Übersichtsarbeiten - OUP 04/2013

Kurzreferate

Wir sehen, die Entscheidung zwischen Osteosynthese und Endoprothese bleibt aktuell und spannend. Nur wer beide Optionen mit entsprechender Expertise vorhält, wird dem einzelnen Patienten und dessen Frakturkonstellation gerecht werden.

Prof. Dr. Wolf Mutschler

Direktor der Klinik für Allgemeine, Unfall-, Hand- und Plastische Chirurgie

Nußbaumstraße 20

80336 München

 

Kurzreferat 7

Neuronale Mechanismen chronischer

Gelenkschmerzen

Hans Georg Schaible

4. Mai, 11 Uhr, Seminarraum 7/8

Eine schmerzhafte Gelenkerkrankung ist mit neuronalen Veränderungen auf allen Ebenen des nozizeptiven Systems verbunden. Gelenknozizeptoren des peripheren Nervensystems sind für mechanische Reize sensibilisiert, sodass sie bereits bei normalerweise nicht schmerzhaften Reizen (Bewegungen im Arbeitsbereich des Gelenks, Abtasten des Gelenks) ansprechen. Hinzu kommt die spinale Sensibilisierung: Rückenmarkneurone mit Gelenkafferenz werden übererregbar, was unter anderem dazu führt, dass sich die Zone der Schmerzhaftigkeit über das erkrankte Gelenk hinaus ausdehnt. Tatsächlich weisen z.B. Patienten mit Kniegelenkarthrose herabgesenkte Druckschmerzschwellen im gesamten Bein auf. Die spinale Sensibilisierung stellt einen Schmerzverstärkungsmechanismus dar. Die Sensibilisierung der Gelenkafferenzen und des Rückenmarks hat zur Folge, dass das nozizeptive thalamokortikale System, in dem die bewusste Schmerzempfindung entsteht, verstärkt aktiviert wird. Unter normalen Umständen können vom Hirnstamm absteigende Fasern die nozizeptive Aktivität auf der Ebene des Rückenmarks reduzieren. Wie bei Patienten mit chronischer Arthrose nachgewiesen wurde, zeigen solche deszendierenden Hemmsysteme unter chronischen Schmerzbedingungen eine deutlich reduzierte Aktivität. In einigen Arthritismodellen wurde darüber hinaus gezeigt, dass sich die Aktivierung des Nervensystems bei Arthritis nicht nur auf die Schmerzentstehung beschränkt. Über efferente neuronale Effekte kann das Nervensystem auch Entzündungsprozesse im Gelenk beeinflussen. Dadurch wird sekundär auch die Schmerzhaftigkeit mitbestimmt.

Die Sensibilisierung durch Zytokine ist langfristig und schwer reversibel

Die molekularen Mechanismen dieser neuronalen Veränderungen sind vielfältig. Es wird immer deutlicher, dass Faktoren des Immunsystems (Zytokine) ursächlich an den neuronalen Veränderungen beteiligt sind. Verschiedene Zytokine (TNF-?, Interleukin-6, Interleukin-17) können Gelenknozizeptoren für mechanische Reize sensibilisieren. Dies geschieht über einen neuronalen Angriffspunkt, denn viele Nozizeptoren exprimieren Rezeptoren für diese (und andere) Zytokine. Die durch
Zytokine induzierte Sensibilisierung ist langfristig. Auch spinal greifen Zytokine an. So wird bei Gelenkentzündung im Rückenmark Interleukin-6 freigesetzt, und dieses verstärkt die spinale Verarbeitung des nozizeptiven Eingangs aus dem Gelenk. Eine interessante Frage ist, ob die Neutralisierung proinflammatorischer Zytokine direkt analgetisch wirksam ist. Die bisher verfügbaren Daten zeigen, dass die Neutralisierung von TNF innerhalb von Stunden bis Tagen zu einer Abnahme der mechanischen Hyperalgesie führt, und zwar bevor die Entzündung selbst gelindert wird. Dies weist darauf hin, dass diese frühen Effekte neuronal vermittelt werden. Die sensibilisierende Wirkung von IL-6 ist nach unseren Daten eher schwer reversibel, weshalb diesem Zytokin möglicherweise eine besondere Bedeutung bei der Chronifizierung von Schmerzen zukommt. Diese Befunde sind primär bei der Erforschung der Schmerzmechanismen bei Arthritis entstanden. Da Zytokine auch eine wesentliche Rolle bei Arthrosen spielen (wobei nach Auffassung vieler Arthroseforscher auch bei Arthrosen entzündliche Vorgänge pathogenetisch bedeutsam sind), sind viele dieser Befunde möglicherweise auch für die Schmerzentstehung bei Arthrosen von Belang.

