Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Osteoporose im Kontext von Ernährungsfaktoren
Integrale Primär- und holistische Sekundärprävention – Kompensation von systemisch inflammatorischen Prozessen und oxidativem StressIntegrative primary- and holistic secondary-prevention – compensation of systemic inflammatory processes and of oxidative

Die hohe Dosis solcher Kohlenhydrate (fast carbs) in Lebensmitteln als auch die vielen Zuckerzusätze von Mono- oder Disacchariden können den gesamten Metabolismus in Dysbalance bringen. Nicht nur die Folgen von zunehmendem Übergewicht und Adipositas, vom Metabolischen Syndrom und Diabetes hängen damit zusammen; durch die im Übermaß gebildeten endogenen AGEs [26] als auch die Einschränkungen verschiedenster metabolischer Funktionen entstehen vermehrt oxidativer Stress und chronische Entzündungen [27–29], die sich gegenseitig fördern. Auch die vielfältigen Funktionen einer gesunden Darmflora bei der Immunabwehr und Immunmodulation, bei der Detoxifikation von Xeneobiotika, bei Resorptionsbedingungen von Nährstoffen und vielem mehr, werden dadurch beeinträchtigt.

Der Umgang des Organismus mit den über die Nahrung aufgenommenen AGEs hängt einerseits von den Kompensationsressourcen und somit auch von den bereits endogen produzierten Mengen ab, andererseits von der Komposition der Lebensmittel. Auch Lebensmittel tierischer Herkunft wie Fleisch (besonders Wurstware sowie Käse enthalten viele AGEs.

Die Zubereitungs- bzw. Verarbeitungsform per se kann wesentlichen Einfluss darauf nehmen, welche Toxine zusätzlich entstehen (z.B. polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Acrylamid, Acrolein, Furan, Transfettsäuren, Nitrosamine, Chlorpopanole, Lysinalanine, Ethylcarbamat, etc.); bereits die sich akkumulierenden Zusätze von Salz und Zucker sollten im Zusammenhang sich summierender negativer Effekte beachtet werden.

Was die AGEs betrifft, steigt das Risikopotenzial wie bei anderen Verarbeitungsprozessen von Lebensmitteln vor allem auch durch starkes Erhitzen (Frittieren, Grillen, Braten, langes Kochen); so kann der AGE-Gehalt um ein Vielfaches erhöht werden. Allgemein sind die Lebensmittel auch AGE-reicher, wenn sie viele gesättigte Fettsäuren enthalten.

Ein lange bekannter Surrogatparameter zur Bestimmung eines endogenen Glykationsprodukts ist das Glykohämoglobin (HbA1c). Heute gibt es erweiterte Bestimmungsmethoden, die auch exogene Glykolisationsprodukte sowie die Glykierung der Nukleinsäure besser erfassen können; und zwar nicht nur die Glukose-, sondern auch die Fruktose- und Galaktose-modifizierten Strukturen.

Aus dem gesamten Kontext wird deutlich, dass die AGEs an der Pathogenese verschiedener chronischer Erkrankungen beteiligt sind, wie dem Diabetes und den Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch der Osteoporose [30], und der Arthritis [33–35] (Abb. 1).

Die Gabe von Biphosphonaten zur Prävention von Osteoporosefrakturen ist wirksam, doch wegen potenziell schwerer Nebenwirkungen (Kiefernekrosen, atypische Femurfrakturen) und dem erhöhten Risiko für Ösophaguskarzinome sollten diverse Aspekte berücksichtigt werden [31]. Möglicherweise ist die Akkumulation von AGEs auch bei diesen unerwünschten Nebenwirkungen beteiligt, indem sie das Ausmaß der Hemmung der Osteogenesis bei erhöhtem Knochenabbau mitbestimmen [30].

Auch die Steigerung der Arthritis-Prävalenz wird im Zusammenhang mit den AGEs gesehen. Sowohl proinflammatorischen Prozesse, als auch die gesteigerten Immunreaktionen sowie direkt auch der erhöhte Abbau von Kollagen II durch die AGEs forcieren die Pathogenese [33, 32, 34].

AGEs steuern diverse Signalwege der Zellen, des Metabolismus und von Detoxifikationen über das Lysomalsystem. An spezifischen Rezeptoren erfolgen sog. AGE-RAGE-Interaktionen über zahlreiche Signalkaskaden, wie z.B. Jak/Stat (Signalweg z.B. in der Transkription und Zellproliferation, bei Cytokinreaktionen, etc.), Enzymreaktionen im Oxidationsprozess (z.B. über die NADPH-Oxidase), über MAPK = mitogen activated protein kinasen (Regulation der Zelldifferenzierung, Zellproliferation als auch Apoptose) etc. und die Aktivierung von zentralen Transkriptionsfaktoren wie dem NFkB als wesentlicher Modulator von Entzündungsreaktionen und Immunreaktionen [33, 34].

