Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Osteoporose im Kontext von Ernährungsfaktoren
Integrale Primär- und holistische Sekundärprävention – Kompensation von systemisch inflammatorischen Prozessen und oxidativem StressIntegrative primary- and holistic secondary-prevention – compensation of systemic inflammatory processes and of oxidative

Milch und Milchprodukte sind ein wertvoller Beitrag zur Ernährung, wenn keine Allergie oder Intoleranz (Laktoseintoleranz) besteht. Sie sind gute Quellen für Calcium, doch man benötigt nicht zwingend Milch oder Milchprodukte für eine gute Calciumversorgung.

Zwar ist die Osteoporoseinzidenz bei niedrigem Konsum von Milchprodukten in unseren Kulturkreisen höher, doch man kann sich auch ohne Milchprodukte ausreichend versorgen (s.u. Fazit Empfehlungen zur Prävention). Dies wird besonders gut durch andere Kulturkreise erkennbar, in denen keine oder kaum Milchprodukte konsumiert werden, und in denen nicht mehr, sondern häufiger sogar weniger Osteoporose vorkommt.

Trotz der guten Möglichkeiten zur ausreichenden Calciumversorgung stellt man bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Deutschland einen Calciummangel fest (Ernährungsbericht 2008 DGE (02/2009). Der Ernährungsbericht nach Daten des Robert Koch-Instituts stellt fest, dass Kinder und Jugendliche im Alter von 1 bis unter 18 Jahren teils zu viel Proteine zu sich nehmen und, gemessen an den D-A-CH-Referenzwerten, zu wenig Vitamin D und Vitamin E sowie für Folat, Ballaststoffe, Calcium und Eisen (bei Mädchen). Auch alte Menschen (Untersuchungen an Heimbewohnern) zeigten eine deutlich zu niedrige Zufuhr von Vitamin E, Vitamin C, Folat, Calcium und Magnesium. Die geringere Calciumzufuhr im Alter wirkt sich zusätzlich stärker aus, weil mit zunehmendem Alter auch die Calciumresorption sinkt [67].

Auch die Vitamin-D-Versorgung älterer Menschen ist oft u.a. wegen weniger Aufenthalten in der Sonne geringer. Eine Multicenterstudie in mehreren europäischen Ländern zeigte, dass bei der Untersuchung des Vitamin-D-Serumwerts von 8532 Frauen > 80 Jahren bei 80,9 % der Frauen der Serumspiegel < 75 nmol/l (30ng/ml) lag und bei 44,5 % der Frauen unter 50 nmol/L (20 ng/ml). Von Patienten mit Vitamin-D- und Calcium-Supplementation lagen die Werte im Mittel bei 65,2 nmol/l und bei alleiniger Vitamin-D-Supplementation bei 50,3 nmol/l. Die Zielwerte von > 75 nmol/l werden somit selten erreicht.

Ein zunehmender Trend der Annahme, man sei laktoseintolerant (durch Medientrends gefördert, oder fehlinterpretiert durch Magen-Darm-Problematiken) führt dazu, dass eine zusätzliche gute Quelle von Calcium ausgeschlossen und die ohnehin knappe Versorgung infolge unausgewogener Ernährung noch erschwert wird. Verschiedene Intoleranzen wie gegenüber Laktose oder Fruktose beruhen teils nicht auf einer primären Intoleranz, sondern auf einem Zusammenspiel von mehreren ungünstigen Faktoren, die an der Darmschleimhaut zu chronischen subklinischen Entzündungen und einer Permeablitätsstörung (Leaky Gut) führen und somit die Toleranzschwelle auch gegenüber der Laktose senken können.

Manifeste chronische Darmentzündungen infolge bestimmter Krankheiten und/oder bestimmte Nebenwirkungen von Therapien erhöhen die
sekundäre Laktoseintoleranz. Untersuchungen zeigen, dass laktoseintolerante Menschen in unseren Kulturkriesen ca. 50 % weniger Calcium zu sich nehmen als laktosetolerante Menschen [68].