Prof. Dr. Hans-Georg Schaible

Institut für Physiologie 1/

Neurophysiologie

Universitätsklinikum Jena

Teichgraben 8

07740 Jena

 

Kurzreferat 8

Entzündliche Gelenkerkrankungen: rheumatoide Arthritis und Spondyloarthritiden – Was gibt es Neues?

Christoph Fiehn

3. Mai, 10.30 Uhr, Kongresssaal II:

Der enorme Zuwachs von Kenntnissen über immunologische Erkrankungen und die Entwicklung immer neuer wirksamer Therapien hat die Rheumatologie zu einem der spannendsten Gebiete der Medizin gemacht. Insbesondere die Einführung der TNF-alpha-Inhibitoren zur Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) und der Spondyloarthritiden zu Beginn des letzten Jahrzehnts hat das therapeutische Arsenal der Rheumatologen enorm erweitert. Die letzten Jahre wurden genutzt, die richtigen Therapiestrategien im Einsatz dieser Substanzen zu entwickeln.

Neue Substanzen

Darüber hinaus wurden mit dem Interleukin-6-Hemmstoff Tocilizumab, und den T- bzw. B-Lymphozyten-Antagonisten Abatacept und Rituximab neue Biologika zur Behandlung der RA zugelassen, welche spezifische Vor- und Nachteile zu den TNF-Inhibitoren haben.

Erstmals ist daher bei dieser Erkrankung eine sehr individuelle und differenzierte Therapieentscheidung mit einem großen Arsenal an Substanzen möglich. Dies wurde nun in einer neuen S1-Leitlinie zur Behandlung der RA festgelegt. Um das optimale Ergebnis zur Verhinderung von Funktionsverlust zu erreichen, wird dabei nach dem Prinzip des „treat to target“ vorgegangen, bei dem das Erreichen einer Remission der Erkrankung im Fokus steht. Das therapeutische Arsenal wird außerdem sehr bald durch einen neuen Wirkstoff ergänzt: Tofacitinib, ein oral zu gebendes Medikament aus der Klasse der Kinaseinhibitoren, steht in Deutschland kurz vor der Zulassung zur Behandlung der RA.

TNF-Inhibitoren nicht nur zur Schmerzlinderung

Im Gegensatz zur RA sind bei den Spondyloarthritiden bisher die TNF-Inhibitoren immer noch die einzigen Biologika mit einer erwiesenen Wirksamkeit. Hier hat sich die Forschung auf das Erkennen von frühen Formen der axialen Spondyloarthritiden und ihre richtige Behandlung konzentriert. Dabei waren bisher vor allem die Wirkungen auf Schmerz und Funktionsbeeinträchtigung durch die Erkrankung gezeigt worden. Erstmals ergeben sich nun aber Hinweise, dass der sehr frühe Einsatz von TNF-Inhibitoren möglicherweise doch auch das Fortschreiten der Ankylose der Wirbelsäule verhindern kann.

Prof. Dr. Christoph Fiehn

ACURA Rheumazentrum Baden-Baden

Rotenbachtalstraße 5

76530 Baden-Baden

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