In der Pathogenese sieht man, dass die übersteigerte Glykierung und somit die AGEs sowohl zahlreiche Funktionen von Enzymen und Zellfunktionen als auch Stoffwechselprozesse beeinträchtigen. Die Bindung an spezielle AGE-Rezeptoren (RAGE) z.B. auf proinflammatorischen Cytokinen führt über die Interaktion mit dem NFkB zu übersteigerten und systemischen Entzündungen; in Makrophagen werden z.B. IL1, IL6, TNF-? und Insulin-like-growth-factor-1 (IGF-1) angeregt, was zum einen die Entzündungen steigert aber auch als prokanzerogene Faktoren evident ist. Neben den Entzündungen resultiert gesteigerter oxidativer Stress als auch nitrosativer Stress. Durch die gegenseitigen Induktionen kann so ein Circulus vitiosus entstehen.

Ein weiterer Teufelskreislauf entsteht auch hinsichtlich der Steigerung der Insulinresistenz durch zahlreiche dieser Faktoren, worüber dann wiederum die Hyperglykämie bei der üblichen Ernährung und dem üblichen Lebensstil zunehmend häufiger und stärker ausfällt. Dabei ist nicht nur das Risiko zum Diabetes gesteigert sondern auch noch die Progredienz der Ausprägung, denn das Myelin der Neuronen ist besonders anfällig gegenüber der Glykierung und dem oxidativen, respektive nitrosativen Stress. Letztendlich ist auch das Risiko gesteigert, an Morbus Alzheimer zu erkranken [35, 36].

Resümierend kann man feststellen und betonen, dass bestimmte Faktoren, die die Osteoporose und Osteoarthritis mitbedingen und verstärken können, auch für die Pathogenese verschiedener anderer Erkrankungen mitverantwortlich sind. Die Nahrung muss in diesem Zusammenhang nicht nur als Lieferant von Nährstoffen (z.B. Calcium und einen Teil des Vitamin D sowie Vitamin K und B-Vitaminen mit allen ihren Funktionen im Knochenstoffwechsel) betrachtet werden, sondern auch als Quelle potenziell negativer Effekte. Nahrungsmittel, die hohe exogene AGE-Konzentrationen liefern oder die endogene AGE-Produktion anregen, können auch akut die arteriellen Durchblutungsverhältnisse beeinträchtigen (postprandiale endotheliale Dysfunktion), wesentlich sind jedoch vor allem die negativen Effekte auf den Stoffwechsel und Immunreaktionen sowie die Schädigung verschiedener Zellstrukturen.

Auch die Fettsäuren können in gleichem Maße die
Erkrankungsrisiken erhöhen

Nicht nur die Kohlenhydrate, auch Fettsäuren können sich im gleichen Kontext schädigend auswirken, da auch sie oxidativen Stress, Inflammationen und Zellschädigungen mitverursachen können. Die Rolle verschiedener Fettsäuren mit ihren ebenfalls potenziell entzündungs- und oxidativen Stress fördernden Effekten sei hier nur am Rande genannt. Der Aarachidonsäuremetabolismus und inflammatorische Prozesse hängen eng zusammen und Lipiperdoxidationen im Rahmen von oxidativem Stress führen häufig zur gesteigerten Produktion zytotoxischer, immunogener, vasoaktiver und proinflammatorischer Faktoren (spezifischer Prostaglandine, Leukotriene und Thromboxane). Zuviel Arachidonsäure kann aus der direkten Zufuhr hoher Dosen aus Lebensmitteln resultieren (besonders aus fettreichen Fleischprodukten, Schmalz oder Eigelb) oder indirekt über die Synthese aus Omega-6-Fettsäuren, womit auch bestimmte pflanzliche Öle mit einem zu hohen Omega-6-Fettäurenanteil (z.B. Distelöl, Sonnenblumenöl, Maiskeimöl) Quellen von zu hoher Aarachidonsäure und proinflammatorischen Prozessen sein können. Die o.g. postprandiale endotheliale Dysfunktion wird durch den einseitigen Konsum von Fetten auch erhöht.

Ernährung, Hormone, Cytokine, Knochenstoffwechsel

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10