Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Osteoporose im Kontext von Ernährungsfaktoren
Integrale Primär- und holistische Sekundärprävention – Kompensation von systemisch inflammatorischen Prozessen und oxidativem StressIntegrative primary- and holistic secondary-prevention – compensation of systemic inflammatory processes and of oxidative

In diesem Kontext ist nochmals zu betonen, dass immer eine Interaktion von tausenden Bioaktivstoffen der Nahrung über eine lange Zeit (möglichst in frühen Lebensjahren begonnen und konsequent konsumiert) erst die entscheidenden Effekte bewirkt. Das schließt nicht aus, dass man auch in späteren Jahren positive Wirkungen durch eine Ernährungsumstellung und die höhere Zufuhr von Bioaktivstoffen aus der Nahrung hat. Dann ist die Wirkung freilich, bei bereits begonnenen oder fortgeschrittenen Verschleißerscheinungen, nicht mehr im Sinne der Prävention nachweisbar und wahrscheinlich erst nach längerer Intervention signifikant feststellbar, wenn zusätzlich auch weitere Faktoren optimiert werden (mehrere Risikofaktoren senken und Schutzfaktoren steigern). Da dies oft nicht optimal umgesetzt wird, sind die Effekte in den Studien teils nicht signifikant. Dies bedeutet allerdings nicht, dass keine Wirkung entfaltet wurde. Es ist eben ein Baustein, der bereits das Gerüst stabilisiert, jedoch alleine nicht für die höheren Belastungen ausreichend optimiert.

Modulation von Enzym-
und Immunreaktionen
durch Phytochemicals

Auch hinsichtlich der Knochengesundheit gilt es, neben der Hemmung übersteigerter COX-2-Expression, besonders das NFkB down zu regulieren.

Wie dargestellt, spielen bei der Osteoporose indirekt und bei der Osteoarthritis direkt, verschiedene Enzym- und Immunreaktionen eine Rolle, die über NFkappaB (NFkB) gesteuert werden. Die Genexpression des Enzyms Clyclooxigenase-2 (COX-2), welches die Arachidonsäure zu Prostaglandinen oxidiert, wird wahrscheinlich auch durch NFkB verstärkt. Diese und viele andere Syntheseprozesse von proinflammatorischen Cytokinen sowie Prooxidantien werden wesentlich vom NFkB gesteuert. NF-kappaB ist an der Transkription von mehr als 400 Genen beteiligt (z.B. Enzymen wie COX-2, 5-LOX, iNOS; und Cytokinen wie TNF, IL 1, IL6, IL8) [42]. Daher ist bei nahezu allen chronischen Erkrankungen (auch bei der Osteoporose und Osteoarthritis) immer die Indikation gegeben, gestörte Transkriptionsprozesse sowie Inflammationen und oxidativen Stress zu reduzieren. Deshalb ist neben der Senkung des Homocysteins wiederum an die Rolle von Antioxidantien zu denken (besonders auch Phytochemicals bzw. sekundären Pflanzenstoffe).

Da über den oxidativen Stress Kaskaden übersteigerter Expression von z.B. TNF-? IL1 angeregt werden, und weil in diesem Kontext auch über den MAP-Kinase-Weg (MAP mitogen-activated protein) eine Kaskade sich selbst verstärkender inflammatorischer sowie wiederum prooxidativer Prozesse folgen kann [43], gibt es weitere Ansätze, welche die Knochendestruktion im Rahmen von oxidativem Stress erklären und den erhöhten Bedarf von Phytochemicals aus der Nahrung als Gegenspieler plausibel machen. Im gleichen Kontext lässt sich über die Stickstoffmonoxid Oxydase (iNOS) die Beteiligung an der Zerstörung der extrazellulären Matrix und an der gesteigerten Knorpel-Resorption sowie die gesteigerte Knochenbildung erklären [44, 45].

