Übersichtsarbeiten - OUP 04/2013

Kurzreferate

Kurzreferat 1

Bedeutung der Manuellen Medizin für die Tätigkeit an einer orthopädischen Universitätsklinik

Uwe Ettrich

4. Mai, 11.00 Uhr, Sitzungsraum 1

Die Intention der Beschreitung des Weges zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie besteht hauptsächlich in der Faszination des Operierens. Für viele junge Kollegen auch in den Universitätskliniken liegt hier der Schlüssel des Erstrebenswerten. Wer kennt nicht das Hochgefühl, das erste Mal selbst ein Skalpell benutzen zu dürfen, um eine implantierte Osteosyntheseplatte zu entfernen. Schon im Jahr 2005 stimmte mich eine Schlagzeile in der Zeitschrift Spiegel sehr nachdenklich: „Der Zweig der Medizin, der die meisten menschlichen Wracks erzeugt hat, ist die Wirbelsäulenchirurgie.“ Obwohl sehr plakativ, regt dies zum Nachdenken an. Ist die Indikation zum operativen Eingriff in die Anatomie und Morphologie stets sicher oder ist nur die Funktion der anatomischen Gegebenheit gestört? Der Hauptgrund für einen Arztbesuch ist sehr oft der plagende, die Zufriedenheit störende Schmerz. Wir wissen meist nicht, wo dieser genau generiert wird. Oft zeigt uns dann die bildgebende
Diagnostik die alternde Morphologie. Die Darstellung der Funktion der Gelenke, der Muskulatur, der Faszien bis hin zum Gewebsstoffwechsel bleiben uns aber alle modernen Schnittbilddiagnostiken schuldig.

Gezielter Blick auf funktionelle Zusammenhänge bei der OP-Indikationsstellung

Unsere Augen können Funktion sehen und unsere Hände können Funktion erfahren. Diese grundlegenden ärztlichen Fähigkeiten scheinen aber immer mehr in der Schulung und im Interesse in der Ausbildung verloren zu gehen. Daher ist es insbesondere in der universitären Ausbildung wichtig, das Augenmerk des Interesses auch auf funktionelle Zusammenhänge zu legen, um hier den differenzialdiagnostischen Blick insbesondere bei der Stellung von OP-Indikationen zu schulen. Erschwerend kommt sicher hinzu, dass in den Ambulanzen der Universitätsklinika viele Patienten mit langjähriger Krankheitskarriere vorgestellt werden, wo eine Differenzierung und Wertung zwischen morphologischen und funktionellen Problemen oft nicht einfach ist. Das Erlernen manueller Untersuchungs- und Behandlungstechniken im Kontext der konservativen Orthopädie ist daher in der Facharztausbildung unbedingt zu empfehlen, um den Patienten komplexer zu sehen. Parallel dazu kann das Erkennen der psychischen Verfassung und die Evaluierung sozialer Gegebenheiten die ganzheitliche Sicht komplettieren.

Dr. Uwe Ettrich

Universitätsklinikum Carl-Gustav Carus Dresden

Orthopädische Klinik und Universitätsschmerzzentrum

Fetscherstraße 74

01307 Dresden

Kurzreferat 2

Konservative Orthopädie und Manuelle Medizin

im deutschsprachigen Raum und in Europa –

Rückblick und Ausblick

Hans Tilscher

4. Mai, 11.30 Uhr, Auditorium

Orthopädie war von Beginn an konservativ (Nicolas Andry, Berlin 1744), die Kunst, die Krummen gerade und die Lahmen gehend zu machen (Adolf Lorenz 1896). Zu ihr kam die orthopädische Chirurgie mit ihrer rasanten und erfolgreichen Entwicklung, es entstand die Orthopädie und die orthopädische Chirurgie. Somit ist das Wort „Konservative Orthopädie“ eine Äquivokation.

Epidemiologisch erfolgte Anfang der 70er Jahre der 2. Übergang, nämlich das zunehmende Auftreten degenerativer und durch das Verhalten provozierter Erkrankungen, deren wichtigstes Krankheitssymptom der Schmerz ist. Die schulmedizinische Annahme, dass Erkrankungen auf morphologische Veränderungen zurückzuführen sind, erwies und erweist sich beim Großteil aller Wirbelsäulenerkrankungen als nicht richtig.

Eine der Antworten auf das Problem der schmerzhaften Funktionsstörungen des Bewegungsapparates gab die manuelle Medizin. Mit ihrem Denken in die Funktion (Krankheit ist Fehlfunktion) entwickelte sie logischerweise die Testung der normalen Funktionen, um die für eine Erkrankung typischen Fehlfunktionen zu erkennen: klinisch-manuelle Untersuchungstechniken. Diese sind nicht nur bei Funktionsstörungen, sondern auch beim Vorliegen von pathomorphologischen Veränderungen zur Erkennung der pathogenetischen Führungsstruktur unersetzlich.

Die menschliche Hand mit ihrer vollendeten Harmonie sensorischer und motorischer Fähigkeiten ist der Ausgangspunkt diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen.

Es waren begabte, geradezu geniale, vorwiegend niedergelassene Ärzte, die nach dem 2. Weltkrieg die Manuelle Medizin neu entdeckten, analysierten und weiterentwickelten. Besonders in der damaligen Bundesrepublik Deutschland entstanden 2 Aktivitätszentren mit Menschen, deren Namen auch in einer kurzlebigen Zeit ihren Glanz behalten sollten, wie Gutmann, Wolff, Sell und Bischof.

Bei der Gründung der ersten und einzigen Abteilung für konservative Orthopädie im Orthopädischen Spital, Wien 13, die 31 Jahre lang bestand, wurde allerdings bald klar, dass die Manuelle Therapie besonders bei stationär aufgenommenen Patienten keineswegs die therapia magna darstellt und dass bei der Analyse vor allem von Wirbelsäulensyndromen eine multifaktorielle Genese multisymptomatische Krankheitsbilder bewirkt, welche die Allgemeinmedizin, die Orthopädie, die Physikalische Medizin, die Rheumatologie, die Algesiologie, die Psychiatrie, die Geriatrie, die Arbeitsmedizin, etc. betreffen sollten, wobei auch die Pseudoorganopathien und die Organreflektorik als wichtige Differenzialdiagnose in der inneren Medizin, in der Gynäkologie und Chirurgie zu erwähnen sind. Der zervikogene Schwindel berührt das Fach der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, die Neurologie benützt Untersuchungen der Funktionen des Bewegungsapparates zur Lokalisation neurologischer Probleme.

Bei der Betreuung der stationär aufgenommenen Patienten/innen, speziell Patientinnen, auf der Abteilung für konservative Orthopädie war schon früh klar, welche Interaktion zwischen Psyche und Bewegungsapparat besteht, deren Nichtberücksichtigung diagnostische und therapeutische Defizite entstehen lassen.

Berücksichtigung der Schmerzreflektorik

Es sollte sich dabei auch zeigen, dass ein wichtiger Faktor in der Therapie der Störungen des Stütz- und Bewegungsapparates, speziell der Wirbelsäule, nicht nur die zentralnervöse Schmerzbekämpfung darstellt, sondern dass das große Angebot an konservativ-therapeutischen Maßnahmen die Schmerzreflektorik in der Peripherie mit Auswirkung auf das schmerzreflektorische Geschehen unbedingt therapeutisch zu berücksichtigen sei. Der fließende Übergang zu sekundär- und tertiärpräventiven Aktivitäten beeinflusst zusätzlich die Therapieresistenz und die Rezidivneigung.

Die Gegenwart zu überdenken heißt auch, die Zukunft zu berücksichtigen.

Hände haben sie und tasten nicht. (Psalm 115, 7)

In Österreich findet die Ausbildung von Ärzten/innen in Spitälern statt, wo speziell in der Orthopädie Patienten vorstellig werden, deren Beschwerden aufgrund pathomorphologischer Veränderungen einer anatomischen Rekonstruktion bedürfen. Die Vorstände der entsprechenden Spitäler sind chirurgische Opinion-Leader mit ihrer berechtigten Einflussnahme auf Ausbildungssysteme.

Problematisch wird es aber bei der Niederlassung der Fachärzte, wenn sie plötzlich mit einem Patientengut und deren Beschwerden konfrontiert werden, auf die sie nicht genügend vorbereitet sind. Diagnostische Ausflüchte wie die „Abnützung“ oder die „Psyche“ sind in diesen Fällen nicht auszuschließen. Bedenklich stimmt in Österreich die Tatsache, dass der Arzt oder die Ärztin für Allgemeinmedizin, wo nach Schätzungen jeder 3. Patient mit Problemen des Bewegungsapparates um Hilfe sucht, keine Ausbildung in konservativer Orthopädie hat. Die logische Konsequenz daraus ist, dass sich die Patienten in vermehrtem Maße an nicht-ärztliche Heiler und Hilfsanbieter wenden, um dort in vielen Fällen etwas zu bekommen, was sie sich – und das muss akzeptiert werden – wünschen, nämlich gehört und angegriffen zu werden. Wie heißt es doch: Nur wer einen Menschen angreift, begreift ihn.

