Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Osteoporose im Kontext von Ernährungsfaktoren
Integrale Primär- und holistische Sekundärprävention – Kompensation von systemisch inflammatorischen Prozessen und oxidativem StressIntegrative primary- and holistic secondary-prevention – compensation of systemic inflammatory processes and of oxidative

Auch eine größere RCT-Intervention in Neuseeland mit 8164 Frauen (mit Schlaganfallanamnese), im Altersdurchschnitt von 62,6 Jahren, zeigte bei noch höheren täglichen Supplementierungsdosen über 2,8 Jahre (2 mg Folsäure, 25 mg Vitamin B6 und 500 µg Vitamin B12) verglichen zu Placebo keine signifikanten Effekte (höchstens einen geringen Trend) hinsichtlich der Reduktion von Osteoporosefrakturen während eines Follow-ups über 3,4 Jahre. [17].

Durch die Senkung einzelner Surrogatparameter für Erkrankungsrisiken, wie es mit den B-Vitaminen im Falle des Homocysteins möglich ist, erzielte man auch in anderen Bereichen keinen ausreichenden Benefit an Endpunkten. So z.B. im Handlungsfeld der Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Unabhängig davon, dass große Studien (NORVIT, VISP, HOPE-2) zur Untersuchung der Senkung des Homocysteinspiegels und damit korrelierender kardiovaskulärer Erkrankungen Schwierigkeiten hatten, mit Studiendesigns durch die Nahrungs-Ergänzung von B-Vitaminen (Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12) an Endpunkten in der Sekundärprävention positive Effekte nachzuweisen [18–21], soll an dieser Stelle ein anderer Punkt verdeutlicht werden.

Es ist evident, dass diese B-Vitamine erhöhte Homocysteinwerte signifikant senken können und damit auch plausibel bestimmte Risiken der kardiovaskulären Erkrankungen senken (in der Primärprävention wahrscheinlicher als in der Sekundärprävention). Doch wesentlich ist viel mehr die holistische Betrachtung. Nicht alleine in diesem Bereich wird deutlich, dass die Lösung nicht in der Senkung einzelner Risiko-Surrogatparameter liegt, sondern jeweils komplexer im Kontext der Gesamthomöostaste gedacht werden sollte. Zudem sollte man die Effekte im Rahmen der Primärprävention mehr beachten und mehr untersuchen (was zu selten ausreichend geschieht).

In der Primärprävention gegenüber Schlaganfällen (Metaanalyse aus 13 klinischen Studien mit über 39.000 Teilnehmern) zeigt sich ein geringer signifikanter Benefit (RR 0,89 p = 0,03) bei der Kombination von Folsäure mit weiteren B-Vitaminen [22]. Auch zeigten die Metaanalysen der Cochrane Gruppe, dass Folsäure mit und ohne Vitamin B12 kognitive Aspekte älterer Menschen positiv beeinflussen (auch wenn das HCY erhöht war), doch mehr Studien sind dazu erforderlich [23].

Diese und weitere Metaanalysen zeigen bei systemischer und nicht symptomorientierter Betrachtung im einzelnen medizinischen Fachgebiet, dass es viele plausible Erklärungen gibt, wie mit den Nährstoffen Risiken reduziert werden und die Leistungsfähigkeit zu steigern ist.

Es wird deutlich, dass die Lösung nicht in der Supplementation von einigen wenigen Nährstoffen liegt. Und selbst wenn für manche Bereiche eine orthomolekularer Therapie sinnvoll ist, für die meisten Bereiche der Prävention sind wesentlich mehr Faktoren als nur die Nährstoffe der Nahrung notwendig, um die Erkrankungsrisiken signifikant zu senken.

