Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Osteoporose im Kontext von Ernährungsfaktoren
Integrale Primär- und holistische Sekundärprävention – Kompensation von systemisch inflammatorischen Prozessen und oxidativem StressIntegrative primary- and holistic secondary-prevention – compensation of systemic inflammatory processes and of oxidative

Wie viel Sonnenkontakt auf der Haut ist für die endogene Vitamin-D-Produktion notwendig (Holick-Formel)? Die Ursachen des (in den Ländern nördlich des ca. 51. Breitengrads) verbreiteten Vitamin-D-Mangels in der Winterzeit sind bekannt. Nicht nur die teils fehlende Sonne auf der Haut wirkt sich negativ aus, auch der Einstrahlungswinkel der Sonnenstrahlung bei Hautkontakt im Winter. Selbst in der Sommerzeit haben viele Menschen eine inadäquate Vitamin-D-Produktion über die Haut [4, 5]. Manche Experten beschreiben sogar nördlich und südlich ab dem 33. Breitengrad in der Winterzeit eine zu geringe Vitamin-D-Produktion durch den Sonnenstand und die Haut-Sonnenkontakt-Zeit [6].

Holick und andere Experten empfehlen zudem zur Prävention und Förderung der Knochengesundheit in unseren Kulturkreisen mindestens 30 ng/ml; 75nmol/l Serumwert und betonen dazu, dass es nicht bekannt ist, ob dies auch für die Gesundheitsförderung außerhalb der Knochenthematik ausreichend ist. Abhängig vom Lebensalter und anderen gesteigerten Erfordernissen, wie z.B. in der Schwangerschaft und Stillzeit, werden unterschiedliche Dosisempfehlungen gegeben (s. unten).

Wie viel Sonne für Vitamin-D-Produktion in der Haut ausreicht, kann nach der Holick-Formel abgeschätzt werden [7]. Vereinfacht ausgedrückt: Sonnenexposition auf der Haut täglich (oder mindestens 3-mal pro Woche) auf 25 % der Körperfläche (z.B. Arme, Beine, Gesicht) in einer Dosis von 25 % der Erythemschwelle (Rötungszeit) . Zu beachten ist, dass die Rötung verzögert eintritt. Auch das lässt sich abschätzen. Wenn aus Erfahrung z.B. nach 40 Minuten eine leichte Rötung eintritt, wären 10 Minuten auf 25 % der ungeschützten Hautfläche das Maß (z.B. auf beide Arme und Beine plus Gesicht). Das ist je nach Hauttyp (bei Einteilung von 6 Hauttypen) unterschiedlich und wird durch verschiedenste Begleitfaktoren mitbestimmt (Sonnenschutzcreme, Vorbräunung etc.). Die meisten Menschen in Mitteleuropa entsprechen dem Hauttyp 3 (ca. 80 % der deutschen Bevölkerung).

Supplementationsempfehlungen nach Alter in der
Primär- oder Sekundärprävention

Folgende Vitamin-D-Dosis wird täglich für die Primärprävention empfohlen (bei Säuglingen supplementiert, in den anderen Altersgruppen über die endogene Produktion, die Nahrung und ggf. Supplementation ergänzt):

0–1 Jahr: 400 IE Vitamin D/Tag,

1–18 Jahre: 600 IE/Tag,

19–50 Jahre: 600 IE/Tag,

Schwangere: mindestens 600 IE/Tag,

> 50: mindestens 600–800 IE/Tag.

Für alle Bereiche wird darauf hingewiesen, dass eher höhere Dosen (wahrscheinlich 1500–2000 IE/Tag) notwendig sind, um die Serumwerte von 30 ng/ml zu erreichen [6].

Bei notwendiger Therapie bei Osteoporose oder anderen Erkrankungen (auch komplementär im Kontext diverser Medikationen) werden noch deutlich höhere tägliche Dosen empfohlen, um die mindestens 30 ng/ml Serumwert zu erreichen. Schon bei Kindern sieht man bei notwendiger Therapie die Indikation von 50.000 IE einmal die Woche über 6 Wochen bis zum Erreichen der 30 ng/ml und danach folgend zwischen 400–1000 IE/Tag; bei Erwachsenen ebenso 50.000 IE einmal die Woche, jedoch über ca. 8 Wochen (Ziel 30 ng/ml) und danach 1500–2000 IE/Tag. Bei Patienten mit Malabsorptions-Syndrom oder Therapien, die den Vitamin-D-Metabolismus beeinträchtigen, werden sogar 6000–10.000 IE/Tag bis zum Erreichen der 30 ng/ml Serumlevel und danach folgend zur Erhaltungstherapie 3000–6000 IE/Tag empfohlen [6].