Im Laufe der Jahrzehnte wurden die entsprechend gestalteten Kurse für Manuelle Medizin ein Ersatz für Teile der Ausbildung in konservativer Orthopädie. Die konservative Orthopädie beschäftigt sich dabei besonders mit Funktionsstörungen mit schwer zähl- und messbaren Befunden und Therapieeffekten, wodurch potenzielle Habilitanten von diesem Gebiet wenig angezogen werden.

Doch wieder ist es Deutschland, welches hier deutliche Ansätze zeigt, Kurs- und Ausbildungsinhalte genauer zu definieren und zu beschreiben, mit Ausweitung des Wissensangebotes auf andere reflextherapeutische Maßnahmen unter Miteinbeziehung der Prävention. Ein Versuch, ein zunehmendes Problem in unseren Ländern in den – nicht nur manualmedizinisch gesehenen – Griff zu bekommen.

Univ.-Prof. Dr. Hans Tilscher

Österreichische Ärztegesellschaft für
Manuelle Medizin

Neurologisches Zentrum Rosenhügel

Riedelgasse 5

A 1130 Wien

Kurzreferat 3

Konservative Orthopädie in

freiberuflicher Niederlassung

Andreas Zemke

4. Mai, 11.30 Uhr, Auditorium

Wie alles im Leben ist auch die Orthopädie dem Wandel und der Evolution unterworfen. Der Zugewinn an Erkenntnissen und die Fortschritte in den operativen und konservativen Behandlungsmöglichkeiten von angeborenen und erworbenen Störungen des Bewegungsapparates sind wichtige Errungenschaften, die regelmäßig in die Möglichkeiten der Behandlung der Patienten einfließen.

Vor dem Hintergrund wesentlich verbesserter und verfeinerter operativer Möglichkeiten soll und darf jedoch nicht vergessen werden, dass in der Regel der bedeutendste und auch längste Behandlungszeitraum eines Menschen außerhalb der OP-Säle und in der Regel in den Praxen stattfindet.

Das umfangreiche Wissen um die Zusammenhänge sowie die kritische Abwägung und Entscheidung bei jedem einzelnen Patienten in der Auswahl der geeignetsten Behandlungsoptionen erfordert jedoch nach wie vor fundierte Kenntnisse auch und besonders aller nicht operativen Therapieansätze und insbesondere auch Erfahrungswerte und den stets erforderlichen funktionellen Ansatz mit dem steten Blick auch auf die Konsequenz in jeder einzelnen individuellen Entscheidung.

Insbesondere vor dem Hintergrund der anstehenden Harmonisierung der Versorgungsstrukturen im Rahmen der Europäisierung der Gesundheitssysteme ist es wesentlich, den Stellenwert der orthopädisch-konservativen Behandlung sowohl seitens der gesundheitsökonomischen Bedeutung klar darzustellen, als auch die Inhalte zu bewahren und zu pflegen und ihrer Bedeutung gemäß, nach außen zu tragen.

Dr. Andreas Zemke

Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie

Hermannstraße 154

12051 Berlin

 

Kurzreferat 4

Schmerz und FMRI, was wissen wir?

Welche Konsequenzen können wir ziehen?

Herta Flor

3. Mai, 10.30 Uhr, Auditorium

Die neurowissenschaftliche Forschung hat eine erstaunliche Plastizität des Gehirns nachgewiesen. Verletzung oder auch Stimulation und Lernen führen zu einem Umbau der Karten in den sensorischen und motorischen Kortexarealen. Bildgebende Verfahren, wie z.B. die (funktionelle) Magnetresonanztomografie ((f)MRT) wurden in den letzten Jahren auch in der Schmerzforschung in großem Umfang eingesetzt. Die zentrale Verarbeitung nozizeptiver Reize und die Netzwerke, die die Schmerzerfahrung prägen und modulieren, sowie die Wirkweise von emotionalen oder kognitiven Zuständen wie Angst, Erwartung oder Katastrophendenken wurden so näher untersucht. Es gelingt zunehmend, pathogenetische Mechanismen chronischer Schmerzen aufzudecken.

Neuroplastizität als therapeutischer Angriffspunkt

Forschungsergebnisse zeigen, dass chronischer Schmerz mit maladaptiven Veränderungen in verschiedenen Gehirnregionen (beispielsweise einer verstärkten zentralen Schmerzverarbeitung und einer gestörten deszendierenden Hemmung)
assoziiert ist. Diese Ergebnisse leisten einen zentralen Beitrag für die Entwicklung von neuen therapeutischen Ansätzen, wie z.B. Diskriminationstraining, oder Spiegeltherapie bei Phantomschmerz oder Vorstellungstraining bei neuropathischen Schmerzen, durch die zentrale Reorganisationsprozesse rückgängig gemacht werden sollen. Darüber hinaus können weitere innovative Interventionen wie Neurofeedback entwickelt werden, die gezielt in diese neuroplastischen Veränderungen eingreifen sollen. Schließlich bieten Verfahren wie das fMRT die Möglichkeit, die funktionellen Veränderungen infolge effektiver Therapien „mechanistisch“ zu überprüfen und so mehr Aufschlüsse über Wirkweise und Wirkort dieser Therapien zu erhalten.

Prof. Dr. Herta Flor

Medizinische Fakultät Mannheim/

Universität Heidelberg

Institut für Neuropsychologie und

Klinische Psychologie

Zentralinstitut für seelische Gesundheit

J5

68159 Mannheim

 

Kurzreferat 5

Präventiver Einsatz von Lumbalorthesen bei wirbelsäulen-belastenden Tätigkeiten

Uwe Schwokowski

3. Mai, 8.00 Uhr, Sitzungsraum 7/8

In der täglichen orthopädischen Praxis versorgen wir ca. 1/3 unserer Patienten mit Rückenschmerzen verschiedener Genese. Neben der Diagnosestellung ist die Therapie von besonderer Bedeutung. Die Primärprävention, die Erhaltung von Gesundheit bei (noch) Gesunden, wird eher eine Aufgabe von Arbeitsmedizinern und Betriebsärzten sein. Die Sekundärprävention, die Intervention bei Krankheiten im frühen Stadium sollte eine der Primäraufgaben des konservativen Orthopäden in seiner Praxis sein.

Der Rückenschmerz hat viele verschiedene Ursachen. Häufig führt ein Missverhältnis aus Belastung und Belastbarkeit zu Problemen. Auslöser sind u.a. Fehl- und Überlastungen im Beruf, im Alltag und insbesondere auch beim Sport: Häufige einseitige Belastungen des Rückens, ständige Arbeiten in Vorbeuge oder Armvorhalt, sowie das repetitive Heben und Tragen von schweren Lasten insbesondere in Vorbeuge und mit Rotation haben dabei eine besondere Bedeutung.

Rücken beanspruchende Tätigkeiten kommen insbesondere bei Berufen mit einseitigen, repetitiven oder schweren körperlichen Belastungen vor (u.a. Bauarbeiter, Heizungsmonteure, Hafenarbeiter). Besonders wirbelsäulenbelastende Sportarten sind z.B. Gewichtheben, Turnen, Radsport, Eisschnelllauf und Schwimmen (Delfin, Brust). Aber auch die tägliche Haus- und Gartenarbeit ist als Belastungsfaktor besonders zu beachten.

Die Prävention im Sinne von „arbeitsbezogenen Rückenschulen“ wird seit vielen Jahren erfolgreich durchgeführt. Die Vermeidung von übermäßigen Rückenbelastungen und die Verbesserung der muskulären Belastbarkeit stehen im Vordergrund.

Der präventive Einsatz von Stützbandagen ist sinnvoll

Eine Orthese ist ein äußerer Kraftträger zur Stützung, Entlastung oder Fixierung eines Körperabschnittes. Sie ist ein industriell oder durch einen Orthopädietechniker hergestelltes
medizinisches Hilfsmittel. Eine Rumpforthese ist starr oder
dynamisch, mit Abstützung am Becken oder Rumpfbereich. Sie dient dazu, Funktionen des Bewegungsapparates zu ersetzen, Fehlstellungen zu korrigieren, die Wirbelsäule zu stabilisieren und auch vor der Einwirkung äußerer Kräfte zu schützen.

Bandagen sind meist aufgebaut aus weichen, elastischen Stoffen, die die Gelenke vor Fehl- und Überlastung schützen sollen. Somit kann eine Rückenstützbandage unserem Ziel der Prävention bei wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten entsprechen. Historische Berichte zeigen, dass bei anderen Völkern vergleichbare unschätzbare praktische Erfahrungen der Belastungsminderung bereits in den Alltag Einzug gehalten haben und positive Auswirkungen bedingen. Epidemiologische Studien zur Anwendung von Rückenstützgurten, die sich schwerpunktmäßig über ein Jahr erstreckten, machten Angaben zur Reduktion von Rückenerkrankungen im Bereich um 50 % (38–89 %).