NFkB Down-Regulierung durch Phytochemicals

Die Phytochemicals aus unserer Nahrung sind wirksam sowohl bei der Downregulierung des NFkB als auch bei der Reduktion übersteigerter Expression zahlreicher proinflammatorischer Cytokine (IL1, IL6, etc.), sowie der Reduktion von an Entzündungsprozessen beteiligten Enzymen (z.B. COX-2). Dies wurde häufig nicht im Kontext der Knochengesundheit untersucht, doch wie oben dargestellt, spielen die gleichen pathogenetischen Mechanismen respektive notwendigen Interventionsmaßnahmen gleichwohl bei der Knochengesundheit eine Rolle. Diverse Aspekte der Forschungsdaten können auf Knochen-Gelenk-Problematiken übertragen werden. [46–58].

Weitere positive Wirkungen der Phytochemicals

Erwähnenswert ist auch, dass die Phytochemicals Entgiftungsprozesse positiv modulieren – die Phase-I- und Phase-II- Detoxifikation, wofür z.B. bei medikamentösen Therapien ein erhöhter Bedarf besteht. Sie nehmen ferner Einfluss auf die genetische Variation (SNIPS) der Nährstoffresorption, Verdauung, Biotransformation und Ausscheidung von Stoffwechselabfallprodukten [59]. Phytochemicals können sogar im Rahmen der Epigenetik ungünstige Genpolymorphismen still schalten und z.B. auch die Alterung bremsen, den Energiestoffwechsel optimieren, die zelluläre Stressresistenz erhöhen, die Apoptose von Krebszellen erhöhen und die Reparatur von DNA-Brüchen verbessern [60, 63].

Besonders die Isoflavone aus Soja (Phytoöstrogene) wie Genistein oder Daidzein können wohl diverse Erkrankungsrisiken bei Frauen in der Postmenopause senken. Die vermutete Erhöhung von Brustkrebs hat sich nicht bestätigt, es zeigt sich sogar eine Risikosenkung bzw. höhere Überlebensrate bei Brustkrebspatientinnen. Die Reduktion der Osteoporoseprävalenz scheint durch die Isoflavone zwar gefördert zu werden, doch dazu muss bereits in jüngeren Jahren ein Konsum von Sojaprodukten über viele Jahre stattgefunden haben, so wie es in Asien üblich ist [64].

Isoflavonoide können sowohl östrogene als auch antiöstrogene Wirkungen entfalten. Da die Östrogene bei der Frau effektiv zur Knochengesundheit beitragen, setzt man schon länger auch Phytoöstrogene zur Osteoporose-Fraktur-Prophylaxe ein. Die Studienergebnisse dazu sind jedoch inhomogen (u.a. wegen der Schwierigkeit der Effektfeststellung bei zu kurzer Laufzeit). Bei Frauen vor der Menopause zeigte sich kein Effekt [61], bei Frauen nach der Menopause gab es unterschiedliche Ergebnisse [62]. Auch hier ist die Supplementierung mit isolierten Stoffen meist keine Lösung und weitere Ernährungs- und Lebensstilfaktoren sind notwendig, um einen signifikanten Benefit auch innerhalb kürzerer Zeit zu sehen. Wie erwähnt spielt bei den Isoflavonen auch die Interaktion mit der gesunden Darmflora eine Rolle [55]. Das verdeutlicht, dass gleichzeitig eine längerfristige Behandlung einer Dysbiose notwendig sein kann.

Im Tierversuch zeigten Phytochemicals aus Trauben bei Ratten eine Verbesserung der Knochenmineralisierung [65]. Prospektive Studien wie die Scarborough-Fair-Studie mit Frauen im mittleren Lebensalter untersuchen gezielt den Obst und Gemüsekonsum hinsichtlich der Knochengesundheit. Die Studienergebnisse stehen noch aus. Die Framingham-Studie in Boston zeigt, dass Karotinoide (Gruppe der Phytochemicals) die Knochendichte im Trochanter signifikant steigern konnten [66].

Braucht man Kuhmilch
für eine gute Calciumversorgung?

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