Übersichtsarbeiten - OUP 04/2013

Kurzreferate

Der Rückenschmerz hat viele verschiedene Ursachen. Häufig führt ein Missverhältnis aus Belastung und Belastbarkeit zu Problemen. Auslöser sind u.a. Fehl- und Überlastungen im Beruf, im Alltag und insbesondere auch beim Sport: Häufige einseitige Belastungen des Rückens, ständige Arbeiten in Vorbeuge oder Armvorhalt, sowie das repetitive Heben und Tragen von schweren Lasten insbesondere in Vorbeuge und mit Rotation haben dabei eine besondere Bedeutung.

Rücken beanspruchende Tätigkeiten kommen insbesondere bei Berufen mit einseitigen, repetitiven oder schweren körperlichen Belastungen vor (u.a. Bauarbeiter, Heizungsmonteure, Hafenarbeiter). Besonders wirbelsäulenbelastende Sportarten sind z.B. Gewichtheben, Turnen, Radsport, Eisschnelllauf und Schwimmen (Delfin, Brust). Aber auch die tägliche Haus- und Gartenarbeit ist als Belastungsfaktor besonders zu beachten.

Die Prävention im Sinne von „arbeitsbezogenen Rückenschulen“ wird seit vielen Jahren erfolgreich durchgeführt. Die Vermeidung von übermäßigen Rückenbelastungen und die Verbesserung der muskulären Belastbarkeit stehen im Vordergrund.

Der präventive Einsatz von Stützbandagen ist sinnvoll

Eine Orthese ist ein äußerer Kraftträger zur Stützung, Entlastung oder Fixierung eines Körperabschnittes. Sie ist ein industriell oder durch einen Orthopädietechniker hergestelltes
medizinisches Hilfsmittel. Eine Rumpforthese ist starr oder
dynamisch, mit Abstützung am Becken oder Rumpfbereich. Sie dient dazu, Funktionen des Bewegungsapparates zu ersetzen, Fehlstellungen zu korrigieren, die Wirbelsäule zu stabilisieren und auch vor der Einwirkung äußerer Kräfte zu schützen.

Bandagen sind meist aufgebaut aus weichen, elastischen Stoffen, die die Gelenke vor Fehl- und Überlastung schützen sollen. Somit kann eine Rückenstützbandage unserem Ziel der Prävention bei wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten entsprechen. Historische Berichte zeigen, dass bei anderen Völkern vergleichbare unschätzbare praktische Erfahrungen der Belastungsminderung bereits in den Alltag Einzug gehalten haben und positive Auswirkungen bedingen. Epidemiologische Studien zur Anwendung von Rückenstützgurten, die sich schwerpunktmäßig über ein Jahr erstreckten, machten Angaben zur Reduktion von Rückenerkrankungen im Bereich um 50 % (38–89 %).

Aus der Praxis – für die Praxis

Nach derzeitigem Kenntnisstand kann davon ausgegangen werden, dass bei den Wirkmechanismen die Auswirkungen der mechanisch stabilisierend wirkenden Bewegungseinschränkung, die neurophysiologischen Effekte, die Erinnerungsfunktion und die thermoregulatorischen Veränderungen im Vordergrund stehen. Verschiedene Untersuchungsergebnisse zeigen, dass es durch das Tragen der Rückenstützbandagen zu keiner Einschränkung der neuromuskulären Aktivierung der rumpfstabilisierenden Muskulatur kommt. Dabei sind auch bei unerwarteten Belastungssituationen, die Bewegungsamplituden durch die Bandagen tendenziell eingeschränkt.

Dr. Uwe Schwokowski

Facharzt für Orthopädie

Schwerpunkt Rheumatologie

Schweriner Straße 53

23909 Ratzeburg

 

Kurzreferat 6

Die osteoporotische Fraktur:

Osteosynthese oder Endoprothese?

Wolf Mutschler

4. Mai, 8.30 Uhr, Kongresssaal I

Das Ziel jeder Art von Frakturbehandlung, ob konservativ oder operativ, ist die Wiederherstellung der Funktion und Lebensqualität mit dem geringst möglichen Risiko. Diese „Restitutio ad ante“ ist schwieriger zu erreichen, wenn es um alte Menschen mit osteoporotischen Knochen, multiplen Komorbiditäten und geringeren Kooperations- und Kompensationsfähigkeiten geht. Der Heilungsprozess der Frakturen verläuft langsamer, die lokalen und systemischen Komplikationsraten sind höher und die technischen Schwierigkeiten bei einer Osteosynthese sind größer. Einerseits! Andererseits stehen uns heute mit der Entwicklung von winkelstabilen Osteosynthesematerialien für jede Körperregion und der Verfügbarkeit ausgeklügelter Endoprothesen“familien“ vielfältige Optionen zur Verfügung, um das genannte Ziel der Frakturbehandlung trotzdem zu verwirklichen.