Aus der Praxis – für die Praxis

Nach derzeitigem Kenntnisstand kann davon ausgegangen werden, dass bei den Wirkmechanismen die Auswirkungen der mechanisch stabilisierend wirkenden Bewegungseinschränkung, die neurophysiologischen Effekte, die Erinnerungsfunktion und die thermoregulatorischen Veränderungen im Vordergrund stehen. Verschiedene Untersuchungsergebnisse zeigen, dass es durch das Tragen der Rückenstützbandagen zu keiner Einschränkung der neuromuskulären Aktivierung der rumpfstabilisierenden Muskulatur kommt. Dabei sind auch bei unerwarteten Belastungssituationen, die Bewegungsamplituden durch die Bandagen tendenziell eingeschränkt.

Dr. Uwe Schwokowski

Facharzt für Orthopädie

Schwerpunkt Rheumatologie

Schweriner Straße 53

23909 Ratzeburg

 

Kurzreferat 6

Die osteoporotische Fraktur:

Osteosynthese oder Endoprothese?

Wolf Mutschler

4. Mai, 8.30 Uhr, Kongresssaal I

Das Ziel jeder Art von Frakturbehandlung, ob konservativ oder operativ, ist die Wiederherstellung der Funktion und Lebensqualität mit dem geringst möglichen Risiko. Diese „Restitutio ad ante“ ist schwieriger zu erreichen, wenn es um alte Menschen mit osteoporotischen Knochen, multiplen Komorbiditäten und geringeren Kooperations- und Kompensationsfähigkeiten geht. Der Heilungsprozess der Frakturen verläuft langsamer, die lokalen und systemischen Komplikationsraten sind höher und die technischen Schwierigkeiten bei einer Osteosynthese sind größer. Einerseits! Andererseits stehen uns heute mit der Entwicklung von winkelstabilen Osteosynthesematerialien für jede Körperregion und der Verfügbarkeit ausgeklügelter Endoprothesen“familien“ vielfältige Optionen zur Verfügung, um das genannte Ziel der Frakturbehandlung trotzdem zu verwirklichen.

Die Frage Osteosynthese oder Endoprothese stellt sich bei allen periartikulären (metaphysären) und Gelenkfrakturen/ Luxationsfrakturen der großen Körpergelenke, also Hüftgelenk/proximaler Femur, proximaler Humerus, Ellenbogengelenk und Kniegelenk des alten Menschen. Sie machen in Deutschland rund 20 % aller stationär behandelten Patienten mit Frakturen aus! Generell wird die Entscheidungsfindung von 4 Hauptparametern bestimmt:

  • 1. der Frakturkonfiguration und der mutmaßlichen Knochenqualität
  • 2. dem Gesundheitszustand des Patienten, seinen Erwartungen und seiner Kooperationsfähigkeit
  • 3. den operationstechnischen, biomechanischen und biologischen Vor- und Nachteilen des jeweiligen Verfahrens, nach bestmöglicher Evidenz gewichtet und
  • 4. der Erfahrung und Präferenz der Operateure. Daraus entsteht ein Algorithmus, der im Einzelfall zu einer gut begründeten Lösung beiträgt.

Die Entscheidung fällt technisch und biologisch

In der Literatur ist unstrittig, dass zunächst immer die Option einer gelenkerhaltenden Osteosynthese erwogen wird. Für eine primäre Endoprothese wird man sich entscheiden, wenn die Osteosynthese technisch nicht durchführbar erscheint oder biologisch nicht sinnvoll ist. Technisch kann eine extreme Osteoporose, eine ausgedehnte meta-diaphysäre Trümmerzone oder eine zu kurze Verankerungsstrecke bei sehr gelenknahen Frakturzonen die sichere Fixation und ausreichende Stabilität für eine funktionelle Nachbehandlung verhindern. Biologisch ist eine Osteosynthese dann nicht sinnvoll, wenn eine schmerzhafte Arthrose vorbesteht oder ausgedehnte traumatische Knorpelläsionen eine frühzeitige Arthrose erwarten lassen, wenn durch die Unterbrechung der Blutzufuhr eine avaskuläre Knochennekrose wahrscheinlich ist oder vorbestehende/traumatische Kapsel-Bandinstabilitäten die Gelenkzentrierung und Gelenkführung verhindern. Auch bei tumorbedingten pathologischen Frakturen ist die Endoprothese die erste Wahl.

In Kliniken müssen beide Optionen
vorgehalten werden

Diese allgemeinen Überlegungen sollen an einigen Beispielen verdeutlicht werden. Bei der Schenkelhalsfraktur des alten Menschen wird bei geringer Dislokation (Garden I/II) die prophylaktische Stabilisierung mit Schraubenosteosynthese empfohlen, bei höherem Dislokationsgrad (Garden III/IV) ist dagegen bei einer Osteosynthese mit Revisionsraten von 30–40 % zu rechnen, sodass hier die primäre Endoprothetik klar überlegen ist. Je nach Aktivitätsgrad und Morbidität des Patienten wird man dabei zwischen Vollprothese und Hemiprothese entscheiden. Ganz anders ist die Evidenzlage für die proximale Femurfraktur: Hier dominiert die Osteosynthese, die Endoprothese ist Einzelfällen mit ausgedehnter Zertrümmerung, hochgradiger Osteoporose und vorbestehender Coxarthrose vorbehalten. Die Osteosynthese ist auch Methode der Wahl bei Frakturen des distalen Femur und der proximalen Tibia, Endoprothesen können bei periprothetischen Frakturen und sekundär notwendig werden. Viel diskutiert und mit noch wenig Evidenz belegt ist die Verfahrenswahl am proximalen Humerus, v.a. für die instabilen 3- und 4-Fragmentfrakturen, weil sich sowohl die Osteosyntheseverfahren als auch die Endoprothesenmodelle in den letzten Jahren auf die Alterstraumatologie fokussieren und die Bedingungen des alten Menschen reflektieren. Winkelstabile Implantate, Frakturprothesen und inverse Prothesen (bei vorbestehender Rotatorenmanschetteninsuffizienz) haben so ihren jeweiligen Platz mit Indikationsüberschneidungen.

Wir sehen, die Entscheidung zwischen Osteosynthese und Endoprothese bleibt aktuell und spannend. Nur wer beide Optionen mit entsprechender Expertise vorhält, wird dem einzelnen Patienten und dessen Frakturkonstellation gerecht werden.

Prof. Dr. Wolf Mutschler

Direktor der Klinik für Allgemeine, Unfall-, Hand- und Plastische Chirurgie

Nußbaumstraße 20

80336 München

 

Kurzreferat 7

Neuronale Mechanismen chronischer

Gelenkschmerzen

Hans Georg Schaible

4. Mai, 11 Uhr, Seminarraum 7/8

Eine schmerzhafte Gelenkerkrankung ist mit neuronalen Veränderungen auf allen Ebenen des nozizeptiven Systems verbunden. Gelenknozizeptoren des peripheren Nervensystems sind für mechanische Reize sensibilisiert, sodass sie bereits bei normalerweise nicht schmerzhaften Reizen (Bewegungen im Arbeitsbereich des Gelenks, Abtasten des Gelenks) ansprechen. Hinzu kommt die spinale Sensibilisierung: Rückenmarkneurone mit Gelenkafferenz werden übererregbar, was unter anderem dazu führt, dass sich die Zone der Schmerzhaftigkeit über das erkrankte Gelenk hinaus ausdehnt. Tatsächlich weisen z.B. Patienten mit Kniegelenkarthrose herabgesenkte Druckschmerzschwellen im gesamten Bein auf. Die spinale Sensibilisierung stellt einen Schmerzverstärkungsmechanismus dar. Die Sensibilisierung der Gelenkafferenzen und des Rückenmarks hat zur Folge, dass das nozizeptive thalamokortikale System, in dem die bewusste Schmerzempfindung entsteht, verstärkt aktiviert wird. Unter normalen Umständen können vom Hirnstamm absteigende Fasern die nozizeptive Aktivität auf der Ebene des Rückenmarks reduzieren. Wie bei Patienten mit chronischer Arthrose nachgewiesen wurde, zeigen solche deszendierenden Hemmsysteme unter chronischen Schmerzbedingungen eine deutlich reduzierte Aktivität. In einigen Arthritismodellen wurde darüber hinaus gezeigt, dass sich die Aktivierung des Nervensystems bei Arthritis nicht nur auf die Schmerzentstehung beschränkt. Über efferente neuronale Effekte kann das Nervensystem auch Entzündungsprozesse im Gelenk beeinflussen. Dadurch wird sekundär auch die Schmerzhaftigkeit mitbestimmt.