Gerade Defizite der Calciumzufuhr im Kindes- und Jugendalter beeinträchtigt den Aufbau der optimalen maximalen Knochendichte (peak bone mass), die man als „Reserve“ nach dem 30. Lebensjahr benötigt. Hinzu kommt die mangelnde physische Aktivität, bei größeren Bevölkerungsgruppen schon im Kindesalter und im steigenden Alter zunehmend.

Calcium

Je besser die Calciumversorgung vor allem in jungen Jahren, desto niedriger ist das Osteoporoserisiko (Primärprävention). Auch in der Sekundärprävention bei Osteoporosepatienten senkt die Calciumsupplementation die Frakturhäufigkeit. Die Dosis der Supplemenierung sollte 1,2–1,5g/Tag nicht überschreiten (hohe Dosen zeigten Korrelation zu Krebsrisiken [70]: Calciumsupplemente von etwa 1000 g pro Tag senken das Risiko für Darmkrebs, erhöhen aber das Risiko für Prostatakrebs). Besser als die isolierte Supplementierung (ob mit oder ohne Vitamin D) wäre es, die Calciumquellen in der Matrix der Ernährung und die Resorptionsraten zu erhöhen und so die Supplemetationsdosis niedriger zu halten. Neben der Aufnahmefähigkeit von Calcium im Darm ist die renale Ausscheidung bzw. Rückresorption in der Niere zu beachten.

Calciumcarbonat hat die beste Bioverfügbarkeit, kann jedoch eine Obstipation steigern. Daher sollte es zu den Mahlzeiten über den Tag auf mehrere Dosen verteilt mit jeweils viel Flüssigkeit eingenommen werden. Andere Calciumverbindungen (-zitrat, -laktat oder -glukonat) können problemloser am Abend genommen werden.

Sowohl die Therapie mit Bisphosphonaten als auch die Hormonersatztherapie können die Resorption von Calcium beeinträchtigen. Die Bioverfügbarkeit steigt bei gleichzeitiger, ausreichender Vitamin-D-Zufuhr. Bei erhöhtem Calciumbedarf bzw. -Mangel sollte darauf geachtet werden, dass nicht gleichzeitig Eisen- oder Zinkpräparate eingenommen werden und Mahlzeiten mit höherem Eisengehalt gegenüber Mahlzeiten mit höherem Calciumgehalt in einem zeitlichen Abstand von ca. 4 Stunden getrennt werden.

Erwähnt werden muss, dass auch die Kombination von Calcium mit Vitamin D das Frakturrisiko nicht ausreichend senken kann, wie eine Metaanalysen von Daten bis 2007 zeigte [69]. Doch die Metaanalyse durch die Cochrane Gruppe bei der Studienauswertung bis 2014 zeigte, dass nur Vitamin D alleine verabreicht, die Osteoporosefrakturen zwar nicht signifikant vermeiden konnte, doch die Kombination mit mehr Calcium die Inzidenz reduziert. Gleichzeitig wurde bei der Kombinationstherapie ein leichter signifikanter Anstieg von Magen-Darm-Problemen festgestellt. [71].

Wie in anderen Bereichen und mehrfach bereits betont, ist die Lösung des Problems nicht durch Supplementationen von einzelnen oder wenigen Nährstoffen gegeben. Hinsichtlich der Calciumaufnahme sollte beachtet werden, dass es kompetitive Hemmungen bei der Aufnahme zwischen Calcium und anderen Mineralstoffen als auch durch Antinutrients (s.u.) gibt.

Calciumresorption

Bestimmte Liganden (Antinutrients) sind natürliche Lebensmittelbestandteile, wie Protease Inhibitoren, z.B. in Hülsenfrüchten, welche die Verdauung von Proteinen hemmen, oder Phytinsäure in Nüssen, Samen und Vollkorn, die die Aufnahme von z.B. Magnesium, Calcium, Eisen und Zink reduzieren (s. Tab. 1).

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