätzliche Proteindosis von 20 g/Tag zeigte im Vergleich zu Placebo eine zusätzliche Verbesserung der Knochendichte bei Patienten (mit im Mittel 80,7-Jährigen) unter Therapie nach Hüftfrakturen. Bei gleichzeitiger Gabe von Vitamin D (200.000 IE einmalig) und 500 mg Calcium/Tag während der Rehabilitation im Krankenhaus resultierte durch die zusätzlichen 20 g Protein eine schnellere Rehabilitationen mit kürzeren Krankenhausaufenthalten [75].

Proteindefizite bei älteren Menschen verstärken zudem die Abnahme des Insulin-like-Growth-Factor 1 (IGF-1), eine adäquate Zufuhr verbessert hingegen die Werte des IGF-1 und den Muskelstoffwechsel sowie die Immunabwehr. Zu hohe IGF-1 Werte werden jedoch auch als Risiko für Krebserkrankungen gesehen [70]. „Die Dosis macht das Gift.“

Bei einer Kohortenstudie in Montreal stellte man bei den Auswertungen von 6510 Patienten fest, dass bei Erwachsenen im Alter von > 50 Jahren beim Vergleich bei einem Protein-Tagesenergieanteil von 12 % bei Frauen und 11 % bei Männern verglichen zu 15% Proteinkonsum die niedrige Dosis mit häufigeren Frakturen korrelierte [76].

Alkohol

Bei mäßigem Alkoholkonsum zeigten Studien eine höhere Knochendichte (Östrogenwirkung?), bei höherem Alkoholkonsum sinkt die Knochendichte [77]; Alkohol reduziert dann die Osteoblastenaktivität und beeinträchtigt den Vitamin-D-Stoffwechsel und erhöht den Parathormonspiegel. Ein erhöhtes PTH steigert proinflammatorische Cytokine (IL-1 und IL-6), die gleichzeitig Osteoklasten steigern. Vitamin D reduziert die Alkohol-Toxizität am Knochen leicht [78].

Ernährungskomponenten zur Prävention von Osteoporose

Adäquate Calciumzufuhr auf Basis ausgewogener Ernährung

möglichst über mehrere Mahlzeiten über den Tag verteilt

Beachtung möglicher Interaktionen zwischen Lebensmitteln, (Resorptionshemmung, beschleunigte Ausscheidung etc.); z.B. durch Antinutrients (Oxalsäure: Amarant, Tee, Pfefferminze, Spinat, Rhabarber, Mangold, Kakao, Yams), und durch Kaffee, Proteine, Alkohol

Bei Kuhmilch-Verträglichkeit regelmäßig Milchprodukte

Bei Milchunverträglichkeit Pflanzenmilchen mit Calciumzusatz und/oder calciumreiches Wasser (mindestens 150 mg Ca/L)

Regelmäßig calciumreiches Gemüse (Brokkoli, Lauch, Kohlarten, Fenchel), Tomatenkonzentrat etc. und Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Samen und Nüsse, getrocknete Pilze, getrocknete Feigen, etc.

Adäquate Vitamin-D-Versorgung (Sonnenexposition der Haut)

Serumkontrolle Ziel Serumspiegel ? 75 nmol/l; 30 ng/ml)

Supplementierung (800–2000 IE/Tag; 20–50 µg/Tag, bei Bedarf mehr)

Vermeidung von Über- oder Untergewicht,

Reduktion proinflammatorischer Nahrungskomponenten

Reduktion von z.B. Ölen mit hohem Anteil Omega-6-Fettsäuren, bzw. Nahrungsmittel mit Arachidonsäure

Meidung von Transfetten (in Frittiertem, aber auch teils in Gebäck vorkommend)

Reduktion stark verarbeiteter Nahrungsmittel (mit vielen Zusatzstoffen)

Adäquate Versorgung mit Vitaminen (B-Vitaminen wie Folsäure und B12; u.a. Vitaminen)

Konsum von reichlich Sekundären Pflanzenstoffen (Obst, Gemüse, Nüsse, Samen, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte) (5–9 Portionen Obst und Gemüse am Tag, 1 Portion = 1 Hand voll)

besonders Isoflavonoide als Phytoöstrogene (in natürlicher Matrix; z.B. Soja u.a. Hülsenfrüchte)

reichlich potente Antioxidantien aus Obst und Gemüse sowie Samen (Nüsse, Hülsenfrüchte)

reichlich Kohlarten, Kreuzblütler (Brokkoli) u. Salate zur Verbesserung des Östrogenmetabolismus

Meidung von Nikotin

Reduktion von Alkohol

Ferner Beachtung weiterer Faktoren wie Interaktionen durch Medikamenteneinnahme

genügend physische Aktivität

Reduktion von Faktoren für oxidativen Stress

Reduktion der Zufuhr und endogenen Produktion von glykierten Produkten (AGEs durch zu viele schnell verfügbare Zuckerformen, durch zu viel Fleisch und Käse, zu stark Erhitztes)

Reduktion der Kohlenhydrate mit hohem glykämischen Index (aber auch Fructose)

Reduktion von Fleisch (besonders Wurstwaren und rotes Fleisch); Käse

Reduktion starker Erhitzung von Lebensmitteln (Grillen, Frittieren, Braten)

Resümee und Ziel

Die synergistische komplementäre Therapie bzw. Entlastung von Therapien (Reduktion des Medikamentenbedarfs) bei Erkrankungen mit Beteiligung von chronischen Entzündungen, gestörten Stoffwechselprozessen und gesteigertem oxidativen Stress – also auch bei Arthritis und Osteoporose – sollte im integrativen Kontext von systemischen Faktoren gesehen werden. Das bedingt eine Ernährungsanpassung; und das bedeutet nicht nur die Beachtung der Zusammenhänge hinsichtlich des Calciumstoffwechsels.

Die Glykolisierungen von Zellstrukturen (AGEs) sollten reduziert werden (exogene aus der Nahrung und endogen gebildete durch zu viele einfache Kohlenhydrate und nachteilige Verarbeitungsprozesse). NFkB muss als ein Hauptschalter für proinflammatorische Gene und die Aktivierung des enzymatischen Arachidonsäure-Metabolismus verstanden werden, ebenso als ein zusätzlicher Faktor für erhöhten oxidativen Stress sowie Proinflammation. Daher besteht ein Ziel darin, das NFkB zu reduzieren.

Dazu eignen sich die Phytochemicals gut. Sie haben zusätzlich ein hohes Potenzial als sehr potente Antioxidantien, als Immunmodulatoren, als Antiphlogistika, und viele weitere wichtige Funktionen. Sie wirken sich nicht nur hinsichtlich der Knochengesundheit aus (Reduktion der arthritischen und den Knochenstoffwechsel beeinträchtigenden Prozesse), sondern auch bei der Risikosenkung und Verbesserung der Therapie von vielen chronischen Erkrankungen.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Gast-Prof. Dr. med. Werner Seebauer
The New European Surgical Academy
Unter den Linden 21
10117 Berlin

WSeebauer@nesacademy.org

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