Die Sensibilisierung durch Zytokine ist langfristig und schwer reversibel

Die molekularen Mechanismen dieser neuronalen Veränderungen sind vielfältig. Es wird immer deutlicher, dass Faktoren des Immunsystems (Zytokine) ursächlich an den neuronalen Veränderungen beteiligt sind. Verschiedene Zytokine (TNF-?, Interleukin-6, Interleukin-17) können Gelenknozizeptoren für mechanische Reize sensibilisieren. Dies geschieht über einen neuronalen Angriffspunkt, denn viele Nozizeptoren exprimieren Rezeptoren für diese (und andere) Zytokine. Die durch
Zytokine induzierte Sensibilisierung ist langfristig. Auch spinal greifen Zytokine an. So wird bei Gelenkentzündung im Rückenmark Interleukin-6 freigesetzt, und dieses verstärkt die spinale Verarbeitung des nozizeptiven Eingangs aus dem Gelenk. Eine interessante Frage ist, ob die Neutralisierung proinflammatorischer Zytokine direkt analgetisch wirksam ist. Die bisher verfügbaren Daten zeigen, dass die Neutralisierung von TNF innerhalb von Stunden bis Tagen zu einer Abnahme der mechanischen Hyperalgesie führt, und zwar bevor die Entzündung selbst gelindert wird. Dies weist darauf hin, dass diese frühen Effekte neuronal vermittelt werden. Die sensibilisierende Wirkung von IL-6 ist nach unseren Daten eher schwer reversibel, weshalb diesem Zytokin möglicherweise eine besondere Bedeutung bei der Chronifizierung von Schmerzen zukommt. Diese Befunde sind primär bei der Erforschung der Schmerzmechanismen bei Arthritis entstanden. Da Zytokine auch eine wesentliche Rolle bei Arthrosen spielen (wobei nach Auffassung vieler Arthroseforscher auch bei Arthrosen entzündliche Vorgänge pathogenetisch bedeutsam sind), sind viele dieser Befunde möglicherweise auch für die Schmerzentstehung bei Arthrosen von Belang.

Prof. Dr. Hans-Georg Schaible

Institut für Physiologie 1/

Neurophysiologie

Universitätsklinikum Jena

Teichgraben 8

07740 Jena

 

Kurzreferat 8

Entzündliche Gelenkerkrankungen: rheumatoide Arthritis und Spondyloarthritiden – Was gibt es Neues?

Christoph Fiehn

3. Mai, 10.30 Uhr, Kongresssaal II:

Der enorme Zuwachs von Kenntnissen über immunologische Erkrankungen und die Entwicklung immer neuer wirksamer Therapien hat die Rheumatologie zu einem der spannendsten Gebiete der Medizin gemacht. Insbesondere die Einführung der TNF-alpha-Inhibitoren zur Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) und der Spondyloarthritiden zu Beginn des letzten Jahrzehnts hat das therapeutische Arsenal der Rheumatologen enorm erweitert. Die letzten Jahre wurden genutzt, die richtigen Therapiestrategien im Einsatz dieser Substanzen zu entwickeln.

Neue Substanzen

Darüber hinaus wurden mit dem Interleukin-6-Hemmstoff Tocilizumab, und den T- bzw. B-Lymphozyten-Antagonisten Abatacept und Rituximab neue Biologika zur Behandlung der RA zugelassen, welche spezifische Vor- und Nachteile zu den TNF-Inhibitoren haben.

Erstmals ist daher bei dieser Erkrankung eine sehr individuelle und differenzierte Therapieentscheidung mit einem großen Arsenal an Substanzen möglich. Dies wurde nun in einer neuen S1-Leitlinie zur Behandlung der RA festgelegt. Um das optimale Ergebnis zur Verhinderung von Funktionsverlust zu erreichen, wird dabei nach dem Prinzip des „treat to target“ vorgegangen, bei dem das Erreichen einer Remission der Erkrankung im Fokus steht. Das therapeutische Arsenal wird außerdem sehr bald durch einen neuen Wirkstoff ergänzt: Tofacitinib, ein oral zu gebendes Medikament aus der Klasse der Kinaseinhibitoren, steht in Deutschland kurz vor der Zulassung zur Behandlung der RA.

TNF-Inhibitoren nicht nur zur Schmerzlinderung

Im Gegensatz zur RA sind bei den Spondyloarthritiden bisher die TNF-Inhibitoren immer noch die einzigen Biologika mit einer erwiesenen Wirksamkeit. Hier hat sich die Forschung auf das Erkennen von frühen Formen der axialen Spondyloarthritiden und ihre richtige Behandlung konzentriert. Dabei waren bisher vor allem die Wirkungen auf Schmerz und Funktionsbeeinträchtigung durch die Erkrankung gezeigt worden. Erstmals ergeben sich nun aber Hinweise, dass der sehr frühe Einsatz von TNF-Inhibitoren möglicherweise doch auch das Fortschreiten der Ankylose der Wirbelsäule verhindern kann.

Prof. Dr. Christoph Fiehn

ACURA Rheumazentrum Baden-Baden

Rotenbachtalstraße 5

76530 Baden-Baden

 

Kurzreferat 9

Prinzipien periimplantärer und periprothetischer Frakturen

Peter Biberthaler

5. Mai, 8.30 Uhr, Kongresssaal II

Die durchschnittliche Lebenserwartung in den westlichen Industrienationen steigt stetig an. Damit steigt auch die Häufigkeit von Gelenkarthrosen und Osteoporose-assoziierten Frakturen. Diese werden entweder mittels endoprothetischem Gelenkersatz oder Osteosynthesen versorgt. Bei einem erneuten Sturz kommt es dann zu Frakturen im Bereich der Endoprothesen oder Implantate. Die Versorgung dieser Frakturen erfordert eine ganze Reihe von spezifischen Kenntnissen: Zum einen ist die Festigkeit von liegenden Implantaten, sei es nun Endoprothesen oder Osteosynthesematerial von entscheidender Bedeutung. Zum anderen liegt bei den betroffenen Patienten häufig eine Reihe von internistischen Begleiterkrankungen vor, sodass das perioperative Risiko deutlich gesteigert sein kann. Da die Verankerungsmöglichkeiten sowohl von potenziellen Revisionsprothesen als auch periprothetischen Implantaten ganz andere Anforderungen an die Materialien stellen, wurden eine Reihe von modernen Versorgungsmöglichkeiten entwickelt, um auch in diesen kritischen Situationen die Patienten bestmöglichst versorgen zu können.

Im Vortrag werden kurz die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Aspekte für die Versorgung von Implantat-assoziierten Frakturen zusammengefasst, gefolgt von der Darstellung innovativer operativer Techniken. Abschließend wird ein klar strukturierter Algorithmus präsentiert, anhand dessen eine stringente Versorgung dieser komplexen Verletzungen abgeleitet werden kann.

Prof. Dr. Peter Biberthaler

Technische Universität München

Direktor der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie

Ismaninger Straße 22

81675 München

 

Kurzreferat 10

Gründe für das Versagen von Knie-Totalendoprothesen – Ursachen und Risikofaktoren (Studie wurde im Rahmen einer Doktorarbeit von J. Henssler erstellt.)

Christof Rader

4. Mai, 8.30 Uhr, Kongresssaal II

Die Zahl der Knie-Endoprothesenimplantationen (K-TEP) steigt mit der älter werdenden Bevölkerung stetig. Die K-TEP zeigt gegenüber dem Hüftgelenkersatz eine häufigere Revisionsrate, insbesondere in den ersten 5 Jahren.

Die Studie erfasste das retrospektive Datenmaterial aus 1,5 Jahren einer auf Endoprothetik spezialisierten städtischen Orthopädieabteilung (n = 65), aus der alle K-TEP-Revisionsfälle aus dieser Zeit konsekutiv aufgearbeitet wurden. Außer der Anamnese und den klinischen Daten wurde mithilfe des Operationsberichtes und der Röntgenbilder die Versagensursache analysiert. Von den 65 Patienten waren 60 % auswärtig mit einer Primärprothese versorgt worden; 45 Patienten (69,2 %) weiblich; Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Revision 71 ± 8,2 Jahre; Follow-up im Mittel 66 Monate.

Risikofaktor Patella-Alignement und erhöhter BMI

Häufigste Ursache für das Versagen einer K-TEP innerhalb von 5 Jahren waren Komplikationen des patellaren Kompartimentes (33,3 %), gefolgt von aseptischer tibialer Lockerung (31,3 %) und Infektionen (16,7 %). Zählt man zu den aseptischen Lockerungen die Spätkomplikationen dazu, so überwiegen, wie zu erwarten, die aseptischen Lockerungen mit 43,1 %.

Folgende Risikofaktoren konnten identifiziert werden: Ein erhöhter BMI zeigte sich als in Zusammenhang stehend mit patellarer Problematik, Infektionen und generell einem früheren Versagen der K-TEP. Eine Lockerung der tibialen Komponente trat signifikant häufiger bei jüngeren und weiblichen Endoprothesenträgern auf, besonders dann, wenn die Tibiakomponente nicht ganz, d.h. nicht der Kiel der Prothese, einzementiert war. Patellaprobleme konnten vor allem bei älteren, weiblichen Patienten beobachtet werden.

Schlussfolgernd halten wir es für sinnvoll, auf das Patella-Alignement zu achten, gfs. häufiger eine Patellaprothese primär zu verwenden. Die Tibiakomponente sollte komplett einzementiert sein, und nicht nur, wie es manche Firmen empfehlen, unterhalb des Tibiaplateaus. Ggf. sind auch längere Stiele an der Tibiakomponente sinnvoll. Patienten mit einem erhöhten BMI sollten über eine steigende Komplikationsrate aufgeklärt werden.

Prof. Dr. Christof Rader

Praxisklinik Orthopädie

St. Franziskushospital Aachen

Abteilung Gelenkchirurgie

Sanatoriumstraße 10

52064 Aachen

 

Kurzreferat 11

Rückenschmerzen und Körperhaltung

– gibt es Zusammenhänge?