Die Frage Osteosynthese oder Endoprothese stellt sich bei allen periartikulären (metaphysären) und Gelenkfrakturen/ Luxationsfrakturen der großen Körpergelenke, also Hüftgelenk/proximaler Femur, proximaler Humerus, Ellenbogengelenk und Kniegelenk des alten Menschen. Sie machen in Deutschland rund 20 % aller stationär behandelten Patienten mit Frakturen aus! Generell wird die Entscheidungsfindung von 4 Hauptparametern bestimmt:

  • 1. der Frakturkonfiguration und der mutmaßlichen Knochenqualität
  • 2. dem Gesundheitszustand des Patienten, seinen Erwartungen und seiner Kooperationsfähigkeit
  • 3. den operationstechnischen, biomechanischen und biologischen Vor- und Nachteilen des jeweiligen Verfahrens, nach bestmöglicher Evidenz gewichtet und
  • 4. der Erfahrung und Präferenz der Operateure. Daraus entsteht ein Algorithmus, der im Einzelfall zu einer gut begründeten Lösung beiträgt.

Die Entscheidung fällt technisch und biologisch

In der Literatur ist unstrittig, dass zunächst immer die Option einer gelenkerhaltenden Osteosynthese erwogen wird. Für eine primäre Endoprothese wird man sich entscheiden, wenn die Osteosynthese technisch nicht durchführbar erscheint oder biologisch nicht sinnvoll ist. Technisch kann eine extreme Osteoporose, eine ausgedehnte meta-diaphysäre Trümmerzone oder eine zu kurze Verankerungsstrecke bei sehr gelenknahen Frakturzonen die sichere Fixation und ausreichende Stabilität für eine funktionelle Nachbehandlung verhindern. Biologisch ist eine Osteosynthese dann nicht sinnvoll, wenn eine schmerzhafte Arthrose vorbesteht oder ausgedehnte traumatische Knorpelläsionen eine frühzeitige Arthrose erwarten lassen, wenn durch die Unterbrechung der Blutzufuhr eine avaskuläre Knochennekrose wahrscheinlich ist oder vorbestehende/traumatische Kapsel-Bandinstabilitäten die Gelenkzentrierung und Gelenkführung verhindern. Auch bei tumorbedingten pathologischen Frakturen ist die Endoprothese die erste Wahl.

In Kliniken müssen beide Optionen
vorgehalten werden

Diese allgemeinen Überlegungen sollen an einigen Beispielen verdeutlicht werden. Bei der Schenkelhalsfraktur des alten Menschen wird bei geringer Dislokation (Garden I/II) die prophylaktische Stabilisierung mit Schraubenosteosynthese empfohlen, bei höherem Dislokationsgrad (Garden III/IV) ist dagegen bei einer Osteosynthese mit Revisionsraten von 30–40 % zu rechnen, sodass hier die primäre Endoprothetik klar überlegen ist. Je nach Aktivitätsgrad und Morbidität des Patienten wird man dabei zwischen Vollprothese und Hemiprothese entscheiden. Ganz anders ist die Evidenzlage für die proximale Femurfraktur: Hier dominiert die Osteosynthese, die Endoprothese ist Einzelfällen mit ausgedehnter Zertrümmerung, hochgradiger Osteoporose und vorbestehender Coxarthrose vorbehalten. Die Osteosynthese ist auch Methode der Wahl bei Frakturen des distalen Femur und der proximalen Tibia, Endoprothesen können bei periprothetischen Frakturen und sekundär notwendig werden. Viel diskutiert und mit noch wenig Evidenz belegt ist die Verfahrenswahl am proximalen Humerus, v.a. für die instabilen 3- und 4-Fragmentfrakturen, weil sich sowohl die Osteosyntheseverfahren als auch die Endoprothesenmodelle in den letzten Jahren auf die Alterstraumatologie fokussieren und die Bedingungen des alten Menschen reflektieren. Winkelstabile Implantate, Frakturprothesen und inverse Prothesen (bei vorbestehender Rotatorenmanschetteninsuffizienz) haben so ihren jeweiligen Platz mit Indikationsüberschneidungen.

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