Es ist selbstverständlich, dass die B-Vitamine nur einen kleinen Teil der notwendigen Mikronährstoffe ausmachen. Bei weit über 12.000 Sekundären Pflanzenstoffen (Phytochemicals), die eine wesentlich höhere antioxidative Potenz haben (verglichen zu den diesbezüglich potentesten Vitaminen), erklärt sich dies bereits dadurch. Die Phytochemicals haben zudem viele weitere wichtige Funktionen (antikanzerogene, antiinflammative, antithrombotische, immunmodulierende etc.). Es sollte beachtet werden, dass sie vor allem in der natürlichen Matrix unserer Nahrung zusammen mit den Vitaminen und Spurenelementen mannigfaltige Schutzfunktionen ausüben. Die Supplementierung von nur wenigen Nährstoffen kann naturgemäß die Wirkungen der komplexen Matrix nicht erreichen. Auch ist zu bedenken, dass die Low-Dose-Konzentrationen der Mikronährstoffe in ihrer Vielfalt einerseits synergistisch mehr und wichtigere Funktionen ausüben als Einzelstoffe oder Kombinationen von wenigen Stoffen, andererseits diese Low-Dose-Komposition in unseren Grundnahrungsmitteln auch nicht die toxischen Effekte haben, wie sie durch isolierte Hochdosis-Supplementierung entstehen können.

Im folgenden ein paar Beispiele zur Komplexität von Zusammenhängen bei Osteoporose, Arthritis und weit darüber hinaus im Themenfeld der Ernährung.

Einfluss von Glykierungsprozessen

Als Risikosurrogat einer höheren Knochenumsatzrate kann auch Pentosidin gesehen werden [24]. Pentosidin gehört zu den Advanced Glycation End Products (AGEs). AGEs wirken proinflammatorisch und erhöhen den oxidativen Stress. Der Glucosemetabolismus im Zusammenhang mit Vitamin-K-Funktionen könnte nach solchen Hinweisen ebenfalls beim Knochenstoffwechsel eine Rolle spielen, die in Zukunft besser zu untersuchen ist.

Als Advanced Glycation Endproducts (AGEs) werden glykierte Reaktionsprodukte von Proteinen, Lipiden und Nukleinsäuren mit Kohlenhydraten bezeichnet. Im Wesentlichen sind es Fruktose, Galaktose und Glukose, die im Falle bestimmter metabolischer Situationen mit körpereigenen Strukturen reagieren und als Risikomoleküle eingestuft werden können (auch für forcierte Zellalterungsprozesse sind sie mitverantwortlich).

Man kann zwischen exogen aufgenommenen und endogen gebildeten AGEs unterscheiden. Die endogene Bildung mit der höheren Konzentrationen an AGEs im Serum resultiert vor allem aus einem erhöhten Blutzucker und korreliert somit mit Ernährungsformen mit einem höheren Anteil an Kohlenhydraten mit hohem glykämischen Index (GI) in Verbindung mit zu geringer physischer Aktivität. Die Kohlenhydrate mit einer moderaten oder niedrigen glykämischen Last (slow carbs) sind damit nicht gemeint und müssen differenziert betrachtet werden. Die Fruktose (obwohl sie keinen hohen GI hat) hat dabei allerdings nicht wie früher oft gedacht ein geringeres Risiko, sie wirkt hinsichtlich der AGE-Bildung stärker als die Glukose [25].

Auch die Kohlenhydrate aus Getreide können AGEs bilden, wenn sie im Übermaß konsumiert werden (vor allem in Weißmehlprodukten). Da meist Weizen verarbeitet wird, ist dieser als AGE-Bildner stark aktiv, wenn wiederum daraus ein unverhältnismäßiger Blutzuckeranstieg folgt (z.B. infolge mangelnder physischer Aktivität). Die Art der „Ballaststoffe“ bzw. Stärke (Form der resistenten Stärke) und somit die Geschwindigkeit der Resorption spielt immer eine wichtige Rolle. Die resistente Stärke 1 (RS1), die mehr in Vollkornprodukten oder Hülsenfrüchten enthalten ist, wirkt sich positiv aus, indem sie langsamer verdaut wird und der Blutzuckerspiegel nicht schnell steigt. Das Amylopektin (glykosidisch gebundene Glukoseketten) der Kartoffel oder des Weizens u.a. Getreides (vor allem des ausgeschroteten Korns in Form von Weißmehlprodukten) wird durch die Amylase am schnellsten resorbiert und metabolisiert, womit die Kohlenhydrate des Korns im Überfluss auch zur Glykolisierung anderer Stoffe bzw. Strukturen führen.

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