André Ljutow

4.Mai, 10.00 Uhr, Auditorium

Die Tatsache, dass über 80 % der Rückenschmerzen als unspezifisch bezeichnet werden, ärgert wohl jeden Orthopäden mehr oder weniger. Richtig ist, dass für die Mehrzahl der Patienten keine erklärende, strukturelle Pathologie als Ursache der geklagten Schmerzen gefunden werden kann. Dies schließt jedoch nicht aus, dass funktionelle Störungen ursächlich oder aufrechterhaltend an den Schmerzen beteiligt sind. Auch finden sich fließende Übergänge zur Verhaltensmedizin, wo die Einstellungen des Patienten, sein Umgang mit den Schmerzen und seine Verhaltensweisen mit sich und seinem Körper (Stichworte: Überforderung, Unterforderung) eine Rolle spielen. In den vorgestellten Ergebnissen eines Forschungsprojektes wurden 50 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen mittels 3-dimensionaler, optischer Wirbelsäulenanalyse untersucht und ihre Haltung analysiert. Demgegenüber wurde ein Kollektiv mit 50 schmerzfreien Probanden gestellt, die in gleicher Weise untersucht wurden. Heutzutage wissen wir um die allenfalls schwache Korrelation zwischen den Ergebnissen der radiologischen Bildgebung einerseits und Schmerzen andererseits. Inwiefern Haltung, insbesondere von uns als Fehlhaltung interpretierte Befunde, eine Rolle für den Rückenschmerz spielen, soll mit dieser Untersuchung dargestellt werden.

Neben der reinen Haltungsanalyse wurde die Körperschwankung mit offenen und geschlossenen Augen untersucht, um Störungen der Propriozeption zu erfassen. Hiermit sollte die Wertigkeit des Konzeptes einer Muskeldysbalance zwischen tiefer, segmental-stabilisierender Muskulatur und oberflächlicher Willkürmuskulatur geprüft werden. Daraus können Konsequenzen für die weitere Behandlung und Patientenführung abgeleitet werden.

Dr. André Ljutow

Leiter des Zentrums für Schmerzmedizin

am Schweizer Paraplegikerzentrum

Guido A. Zäch Straße 1

CH 6207 Nottwil /Lucerne

 

Kurzreferat 12

Arthrose und Sexualität

Walther Kirschner

1. Mai, 9.00 Uhr Kongresssaal I

Arthrosepatienten können vielfältige gesundheitliche Probleme haben. Schmerzen und Bewegungseinschränkungen stehen dabei zunächst im Vordergrund. In weiteren Chronifizierungsprozessen entwickeln sich zusätzliche Probleme der Nachbargelenke und der Muskulatur, begleitet von zunehmenden Fehlhaltungen und -belastungen. Somit kommt es neben quälenden Beschwerden zu komplexen Funktionsdefiziten des muskuloskelettalen Systems.

Betroffene Patienten bekommen erhebliche Probleme im privaten, sozialen und beruflichen Leben, die Lebensqualität ist drastisch eingeschränkt. Oftmals resultieren aus den psychoemotionalen Auswirkungen langfristig behandlungsbedürftige Depressionen.

Eher wenig beachtet sind sexuelle Probleme bei Arthrosepatienten – obwohl sie für die Betroffenen von großer Bedeutung sind. Sexuelle Bedürfnisse stellen ein menschliches Grundbedürfnis dar. Dennoch scheint diese Thematik im klinischen Praxisalltag, wie auch in der medizinischen Fachliteratur, eher relativ tabuisiert zu sein – hierauf deuten eine bescheidene Datenlage und wenig professionelle Aufmerksamkeit.

Antwort auf Probleme in Web-Blogs?

Wie kommt das? Offenbar müssen hierbei gesellschaftliche tradierte Konventionen bedacht werden. Allerdings sind ärztliche Pflichten dennoch gefragt: Die Patienten mit ihren besonderen gesundheitlichen Problemen und Bedürfnissen wahrnehmen und ihnen ärztliche Hilfen anbieten.

Bei US-amerikanischen Orthopäden zeigten Umfragen, dass fast nie über sexuelle Probleme bei Arthrosepatienten mit erfolgter Hüftprothesenimplantation gesprochen wurde. Bei den wenigen Fällen, bei denen die Thematik überhaupt angesprochen wurde, berichteten die Ärzte, dass 5 Minuten oder weniger dafür verwendet wurden. Und das, obwohl es sich um eine zentrale Problematik der betroffenen Patienten handelt.

So ist es denn auch kaum verwunderlich, dass in nationalen und internationalen Web-Blogs viele Patienten z.T. freimütig diesen Mangel beklagen und verzweifelt andere Patienten um Rat fragen.

Hoher Leidensdruck

Es wird offenkundig, dass ein wichtiger Lebensbereich der
Arthrosepatienten angesichts gesellschaftlicher Tabus zur Sexualität bei ärztlichen Behandlungen und Beratungen zu kurz kommt. Mehr ärztliche Aufmerksamkeit – aber auch bei weiteren paramedizinisch Beteiligten (Schwestern, Pflegern, Therapeuten, Klinischen Psychologen u.a.) – sowie konkrete Hilfen (Infos, Beratungen, Instruktionen) sind erforderlich. Neue Wege und Vorgehensweisen sind zu entwickeln.

Dr. med. Walther Kirschner

Dr. Lauterbach-Klinik

Abteilung für Orthopädie, Traumatologie, Sportorthopädie

Heinrich-Mann-Straße 5

36448 Bad Liebenstein

 

Kurzreferat 13

Außenbandverletzungen am OSG

Jonas Andermahr

2. Mai, 8.00 Uhr, Sitzungsraum 7/8

Der Invaliditätsgrad nach Fußverletzungen ist häufig sehr hoch, sodass ein volkswirtschaftliches Interesse daran besteht, eine langfristige Funktionswiederherstellung zu erreichen. Das Besondere bei den Bandverletzungen ist, dass sie klinisch und radiologisch häufig bei der Erstuntersuchung nicht leicht in ihrem gesamten Ausmaß zu erfassen sind, und gleichzeitig eine protrahierte Diagnose zu schweren Funktionsstörungen des Fußes führen kann. Diese können potenziell desolat (Arthrose des OSG) enden. Die häufigste Ursache für die OSG-Arthrodese ist mit 70 % die posttraumatische Arthrose. Die chronischen und initial falsch behandelten Bandläsionen des OSG leisten hier einen Beitrag. Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass in den Nacht-, Wochenend- und Notdiensten häufig Berufsanfänger den Verletzten behandeln und die Anschlusstherapie unkontrolliert abläuft. Relevante Läsionen werden auf diese Weise übersehen. Im Vortrag werden die Pearls und Pitfalls dieser Verletzungen mit den Operationsmethoden beschrieben.

Distorsionen konservativ behandeln

Kommt es zu einer Ruptur von mindestens einem der 3 fibularen Bänder, spricht man von einer fibularen Bandruptur. Meistens kommt es ätiologisch zu einer forcierten Vorfuß-Supination und Rückfuß-Inversion. Prädisponierende Faktoren wie die Laxizität von Bändern oder eine genetische Anlage der ligamentären Matrix, z.B. Ehlers-Danlos-Syndrom, können die fibulare Bandruptur begünstigen. Liegt eine verstärkte Rückfuß-Inversion mit vermehrter lateraler Belastung der Fuß-Säule (Hohlfuß) vor, kommt es ebenfalls zu einer Prädisposition für fibulare Bandverletzungen.

Nach Plantarflexion mit Rückfuß-Inversion und Vorfuß-Abduktion kommt es zu oben genannter Verletzung. Wurde zusätzlich der Fuß dorsal flektiert, kann auch eine Syndesmosenruptur additiv oder gegebenenfalls eine Sprunggelenkfraktur resultieren. In 93 % der Fälle reißt das Ligamentum talo-fibulare anterius. In 60 % der Fälle zeigt sich ebenfalls das Ligamentum calcaneo fibulare elongiert. Bei 10 % kommt es zu knöchernen Ausrissen. Die Inzidenz in den USA beträgt ca. 10.000 Bandverletzungen pro Tag. Es handelt sich hierbei um die häufigste Sportverletzung (10–20 % aller Sportverletzungen), hauptsächlich sind es die Ballsportarten, jedoch hängt dies von der dominierenden Sportart des jeweiligen Landes ab. Der Altersgipfel liegt zwischen 15 und 20 Jahren.

Die nicht-chirurgische Behandlung ist für die allergrößte Majorität der OSG-Distorsionen indiziert. Im Falle der Grad-I-Verletzung ist eine Immobilisation für 6 Wochen in der Aircast-Schiene sinnvoll. Bei Grad-II-Verletzungen ist eine Immobilisation für 6 Wochen in der Caligaloc-Schiene sinnvoll.