Anmerkung: In der Therapie sind, noch mehr als in der Prävention, letztendlich die Serumlevel das Maß der Orientierung.

Beispiele des Vitamin-D-Gehalts in Lebensmitteln (Nährwerttabelle Universität Hohenheim, µg je 100 g des Lebensmittels): Hering 27; Forelle geräuchert oder Sardelle 20; Lachs frisch 16; Thunfisch 4,5; Rotbarsch 2,3; Ei 2–3; Steinpilze oder Pfifferlinge getrocknet 23 bzw. 21, Champignon 2. Außer in getrockneten Pilzen ist der Vitamin-D-Gehalt in Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft (ohne Zusatz bei verarbeiteten Lebensmitteln) sehr gering. Um 800–1000 IE Vitamin D täglich über die Nahrung zuzuführen, müsste man z.B. täglich ca. 100 g Hering konsumieren.

Homocystein und Osteoporose

Mit einer Homocysteinämie beobachtet man eine Dysbalance zwischen der Aktivität von Osteoblasten und Osteoklasten mit einer verstärkten Aktivität der Osteoklasten; infolgedessen sieht man eine Korrelation zur Osteoporose und dem Frakturrisiko [8, 9]. Ferner erhöht eine Homocysteinämie die Aktivierung von NFkB und von prooxidativen Faktoren (oxidativer Stress), ebenso von Metalloproteinasen, die gleichfalls Zellstrukturschäden steigern können. Ein Mangel an B-Vitaminen (Vitamin B9, Folsäure, Vitamin B12, Cyancobalamin, und teils auch Vitamin B6, Pyridoxin) ist häufiger mit erhöhten Homocysteinwerten korreliert, weshalb in diesem Kontext oft die Supplementierung mit B-Vitaminen empfohlen wird.

Die D.A.C.H.-Liga-Homocystein rät in ihrem Konsensuspapier [10], bereits bei mild erhöhtem Homocystein-Wert (intrazellulär ab 12 µmol/l) zu einer Low-Dose-Ergänzung mit ca. 0,2–0,8 mg Folsäure, 3–100 ?g Vitamin B12 und 2–25 mg Vitamin B6.

Senken von Risiko-Surrogatparametern reicht nicht

Obwohl die erhöhten Homocysteinwerte mit Osteoporoserisiken korrelieren und sich im größeren Kontext pathophysiologisch Zusammenhänge erklären lassen, und obwohl durch die zusätzliche Verabreichung von B-Vitaminen (vor allem Folsäure und Vitamin B12) Homocysteinwerte gesenkt werden können, zeigte sich durch die Supplementierung auch hinsichtlich der Prävalenz von Osteoporosefrakturen kein signifikanter Benefit. Die B-Vitamine spielen beim Knochenstoffwechsel eine Rolle, dennoch ist es offensichtlich, dass deren isolierte Supplementierung weder die Osteoporose noch deren Frakturen signifikant reduzieren kann.

In einer klinischen Studie (RCT-Design) erhielten 2919 Frauen (Holland) > 65 Jahre mit erhöhten HCY-Werten 500 µg Vitamin B12 plus 400 µg Folsäure oder Placebo für 2 Jahre (beide Gruppen supplmentierten zusätzlich 600IE Vitamin D3/Tag). Das Frakturrisiko in der Interventionsgruppe konnte insgesamt nicht signifikant gesenkt werden. Lediglich bei den > 80-Jährigen sank es, allerdings stiegt die Krebsinzidenz gegenüber der Placebogruppe an [16]. Anmerkung: Nähere Zusammenhänge zur Krebsinzidenz wurden nicht untersucht, womit dies nicht mit der Supplementierung korreliert werden kann.

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