Dreiband-Rupturen operativ behandeln

Bei Dreibandrupturen ist die operative Behandlung einer konservativen Therapie vorzuziehen. Ist eine operative Behandlung kontraindiziert, ist in diesem Fall eine 6-wöchige Unterschenkelgipsbehandlung in Neutral-Position indiziert. Die konservative Behandlung sollte neben der Stabilisierung des oberen Sprunggelenks die frühe funktionelle Bewegung in Dorsal- und Plantarflexion ermöglichen. Darüber hinaus ist die physikalische Therapie mit Lymphdrainage zur Reduktion der Gewebespannung notwendig. Auch bei konservativer Therapie kann langfristig eine OSG-Instabilität persistieren, was eine dann sekundäre Bandrekonstruktion notwendig macht.

Nachdem die operative Therapie in früheren Jahren als Notfalleingriff nicht selten nachts durchgeführt wurde, hat sich die großzügige Indikationsstellung auf wenige Indikationen bei erheblichen Instabilitäten (Dreibandruptur) mit Luxationstendenz reduziert. Der Patient wird in Rückenlage mit Keilunterfütterung des Gesäßes unter Innendrehung der Extremität in Blutsperre operiert. Es erfolgt eine epimalleoläre Schnittführung und die Subcutanschicht kann bis zur Fascia cruris präpariert werden. Von dort aus weiter kann das Ligamentum talo-fibulare anterius dargestellt werden. Die Peronealsehnen werden bis zum Ansatz präpariert und die Sehnenscheide eröffnet. Nun kann man am calcanearen Ansatz des Ligamentum calcano fibulare explorieren. Wichtig ist hier die Schonung des Nervus cutaneus dorsalis lateralis. Dieser verläuft dicht an der Peronealsehnenscheide entlang. Man kann ein elongiertes Ligamentum calcaneo fibulare dem Faserverlauf entsprechend in einen 10 mm langen 4,5-mm-Bohrkanal der Fibula einziehen. So kann erneut mechanische Stabilität erzielt werden. Auch kann z.B. mit arthroskopischer Unterstützung das Sprunggelenk exploriert werden. Hier können Knorpelschäden dokumentiert und gegebenenfalls mittels biodegradablen Pins refixiert werden.

Prof. Dr. Jonas Andermahr

Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie im Kreiskrankenhaus Mechernich

St.-Elisabeth-Straße 2–6

53894 Mechernich

 

Kurzreferat 14

Endoprothese oder Arthrodese des Sprunggelenks?

Ein Vergleich klinischer, radiologischer und ganganalytischer Ergebnisse

Rainer Biedermann

3. Mai, 10.30 Uhr, Kongresssaal I

Die Arthrodese stellt seit den Anfängen der Sprunggelenkschirurgie den „golden standard“ bei der Therapie der Arthrose des oberen Sprunggelenkes dar, was durch die Fehlschläge der ersten Sprunggelenksprothesengeneration noch untermauert wurde. Mit der Entwicklung der Dreikomponenten-Implantate vor über einem Jahrzehnt konnte jedoch eine entscheidende Verbesserung der Standzeiten und der funktionellen Resultate der Endoprothesen erzielt werden, sodass ein Vergleich der Ergebnisse mit denen nach Arthrodese sinnvoll wurde.

Die Literaturberichte weisen auf eine Überlebensrate der Endoprothesen von etwa 75 % nach 10 Jahren, auf eine deutlich höhere Rate an Reoperationen und Komplikationen, jedoch auch auf bessere funktionelle Ergebnisse nach Sprunggelenksprothesenimplantation mit physiologischerem Gangablauf hin. Eines der Hauptargumente für die Prothesenimplantation bei jüngeren Patienten: Die Anschlussarthrose nach Sprunggelenksversteifung scheint nach jahrelanger Latenz fast immer aufzutreten, jedoch nur in einem geringen Prozentsatz zu therapeutischen Konsequenzen zu führen. Auffallend ist ein Mangel an publizierten komparativen Studien, die anhand vergleichbarer Patientenkollektive die Vor- und Nachteile des jeweiligen Verfahrens aufzeigen.

Verbesserte Implantate

Gegenwärtig wird an der Klinik für Orthopädie Innsbruck eine standardisierte Nachuntersuchung der seit 2004 aufgrund einer Arthrose des oberen Sprunggelenkes operierten Patienten durchgeführt, welche neben klinischen Parametern, den AOFAS und FAOS Scores und einer radiologischen Untersuchung eine Ganganalyse einschließt. Nach Ausschluss aller Patienten mit neuropathischen oder kongenitalen Fehlstellungen, Pseudarthrosen oder Infekten verblieben 99 Patienten mit einer primären Endoprothese sowie 42 Patienten mit einer primären Arthrodese des Sprunggelenkes. Der mittlere Nachuntersuchungszeitraum betrug 43,6 bzw. 43,9 Monate. Nach durchschnittlich 26 Monaten wurden 16 Prothesen entfernt (eine Amputation, 5 Arthrodesen, 10 Prothesenwechsel), was einer Überlebensrate von 84 % im Beobachtungszeitraum entspricht. Darüber hinaus wurden 14 weitere Patienten aufgrund geringerer Komplikationen einer operativen Revision ohne Wechsel eines knochenverankerten Prothesenteils unterzogen. 70 Patienten wurden nach durchschnittlich 51,5 Monaten nachuntersucht.

Erarbeitung von Patientenselektionskritierien

Dabei erschienen sowohl die anhand der VAS (visuelle Analogskala) subjektiv angegebenen Schmerzen vor dem Eingriff (8,2 bzw. 8,1), Schmerzen zum Nachuntersuchungszeitpunkt (3,2 bzw. 2,8) als auch der AOFAS Score bei der Nachuntersuchung (69,9 bzw. 68,4) bei den Patienten nach Prothesenimplantation bzw. Arthrodese vergleichbar. Bei den Prothesenpatienten zeigte sich im Vergleich der präoperativen Beweglichkeit zum postoperativen Befund interessanterweise keine Änderung des durchschnittlichen Bewegungsausmaßes (jeweils 27°). Patienten mit großem Bewegungsausmaß verloren, Patienten mit kleinerem Bewegungsausmaß gewannen an Beweglichkeit. Prothesenpatienten hatten jedoch nahezu das doppelte Risiko einer Komplikation bzw. eines Revisionseingriffes, wobei sich eine Reduktion der Komplikationsrate bei den später durchgeführten Eingriffen im Sinne einer Lernkurve zeigte. Insgesamt unterstützen die erhobenen Daten einen Wechsel der laufenden Diskussion, weg von der Frage der Überlegenheit eines Verfahrens, hin zu den Patientenselektionskriterien für die jeweilige Methode zur chirurgischen Behandlung der Arthrose des oberen Sprunggelenkes.

PD Dr. Rainer Biedermann

Teamleiter Kinderorthopädie,

Neuroorthopädie und Fußchirurgie

Univ.-Klinik für Orthopädie Innsbruck

Anichstraße 35

A-6020 Innsbruck

 

Kurzreferat 15

Stammzell-basiertes Therapieverfahren zur

Behandlung der Arthrose des Kniegelenkes

in klinischer Erprobung

Ulrich Nöth

1. Mai, 13.30 Uhr, Kongresssaal II

Die Arthrose ist durch den stetig fortschreitenden Verlust der Knorpelmatrix durch entzündliche Prozesse unter Beteiligung der Synovialmembran charakterisiert. In fortgeschrittenen Stadien kommt es zu massiven Schädigungen der Gelenke, sodass der künstliche Gelenkersatz oftmals die einzige Behandlungsoption ist.

In dem europäischen Forschungsprojekt ADIPOA werden unter Beteiligung der Universität Würzburg neue Therapiekonzepte für die Behandlung der Arthrose entwickelt, und sie finden ihren Weg in die klinische Erprobung. Die Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus in Würzburg (Lehrstuhl für Orthopädie der Universität Würzburg) ist in diesem EU-Projekt federführend für die Durchführung einer Pilotstudie der Phase I zur Behandlung von Patienten mit Kniearthrose durch Stammzellen verantwortlich.

Aufbau eigener Knorpelmatrix

Das innovative Therapiekonzept basiert auf der Verwendung körpereigener, sogenannter mesenchymaler Stammzellen. Diese Zellen besitzen die Fähigkeit, sich je nach Umgebung und äußeren Einflüssen in Zellen von Knorpel, Knochen- oder Fettgewebe zu differenzieren. Im Forschungsprojekt ADIPOA werden körpereigene Stammzellen des Fettgewebes aus dem Bauchfett isoliert und durch ein aufwendiges Kulturverfahren in Zellen mit Knorpeleigenschaften programmiert. Diese Zellen werden dann dem Patienten in das betroffene Kniegelenk injiziert. Die eingebrachten Stammzellen sollen zum einen die destruktiven Vorgänge reduzieren und zum anderen den Aufbau von eigener Knorpelmatrix begünstigen.

Multicenterstudie für 2014 geplant

Nach Empfehlung der zuständigen Bundesoberbehörde, Paul-Ehrlich-Institut (PEI), werden in der klinischen Studie Phase I derzeit nur Patienten behandelt, bei denen bereits die Indikation für eine Knieprothesenversorgung gegeben ist, um dem
Sicherheitsaspekt dieser Erstanwendung Rechnung zu tragen. Die breitere Anwendung für Patienten, die an einer Kniegelenkarthrose leiden, ist für das Jahr 2014 in einer Multicenterstudie (Phase II) geplant.

Prof. Dr. Ulrich Nöth, MHBA

Leiter des Schwerpunktes Tissue Engineering/Regenerative Medizin

Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus

Lehrstuhl für Orthopädie der Universität Würzburg

Brettreichstraße 11

97074 Würzburg

 

Kurzreferat 16

Aktuelle chirurgische Therapie der idiopathischen Adoleszentenskoliose

Florian Geiger

1. Mai, 8.00 Uhr, Kongresssaal II

Die Behandlung der Adoleszentenskoliose hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Durch den Einsatz von neuen Schrauben-Stabsystemen sind die Korrekturmöglichkeiten vielfältiger geworden. Gleichzeitig ist die Behandlung durch die Verbreitung von intraoperativem Neuromonitoring, Schmerzkathetern und evtl. Navigation sicherer geworden.

Zunächst muss entschieden werden, ob ein ventraler oder dorsaler Zugang gewählt wird. Der besseren Kyphosierung und Derotation nach ventralem Zugang durch Entfernung der Bandscheiben stehen das größere Zugangstrauma und die längere Rekonvaleszenzzeit nach transthorakalen Eingriffen gegenüber. Dennoch ist sie bei höhergradigen einbogigen Krümmungen weiter das Mittel der Wahl. Durch die mittlerweile verbreiteten Doppelstabsysteme ist die Gefahr des Korrekturverlustes auch bei der korsettfreien Nachbehandlung gering.

Neue Techniken

Bei den dorsalen Korrekturen haben sich die Schrauben gegenüber Haken aufgrund der größeren Stabilität und vielfältigeren Korrekturmöglichkeiten durchgesetzt. Eine Gefahr bei „all-screw“- Konstruktionen wird in der Abflachung des sagittalen Profils gesehen. Dem versucht man, mit härteren Cobalt-Chrom Stäben und dem vermehrten Einsatz von Ponte-Osteotomien entgegenzuwirken. Zudem kann bei heutigen Systemen auf die alleinige Korrektur durch Stabderotation verzichtet werden, die ja immer die Gefahr der Gegenrotation der Anschlusssegmente in sich birgt, wohingegen die zusätzliche Korrektur durch Translation, Stabkonturierung und Cantilever möglich ist. Zudem besteht durch die Umwandlung von poliaxialen in monoaxiale Schrauben oder die Verwendung unilateraler Schrauben die Möglichkeit der segmentalen „Vertebral Body Rotation“ (VBR). Ob die thorakale Rotation ohne Entfernung der Bandscheiben oder Ponte-Osteotomien effektiv korrigiert werden kann, ist noch nicht endgültig beantwortet, jedoch scheint es, dass zumindest die lumbale Rotation soweit korrigiert werden kann, dass hierdurch Segmente gespart werden können.

Durch all diese Möglichkeiten ist die Korrektur effektiver geworden, was sich oftmals in kürzeren, selektiven Versteifungen niederschlägt. Hierdurch ist auch eine neue Klassifikation der Skoliosen notwendig geworden.

Der Vortrag wird neben den Indikationen, Klassifikation und Techniken der operativen Behandlung von Skoliosen auch erste Ergebnisse einer neuen Technik präsentieren.

PD Dr. Florian Geiger

Orthopädische Universitätsklinik Frankfurt-Friedrichsheim

Leitender Oberarzt der Abteilung für Wirbelsäulenorthopädie

Marienburgstraße 2

60528 Frankfurt

 

Kurzreferat 17

Duralsackvolumen, Gehstrecke und VAS bei Patienten mit lumbaler Spinalkanalstenose

Dorothea Jörg

1. Mai, 13.30 Uhr, Auditorium

Die Zahl der Menschen über 65 und damit auch die Inzidenz der symptomatischen Spinalkanalstenose nehmen stetig zu. Gehstreckeneinschränkung und Schmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität und Unabhängigkeit. Die aktuell gängige Therapieoption ist die Operation nach frustraner konservativer Therapie. Etabliert hat sich die mikrochirurgische Dekompression mit Laminotomie und Flavektomie. Frühere Operationstechniken mit Laminektomie und Hemilaminektomie haben gegenüber der weniger invasiven Methode keinen Vorteil gezeigt. Was die konservative Therapie betrifft, gibt es weder Leitlinien noch groß angelegte Studien. Daher erlauben die konservativen Optionen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nur unzureichende Vergleiche.

Zahlreiche Studien haben den Nutzen einer mikrochirurgischen Dekompressionsoperation belegt. Wir wissen jedoch nicht, inwieweit das Ausmaß der Dekompression den Erfolg der Operation bestimmt. In einer Two-Center-Studie wird mit folgenden Parametern gearbeitet: Dekompressionsausmaß, schmerzfreie Gehstrecke und Schmerzen in den Beinen und im Rücken (VAS).

In diese prospektive Studie werden Patienten mit mono- oder bisegmentaler lumbaler Spinalkanalstenose eingeschlossen. Vor und 3 Monate nach der Operation werden die Patienten untersucht: Bestimmung des Dekompressionsausmaßes anhand von MRT Aufnahmen, Messung der schmerzfreien Gehstrecke über einen Laufbandtest und Aufnahme der Schmerzintensität anhand der Visuellen Analogskala.

Bislang konnte gezeigt werden, dass alle Patienten hinsichtlich der Verbesserung der Gehstrecke und der Linderung der Schmerzen profitieren. Die weiteren Untersuchungen sollen belegen, welchen Schwellenwert es für das Ausmaß der Dekompression gibt.

Dr. Dorothea Jörg

Neurochirurgische Abteilung der

Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau

Prof.-Küntscher-Straße 8

82418 Murnau

 

Kurzreferat 18

Moderne Skoliosenchirurgie unter kosmetischen Aspekten

Stefan Krebs

1. Mai, 8.00 Uhr, Kongresssaal II

Sind es beim älteren Patienten meistens Schmerzen, die den Patienten mit Skoliose oder anderweitigen Wirbelsäulendeformitäten zum Arzt führen, so ist dies beim jüngeren Patienten anders. Oft haben die Eltern durch die Sorge um ihr Kind einen höheren Leidensdruck als der Betroffene selbst.

Indikation für eine Operation ist in erster Linie die Prävention, d.h. es sollen Dekompensation und degenerative Veränderungen im Krümmungsbereich selbst verhindert werden, aber auch anhängige Skelettabschnitte sollen vor Überbeanspruchung und frühzeitiger Dekompensation geschützt werden. Dies muss nicht nur das Achsenorgan selbst betreffen. Bei ausgeprägten Formen kann es über einen Beckenschiefstand auch zur Fehlbelastung der Hüftgelenke, durch die schwere Imbalance mit Rumpfüberhang zu Gangstörungen im weitesten Sinne kommen; oder eben als Spätfolge unter dem Einfluss ungünstiger Zug- und Schwerkräfte, auch zu Frakturen, Instabilitäten und Spinalstenosen. Seltener, insbesondere aber bei deutlicher kyphotischer Komponente sind Beeinträchtigungen innerer Organe, wie Herz und Lunge.

War in den Anfangsjahren der Skoliosechirurgie das operative Risiko hoch, die Nachbehandlung aufwendig, so hat sich mit den Jahren, mit zunehmender Erfahrung und auch immer besseren anästhesiologischen Möglichkeiten, die Korrekturspondylodese zu einem festen und sicheren Bestandteil der orthopädischen Chirurgie entwickelt. Die Gesamtbelastung und das Risiko einer Skolioseoperation sind durchaus mit denen einer Hüftendoprothesenversorgung vergleichbar, wobei im Einzelnen aber immer auch die Schwere des Falles berücksichtigt werden muss.

Ventraler oder dorsaler Zugang?

Mit den Möglichkeiten wachsen auch die Ansprüche. Gerade bei den jüngeren Patientinnen spielte schon immer der kosmetische Aspekt eine große Rolle, zumal meistens keine oder nur unwesentliche Beschwerden vorliegen. Rein technisch ist es auch bei schweren Skoliosen, die primär vom dorsalen Zugang aus korrigiert werden, möglich, eine nahezu vollständige Aufrichtung und Egalisierung des Rückenreliefs zu erreichen; dies nicht nur durch die segmentale Instrumentierung, und damit 3-dimensionalen Korrekturkräfte, sondern auch durch weitere korrigierende Eingriffe am Brustkorb selbst, z.B. der konkavseitigen Thorakoplastik. Es verbleiben aber zumindest eine oder, bei minimalinvasiver Technik, sogar mehrere störende Narben von nicht unbeträchtlichem Ausmaß.

Natürlich kann auch bei einem vorderen Zugang nicht ohne Narbenbildung operiert werden. Allerdings ist es möglich, durch Lage und Länge des Zugangs das kosmetische Ergebnis weiter zu verbessern, die Narbe besser zu kaschieren.

Ein weiterer Vorteil der ventralen Zugehensweise ist die bessere Derotationsmöglichkeit – der Rippenbuckel oder Lendenwulst kann weggedreht werden. In der Summe ist hierdurch auf jeden Fall ein sehr gutes kosmetisches Resultat zu erreichen.

Postthorakotomiesyndrom bei jüngeren Patienten selten

Aus den bis hierin getätigten Äußerungen wäre zu entnehmen, nun alle Skoliosen nur noch von ventral zu operieren. Leider geht dies so nicht. Schwere Skoliosen, kombinierte Krümmungen, können in der Regel nur von dorsal suffizient versorgt werden, oder auch mit einer kombinierten Vorgehensweise.

Weitere Argumente, die gegen eine ventrale Derotationsspondylodese sprechen, sind die Störung der Lungenfunktion und das sogenannte Postthorakotomiesyndrom mit lang anhaltenden oder dauernden Schmerzen im Zugangsbereich. Allerdings wird über eine bleibende Lungenfunktionsstörung, oder das bei älteren Patienten durchaus immer wieder gesehene Postthorakotomiesyndrom, gerade bei den jüngeren Patienten nicht oder nur selten berichtet. Zumindest ist dies die Erfahrung aller größeren Zentren, die sich mit der ventralen Skoliosekorrektur, oder ventralen Zugängen zur Wirbelsäule überhaupt, regelmäßig beschäftigen.

Auch wenn eine direkte Vergleichbarkeit der verschiedenen Gruppen so gar nicht möglich ist, haben wir in unserer Klinik 25 Patienten, welche mit ventraler Derotationsspondylodese versorgt worden waren, und 25 von dorsal operierten Patienten, mit einem Mindest-follow-up von 2 Jahren nachuntersucht.

Zwar war die Korrektur insgesamt bei der ventralen Derotationsspondylodese gegenüber der dorsalen Vorgehensweise besser (80 % gegenüber 70 %), dies wundert aber nicht, da ja das Auswahlkriterium für die ventrale Vorgehensweise die leichteren und weniger starren einbogigen Krümmungen sind. In beiden Gruppen war die Zufriedenheit der Patienten sehr hoch. Auch was die Konturen des Rückens, die Reduktion des Rippenbuckels oder Lendenwulstes anbelangt, konnte eine sehr gute Verbesserung, im Vergleich zum Ausgang, erreicht werden.

In beiden Gruppen war jeweils ein Stabbruch zu verzeichnen, allerdings wurde nur beim dorsalen Stabbruch die Revision erforderlich, da nur dieser symptomatisch war.

Bessere Möglichkeiten durch perioperatives Management

Moderne Skoliosechirurgie bedeutet nicht nur die bestmöglichste 3-dimensionale Korrektur zu erreichen, sondern sich auch den zunehmenden kosmetischen Ansprüchen der Patienten/-innen zu stellen. Dies scheint auch mit den zunehmend verbesserten anästhesiologischen Möglichkeiten und einem entsprechenden perioperativen Management durchaus vertretbar.

Im direkten Vergleich stellt erwartungsgemäß die ventrale Vorgehensweise gegenüber der dorsalen die günstige Alternative dar, dies hinsichtlich Blutverlust, Instrumentationsstrecke, stationärem Aufenthalt etc.

Allerdings lässt sich auch unter rein kosmetischen Aspekten, insbesondere in Kombination mit einer konkavseitigen Thorakoplastik, ebenso mit einer Operation von dorsal ein sehr gutes Ergebnis erzielen. Eine 80 %-ige Reduktion des Rippenbuckels oder Lendenwulstes konnte mit beiden Verfahren erzielt werden, auch wenn die von dorsal operierten Patienten die schwereren Skoliosen hatten.

Mit einer nahezu unsichtbaren und kurzen Schnittführung ist aber grundsätzlich der ventralen Vorgehensweise, auch unter kosmetischen Aspekten, der Vorzug zu geben, sofern die Indikation gegeben ist.

Dr. Stefan Krebs

Leiter des Skoliosezentrums Orthopädische Klinik Markgröningen

Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie

Klinik für Neuroorthopädie, Rückenmarkverletzungen und Skoliosen

Kurt-Lindemann-Weg 10

71706 Markgröningen

Kurzreferat 19

Neuerungen in der konservativen Behandlung von Kindern mit Cerebralparese – Botulinumtoxin und Physiotherapie

Richard Placzek

1. Mai, 10.30 Uhr, Kongresssaal II

Die Botulinumtoxin-A-Behandlung von Kindern mit infantiler Cerebralparese (ICP) gilt als sicher und effektiv. Selbst für den Behandlungsbeginn vor Vollendung des 2. Lebensjahrs wird in vergleichenden Untersuchungen ein Nebenwirkungsprofil vergleichbar zu älteren Kindern beschrieben. Eine einheitliche Injektionsstrategie hat sich bisher jedoch nicht durchgesetzt, wobei die Notwendigkeit einer langfristigen Therapieoption unumstritten ist. Es gilt zum einen, der Dauer der motorischen Entwicklung, und zum anderen den Erfordernissen einer suffizienten Kontrakturprophylaxe gerecht zu werden. Die hierfür benötigte Dosierung wird ebenfalls kontrovers diskutiert.

Multimodales Behandlungskonzept mit Nutzung der
noch potenten Neuroplastizität

Ein aktuelles Behandlungskonzept sollte unbedingt Sicherheit und Effektivität der Therapie mit dem Erhalt dieser Behandlungsoption während des gesamten Wachstums vereinen. Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen sowie zur bestmöglichen Förderung der motorischen Entwicklung entsprechend der jeweiligen Entwicklungsstufe und unter Einhaltung moderater Dosierungen und eingebettet in ein multimodales Behandlungskonzept wurde das „Key-Muscle-Konzept“ formuliert. Ein wesentlicher Aspekt dieses Konzeptes wie grundsätzlich auch jeder Form moderner Neurorehabilitation ist das frühe Lernen und die vielfache Redundanz, um die Chancen der dann noch potenten Neuroplastizität zu nutzen. Hierbei gilt es mittels einer multimodalen Behandlung, die bestmögliche Förderung der motorischen Entwicklung ebenso wie eine suffiziente Prophylaxe der pathognomonischen Sekundärveränderungen zu erreichen. Hierzu steht dem Behandler ein breites Spektrum konservativer wie operativer Maßnahmen zur Verfügung, welche sich nach ihrer Wirkweise in Bereiche von temporär bis permanent sowie von fokal bis generalisiert untergliedern lassen.

Bezüglich ihres Einsatzes kann eine Gewichtung anhand des Gross Motor Function Classification Systems (GMFCS) erfolgen. Eine weitere wesentliche Rolle kommt dem Alter des Patienten bzw. dem Zeitpunkt des Therapiebeginns und der Therapieintensität zu. Ein besonderer Status kommt hierbei der Physiotherapie zu, da sie als einzige Therapieform muskelkräftigend wirken kann. In Annäherung an die moderne Trainingstherapie Gesunder erfolgt diese zunehmend auch unter Zuhilfenahme von Trainingsgeräten.

Der Beitrag wie auch die gesamte Sitzung vermitteln neben den Grundlagen zur kinder- und neuroorthopädischen Behandlung von Kindern mit Cerebralparese insbesondere die Neuerungen und aktuellen Entwicklungen für die Bereiche Physiotherapie und Botulinumtoxin-Behandlung in einem multimodalen Behandlungskonzept.

PD Dr. Richard Placzek

Leiter des Schwerpunktes Kinder- und

Neuroorthopädie

Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Bonn

Sigmund-Freud-Straße 25

53127 Bonn

 

Kurzreferat 20

Das wächst sich schon raus – Therapiekonzepte am Kinderfuß

Bernd-Dietrich Katthagen

3. Mai, 14.00 Uhr, Kongresssaal II

Plattfuß und Innenrotationsgang gehören zu den häufigsten Anlässen für eine Vorstellung in der kinderorthopädischen Sprechstunde. Die physiologisch erhöhte Antetorsion, das Fußsohlenfettpolster bei Kleinkindern, ein niedriges Fußlängsgewölbe und mangelndes Training mit Fußmuskelschwäche ohne wirklichen Krankheitswert gilt es zu unterscheiden von krankhaften kongenitalen, neurogenen, kontrakten oder hyperlaxen Plattfüßen.

Empfehlungen für die Beratung zum Schuhkauf
und Fußtraining

Kinderfüße werden bei uns meist frühzeitig und während des ganzen Tages in mehr oder weniger passendes Schuhwerk eingezwängt. Zur gesunden Entwicklung mangelt es oft an Bewegungsfreiheit und den erforderlichen natürlichen Stimuli für einen leistungsfähigen Fuß. In Serienuntersuchungen in Kindergärten wurden die Wirkungen unpassenden Schuhwerks auf frühzeitige Vorfußdeformitäten nachgewiesen. Fußschwäche und Fußzwang können durch entsprechende Beratung und Schulung vermieden oder korrigiert werden, bevor strukturelle Formfehler entstehen.

In dem Vortrag „Das wächst sich schon raus“ werden Empfehlungen für die Beratung zum Schuhkauf und Fußtraining zusammengefasst.

Klumpfußtherapie nach Ponseti

Krankhafte

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